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DOI: 10.1055/s-0028-1109771
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Folgen der Verwendung unterschiedlicher Mengenkonzepte im deutschen Arzneimittelmarkt
Definierte Tagesdosen und Festbetragsvergleichsgrößen am Beispiel der StatineConsequences of Using Different Drug Quantity Concepts in the German Pharmaceutical MarketDaily Defined Doses and „Comparable Doses” in the Maximum Reimbursement System with Statins as an ExamplePublication History
Publication Date:
06 April 2010 (online)

Zusammenfassung
In Deutschland existieren je nach Regulierungsinstrument unterschiedliche Mengenkonzepte der Vergleichbarkeit von Wirkstoffen: Einerseits sind dies die definierten Tagesdosen (DDD) im Rahmen von Leitsubstanzquoten oder Durchschnittskostenzielwerten von Ärzten und andererseits die Vergleichsgrößen bei der Festbetragsberechnung. Die Durchschnittskosten je Mengeneinheit steigen mit dem der Mengeneinheit zugeordneten Wert. Da die Leitsubstanzquoten zu DDD berechnet werden, verstärkt sich der Anreiz zur Substitution durch die Leitsubstanz, wenn das therapeutische Austauschverhältnis oberhalb der DDD-Relation liegt. Werden Wirkstoffe aufgrund der unterschiedlichen Wirkpotenz dergestalt substituiert, dass die durchschnittlich verordneten Wirkstärken ansteigen, so führt dies direkt zu einer Veränderung der Vergleichsgrößen. Dies resultiert daraus, dass Vergleichsgrößen sich grundsätzlich als verordnungsgewichtete Einzelwirkstärken bilden und mit dem Anteil größerer Wirkstärken zunehmen. Die Festbeträge fallen ceteris paribus mit steigenden Vergleichsgrößen. Beispielsweise machte bei Atorvastatin der Anteil der Festbetragsanpassung 2008, der auf gestiegene Vergleichsgrößen zurückzuführen ist, bis zu 53 % aus. Grundsätzliche Anreize zur Abgabe größerer Wirkstärken setzen auch Durchschnittskostenzielwerte (zu DDD) und Richtgrößenvolumina. Mengensteuerungsinstrumente können somit mittelbar die Festbetragshöhe beeinflussen.
Abstract
In Germany, two different quantity concepts are applied for varying regulative instruments: Daily Defined Dosis (DDD) for the calculation of average cost targets and the proportion targets for certain preferred drugs within groups (leading substance proportion targets) for physicians. Besides, the calculation of maximum reimbursement levels are based on ”comparable doses” (Vergleichsgröße). The comparable doses are calculated as weighted dosages, whereas the weights depend on the proportion of prescribed strengths. The average costs per unit vary substantially if different DDD are used. Since proportion targets are based on DDD quantities, physicians have a disproportional strong interest to substitute any substance in favour of the leading substance if the therapeutic exchange relation is above the DDD-relation. If drugs are substituted in a way, that the average prescribed strength increases, this leads to a variation of the comparable dosis of the reimbursement system. The higher the proportion of large strengths, the larger will be the comparable dosis. Generally, the reimbursement levels decrease as the comparable doses increase. For Atorvastatin, ceteris paribus, the proportion of the total decline of the reimbursement level between 2006 and 2008 that was due to the change of its comparable dosis was up to 53 %. Incentives to increase the prescribed strength are set by practitioners’ targets. Regulations that were intended to control volumes may lead to a change in maximum reimbursement levels.
Schlüsselwörter
Daily Defined Dosis - Festbetrag - Vergleichsgrößen - Leitsubstanzquote - Statine
Key words
daily defined dosis - reimbursement levels - comparable dosis - substance targets - statins
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1 Aufgrund des alleinigen Bezugs auf die FB-Stufe 2 werden VG und Äquivalenzfaktoren synonym verwendet. In der FB-Stufe 1 kann auf VG verzichtet werden und bei Wirkstoffkombinationen (insbes. in der FB-Stufe 3) bilden grundsätzlich die aufsummierten Wirkstärken den sog. Vergleichsfaktor. Für weitere Informationen siehe [1], [2].
