Erblindung ist eine von Patienten mit Diabetes mellitus gefürchtete Spätkomplikation.
Die nicht-proliferative diabetische Retinopathie ist - bei Typ-2-Diabetes - häufig
schon bei Diagnosestellung des Diabetes zu finden und deren Progression macht im Krankheitsverlauf
oft eine retinale Laserkoagulation notwendig. Systemische Therapieansätze wie die
Senkung des Blutzuckers und des Blutdrucks können die Progression und die Spätkomplikationen
vermindern und sind besonders dann erfolgreich, wenn sie früh im Krankheitsverlauf
einsetzen. In den letzten Jahren mehren sich Hinweise, dass die Inzidenz und Progression
in besonderer Weise abhängig ist von der retinalen Expression von Angiotensin-II-Rezeptoren
sowie von der Höhe der retinalen Angiotensin-II-Spiegel. Da die Datenlage bis vor
kurzem nicht ausreichend war für die Empfehlung einer Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems
(RAS), wurde eine Studie durchgeführt, um die Bedeutung einer AT1-Rezeptorblockade für die Inzidenz und Progression der diabetischen Retinopathie zu
klären. Im DIRECT (DIabetic Retinopathy Candesartan Trials) Studienprogramm wurde
mithilfe des AT1-Rezeptorblockers Candesartan geklärt, welchen Einfluss dieses Vorgehen auf die diabetische
Retinopathie hat.
Behandlungsansätze
Die Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) empfehlen bei Vorliegen einer
diabetischen Retinopathie die Normalisierung des Blutdrucks (RR), die normnahe Einstellung
des Blutzuckers und den stadiengerechten Einsatz ophthalmologischer Therapieoptionen
[1] (Tab. [1]). Die Bedeutung einer RAS-Blockade wird seit 1990 in verschiedenen klinischen Studien
untersucht. Insbesondere für den Typ-1-Diabetes liegen eine Reihe von kleineren Studien
vor, deren bedeutsamste die EUCLID-Studie ist (EURODIAB Controlled Trial of Lisinopril
in Insulin-Dependent Diabetes mellitus) [2]. Die diabetische Retinopathie war hier jedoch sekundärer Zielparameter, sodass erst
in einer Metaanalyse die Wirkung der RAS-Blockade in dieser Indikation verifiziert
werden konnte. Eine aktuelle Studie illustriert eindrücklich, wie sich verschiedene
Therapieprinzipien ergänzen, um mikro- und makrovaskuläre Komplikationen des Typ-2-Diabetes
mellitus zu vermindern: Die Steno-2 Studie [3] untersuchte die Wirkung einer multifaktoriellen Therapie mit einer Senkung des Blutzuckers,
des erhöhten Blutdrucks und der Lipide sowie mit einer RAS-Blockade und konnte (neben
einer Reduktion weiterer mikro- und makrovaskulärer Ereignisse) den Endpunkt diabetische
Retinopathie um relative 55 % reduzieren. Der Effekt wurde schon nach 3,8 Jahren Studiendauer
deutlich und war auch nach einer mittleren Nachbeobachtung von 13,3 Jahren noch nachweisbar.
Tab. 1 Empfehlungen der DDG zur Prävention/Behandlung der diabetischen Retinopathie
Das DIRECT-Studienprogramm
Im DIRECT-Studienprogramm [4], [5], [6] wurde der AT1-Rezeptorblocker Candesartan in einer Dosierung von bis zu 32 mg eingesetzt, nicht
um den Blutdruck zu senken (die mittlere Senkung bei normotensiven Patienten lag zwischen
2-3 mmHg), sondern um eine maximale Blockade des retinalen RAS zu gewährleisten. Dabei
ging es um die Primärprävention der diabetischen Retinopathie (bei Typ-1-Diabetes)
als auch um die Progressionshemmung (bei Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes).
In der DIRECT-Prevent-1-Studie wurden 1 421 Patienten mit Typ-1-Diabetes ohne vorbestehende
diabetische Retinopathie untersucht. Diese waren im Mittel 30 Jahre alt und hatten
seit 7 Jahren einen Diabetes. Der HbA1c lag zu Studienbeginn bei etwa 8 %, der Blutdruck bei 116/72 mmHg. Dabei wurde der
Retinopathie-Grad mithilfe der elfstufigen Skala der Early Treatment of Diabetic Retinopathy
Study (ETDRS) bestimmt. Der kleinste Wert auf dieser Skala ist 10/10 (keine Retinopathie
in beiden Augen), ein hoher Wert ist 53/53 (schwere nicht-proliferative diabetische
Retinopathie). Unter der Verwendung der 2-Schritt-Progression (≥ 2 Schritte) auf der
ETDRS-Skala zeigte sich ein deutlicher Trend zugunsten von Candesartan (-18 %; p=0,0508).
Zog man eine Veränderung um mindestens 3 Schritte als Kriterium heran, zeigte sich
eine signifikante Reduktion der Inzidenz um 35 % (p=0,003). Insgesamt wurde eine Inzidenzreduktion
erreicht, die mit einem p-Wert von 0,005 deutlich zugunsten der Candesartantherapie
ausfiel. In der DIRECT-Protect-1-Studie wurden Typ-1-Diabetiker behandelt, die bereits
zu Beginn eine diabetische Retinopathie aufwiesen. 49 % der Patienten hatten ausschließlich
Mikroaneurysmen. Sowohl für die Progression als auch die Regression von ≥ 3 Schritten
zeigten sich nur nominale Veränderungen. Kleinere Veränderungen (Minderung der Progression,
Verstärkung der Progression) waren jedoch besonders häufig, sodass es insgesamt zu
einer signifikanten Verschiebung der ETDRS-Werte zugunsten von Candesartan kam (p
= 0,03).
Die Frage nach der Bedeutung einer RAS-Blockade für Patienten mit Typ-2- Diabetes
wurde anhand von 1 905 Patienten in der DIRECT-Protect-2-Studie untersucht, die im
Mittel seit 9 Jahren diabetisch waren und entweder einen normalen Blutdruck aufwiesen
oder antihypertensiv vorbehandelt einen Blutdruck unter 160/90 mmHg erreichten. Der
HbA1c-Wert lag zu Studienbeginn im Mittel bei 8,2 %. 29 % der Patienten hatten zu Beginn
im schlechteren Auge ausschließlich Mikroaneurysmen (ETDRS 20), bei 54 % lag eine
milde nicht-proliferative diabetische Retinopathie vor (ETDRS 35), 17 % hatten eine
moderate nicht-proliferative diabetische Retinopathie (ETDRS 43-47). Nach einer medianen
Nachbeobachtung von 4,7 Jahren hatte sich die Retinopathie bei den Patienten unter
32 mg Candesartan stärker verbessert als unter Placebo (p = 0,003). Der primäre Endpunkt
Progression (definiert als ≥ 3 Schritte auf der ETDRS- Skala) wurde um 13 % gesenkt,
das Ergebnis war allerdings mit einem p-Wert von 0,2 nicht ausreichend abgesichert.
Dagegen hatten unter Candesartan mehr Patienten eine Regression um mindestens 3 Schritte
auf der ETDRS-Skala (+34 % im Vergleich zu Placebo, p = 0,009) (Abb. [1]).
Abb. 1 Diabetische Retinopathie mit Mikroaneurysmen
Abb. 1 DIRECT-Protect 2: Retinopathie-Regression (≥ 3 Schritte)