Notfallmedizin up2date 2009; 4(2): 145-158
DOI: 10.1055/s-0029-1185787
Spezielle Notfallmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medizinische Notfälle an Bord von Verkehrsflugzeugen

Andreas Gabel
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Publication Date:
26 June 2009 (online)

Einleitung

Kasuistik

„Pan-pan, pan-pan, Reykjavik control, this is Delta Alpha Mike Kilo November, flight level 400, North Atlantic Track Viktor, approaching 60° N 030° W, approximately 200 miles southwest of your field. MEDICAL EMERGENCY. Pulseless passenger on board. No medical staff available, four flight attendants on resuscitation efforts. Request immediate clearance to Keflavik straight in approach runway 11. Copied weather actual report, wind 050°40 gusting 60 kts, visibility 600 m in heavy rain, cloudbase at 300 feet. QNH 988 hPa NOSIG. Provide ambulance on taxiway N1 at the end of runway.“

02:00 Uhr in der Nacht, hoch über dem sturmgepeitschten Atlantik. Noch 200 Meilen bis zum Festland. Hektische Betriebsamkeit im Cockpit. Auf dem dritten Sitz wälzt der Crew Relief Pilot, noch schlaftrunken von seiner jäh unterbrochenen Erholungspause, das Navkit auf der Suche nach den Anflugkarten von Keflavik. Es ist sein dritter Notfall in diesem Jahr.

Erik, der Copilot, ist von zahlreichen Funksprüchen absorbiert, die er im steten Wechsel mit der Anflugkontrolle, der Verkehrsleitzentrale Frankfurt und einem nahen Verkehrsflugzeug, in welchem sich ein Arzt zur Notfallberatung angeboten hat, führt. Das gegenseitige Informationsbedürfnis scheint schier unermesslich und der Wechselfunkkanal ist schon dauerhaft blockiert. Reykjavik Control hat dem Flugzeug nach Deklaration seiner Dringlichkeitslage längst eine eigene Frequenz zugewiesen.

Alle 5 Minuten geht die Cockpittür auf und Gabi, die erste Purserette, berichtet vom unerfreulichen Zustand des Patienten. Für eine Kabinendurchsage an die beunruhigten Passagiere ist jetzt keine Zeit. Der Herr in der dritten Reihe fragt zum dritten Mal ungehalten, wann er endlich seinen Drink bekommt.

Kurt, der Flugkapitän, schaut mit großer Sorge auf den jüngsten ACARS‐Datalink plot. Die Sicht ist an der Grenze der erlaubten Minima und der Anflug wird durch stürmische Winde mit einer Seitenwindkomponente von 30 mit Böen bis zu 60 Knoten auch für den alten Hasen kein Zuckerschlecken. „Wenn wir beim Minimum von 200 ft above ground die Schwellenlichter noch nicht sehen, wird nicht lange gezögert“, brieft er seinen Co. „Gase rein, Nase hoch, nach links in den Wind, und go around, straight ahead nach dem veröffentlichten Durchstarteverfahren, Sektorhöhe 5000 ft. Maximal zwei missed approaches, dann geht's weiter zum nächsten Alternate. Ich lasse nur soviel Sprit ab, dass es notfalls bis London reicht. Treibstoffcheck alle 10 Minuten. I have control“.

Notfälle an Bord von Verkehrsflugzeugen sind anders als am Boden. Im Zentrum stehen nicht nur der Notfallpatient, sein behandelnder Arzt und der Rettungsdienst. Vielmehr erweitert sich der Kreis der Betroffenen auf die Cockpit-Crew, die Kabinenbesatzung, die Passagiere und den umgebenden Flugbetrieb. Deshalb stellen nicht nur die Pathophysiologie des Erkrankten und leitliniengerechtes Handeln des Arztes, sondern ebenso die flugbetrieblichen Entscheidungen des Kapitäns und die Hilfestellungen des Kabinenpersonals wesentliche Determinanten eines glücklichen Outcomes dar.

So kann es beispielsweise bei infauster Reanimationsprognose erforderlich sein, unter widrigen meteorologischen Verhältnissen ein einzelnes Leben zu opfern, um Gesundheit und Leben der Mitreisenden nicht unverhältnismäßig zu gefährden. Die letztgültige Entscheidung hierüber trifft nicht der behandelnde Arzt, sondern der Kommandant des Luftfahrzeugs. Die Luftverkehrsordnung überträgt ihm die Entscheidungsbefugnis über die innere wie äußere Sicherheit des Luftfahrzeuges und seiner Schutzbefohlenen, sei es an Bord eines Verkehrsflugzeugs oder an Bord eines Rettungshubschraubers.

Notfallmedizin in Verkehrsflugzeugen ist Teamarbeit. Eine gute Kommunikation der jeweiligen Fachspezialisten (Arzt, Kapitän, Purserette) über die als vorrangig angesehenen Maßnahmen ist unerlässliche Voraussetzung für ein Gelingen der gemeinsamen Nothilfe.

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Dr. med. Andreas Gabel

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