Die Entscheidung über die Delegation konkreter ärztlicher Leistungen auf nachgeordnete
Mitarbeiter stellt einen Arzt im Einzelfall vor dem Hintergrund des möglichen Vorwurfs
eines Behandlungsfehlers immer wieder vor Probleme, denn der niedergelassene Arzt
und der Krankenhausarzt haften dem Patienten aus dem Behandlungsvertrag nicht nur
für eigene Behandlungsfehler und sonstige Pflichtverletzungen, sondern auch für Pflichtverletzungen,
derer sich ihre Mitarbeiter bei der Durchführung delegierter Leistungen schuldig machen.
Zudem haften sie für die ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung und Überwachung der Mitarbeiter,
an die sie Leistungen delegieren. Auch Radiologen und Nuklearmediziner, die nicht
ärztliche Mitarbeiter mit Injektionen und Infusionen betrauen, sind zur Einhaltung
dieser Vorgaben gehalten.
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat in einem aktuellen Urteil vom 24.07.2008 (Az.:
4 U 1857/07) entschieden, dass es keinen Behandlungsfehler darstellt, wenn einer erfahrenen
und fachgerecht ausgebildeten MTRA intravenöse Injektionen zur Vorbereitung von Diagnosemaßnahmen
übertragen werden, sofern für eine regelmäßige Kontrolle und Überwachung durch den
Arzt Sorge getragen wird.
Delegation an nicht ärztliche Mitarbeiter
Delegation an nicht ärztliche Mitarbeiter
Die Heranziehung von nicht ärztlichen Hilfspersonen zu vorbereitenden, unterstützenden,
ergänzenden oder mitwirkenden Tätigkeiten ist in der täglichen Praxis üblich. Nur
die eigentlichen ärztlichen Leistungen wie Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung
des Patienten (einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen), Stellen der Diagnose,
Aufklärung und Beratung des Patienten sowie die Entscheidung über die Therapie und
Durchführung invasiver Therapien (einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe)
müssen vom Arzt persönlich erbracht werden. Ebenso sind Pflichten bzw. Tätigkeiten,
die aufgrund ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit für den Patienten, Unvorhersehbarkeit
oder wegen der Umstände ihrer Erbringung, insbesondere der Schwere des Krankheitsfalls
ärztliches Fachwissen erfordern, nicht delegierbar.
Eine potenzielle Gefährlichkeit für den Patienten ist dann gegeben, wenn die nicht
fachgerechte Durchführung einer Leistung durch einen nicht ärztlichen Mitarbeiter
den Patienten unmittelbar schädigen oder ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar
werdende Schäden verursachen kann. Die Abgrenzung zwischen der zulässigen Hinzuziehung
von Hilfspersonen und der unzulässigen Delegation ist im Einzelfall schwierig und
sowohl in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Bei der Bestimmung dieser Pflichten
bieten u. a. die Ausbildungsgesetze bzw. Ausbildungsordnungen der nicht ärztlichen
Berufe wichtige Hilfen. Grundsätzlich gilt die Faustformel, je geringer das Gefährdungspotenzial
durch das nicht ärztliche Personal für den Patienten ist, desto eher kann der Arzt
die Aufgabe delegieren.
Zu den generell delegationsfähigen Leistungen gehören u. a. der Wechsel einfacher
Verbände, Laborleistungen und radiologische Leistungen. Die Delegation von Aufgaben
an nicht ärztliche Mitarbeiter darf aber nur erfolgen, wenn die Aufgaben nicht dem
Arzt vorbehalten sind. Ein solcher Vorbehalt ist ausdrücklich nicht geregelt. Eine
einheitliche Rechtsprechung ist bislang nicht gegeben.
