Dialyse aktuell 2009; 13(1): 48-49
DOI: 10.1055/s-0029-1202197
Forum der Industrie

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SMART-Studie: Konversion auf Sirolimus zwei bis drei Wochen nach Nierentransplantation - Bessere Nierenfunktion bei frühem Verzicht auf Calcineurininhibitoren

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04 February 2009 (online)

 
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Zwischen dem Bedarf und Angebot an geeigneten Spendern gibt es eine große Diskrepanz. Daher werden heute auch Organe zur Nierentransplantation (NTX) akzeptiert, die man noch vor 15 oder 20 Jahren abgelehnt hätte. "Ein Transplanteur kann es sich heute einfach nicht mehr erlauben, ein Organ per se abzulehnen, sondern muss zunächst sehr genau prüfen, ob es einen triftigen Grund dafür gibt", führte PD Dr. Johann Pratschke, Berlin, die Situation vor Augen. Bei der Transplantation marginaler Nieren sei das Nachsorgemanagement sehr wichtig. Denn mit jedem transplantierten Organ, das wieder verloren geht, werde die Warteliste noch länger.

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Januskopf der Immunsuppression

Zwei Komplikationen bedrohen eine transplantierte Niere besonders: akute Abstoßungsreaktionen in den ersten 3 Monaten und im späteren Verlauf die chronische Transplantatnephropathie, wobei die zeitlichen Übergänge fließend sind. Eine Abstoßungsreaktion kann zu einem Organverlust oder sogar zum Tod des Patienten führen, aber es bleibt in der Regel auch dann ein Schaden zurück, wenn die akute Situation wieder unter Kontrolle ist: Die Niere habe gewissermaßen ein Gedächtnis, erläuterte Pratschke. Anders als bei der regenerationsfähigen Leber sind zerstörte Nierenglomeruli für immer verloren.

Neben der Organqualität stellt daher die Immunsuppression einen entscheidenden Faktor für die Prognose des Transplantats dar. Heute ist eine medikamentöse 3-fach-Kombination Standard: Sie basiert auf einem Calcineurininhibitor (Ciclosporin oder Tacrolimus) plus Steroid und Mykophenolsäure (oder - inzwischen selten - Azathioprin). Vor allem die Einführung der Calcineurininhibitoren (CNI) hat die fulminante Entwicklung der Transplantationsmedizin erst ermöglicht. Allerdings können diese Substanzen, die akut zuverlässig vor Abstoßungsreaktionen schützen, auf Dauer Nebenwirkungen haben. Diese wirken sich direkt (Nephrotoxizität) und indirekt (Hypertonie und Diabetes mellitus) negativ auf die Transplantatfunktion aus (Tab. [1]).

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Tab. 1 Nebenwirkungsprofil der Immunsuppressiva.

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Chronische Transplantatnephropathie: multifaktorielle Genese

Jenseits der kritischen NTX-Frühphase ist die chronische Transplantatnephropathie mit rund 40 % die häufigste Ursache für einen Organverlust [1]. Die Pathogenese ist komplex und multifaktoriell, wobei nach Aussage von Prof. Christian Hugo, Erlangen, nichtimmunologische Faktoren zunehmend an Bedeutung gewinnen (Abb. [1]). Eine Schlüsselrolle komme wahrscheinlich der CNI-Nephrotoxizität zu. Besonders "empfänglich" dafür sind vorgeschädigte Organe, beispielsweise von suboptimalen Spendern oder mit langer Ischämiezeit. Zusätzliche Trigger sind eine Hypertonie, Hyperglykämie und/oder Hyperlipidämie. Die typischen histologischen Veränderungen wie interstitielle Fibrose, tubuläre Atrophie und arterioläre Hyalinose manifestieren sich in der Regel bereits innerhalb des ersten Jahres nach einer NTX [2]. Das klinische Warnzeichen ist das "creeping creatinin".

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Abb. 1 Pathogenese der chronischen Transplantatnephropathie. nach [6]

Der Anstieg des Serumkreatinins macht aber nicht nur auf die schleichende Zerstörung des transplantieren Organs aufmerksam. Sie ist auch ein Prädiktor für das Risiko innerhalb der nächsten 10 Jahre an einer kardiovaskulären Komplikation zu versterben - der häufigsten, nicht unmittelbar transplantationsassoziierten Todesursache von NTX-Patienten [3].

