Prof. Dr. Christian Willy
In seinem Vortrag berichtete Herr Professor Dr. Christian Willy über die Anforderungen,
die an einen sich im Einsatz befindlichen Chirurgen der Bundeswehr gestellt werden
und wie die Weiterbildung dieser Chirurgen aussehen muss.
Welche Kenntnisse braucht ein Chirurg, der im Rahmen eines Bundeswehreinsatzes beispielsweise
in Afghanistan tätig ist?
Diese ergeben sich aus dem Patientenspektrum, erläutert Prof. Dr. Christian Willy
(Bundeswehrkrankenhaus Ulm), welches der Chirurg im Einsatzgebiet vorfindet. Zurzeit
arbeiten 7 Chirurgen-Teams im Auslandseinsatz der Bundeswehr (Abb. [1]).
Abb. 1 Lazarette im Einsatz (Prof.Dr. C. Willy). n = 6.100 Soldaten, davon z. Zt.
7 Chirurgen-Teams im Einsatz
Tab. 1 Beispiel einer OP-Liste aus dem IRAKKRIEG (Aus: Chambers LW, Green DJ, Gillingham
BL, Sample K, Rhee P, Brown C, Brethauer S, Nelson T, Narine N, Baker B, Bohman HR
(2006). The experience of the US Marine Corps‘ Surgical Shock. Trauma Platoon with
417 operative combat casualties during a 12 month period of operation Iraqi. Freedom.
J Trauma 60:1155 – 1161; discussion 1161 – 1154.)
Die zu versorgenden Verletzungen betreffen vorwiegend die Extremitäten (65 %: Schulter
bis Hand und Oberschenkel bis Fuß), den Körperstamm mit etwa 20 % und den Kopf mit
15 %.
Vor Ort braucht es somit einen "Chirurgen, der in der Lage ist, medizinisch allein
auf sich gestellt alle chirurgischen lebensrettenden Notfallmaßnahmen für Verwundete
und Verletzte kompetent und erfolgreich zu beherrschen", so Christian Willy in Berlin.
Während in der zivilen Chirurgie High-Tech-Spezialistentum, Qualität in der Patientenversorgung
und Maximierung des merkantilen Gewinns ohne besondere Berücksichtigung der Breite
des Chirurgischen Wissens des einzelnen Facharztes wegleitend sind, fordert die Chirurgie
bei der Bundeswehr lebenslang eine Maximierung des chirurgischen Wissens auf der Basis
einer breiten Ausbildung sowie den Erwerb und Erhalt von Notfallkompetenzen in allen
Bereichen der einsatzrelevanten chirurgischen Fächer. Durch den Erwerb eines auch
zivil anerkannten Spezialistenwissens müssen daher keine marktwirtschaftliche Defizite
für das betroffene Krankenhaus entstehen.
Die zur Zeit gültige Weiterbildungsordnung könnte so genutzt werden, dass nach 2
Jahren Basischirurgie (common trunk), einem Jahr fachspezifischer Tätigkeit (z. B.
Forschung oder Urologie) und bspw. 3 Jahren Viszeralchirurgie "schlimmstenfalls" ein
Chirurg weitergebildet wurde, der nie einen Fixateur externe gesehen (oder gar implantiert),
der nie einen Gips angelegt und nie einen komplizierten Bruch versorgt hat. Dies wäre
für einen Einsatzchirurgen ein denkbar ungünstiger Weiterbildungweg.
Ein Ausweg kann nur sein, dass der angehende Einsatzchirurg schnell breite Basisfähigkeiten,
gefolgt vom Ausbau spezieller Fähigkeiten, erlangt.
Der Weg zum Erwerb der bundeswehrinternen Zusatzqualifikation SanStOffz (SanStabsoffizier)
Einsatzchirurgie könnte wie folgt aussehen:
-
Basisweiterbildung Chirurgie (common trunk) bestehend aus den vier 6-monatigen Weiterbildungsmodulen,
die die WBO vorschreibt.
-
Weiterbildung Facharzt für Allgemeine Chirurgie mit einer vorgegebenen Rotation in
die Viszeralchirurgie/Thoraxchirurgie (18 Monate), Orthopädie/Unfallchirurgie (18
Monate) und Gefäßchirurgie (12 Monate).
-
Zweite Facharztweiterbildung (Viszeralchirurgie oder Orthopädie/ Unfallchirurgie oder
Thoraxchirurgie oder Gefäßchirurgie).
-
Hospitationen (Neurochirurgie, Urologie, Gynäkologie)
-
Lehrgänge: Sonografie-Basiskurs und Aufbaukurs (DEGUM), ATLS und ATLS-Refresher, Basis-AO-Kurs,
Kurs Neurotraumatologie, Kurs Definitive Surgical Trauma Care (DSTC).
Ausbildung ist Chefsache, so Christian Willy, der Erfolg stellt sich nicht von selbst
ein, sondern ist das Ergebnis ausgefeilter Strukturen mit den Kernaufgaben der Ausbildung
und des Kompetenzerhalts.
Dr. Rita Engelhardt