Am 18. November fand in Berlin auf Einladung von Bundesgesundheitsministerin Ulla
Schmidt der erste Europäische Antibiotikatag statt, eine Initiative des Europäischen
Parlaments und des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten
(ECDC). Auf diesem in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veranstalteten
Symposium wurde die kurz zuvor vom Kabinett verabschiedete „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie”
(DART) vorgestellt, deren zentrales Ziel die Reduzierung und Verminderung der Ausbreitung
von Antibiotikaresistenzen in Deutschland ist (www.bmg. bund.de). Neben den Landesärzte- und Landestierärztekammern sind in dem Papier 67 weitere
Kooperationspartner (Fachgesellschaften, Institutionen, Gremien) aufgeführt, womit
wohl das Bemühen deutlich werden soll, alle Beteiligten und Betroffenen in die Aktion
einzubinden.
Die Planung erstreckt sich bis zum Jahr 2013 und umfasst neben dem Aufbau eines Datenpools
zu Antibiotikaresistenzen aus dem stationären und ambulanten Bereich auch entsprechende
Analysen zum Antibiotikaverbrauch. Bestehende Leitlinien von Fachgesellschaften zum
sinnvollen Einsatz von Antibiotika (bei Mensch und Tier) sollen integriert und ergänzt
werden; erwähnt werden hier auch die KRINKO-Empfehlungen für infektiologisch sichere
Arbeits- und Verhaltensweisen. In diesem Zusammenhang wird besonders die Notwendigkeit
der Durchführung wie auch einer „Verbesserung der Diagnostik bakterieller Infektionserreger
und ihrer Antibiotikaresistenz im Hinblick auf Umfang, Qualität und Schnelligkeit”
betont.
Die erhobenen Daten sollen nicht nur direkt mit den Betroffenen rückgekoppelt, sondern
zentral erfasst und ausgewertet werden, zunächst auf nationaler Ebene, danach aber
auch EU-weit, mit dem Ziel eines Frühwarnsystems für gefährliche Infektionserreger.
Für die Umsetzung dieser Meilensteine sollen am Robert-Koch-Institut zwei neue Gremien
geschaffen werden, zum einen eine „Kommission für Antibiotika-Therapie”, zum anderen
ein „Zentrum zur Verhütung und Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen.
Dieses Strategiepapier überrascht in mehrerlei Hinsicht: Erstens wird endlich die
Ursache der Resistenzbedrohung öffentlich benannt, nämlich der unsachgemäße Einsatz
von Antibiotika in der Human- aber auch der Veterinärmedizin. Zweitens wird der ambulante
Bereich in die Planung integriert (nicht wie bislang nur stationäre Einrichtungen)
und die Veterinärmedizin in die Pflicht genommen. Drittens wird die Diagnostik als
unumgängliche Voraussetzung für einen gezielten Einsatz von Antibiotika beim Menschen
betont und viertens wird der Eindruck erweckt, das Ganze sei nicht nur wissenschaftlich
fundiert (Fachgremien, Kommissionen), sondern erhielte auch das notwendige Maß an
Verbindlichkeit (BMG, ÖGD).
Also ein revolutionärer Schritt in die richtige Richtung? Die Podiumsdiskussion am
Ende der Veranstaltung beendete alle Illusionen. Denn unklar blieb, wie sicher gestellt
werden soll, dass die erhobenen Daten, insbesondere aus dem ambulanten Bereich, valide
und belastbar sind. Schon für die Surveillance in Krankenhäusern, von geschulten Mitarbeitern
durchgeführt, ist dies schwierig zu gewährleisten. Wie wird die Diagnostik im ambulanten
Bereich sichergestellt und wer bezahlt sie? Das BMG stellte klar, dafür gebe es kein
zusätzliches Geld. Kein niedergelassener Arzt macht aber, bei ohnehin schon zu knappem
Budget, eine solche zusätzliche Diagnostik! Ohne diese Diagnostik aber keine Daten
für den Pool! Ohne diese Daten aber keine Auswertung und damit keine Arbeitsgrundlage
für die neuen Gremien. Doch wieder nur für die Krankenhäuser? Dann sind die geplanten
und zum Teil bereits in Aufbau befindlichen regionalen Netzwerke sinnlos.
Es wäre schade, wenn dieses Vorhaben wie eine Seifenblase zerplatzen würde. Es liegt
in der Hand aller Beteiligten, dies zu verhindern und damit der realen Gefahr vorzubeugen,
dass wir bald Infektionserregern wieder so machtlos ausgeliefert sind wie vor der
Entdeckung des Penicillins.
Andere europäische Staaten haben dafür Geld (z. B. Belgien) – und nicht nur für Banken
und Automobilkonzerne!