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Nutzen-/Risiko-Profil zeigt Vorteile für mTor-Inhibitoren

Dieses nephrotoxische Nebenwirkungsprofil sei der Grund, die CNI-Therapie zeitlich zu minimieren oder ganz zu vermeiden, gab Hugo einen generellen Trend in der heutigen Transplantationsmedizin wieder. Als Alternative biete sich ein mTOR-Inhibitor (mTOR: "mammalian Target of Rapamycin") wie Sirolimus an. Die inzwischen mehr als 10-jährigen klinischen Erfahrungen signalisieren 2 wesentliche Vorteile des völlig anderen Wirkprinzips: keine Nephrotoxizität und ein geringeres Risiko für maligne Neoplasien. Derzeit wird noch über den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz von Sirolimus diskutiert.

Ein Therapiebeginn unmittelbar nach der NTX wird nicht favorisiert. Dabei stützt man sich vor allem auf die Daten der ELITE[1]-Symphony-Study [4]. Bei diesem bis jetzt größten Vergleich verschiedener Regime zur primären Immunsuppression waren im (möglicherweise unterdosierten) Sirolimus-Kollektiv nach einem Jahr mehr akute Abstoßungsreaktionen aufgetreten als in den anderen Gruppen mit entweder Ciclosporin oder Tacrolimus als Basisimmunsuppression. In einer anderen Untersuchung zur initialen Therapie mit Sirolimus mit inzwischen 5-jähriger Nachbeobachtungsdauer wurden dagegen in puncto Abstoßungsinzidenz keine signifikanten Unterschiede zu Ciclosporin beobachtet bei einer sehr guten Überlebensrate der Nierentransplantate [5].

Wird die kritische NTX-Frühphase umgangen, ist nicht mit einem erhöhten Abstoßungsrisiko zu rechnen. In der für die Zulassung relevanten Studie hatten alle Patienten zunächst sowohl Sirolimus als auch Ciclosporin (plus ein Steroid) erhalten. Bei der Hälfte der Studienteilnehmer wurde randomisiert erst 3 Monate nach der NTX der CNI schrittweise abgesetzt. Diese Strategie ist erfolgreich, wie die Daten der Extensionsstudie erkennen lassen: Auch nach 5 Jahren zeigte sich unter der CNI-freien Immunsuppression eine sehr gute glomeruläre Filtrationsrate (GFR).

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SMART-Studie: Wechsel auf Sirolimus nach Abschluss der Wundheilung

Folgt man dem Leitsatz "vorbeugen ist besser als reparieren", dann sollte die Dauer, die eine transplantierte Niere den nephrotoxischen Eigenschaften der CNI ausgesetzt ist, so kurz wie möglich sein. Eine Gruppe deutscher Transplantationsmediziner initiierte unter Federführung von Prof. Karl-Walter Jauch, München, die SMART[3]-Studie: Ziel war herauszufinden, ob eine Umstellung auf Sirolimus bereits nach der Wundheilung sicher möglich ist und ob sich dies im Langzeitverlauf günstig auf die GFR auswirkt.

Für die Studie wurden in Berlin, Erlangen, München, Münster, Regensburg und Rostock 141 NTX-Patienten mit einem komplikationsarmen postoperativen Verlauf (gute Wundheilung, keine steroidresistenten Abstoßungsreaktionen, weniger als 30 % reaktive Antikörper) rekrutiert. Die Randomisierung erfolgte 2-3 Wochen nach der Operation: Entweder wurde das initiale ciclosporinbasierte Regime beibehalten oder der Calcineurininhibitor gegen Sirolimus ausgetauscht. Die Studienkollektive waren in Hinblick auf das Alter der NTX-Empfänger und -Spender (im Mittel beide 47 Jahre), Anteil an Lebendspenden (12 bzw. 10 %), kalte Ischämiezeit (12 bzw. 13 h), HLA-Mismatch (2,8 bzw. 2,9; HLA: "Human Leukocyte Antigen") und anderer Variablen gut vergleichbar.