2 Die VG-Berechnung erfolgt anhand von Verbrauchsdaten des letzten verfügbaren Kalenderjahres [1], [3], was den Jahren 2004 (Anpassung 2006) und 2006 (Anpassung 2008) entspricht.
3 Grundsätzlich erfolgt im Rahmen der FB-Berechnung der Stufe 2 eine Rundung der WVG auf eine Stelle nach dem Komma. Dadurch ergibt sich in der Realität eine geringe Abweichung zur obigen Berechnung und ein FB von 53,75€ zu AEP.
4 Anatomisch-Therapeutisch-Chemisches Klassifikationssystem.
5 Etwa wird in Deutschland keine Simvastatin-Packung mit der DDD-Wirkstärke 15 mg angeboten.
7 Abweichende DDD-Werte des DIMDI und der WHO führten bereits im Jahr 2007 zur rückwirkenden Herausnahme der Protonenpumpeninhibitoren aus der Bonus-Malus-Regelung.
9 Individuelle bzw. regionale Probleme zum Erreichen der Zielquoten können dennoch entstehen, wenn die Relationen der Analogpräparate zueinander in der eigenen KV stark von der drittbesten KV abweichen.
10 Bei einem zur DDD-Relation höheren (niedrigeren) Substitutionsverhältnis nimmt das gesamte DDD-Volumen zu (ab), wobei die Zunahme (Abnahme) sich überproportional zugunsten (zulasten) der LS verändert. Ein wenn auch im Zeitverlauf geringer werdender Teil des Verbrauchsanstiegs zu DDD der Statine [13] ließe sich somit auf die Substitution von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Äquivalenzdosierungen und damit auf ein statistisches Artefakt zurückführen.
12 Dieser Ansicht widersprach das IQWiG durch eine Nutzenbewertung [16]. Obwohl das IQWiG keinen entsprechenden zusätzlichen Nutzen feststellte, schloss z. B. die Deutsche BKK einen Rabattvertrag mit der Bemerkung, dass der Wirkstoff für einige Indikationen überlegen sei [17].
13 Wenn sich die VG ändern, vermindern sich die WVG als unabhängige Variable des Regressionsverfahrens. Damit variieren prinzipiell auch die Schätzer, ohne jedoch eine konkrete Richtung vorhersagen zu können. Die Annahme der konstanten Exponentenschätzer erscheint dann (und nur dann) aus der Perspektive eines Wirkstoffs vereinfachend möglich, wenn der Einfluss dessen Packungen (d. h. bei relativ wenigen Packungen/Datenpunkten) im Rahmen des Regressionsverfahrens marginal ist. Dies dürfte zutreffen, wenn der betrachtete Wirkstoff ein patentgeschütztes Analogon innerhalb einer (Jumbo-)FB-Gruppe mit patentfreien Wirkstoffen ist. Die Gruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer bestand z. B. zum 1.1.2009 aus 916 Packungen, hiervon gehörten 12 zu Atorvastatin [20]. Dessen Einfluss auf die Schätzer ist daher vernachlässigbar.
16 Dies geht implizit vom häufigen Fall aus, dass die Standardpackung bei FB-Anpassungen gleich bleibt. Ist dies der Fall, so spielt eine VG-Veränderung zumindest für die am häufigsten angebotene Packung nicht zu einer FB-Anpassung, da der FB der Standardpackung sich an den Vorgaben des §35 Abs. 5 SGB V orientieren muss. Bei den Statinen änderte sich die Standardpackung, wodurch sich in diesem tendenziell selteneren Fall die neuen VG der LS stärker auswirken. Aus der Perspektive von Atorvastatin sind diese Variationen jedoch exogener Natur.
17 Die Umsetzung der Bonus-Malus-Regelung durch die Rahmenvertragspartner knüpfte eine etwaige Maluszahlung neben dem Durchschnittskostenzielwert zusätzlich nachrangig an das Erreichen einer LS-Quote (siehe hierzu die Rahmenvorgaben nach §84 Abs. 7 SGB V und Vereinbarung nach §84 Abs. 7a SGB V für das Jahr 2007). Die zuvor beschriebenen Anreize der Substitution bei hohem therapeutischem Austauschverhältnis werden somit verstärkt.
Malte Wolff
Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft, Universität Mannheim
L7, 3 – 5
68131 Mannheim