Will der Arzt eine Leistung an einen nicht ärztlichen Mitarbeiter delegieren, der
über eine abgeschlossene, ihn dazu befähigende Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen
verfügt, kann er sich regelmäßig darauf beschränken, die formale Qualifikation des
Mitarbeiters festzustellen und zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem betreffenden Mitarbeiter
sich davon zu überzeugen, dass die Leistungen des Mitarbeiters auch tatsächlich eine
seiner formalen Qualifikation entsprechende Qualität haben. Darüber hinaus ist der
Arzt zu einer stichprobenartigen Überprüfung der Qualität der Leistungen des nicht
ärztlichen Mitarbeiters verpflichtet. Erbringen nicht ärztlichenicht ärztliche Mitarbeiter
delegierte Leistungen, ist der Arzt außerdem verpflichtet, sich grundsätzlich in unmittelbarer
Nähe (Rufweite) aufzuhalten. Bei Eingriffen mit einem höheren Gefährdungspotenzial
für den Patienten fordert die Rechtsprechung eine regelmäßige Überwachung des nicht
ärztlichen Eingriffs. Letztlich ist eine Anweisung des nicht ärztlichen Mitarbeiters,
bei Zwischenfällen jeder Art unverzüglich den Arzt hinzuzuziehen, unerlässlich.
Delegation intravenöser Injektionen
Delegation intravenöser Injektionen
In radiologischen Praxen werden regelmäßig MTRA's mit der Durchführung intravenöser
Injektionen beauftragt. Für den Bereich der Injektionen hat der Bundesgerichtshof
bisher noch nicht ausdrücklich und umfassend darüber entschieden, ob und welche Injektionen
ein Arzt dem nicht ärztlichen Hilfspersonal übertragen darf. Grundsätzlich stellt
eine intravenöse Injektion jedoch einen Eingriff dar, der zum Verantwortungsbereich
des Arztes gehört.
Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 24.07.2008 nun die Auffassung vertreten,
dass es sich bei einer intravenösen Injektion um eine grundsätzlich delegierbare Leistung
handelt. Bei der die Injektion in dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall ausführenden
MTRA handelte es sich um eine erfahrene und fachgerecht ausgebildete Kraft, die im
Zeitpunkt der Behandlung bereits mehrere 1000 gleichartiger Injektionen verabreicht
hatte. Sie war mit der intravenösen Injektion schwach radioaktivem Technetiums, die
Dosis betrug 54,65 mBq, zur Vorbereitung eines Szintigramms beauftragt. Während der
Injektion war der Arzt nur durch eine Glasscheibe von dem Bereich getrennt, in dem
die Injektion verabreicht wurde. Während der Injektion kam zu einer starken Blutung
und in der Folge zu einer schmerzhaften Verdickung durch eine Verletzung der Arteria
brachialis. In der Ellenbogenbeuge bildete sich ein Hämatom, welches seinerseits zu
einer Irritation des Nervus medianus führte.
Der Vorwurf, einer nach ihrem Erfahrungsstand zur Vornahme des Eingriffs in die körperliche
Integrität des Patienten nicht befugten Person den Eingriff übertragen und bereits
damit einen Behandlungsfehler begangen zu haben, wurde vom Gericht nicht bestätigt.
Es vertrat die Ansicht, dass es sich bei der intravenösen Injektion schwach radioaktiven
Technetiums um eine Tätigkeit handele, die aufgrund ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit
oder Unvorhersehbarkeit nicht zwingend von einem Arzt erbracht werden müsse, da lokale
Schädigungen durch die geringe Dosis der Radioaktivität nicht zu befürchten seien
und das zur Bindung des Technetiums verwendete Natriumsalz nicht gewebetoxisch ist.
Ferner würden bei einer derartigen Injektion allergische Reaktionen nur selten auftreten.
Die Risiken einer solchen Injektion seien – nach den Ausführungen des OLG Dresden
– mit denen einer Blutentnahme vergleichbar.
