In Deutschland ist ein ernstes Nachwuchsproblem in der Chirurgie entstanden. Um die
Ursachen zu beleuchten, erfolgt eine Studie zur Lebensqualität in diesem Beruf. Die
erste Befragung fand auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie
und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
(DGU) vom 22. - 25. Oktober 2008 in Berlin statt.
Der Status von Chirurgen und Orthopäden wird in unserer Gesellschaft als sehr hoch
eingeschätzt. Stehen sie erst einmal im Arbeitsleben, so haben sie die höchste Arbeitsbelastung
aller Klinikärzte (Schikora, 2007) und tragen eine große Verantwortung für ihre risikoreiche
ärztliche Tätigkeit (Carter, 2003).
Schattenseiten des Berufs
Schattenseiten des Berufs
In den letzten Jahren hat sich ihr Arbeitsalltag dramatisch und zu ihren Ungunsten
verändert: Neben der als positiv erlebten praktisch-operativen Tätigkeit sind zunehmend
administrative und patientenferne Tätigkeiten wie die Codierung von Diagnosen und
Eingriffen zu erledigen. Überstunden fallen sehr häufig an und schränken in hohem
Maße ein geregeltes Privat- und Familienleben ein (Jurkat und Reimer, 2001). Erschwerend
kommt hinzu, dass die hohe Arbeitsbelastung und der Verlust an Privatleben in einem
Ungleichgewicht zur mäßigen Bezahlung stehen; vor allem im Vergleich zu der Entlohnung
in anderen europäischen Ländern, fühlen sich viele Klinikärzte in Deutschland unterbezahlt.
Mögliche Folgen dieser Belastungen in der Ausbildung und im Arbeitsalltag sind - sofern
sich Chirurgen und Orthopäden nicht zur Abwanderungen ins Ausland entschließen - Substanzabhängigkeit,
Disruptive Behaviour (rüpelhaftes Benehmen in Führungspositionen als Persönlichkeitsstörung)
und Burn out.
Die Schattenseiten des Berufs haben inzwischen dazu geführt, dass in Deutschland ein
ernstes Nachwuchsproblem in der Chirurgie entstanden ist. Es stellt sich deswegen
die Frage, warum sich Akademiker diesen Stress selbst zumuten. Worin besteht unter
diesen Umständen die Motivation als Chirurg tätig zu sein?
Die beschriebenen Belastungen der chirurgischen Ausbildung und Tätigkeit einerseits
und das große praktische und wissenschaftliche Engagement der Chirurgen für die Lebensqualität
ihrer Patienten (Troidl et al., 1987) andererseits führen konsequenterweise zu folgender
Frage: Wie ist es um die Lebensqualität von Chirurgen und Orthopäden in Deutschland
bestellt? Zu dieser Frage existieren bis dato keine zuverlässigen Daten. Zwar wurde
in der Literatur gelegentlich über die Lebensqualität anderer ärztlicher Berufsgruppen
berichtet (Berberich & Brähler, 2006; Jurkat & Reimer, 2001), aber eine systematische
Analyse der beruflichen Situation, der Karriereperspektive, der familiären Einbindung
und der resultierenden Lebensqualität von Chirurgen ist im deutschsprachigen Raum
noch nie durchgeführt worden. Diesem Themenkomplex widmet sich unsere Studie, die
im Auftrag und mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie durchgeführt
wird.
Befragung von Kongressbesuchern
Befragung von Kongressbesuchern
Bei der Studienpopulation handelt es sich um Chirurgen aller Fachrichtungen (inklusive
Orthopäden und Unfallchirurgen), die einen der acht großen Kongresse der Deutschen
Gesellschaft für Chirurgie (Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaften für Chirurgie
und Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Kinderchirurgie, Thoraxchirurgie,
Neurochirurgie, und Plastische Chirurgie) in den Jahren 2008 bis 2009 besuchen.
Ergebnisse im Herbst 2009 erwartet
Ergebnisse im Herbst 2009 erwartet
Die erste Befragung fand nun mit großem Erfolg auf der Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und der Deutschen
Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) vom 22. - 25. Oktober in Berlin statt [siehe Abb.].
Prof. Dr. Grifka, Dr. Renkawitz und Studienteam der Universität Würzburg am Kongressstand
der Jahrestagung der DGOOC und DGU in Berlin 22. – 25. 0.2008 bei der Preisverlosung
(von links nach rechts: Dr. T. Renkawitz, PD Dr. med. T. Bohrer, Dr. H. Krannich,
B. Kögel [Doktorandin des Projektes], Prof. Dr. Grifka)
Die hohe Beteiligung - 1 069 Kongressbesucher haben den Fragebogen ausgefüllt - unterstreicht
die Aktualität und Wichtigkeit des Themas. Es scheint an der Zeit, dass sich Chirurgen
und Orthopäden über ihre eigene Lebensqualität Gedanken machen, nachdem sie sowohl
in ihrem täglichen ärztlichen Handeln als auch in der wissenschaftlichen Arbeit die
Lebensqualität ihrer Patienten als zentrales Ziel verfolgen.
Es ist geplant, die Studienergebnisse auf der kommenden Jahrestagung der DGOOC und
DGU 2009 zu präsentieren und so empirische Grundlagen für berufspolitische Diskussionen
zu schaffen.
T. Bohrer [1], M. Koller [2], B. Kögel [1], H. Krannich [1], T. Börgens [1], T. Renkawitz [3], K. Neukam [1], J. Grifka [3], H. Bauer [4]