Krankenhaushygiene up2date 2009; 4(1): 29-48
DOI: 10.1055/s-0028-1119604
Nosokomiale Infektionen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Durch medizinische Behandlungen erworbene Hepatitis-C-Infektionen

R.  Stefan  Roß
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Publication Date:
24 February 2009 (online)

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Kernaussagen

  • Weltweit sind schätzungsweise 130 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. In Deutschland leben zwischen 300 000 und 400 000 HCV-Positive.

  • Durch medizinische Behandlungen entstehende HCV-Infektionen lassen sich hinsichtlich ihrer jeweiligen Richtung unterscheiden in Übertragungen von Patient zu Personal, von Patient zu Patient und von Personal zu Patient.

  • Mathematische Hochrechnungen beziffern die Zahl perkutaner HCV-Expositionen unter medizinischem Personal weltweit auf fast 1 Million jährlich. Diese führen zu schätzungsweise 16 400 berufsbedingten Infektionen.

  • Die sich für Deutschland aus den verfügbaren offiziellen Meldequellen ergebenden Zahlen berufsbedingter perkutaner Stich- und Schnittverletzungen stellen bestenfalls die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs dar.

  • Die Zahl berufsbedingter perkutaner Stich- und Schnittverletzungen lässt sich durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen reduzieren. Gemäß der bundesdeutschen TRBA 250 sind inzwischen sogenannte stichsichere Instrumente in bestimmten Arbeitsbereichen und -situationen verbindlich einzusetzen.

  • Eine postexpositionelle medikamentöse HCV-Prophylaxe mit Typ-I-Interferonen und/oder dem Nuleosidanalogon Ribavirin ist nicht indiziert.

  • Weltweit erleiden pro Jahr schätzungsweise 15 000 Menschen transfusionsassoziierte HCV-Infektionen. In Deutschland beläuft sich die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges Ereignis heute auf weniger als 1 : 5 000 000.

  • Die strikte Befolgung allgemein anzuwendender Präventionsmaßnahmen (Standard- oder Basishygiene) muss als die wirkungsvollste Strategie zur Vermeidung nosokomialer HCV-Infektionen in Dialysezentren gelten. Zusätzliche räumliche Isolierungsmaßnahmen können einen gewissen Zugewinn an Schutz bewirken.

  • „Unsaubere” Injektionen mit bereits gebrauchten Bestecken führen im Rahmen medizinischer Behandlungen weltweit zu schätzungsweise 2,3 Millionen HCV-Infektionen jährlich. In den sogenannten Industrienationen sind derartige Vorkommnisse glücklicherweise selten.

  • Erhebliche kriminelle Energie wie auch die fahrlässige Missachtung allgemein akzeptierter Standards ließen in der Vergangenheit Infektionen zahlreicher Patienten durch HCV-positives medizinisches Personal entstehen.

  • Akzidentelle, d. h. im Kern unbeabsichtigte und daher zufällige Übertragungen des HCV durch infiziertes medizinisches Personal auf von ihm behandelte Patienten sind bis dato weltweit nur bei 41 der insgesamt 14 209 Nachuntersuchten bekannt geworden, was einer durchschnittlichen Übertragungsrate von 0,3 % entspricht.

  • HCV-infizierte Beschäftigte im medizinischen Dienst sollten von der Durchführung „gefahrgeneigter Tätigkeiten” Abstand nehmen, wenn auch die in entsprechenden Empfehlungen diesbezüglich detailliert formulierten Kriterien eine beachtliche Heterogenität aufweisen.

Literatur

1 Vgl. zu den aus der Neufassung der TRBA 250 für den bundesdeutschen Geltungsbereich resultierenden Konsequenzen sowohl den nachfolgenden Text als den „Kasten” TRBA 250.

2 Derartige „Handbedeckungen” enthalten gleichsam als Mittellage ein emulgiertes Desinfektionsmittel. Die nach einer Beschädigung austretende Flüssigkeit soll nicht nur die unmittelbare Umgebung der Wunde benetzen, sondern ein Stück weit auch in den Stichkanal selbst eindringen und so das Übertragungsrisiko herabsetzen. Zwar liegen von diesem „viruziden Handschuh” bis heute nur Prototypen und noch kein serienreifes Produkt vor, doch zeigen entsprechende Versuche, dass die Latex-Desinfektionsmittel-Textur die durch eine penetrierende Hohlnadel übertragene Menge an behüllten Modell-Viren wie BVDV oder FIV um den Faktor 10 reduzieren kann und in entsprechenden Tierexperimenten zu einer 50 %igen Verringerung der Infektionsrate nach Nadelstichen führt.

3 Einschlägige Untersuchungen gehen davon aus, dass zwischen 26 % und 90 % aller erlittenen Stich- und Schnittverletzungen nicht gemeldet werden und so insbesondere dieser Faktor zu der immer wieder beklagten „Dunkelziffer” bei der Ermittlung berufsbedingter HCV-Infektionen beiträgt [7].

4 Klassifikation nach § 3 der Biostoffverordnung.

5 Hierunter sind beispielsweise plötzliche und nicht vorhersehbare Bewegungen verhaltensgestörter, gewaltbereiter oder auch behinderter Menschen zu verstehen.

Priv-Doz. Dr. R. Stefan Roß

Institut für Virologie
Nationales Referenzzentrum für Hepatitis C
Universitätsklinikum Essen
Universität Duisburg-Essen

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