Nach dem Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTAG) soll die Ausbildung
zur MTRA dazu befähigen, unter Anwendung geeigneter Verfahren in der Radiologischen
Diagnostik und anderen bildgebenden Verfahren die erforderlichen Untersuchungsgänge
durchzuführen sowie bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten in der Strahlentherapie
und Nuklearmedizin mitzuwirken. Die Vermittlung dieser Kenntnisse erfolgt innerhalb
einer 3-jährigen Ausbildung, die u. a. eine praktische Tätigkeit in einem Krankenhaus
oder einer gleichartigen Einrichtung beinhaltet. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung
für technische Assistenten in der Medizin (MTA-APrV) sind die Schüler während dieses
Ausbildungsabschnitts in Verrichtungen und Fertigkeiten praktisch zu unterweisen,
die für ihre Berufstätigkeit von Bedeutung sind. Nach § 9 Abs. 3 MTAG ist es einem
MTA nach Abschluss seiner Ausbildung gestattet, auf ärztliche Anforderung Tätigkeiten
auszuüben, deren Ergebnisse der Erkennung einer Erkrankung und der Beurteilung ihres
Verlaufes dienen. Es entspricht – zumindest nach Auffassung des OLG Dresden – hiernach
dem gesetzgeberischen Leitbild, dass einfache und mit nur geringen Risiken verbundene
Injektionen einer MTRA übertragen werden können. Danach verfügen MTRA also grundsätzlich
über ausreichende Fähigkeiten, eine Technetium-Injektion unter ärztlicher Überwachung
durchzuführen.
Auch die aufgetretenen Komplikationen und Irritationen begründen nicht den Vorwurf
eines Behandlungsfehlers. Derartige Irritationen sind – nach den Ausführungen des
Sachverständigen, denen das Gericht beitrat – auch bei größter Sorgfalt nicht immer
vermeidbar. Der MTRA könne kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden, weil die Vene
getroffen wurde und das Technetium ordnungsgemäß den Weg in die Blutzirkulation gefunden
hat. Allein die versehentliche Irritation des Nervus medianus begründe nicht die Annahme
eines Behandlungsfehlers, denn der darin liegende Schluss vom Ergebnis der Injektion
auf eine Verletzung ärztlicher Sorgfaltspflichten ist bei der intravenösen Injektion
nicht möglich, weil der Geschehensablauf nicht in einem vom Arzt sog. voll beherrschbaren
Risikobereich liegt. Diese Feststellung ist vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung
den Patienten im Arzthaftungsprozess in den Fällen der voll beherrschbaren Risiken
mit einer Beweislastumkehr unterstützt, wichtig. In solchen Fällen muss der Arzt
nachweisen können, dass er seine Pflichten in Bezug auf die Durchführung delegierter
Leistungen ordnungsgemäß erfüllt hat. Er kann sich also von seiner Geschäftsherrenhaftung
für seine Verrichtungsgehilfin (MTRA) nur dann entlasten, wenn er nachweisen kann,
dass sich die Delegation nicht auf den Schaden ausgewirkt hat, der eingetretene Schaden
also auch bei pflichtgemäßer Delegation entstanden wäre.
Ferner wies das OLG Dresden ausdrücklich darauf hin, dass die MTRA während des Eingriffs
regelmäßig überwacht werden müsse. Durch die Trennung des Arztes von dem Bereich,
in dem die Injektion verabreicht wurde, durch eine Glasscheibe sah das Gericht die
Überwachungspflicht des Arztes als erfüllt an, zumal die MTRA überdies die Anweisung
hatte, den Arzt bei Zwischenfällen jeder Art unverzüglich hinzuzuziehen.
Der Auffassung des OLG Dresden ist beizupflichten, da auch die Bundesärztekammer in
ihrer Empfehlung/Stellungnahme zur persönlichen Leistungserbringung (Stand: 29.08.2008)
die Delegationsfähigkeit intravenöser Injektionen und Infusionen an entsprechend qualifizierte
nicht ärztliche Mitarbeiter bejaht (vgl. hierzu RöFo 12–2008, Seite 1137 ff.).
Risikoaufklärung erforderlich
Risikoaufklärung erforderlich
Im vom OLG Dresden entschiedenen Fall wurde die Patientin ferner nicht über die mit
dem Eingriff verbundenen Risiken aufgeklärt. Eine Aufklärung über das Risiko von Nervenirritationen
wäre jedoch vor einer intravenösen Injektion in die Ellenbogenbeuge notwendig gewesen.
Nach ständiger Rechtsprechung bedürfen ärztliche Heileingriffe jeder Art, um rechtmäßig
zu sein, grundsätzlich der Einwilligung des Patienten. Diese Einwilligung kann nur
wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten,
seine Risiken und möglichen Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen,
Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur so werden sein
Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt.