Der primäre Zielparameter war die GFR. Bereits nach 7 Tagen sei ein signifikanter Unterschied zugunsten der Konversion erkennbar gewesen, berichtete Jauch. Der Vorteil gegenüber der traditionellen CNI-basierten Immunsuppression habe am Ende des 12-monatigen Beobachtungsraums im Schnitt bei 12 ml/min gelegen (p < 0,01). Der frühe Verzicht auf den CNI wurde nicht mit einer höheren Inzidenz akuter Abstoßungsreaktionen oder vermehrten Wundheilungsstörungen/Lymphozelen erkauft. Dagegen war im Sirolimuskollektiv die Inzidenz von Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) signifikant niedriger als in der Ciclosporingruppe (p < 0,01). Das bestätige den auch schon in anderen Studien beobachteten Trend, kommentierte Jauch.

Leider sei trotz der guten Verträglichkeit die Zahl der Studienabbrüche im Konversionsarm fast doppelt so hoch gewesen als in der Kontrollgruppe mit traditioneller Immunsuppression. Das könne auf einer mangelnden Erfahrung im Umgang mit dem mTor-Inhibitor beruhen. Denn es gebe diesbezüglich ein Gefälle zwischen den Zentren, die Sirolimus schon routinemäßig einsetzten, und denen, die das noch nicht tun.

Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Die SMART-Studie - Möglichkeit einer frühen Therapie-Optimierung in der Nierentransplantation" anlässlich der 17. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Veranstalter: Wyeth Pharma GmbH

Die Autorin ist freie Journalistin

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Literatur

  • 01 Marcén R . Pascual J . Teruel JL . et al . Outcome of cadaveric renal transplant patients treated for 10 years with cyclosporine: is chronic allograft nephropathy the major cause of late graft loss?.  Transplantation. 2001;  72 57-62
  • 02 Nankivell BJ . Borrows RJ . Fung CL . et al . The natural history of chronic allograft nephropathy.  N Engl J Med. 2003;  349 2326-2333
  • 03 Meier-Kriesche HU . Baliga R . Kaplan B . Decreased renal function is a strong risk factor for cardiovascular death after renal transplantation.  Transplantation. 2003;  75 1291-1295
  • 04 Ekberg H . Tedesco-Silva H . Demirbas A . et al . ELITE-Symphony Study. Reduced exposure to calcineurin inhibitors in renal transplantation.  New Engl J Med. 2007;  357 2562-2575
  • 05 Flechner SM . Goldfarb D . Solez K . et al . Kidney transplantation with sirolimus and mycophenolate mofetil-based immunosuppression: 5-year results of a randomized prospective trial compared to calcineurin inhibitor drugs.  Transplantation. 2007;  83 883-892
  • 06 Pascual M . Theruvath T . Kawai T . et al . Strategies to improve long-term outcomes after renal transplantation.  N Engl J Med. 2002;  346 580-590

01 Efficacy Limiting Toxicity Elimination

02 Sirolimus Renal Conversion

03 Sirolimus and MMF After Renal Transplantation

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Literatur

  • 01 Marcén R . Pascual J . Teruel JL . et al . Outcome of cadaveric renal transplant patients treated for 10 years with cyclosporine: is chronic allograft nephropathy the major cause of late graft loss?.  Transplantation. 2001;  72 57-62
  • 02 Nankivell BJ . Borrows RJ . Fung CL . et al . The natural history of chronic allograft nephropathy.  N Engl J Med. 2003;  349 2326-2333
  • 03 Meier-Kriesche HU . Baliga R . Kaplan B . Decreased renal function is a strong risk factor for cardiovascular death after renal transplantation.  Transplantation. 2003;  75 1291-1295
  • 04 Ekberg H . Tedesco-Silva H . Demirbas A . et al . ELITE-Symphony Study. Reduced exposure to calcineurin inhibitors in renal transplantation.  New Engl J Med. 2007;  357 2562-2575
  • 05 Flechner SM . Goldfarb D . Solez K . et al . Kidney transplantation with sirolimus and mycophenolate mofetil-based immunosuppression: 5-year results of a randomized prospective trial compared to calcineurin inhibitor drugs.  Transplantation. 2007;  83 883-892
  • 06 Pascual M . Theruvath T . Kawai T . et al . Strategies to improve long-term outcomes after renal transplantation.  N Engl J Med. 2002;  346 580-590

01 Efficacy Limiting Toxicity Elimination

02 Sirolimus Renal Conversion

03 Sirolimus and MMF After Renal Transplantation

 
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Tab. 1 Nebenwirkungsprofil der Immunsuppressiva.

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Abb. 1 Pathogenese der chronischen Transplantatnephropathie. nach [6]