Dialyse aktuell 2009; 13(1): 16
DOI: 10.1055/s-0029-1202949
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„Modellprojekt Organspende” – Neuer Ansatz zur Förderung der Organspende

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Publication Date:
10 February 2009 (online)

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In Westfalen sterben rund 150 von 750 Menschen pro Jahr, während sie auf ein neues Organ warten. Deutschlandweit könnten 3–mal so viele Patienten wieder ein annähernd normales Leben führen, würde der Zugang zu Spenderorganen verbessert. „Wir haben uns vor 2 Jahren Gedanken gemacht, was wir an unserem Transplantationszentrum leisten können, um diese Schere kleiner zu machen”, erläutert Prof. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Münster (UKM). Das Ergebnis heißt „Modellprojekt Organspende” und ist bislang einzigartig. Unterstützt wird das Projekt von dem forschenden Arzneimittelunternehmen Wyeth Pharma GmbH.

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„Wir wollen es den Krankenhäusern so einfach wie möglich machen”

Prof. Hartmut Schmidt, Transplantationsbeauftragter am UKM, hat gemeinsam mit Roeder, Prof. Norbert Senninger, PD Jens Brockmann, PD Heiner Wolters und Prof. Hermann–Joseph Pavenstädt das „Modellprojekt Organspende” entwickelt. „Eine Explantation ist eine zusätzliche Belastung im ohnehin dichten Arbeitsalltag von medizinischen Fachkräften. Für manche Krankenhäuser bedeutet eine Organentnahme, dass der gesamte Dienstplan durcheinander gewirbelt wird”, erklärt Schmidt.

3 Uhr nachts: Das Chirurgenteam des UKM bekommt einen Anruf, dass ein Organspender irgendwo in Westfalen–Lippe identifiziert ist. Das Explantationsteam des UKM fährt zu dem Krankenhaus, in dem der Spender liegt. Eine Explantation darf nur von einem Chirurgenteam eines Transplantationszentrums durchgeführt werden. Das heißt aber, dass die Chirurgen in einem anderen Krankenhaus und in einem fremden OP–Saal arbeiten, denn dort ist häufig der Ort der Organentnahme.

Mit Unterstützung von Wyeth Pharma schickt das UKM, wenn gewünscht, eine OP–Pflegekraft mit. Diese hält spezielle Lösungen für das Spenderorgan bereit, führt Telefonate, assistiert am OP–Tisch und erledigt Organisatorisches rund um die Explantation. Durch diese Neuerung kann das Krankenhaus, in dem die Organentnahme stattfindet, darauf verzichten, eine eigene OP–Pflegekraft zu stellen. Neben der praktischen Hilfe dokumentiert die Pflegekraft auch die Daten zur Organqualität. So können nach der Transplantation die gesammelten Daten in Beziehung zum Gesundheitszustand des Patienten gesetzt werden. „Wir wollen Transplantationserfolge überprüfen”, erläutert Schmidt.

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33 Pflegekräfte meldeten sich freiwillig

UKM–Pflegedirektor Michael Rentmeister hat seine Vorstandskollegen in deren Vorhaben unterstützt, Pflegekräfte zu einer Explantation mitzuschicken. Innerhalb der Pflege wurde erfragt, wer bereit sei, gegen eine geringe Aufwandsentschädigung das Chirurgenteam zu begleiten – außerhalb der eigenen Dienstzeit. „Wir hätten 7 Pflegekräfte gebraucht”, erzählt Roeder. Gemeldet haben sich 33. Rentmeister befürwortet das Projekt, obwohl er weiß, dass eine Pflegekraft, die nachts mit dem Explantationsteam unterwegs war, unter Umständen am nächsten Morgen 2 Stunden später zum Dienst kommt.

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Ärzte und Pflegekräfte informieren und schulen

Die Hilfe durch eine Pflegekraft bei der Organentnahme und die Dokumentation ist die eine Seite des Modellprojekts. Auf der anderen Seite steht Dorothee Lamann. Sie ist mit einer halben Stelle als „Organspendebeauftragte” am UKM abgestellt. Innerhalb des eigenen Hauses schult sie Ärzte und vor allem Pflegekräfte zum Thema Organspende. Pflegekräfte fragen sich zum Beispiel, ob die Hirntoddiagnostik sicher sei, wer in welcher Reihenfolge zu informieren ist oder ob ein Patient, der wegen eines Nierenversagens gestorben ist, noch als Leberspender in Frage kommt.

Die ständige Schulung bzw. Information ist ein Schwerpunkt von Lamanns Arbeit. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Gespräch mit Angehörigen, um die Bereitschaft zur Organspende zu klären. Kein leichter Job. ”Aber wenn ich sehe, wie gut es Patienten nach einer Transplantation geht, dann weiß ich, wofür ich arbeite”, sagt Lamann. Der 3. Baustein des Modellprojekts ist das Servicetelefon, das 24 Stunden besetzt ist und von allen internen und externen Fachkräften, die am Ablauf einer Organspende beteiligt sind, angewählt werden kann. ”Unsere Hoffnung ist, dass wir mit dem Modellprojekt unseren eigenen Mitarbeitern, aber auch den Kollegen in den benachbarten Krankenhäusern, so viel Service anbieten, dass die Zahl der Organspender deutlich wächst”, fasst Schmidt zusammen.

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Innovatives Projekt mit hoch spezialisiertem Team

Ermöglicht wird das bundesweit einzigartige „Modellprojekt Organspende” durch die Unterstützung von Wyeth Pharma. Mit insgesamt 240 000 Euro über 3 Jahre fördert das in Münster ansässige Unternehmen das Modellprojekt. „Neben einem innovativen Projekt unterstützen wir auch ein erfolgreiches und hoch spezialisiertes Team”, so der Vorsitzende der Geschäftsführung von Wyeth Pharma, Dr. Timm Volmer.

Um dem „Modellprojekt Organspende” am UKM zum maximalen Erfolg zu verhelfen, hat der ärztliche Vorstand eine weitere Neuerung eingeführt: Eine UKM–Klinik kann die Akte eines verstorbenen Patienten erst dann schließen, wenn in seinen Unterlagen die Frage nach einer möglichen Organentnahme beantwortet ist. „Wir werden Angehörige niemals zu einer Organentnahme bei einem verstorbenen Verwandten drängen”, betont Roeder. „Aber mit dieser Maßnahme zwingen wir uns selbst dazu, das Thema immer wieder ins Bewusstsein zu holen.”

Quelle: Pressemitteilung „UKM stellt Pflegekräfte für Organspende anderen Häusern zur Verfügung. Das Ziel: Förderung der Organspende”, herausgegeben vom Universitätsklinikum Münster