Bei diagnostischen Eingriffen ohne therapeutischen Eigenwert gelten strenge Maßstäbe
für die Aufklärung des Patienten über die mit der medizinischen Maßnahme verbundenen
Gefahren, sofern der invasive Schritt nicht vital indiziert oder auch nur dringend
erscheint. In solchen Fällen hat der Arzt dem Patienten selbst entfernt liegende Komplikationsmöglichkeiten
in angemessener Weise zu erläutern. Bei einer Injektion in die Ellenbogenbeuge ist
der Patient über das mögliche Risiko einer Nervenirritation bis hin zu einer Nervenläsion
aufzuklären. Gerade die Irritation des Nervus medianus sei eine immanente Gefahr einer
Injektion in die Ellenbogenbeuge, die nicht vollständig ausgeschlossen werden könne.
Keine Aufklärungspflicht besteht für die Risiken eines Eingriffs, die sich auch für
einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs ohnehin ergeben. Hierzu zählen
bei einer Injektion etwa das Risiko einer Rötung der Einstichstelle sowie kleinerer
Hämatome.
Das OLG Dresden sprach der Patientin dennoch kein Schmerzensgeld wegen unterlassener
Risikoaufklärung zu, denn der Radiologe konnte sich auf den Einwand der sog. hypothetischen
Einwilligung berufen. Das Gericht ging dabei davon aus, dass die Patientin auch bei
einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Injektion zugestimmt hätte. Einen dem entgegenstehenden
Entscheidungskonflikt hatte die Patientin nicht plausibel dargelegt. Einerseits sei
die Patientin vor der Untersuchung von 2 weiteren Ärzten eindringlich auf die Gefahr
eines bei ihr bestehenden bösartigen Tumors hingewiesen worden, zudem habe sie an
Schluckbeschwerden gelitten, welche ihr die Szintigrafie dringlich indiziert erschienen
ließen, um einen bösartigen Tumor auszuschließen. Die mit der Untersuchung verbundenen
Risiken waren demgegenüber gering, insbesondere waren keine Dauerschäden aus der Injektion
zu befürchten. Andererseits habe die Patientin den Umstand, dass sie trotz des nach
ihrer Beschreibung verlorenen Vertrauens die radiologische Praxis nur wenige Monate
später erneut aufgesucht habe, um dort ein MRT anfertigen zu lassen, nicht nachvollziehbar
begründen können.
Fazit
Fazit
Der Radiologe hat für eine ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung und Überwachung der MTRA
Sorge zu tragen. Hinsichtlich der Überwachung ist die Anwesenheit des Arztes in der
Praxis unumgänglich. Eine hinreichende Überwachung bei der Gabe intravenöser Injektionen
durch eine MTRA ist dann gewährleistet, wenn eine regelmäßige Überwachung im Sinne
einer Sichtkontrolle erfolgt. Darüber hinaus sollten alle nicht ärztlichen Mitarbeiter
angewiesen werden, bei auftretenden Komplikationen in jedem Fall unverzüglich einen
Arzt hinzuzuziehen. Werden dem Arzt bei bestimmten nicht ärztlichen Mitarbeitern Fehler
bei der Durchführung delegierter Leistungen bekannt, dürfen diese Leistungen auf diese
Mitarbeiter zunächst nicht mehr delegiert werden. Der Arzt hat durch geeignete Maßnahmen
(z. B. Nachschulungen und eingehende Überwachung sowie Anleitung) sicherzustellen,
dass die Anforderungen an eine Delegation zukünftig bei diesen Mitarbeitern wieder
erfüllt werden.
Auch wenn in dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall die unterbliebene Risikoaufklärung
nicht zur Haftung geführt hat, ist die eingehende und ausführliche Aufklärung des
Patienten grundsätzlich als unverzichtbarer Bestandteil jeder Behandlung gefordert,
denn es dürfte nur einen Ausnahmefall darstellen, dass die unterbliebene Aufklärung
nicht zu einer Haftung geführt hat. Aus Gründen der Beweisbarkeit sollte jede Aufklärung
vom Radiologen schriftlich dokumentiert und möglichst schriftlich durch den Patienten
bestätigt werden.