Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Iris Hauth, Berlin
Im Rahmen der 82.Jahrestagung der Bayerischen Nervenärzte 10./11.Oktober 2008 im Inn-Salzach-Klinikum
(ehemals Bezirkskrankenhaus Gabersee) in Wasserburg am Inn fand unter dem Rahmenthema
"Zukunft der Psychiatrie" eine beachtenswerte Skizze der heutigen psychiatrischen
Versorgung mit Gedanken für die Zukunft (Moderation T. Becker, Günzburg/Ulm, M. Wolfersdorf,
Bayreuth) und ein anschließendes intensives Forum unter Leitung von Prof. Dr. Laux,
Wasserburg, zu Zukunftsfragen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung statt.
Der Beitrag des ersten Referenten befasste sich mit Fragen der psychiatrischen Versorgung;
Daten aus diesem Vortrag werden nachfolgend mitgeteilt. W. Kissling, TU München, informierte
über den Stand der Integrierten Versorgung in Bayern. Frau Prof. Albus, Isar-Amper-Klinikum
(ehemals BKH Haar) gab einen Überblick über psychosoziale Forschung und Felder für
Versorgungsforschung.
Laut Gesuchtheitsberichterstattung des Bundes (www.gbe-bund.de 22.7.2008) gab es im Jahr 2006 insgesamt 133 059 stationäre Einrichtungen mit insgesamt
2 104 Krankenhäusern; davon 1 809 Allgemeine Krankenhäuser und 1 255 Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtungen. Der Anteil von Betten für Fachabteilungen/Fachkrankenhäuser
für Psychiatrie und Psychotherapie, für Psychotherapeutische Medizin sowie für Kinder-
und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie betrug 2004 insgesamt 62 268 Betten und
machte damit 11,7% aller Krankenhaus-Betten in Deutschland aus. 2004 wurden insgesamt
1 019 154 PatientenInnen mit psychischen Erkrankungen (ICD-10: F00-99) in Krankenhäusern
(SGBV §39) behandelt (entspricht 5,9% aller Krankenhaus-Patienten im Jahre 2004),
73% davon in FKH/FA Psychiatrie und Psychotherapie, 27% (270 000) in somatischen Krankenhäusern.
Für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie waren 2004 insgesamt 122 Fachabteilungen
mit 4412 Betten für die Akutversorgung ausgewiesen (Nutzung 90,5%; 45310 Fälle; Verweildauer
41,4 Tage), für Psychiatrie und Psychotherapie 409 FKH/FA mit 53021 Betten (Nutzung
90,6%; 712533 Fälle; Verweildauer 24,7% Tage).
Nach Angaben der Arbeitsgruppe Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden
(AOLG AG Psychiatrie 2007) sind ca. 16% aller Plätze in FKH/FA für Psychiatrie und
Psychotherapie als tagesklinische Behandlungsplätze ausgewiesen. Das Diagnosenprofil
von 191 allgemeinpsychiatrischen Tageskliniken (ohne Gerontopsychiatrie und ohne Suchterkrankungen)
zeigt nach Kallert et al. (2003) Folgendes: Schizophrenie 27%, affektive Störungen
26%, Angst- und Anpassungsstörungen je 19%, Persönlichkeitsstörungen 15%. In der Gesundheitsberichterstattung
des Bundes (2008) wird das Diagnoseprofil von PatientenInnen mit psychischen Störungen
2004 in Fachabteilungen für Psychotherapeutische Medizin (PTM) bzw. für Psychiatrie
und Psychotherapie (PP) (ICD-10-Erstdiagnose) gegenübergestellt: F6: Persönlichkeitsstörungen
PTM 7%, PP 6%; F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen PTM 5%, PP
0,5%, F4: neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen PTM 26%, PP 12%, F3:
affektive Störungen PTM 35%, PP 22%, F2: Schizophrenie und wahnhafte Störungen PTM
13%, PP 19%, F1: Störungen durch psychotrope Substanzen PTM 15%, PP 36%, F0: organische
psychische Störungen
PTM 5%, PP 9%. Der ambulante und gemeindepsychiatrische Versorgungsbereich nach Ärztestatistik
der Bundesärztekammer (2005) gibt für 2004 2 151 Fachärzte Psychiatrie und Psychotherapie,
2 713 Fachärzte Nervenheilkunde, 2 991 Fachärzte Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
(inkl. Psychotherapeutische Medizin bzw. Zusatzbezeichnung Psychotherapie) und 553
Fachärzte Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Nach Angaben der Deutschen
Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung (DAJEB e.V., Stand August 2006) gibt
es in Deutschland 12145 Psychosoziale Beratungsstellen. Ehe-, Familien-, Lebens- und
Partnerberatung 5 105, Erziehungsberatung für Kinder und Jugendliche 1 408, Krisenintervention
(auch suizidale Krisen) 4 989, Frauenberatung 3 008, Beratung allein Erziehender 2
903, Suchtberatung 2 365, Beratung für psychisch Kranke 1 818, Ausländerberatung 1
884, Sexualberatung 1 382, Familienplanungsberatung 1 028 und Aids-Beratung 820.
Für die zukünftige Entwicklung der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie ist
die Veränderung des Patientenprofils bedeutsam; die Abnahme von Patienten mit F2-Diagnosen,
die Zunahme von F3-Diagnosen, ebenso die Zunahme von F4- und F6-Diagnosen werden künftige
Aufgabenstellungen im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich definieren.
Weitere Probleme sind Ressourcenallokation (Über-, Unter- und Fehlversorgung), die
ökonomische Problematik (finanzielle Ressourcenverteilung in der ambulanten Versorgung,
Psych-PV-Erfüllung und neues Entgeltsystem in der stationären Versorgung), organisatorische
Versorgungsschwierigkeiten (Fragmentierung des Kostenträgersystems, Schnittstellenproblematik
ambulant-stationär, integrierte Versorgung in der psychiatrischen Behandlung, Ärztemangel
und Ärzteüberalterung im stationären psychiatrisch-psychotherapeutischer Bereich,
Delegation sog. ärztlicher Aufgaben an nicht ärztliche Berufsgruppen in den Kliniken.
Felder aktueller und zukünftiger Diskussion sind damit die Fachlichkeit, betriebswirtschaftliche
und volkswirtschaftliche Aspekte, berufs- und standespolitische Fragen sowie eine
gesundheits- und versorgungspolitische Diskussion mit Schwerpunkt im ambulanten Versorgungsbereich
und die Förderung von Prävention.
Literatur bei den Autoren
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Wolfersdorf, Walter Rätzel-Kürzdörfer, M. Sc., Bezirkskrankenhaus
Bayreuth