Psychiatr Prax 2008; 35(8): 414
DOI: 10.1055/s-0028-1104641
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Stationäre psychiatrische Versorgung - aktueller Stand und Fragestellungen

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Publication Date:
18 November 2008 (online)

 
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    Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Iris Hauth, Berlin

    Im Rahmen der 82.Jahrestagung der Bayerischen Nervenärzte 10./11.Oktober 2008 im Inn-Salzach-Klinikum (ehemals Bezirkskrankenhaus Gabersee) in Wasserburg am Inn fand unter dem Rahmenthema "Zukunft der Psychiatrie" eine beachtenswerte Skizze der heutigen psychiatrischen Versorgung mit Gedanken für die Zukunft (Moderation T. Becker, Günzburg/Ulm, M. Wolfersdorf, Bayreuth) und ein anschließendes intensives Forum unter Leitung von Prof. Dr. Laux, Wasserburg, zu Zukunftsfragen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung statt. Der Beitrag des ersten Referenten befasste sich mit Fragen der psychiatrischen Versorgung; Daten aus diesem Vortrag werden nachfolgend mitgeteilt. W. Kissling, TU München, informierte über den Stand der Integrierten Versorgung in Bayern. Frau Prof. Albus, Isar-Amper-Klinikum (ehemals BKH Haar) gab einen Überblick über psychosoziale Forschung und Felder für Versorgungsforschung.

    Laut Gesuchtheitsberichterstattung des Bundes (www.gbe-bund.de 22.7.2008) gab es im Jahr 2006 insgesamt 133 059 stationäre Einrichtungen mit insgesamt 2 104 Krankenhäusern; davon 1 809 Allgemeine Krankenhäuser und 1 255 Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen. Der Anteil von Betten für Fachabteilungen/Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Psychotherapie, für Psychotherapeutische Medizin sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie betrug 2004 insgesamt 62 268 Betten und machte damit 11,7% aller Krankenhaus-Betten in Deutschland aus. 2004 wurden insgesamt 1 019 154 PatientenInnen mit psychischen Erkrankungen (ICD-10: F00-99) in Krankenhäusern (SGBV §39) behandelt (entspricht 5,9% aller Krankenhaus-Patienten im Jahre 2004), 73% davon in FKH/FA Psychiatrie und Psychotherapie, 27% (270 000) in somatischen Krankenhäusern. Für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie waren 2004 insgesamt 122 Fachabteilungen mit 4412 Betten für die Akutversorgung ausgewiesen (Nutzung 90,5%; 45310 Fälle; Verweildauer 41,4 Tage), für Psychiatrie und Psychotherapie 409 FKH/FA mit 53021 Betten (Nutzung 90,6%; 712533 Fälle; Verweildauer 24,7% Tage).

    Nach Angaben der Arbeitsgruppe Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG AG Psychiatrie 2007) sind ca. 16% aller Plätze in FKH/FA für Psychiatrie und Psychotherapie als tagesklinische Behandlungsplätze ausgewiesen. Das Diagnosenprofil von 191 allgemeinpsychiatrischen Tageskliniken (ohne Gerontopsychiatrie und ohne Suchterkrankungen) zeigt nach Kallert et al. (2003) Folgendes: Schizophrenie 27%, affektive Störungen 26%, Angst- und Anpassungsstörungen je 19%, Persönlichkeitsstörungen 15%. In der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2008) wird das Diagnoseprofil von PatientenInnen mit psychischen Störungen 2004 in Fachabteilungen für Psychotherapeutische Medizin (PTM) bzw. für Psychiatrie und Psychotherapie (PP) (ICD-10-Erstdiagnose) gegenübergestellt: F6: Persönlichkeitsstörungen PTM 7%, PP 6%; F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen PTM 5%, PP 0,5%, F4: neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen PTM 26%, PP 12%, F3: affektive Störungen PTM 35%, PP 22%, F2: Schizophrenie und wahnhafte Störungen PTM 13%, PP 19%, F1: Störungen durch psychotrope Substanzen PTM 15%, PP 36%, F0: organische psychische Störungen PTM 5%, PP 9%. Der ambulante und gemeindepsychiatrische Versorgungsbereich nach Ärztestatistik der Bundesärztekammer (2005) gibt für 2004 2 151 Fachärzte Psychiatrie und Psychotherapie, 2 713 Fachärzte Nervenheilkunde, 2 991 Fachärzte Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (inkl. Psychotherapeutische Medizin bzw. Zusatzbezeichnung Psychotherapie) und 553 Fachärzte Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Nach Angaben der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung (DAJEB e.V., Stand August 2006) gibt es in Deutschland 12145 Psychosoziale Beratungsstellen. Ehe-, Familien-, Lebens- und Partnerberatung 5 105, Erziehungsberatung für Kinder und Jugendliche 1 408, Krisenintervention (auch suizidale Krisen) 4 989, Frauenberatung 3 008, Beratung allein Erziehender 2 903, Suchtberatung 2 365, Beratung für psychisch Kranke 1 818, Ausländerberatung 1 884, Sexualberatung 1 382, Familienplanungsberatung 1 028 und Aids-Beratung 820.

    Für die zukünftige Entwicklung der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie ist die Veränderung des Patientenprofils bedeutsam; die Abnahme von Patienten mit F2-Diagnosen, die Zunahme von F3-Diagnosen, ebenso die Zunahme von F4- und F6-Diagnosen werden künftige Aufgabenstellungen im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich definieren. Weitere Probleme sind Ressourcenallokation (Über-, Unter- und Fehlversorgung), die ökonomische Problematik (finanzielle Ressourcenverteilung in der ambulanten Versorgung, Psych-PV-Erfüllung und neues Entgeltsystem in der stationären Versorgung), organisatorische Versorgungsschwierigkeiten (Fragmentierung des Kostenträgersystems, Schnittstellenproblematik ambulant-stationär, integrierte Versorgung in der psychiatrischen Behandlung, Ärztemangel und Ärzteüberalterung im stationären psychiatrisch-psychotherapeutischer Bereich, Delegation sog. ärztlicher Aufgaben an nicht ärztliche Berufsgruppen in den Kliniken. Felder aktueller und zukünftiger Diskussion sind damit die Fachlichkeit, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aspekte, berufs- und standespolitische Fragen sowie eine gesundheits- und versorgungspolitische Diskussion mit Schwerpunkt im ambulanten Versorgungsbereich und die Förderung von Prävention.

    Literatur bei den Autoren

    Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Wolfersdorf, Walter Rätzel-Kürzdörfer, M. Sc., Bezirkskrankenhaus Bayreuth