Etwa jede 3. transplantierte Niere geht verloren, weil der Patient mit einem funktionierenden
Organ verstirbt. Verursacht wird der Tod vor allem durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Malignome und Infektionen. Die Daten einer europäischen Studie [1] decken sich weitgehend mit der Dokumentation des Universitätsklinikums München-Großhadern
[2].
Direkte und indirekte Risikofaktoren überlappen
Direkte und indirekte Risikofaktoren überlappen
Vor diesem Hintergrund darf sich das Nachsorgemanagement nicht nur auf das transplantierte
Organ konzentrieren, sondern muss von Anfang an auch prognostisch relevante, nicht
immunologische Risikofaktoren beachten. Die Grenzen sind allerdings fließend.
So erhöht eine Hypertonie nicht nur das Risiko für die Entwicklung kardiovaskulärer
Erkrankungen, sondern auch für das Versagen des Nierentransplantats [3]. Umgekehrt ist ein hohes Serumkreatinin nicht nur ein Marker für die nachlassende
Leistungsfähigkeit des transplantierten Organs, sondern auch ein Prädiktor für die
Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten 10 Jahre kardiovaskulär bedingt zu versterben
[4]. Ähnliches gilt für opportunistische virale Infektionen. Sie gehen nicht nur per
se mit einer hohen Letalität einher, sondern bedrohen - wie vor allem CMV (Zytomegalievirus)
oder BKV (Polyomavirus vom Typ 1) - die Integrität der transplantierten Niere auch
unmittelbar.
"Zünglein an der Waage" ist häufig die Immunsuppression
"Zünglein an der Waage" ist häufig die Immunsuppression
Eine wichtige Stellschraube im Nachsorgemanagement ist die Immunsuppression. Diese
ist vor allem jenseits der vulnerablen Frühphase der Nierentransplantation (NTX) wichtig.
Der Standard zur initialen Abstoßungsprophylaxe ist gegenwärtig die 3-fach-Kombination
von Calcineurininhibitor (Ciclosporin oder Tacrolimus), Steroid und Antimetabolit
(Mykophenolsäure oder - selten - Azathioprin).
Nachdem die Wundheilung abgeschlossen und die Organfunktion stabilisiert sind, kann
eine Modifikation der Basisimmunsuppression erwogen werden. Das gilt besonders dann,
wenn der Nutzen auf lange Sicht durch die Risiken zunichte gemacht wird. Die maßgeblichen
prognoselimitierenden Nachteile der Calcineurininhibitoren (CNI) sind ihre nephrotoxischen
Eigenschaften, ihre blutdrucksteigernden und diabetogenen Effekte und ihr kanzerogenes
Potenzial. Als Alternative bietet sich Sirolimus an, das als mTOR-Inhibitor (mTOR:
"mammalian Target of Rapamycin") über eine andersartige pharmakodynamische Zielstruktur
in das Immunsystem eingreift und somit über ein anderes Nutzen-Risiko-Profil verfügt.
Anhaltspunkte, unter welchen Voraussetzungen eine Umstellung der Basisimmunsuppression
auf Sirolimus sinnvoll sein kann, haben Transplantationsexperten 2005 im Rahmen einer
Konsensuskonferenz zusammengestellt [5]. Kandidaten sind unter anderem NTX-Patienten mit
-
CNI-Nebenwirkungen wie Nephrotoxizität, Hochdruck oder Diabetes mellitus
-
einem schleichendem Anstieg des Serumkreatinins oder einer chronischen Transplantatnephropathie
-
einer Tumoranamnese oder einer Tumorerstmanifestation bzw. einem -rezidiv
-
einer therapieresistenten Zytomegalievirusinfektion.
Vermindertes Krebsrisiko
Vermindertes Krebsrisiko
Immer einen Versuch wert ist die Modifikation der Abstoßungsprophylaxe bei NTX-Patienten
mit Tumoranamnese oder Tumorerstmanifestation/-rezidiv. Unter einer Basisimmunsuppression
mit Sirolimus erkranken signifikant weniger Nierentransplantatempfänger an Krebs als
unter der Therapie mit einem Calcineurininhibitor, wie inzwischen durch die Ergebnisse
einer Vielzahl von klinischen Vergleichsstudien belegt wird. Dazu kommen die Daten
von Verlaufsbeobachtungen großer Populationen in den USA (Datenbank des "United Network
for Organ Sharing"/33 249 NTX-Patienten [14]) und Deutschland (Universitätsklinikum München-Großhadern/2 419 NTX-Patienten [15]).
Zeitpunkt für die Umstellung nicht verpassen
Zeitpunkt für die Umstellung nicht verpassen
Zur Diskussion steht noch immer der richtige Zeitpunkt für den Beginn einer Immunsuppression
mit Sirolimus. Unmittelbar nach der NTX sollte der Einsatz vermieden werden. Das Konsensuspapier
empfiehlt einen Abstand von 3-6 Monaten. Auf der anderen Seite sollte bei Hinweisen
auf die Entwicklung einer chronischen Transplantatnephropathie auch nicht zu lange
mit der Umstellung von einem CNI auf Sirolimus gewartet werden. Je größer der zeitliche
Abstand zur NTX und je schlechter die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), desto geringer
sind die Chancen für eine Erholung der Nierenfunktion [6]. Den "point of no return" markiert allem Anschein nach eine GFR von 40 ml/min und/oder
eine Proteinurie von 800 mg/d [7], [8].
Man muss mit der Umstellung der initialen Basisimmunsuppression nicht unbedingt 3
Monate warten, wie erste Ergebnisse der SMART[1]-Studie erkennen lassen: Der Wechsel von einem CNI auf Sirolimus wirkt sich bereits
nach dem Abschluss der Wundheilung positiv auf die Transplantatfunktion aus. In 6
deutschen Transplantationszentren hatte man bei 141 Patienten 10-21 Tage nach einer
NTX randomisiert entweder das initiale CNI-basierte Regime (Ciclosporin plus Mykophenolatmofetil
plus Steroid nach Induktionstherapie mit Antithymozytenglobulin F) beibehalten oder
den Calcineurininhibitor gegen Sirolimus ausgetauscht.
Der Vorteil der Konversion manifestierte sich früh. Die GFR (primärer Endpunkt) war
bei Patienten im Sirolimusarm ab dem 7. Tag bis zum Ende des derzeit überschauten
12-monatigen Beobachtungsraums signifikant besser (p < 0,01) als im Vergleichskollektiv
unter der Fortsetzung der CNI-basierten Immunsuppression. Der frühe Verzicht auf den
CNI ist zudem nicht mit einer höheren Inzidenz akuter Abstoßungsreaktionen oder mehr
Wundheilungsstörungen erkauft worden.
Günstiges kardiovaskuläres Profil
Günstiges kardiovaskuläres Profil
Für die Umstellung auf Sirolimus spricht ebenfalls, dass nicht mit der Entwicklung
einer Hypertonie zu rechnen ist bzw. eine gute Chance auf die Reversion eines CNI-bedingten
Blutdruckanstiegs besteht. Darüber hinaus scheint Sirolimus einen von hämodynamischen
Mechanismen unabhängigen kardioprotektiven Effekt zu besitzen, wie eine Untersuchung
an der Universitätsklinik Genua (Italien) erkennen lässt.
Klinikmitarbeiter hatten dort bei 14 NTX-Patienten mit chronischer Transplantatnephropathie
vor und 12 Monate nach der Umstellung der Basisimmunsuppression von einem CNI auf
den mTOR-Inhibitor eine Echokardiografie durchgeführt. Dabei war eine signifikante
(p < 0,001) Reduktion des LVMI (Index für die linksventrikuläre Masse) dokumentiert
worden. Abgenommen hatte vor allem die Ventrikelwanddicke, während die enddiastolischen/-systolischen
Ventrikeldurchmesser nahezu gleich geblieben waren. Bei der weiterhin mit einem CNI
behandelten, bezüglich Alter und NTX-Zeitpunkt gematchten Kontrollgruppe (n = 26)
hatten sich dagegen die echokardiografischen Parameter nur unwesentlich verändert.
Beide Kollektive waren gleichermaßen gut antihypertensiv eingestellt (ohne Einsatz
von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems) [9].
Dieses Ergebnis ist vor allem deshalb von klinischer Relevanz, weil die Linksherzhypertrophie
- unabhängig von anderen Faktoren - das Risiko, jenseits des 5. Jahres nach einer
Nierentransplantation zu versterben oder eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, etwa
verdoppelt [10].
Schutz vor CMV- und BKV-Infektionen?
Schutz vor CMV- und BKV-Infektionen?
Seit einiger Zeit verdichtet sich der Eindruck, dass Sirolimus einen spezifischen
antiviralen Effekt besitzt. Die Hypothese stützt sich vorrangig auf klinische Beobachtungen,
während Theorien zu den pharmakodynamischen Mechanismen noch weitgehend Spekulation
sind.
Die meisten Daten liegen zum Zytomegalievirus vor: Eine Metaanalyse von 9 kontrollierten
Studien mit insgesamt 3 248 Transplantatempfängern kommt zu dem Ergebnis, dass unter
einer Immunsuppression mit dem mTOR-Inhibitor das relative Risiko für eine CMV-Infektion
um 43 % bzw. 60 % geringer ist als bei dem Einsatz eines Calcineurininhibitors bzw.
Antimetaboliten (Abb. [1]). Auch in der SMART-Studie sind im Sirolimus-Arm signifikant seltener CMV-Infektionen
aufgetreten als im Vergleichskollektiv unter traditioneller CNI-basierter Immunsuppression
(p < 0,01).
Abb. 1 Risiko für eine CMV-Infektion unter einer Immunsuppression mit und ohne Sirolimus
(Metaanalyse von 9 kontrollierten Studien mit 3 248 Transplantatempfängern). nach [11]
Zum Management von Polyomavirämien unter Einbeziehung von Sirolimus liegen ebenfalls
klinische Erfahrungen vor. Am Transplantationszentrum in Baltimore (USA) hatte man
randomisiert das Screening auf BK-Viren in der 5. Woche nach Transplantation plus
gegebenenfalls Modifikation des immunsuppressiven Regimes (n = 648) mit dem Standardvorgehen
(n = 260) verglichen. Die signifikant seltenere Persistenz der Polyomavirämien nach
6 (20 versus 52 %; p = 0,009) und 12 (2 versus 33 %; p = 0,003) Monaten kann als Beleg
für den Nutzen einer intensivierten Vorgehensweise angesehen werden. Einen nicht unerheblichen
Anteil an diesem Erfolg hat - mit einer Odds-Ratio von 10 - allem Anschein nach der
Wechsel von Tacrolimus auf Sirolimus gehabt [12]. Ebenfalls engmaschig auf BK-Viren untersucht und bei einem positiven Befund von
Tacrolimus auf Sirolimus umgestellt (plus Komedikation mit Leflunomid und Prednisolon)
wurde eine Kohorte von NTX-Patienten an der Universität von Calgary (Kanada). Mit
dieser Stategie hat man bei 85 % der Fälle eine Clearance der BK-Virämie erreichen
können [13].
Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster
Die Beitragsinhalte stammen von Vorträgen bei der 17. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft
Die Autorin ist freie Journalistin
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