Pneumologie 2009; 63(2): 86-92
DOI: 10.1055/s-0028-1103434
Fallbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Thorakale Aktinomykose: diagnostische Schwierigkeiten und therapeutische Überlegungen

Thoracic Actinomycosis: Diagnostic Pitfalls and Therapeutic ConsiderationsA.  Bastian1 , B.  Khanavkar1 , A.  Scherff1 , K.  Witte1 , M.  Behn1 , M.  Bollow2 , A.  Dykgers3 , G.  Walterbusch4 , S.  Ewig1
  • 1Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Standort Bochum, Klinik für Pneumologie, Infektiologie und Beatmungsmedizin
  • 2Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Standort Bochum, Klinik für Radiologie
  • 3Pathologisches Institut, am St.-Johannes-Hospital Dortmund
  • 4Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, St.-Johannes-Hospital, Dortmund
Further Information

Andreas Bastian

Ärztlicher Leiter der Zentralen Interdisziplinären Notaufnahme
Klinikum Lüdenscheid

Paulmannshöher Str. 14
58515 Lüdenscheid

Email: andreas.bastian@rub.de

Publication History

eingereicht 12. 9. 2008

akzeptiert 5. 11. 2008

Publication Date:
13 February 2009 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Wir berichten über zwei Patienten, die uns unter dem Verdacht auf einen malignen Prozess zugewiesen wurden. In beiden Fällen wurde eine thorakale Aktinomykose diagnostiziert. Ein 76-jähriger Patient wies eine endobronchiale und pulmonale Aktinomykose auf, vergesellschaftet mit einer Broncholithiasis. Die Diagnose wurde bronchoskopisch gestellt. Unter einer antimikrobiellen Therapie mit Ampicillin und Sulbactam kam es zur Ausheilung. Im Falle des zweiten 36-jährigen Patienten lag eine ausgedehnte perikardiale, mediastinale und pulmonale Aktinomykose mit Pleuraergüssen beidseits, Perikarditis konstriktiva und oberer Einflussstauung vor. Die Diagnose wurde operativ im Rahmen einer kardiochirurgischen Perikardektomie gestellt. Der Heilungsprozess verlief protrahiert mit zufriedenstellendem Ergebnis.
Wir diskutieren die Notwendigkeit des Einschlusses der Aktinomykose in die Differenzialdiagnose pulmonaler Verschattungen und mediastinaler Raumforderungen, um diagnostische Irrwege zu vermeiden und invasive Eingriffe auf das notwendige Minimum zu reduzieren und illustrieren die Notwendigkeit einer individualisierten Therapie.

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Abstract

We report two patients admitted to our hospital suspected to suffer from cancer in the lung or mediastinum, respectively. Both patients had a diagnosis of thoracic actinomycosis. A 76 year old man revealed pulmonary and endobronchial actinomycosis associated with broncholithiasis. Diagnosis was achieved by bronchoscopy. Therapy with ampicillin/sulbactam was successful. A 36 year old patient presented with bilateral pleural effusions, extended pericardial, mediastinal and pulmonary actinomycosis with pericarditis constrictiva and superior vena cava syndrome. Diagnosis was finally made by cardiac surgery with therapeutic pericardectomy. Prolonged therapy with ampicillin/sulbactam was administered with satisfactory result.
Here we discuss the importance to include actinomycosis in the differential diagnosis of pulmonary affections and mediastinal masses in order to avoid diagnostic errors and to limit invasive procedures to the necessary amount. We illustrate the need of an individualized treatment approach.

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Einführung

Die Inzidenz aller Aktinomykosen liegt bei 1 : 40 000 bis 1 : 80 000 pro Jahr [1]. Sie ist damit keine sehr seltene Erkrankung. Der Befall von Lunge und Herz im Rahmen einer thorakalen Aktinomykose ist allerdings sehr häufig eine unerwartete Diagnose. Erst eine konsequente Diagnostik führt zum Ziel.

Die Seltenheit und die sehr unterschiedliche Präsentation thorakaler Aktinomykosen sind Ursache für die Schwierigkeiten in der Diagnostik. Evidenzbasierte Leitlinien zur Diagnostik und Therapie stehen naturgemäß nicht zur Verfügung.

Aktinomyzeten sind grampositive, überwiegend mikroaerophile oder fakultativ anaerobe Bakterien, die verzweigende Filamente ausbilden und sich zu Drusen vereinigen, d. h. Konglomeraten aus Mikrokolonien von Aktinomyzeten in eitriger Umgebung.

Die Gruppe der Aktinomyces-Bakterien gehört zur normalen Flora der Mundhöhle des Menschen und kann in 30 – 50 % aller Sputumproben gefunden werden, sodass ihre Kultivierung nicht automatisch eine entzündliche Erkrankung bedeutet.

Eine Erkrankung wird durch diese Bakterien nur selten verursacht. Es muss eine Störung der oberflächlichen Schleimhautschicht durch lokale Entzündungen oder Oberflächendefekte vorliegen. Dann ist eine hohe Keimlast durch schlechte Mundhygiene prädisponierend.

Die Wahrscheinlichkeit, eine pulmonale Aktinomykose zu entwickeln, ist bei Vorliegen einer Lungenvorerkrankung wie Lungenemphysem, chronische Bronchitis oder Bronchiektasen leichtgradig erhöht [2] [3]. Eine Immunsuppression sowohl durch HIV als auch durch immunsuppressive Medikamente nach Organtransplantation erhöht das Risiko nicht. Die leichtgradig erhöhte Wahrscheinlichkeit einer pulmonalen Aktinomykose bei Alkoholikern ist wahrscheinlich weniger auf eine alkoholbedingte Immunsuppression als vielmehr auf eine schlechte Mundhygiene zurückzuführen.

Wenn es zur Erkrankung kommt, entwickelt sich diese sehr langsam. Es entstehen harte, unbewegliche Schwellungen, die über Fistelgänge Eiter absondern. Sie befällt vorwiegend den Mund- und Gesichtsbereich, seltener auch andere Organe ([Tab. 1]).

Tab. 1 Lokalisation der Aktinomykose [4].
Lokalisation der Aktinomykose Häufigkeit
zervikofazial 50 – 60 %
Abdomen 20 %
Lunge 15 %
ZNS 2 %
Haut selten
Auge selten
Herz selten
Harnwege selten
disseminiert selten

Im Folgenden berichten wir über zwei Fälle einer thorakalen Aktinomykose, die sich als äußerst schwierig zu diagnostizieren erwiesen. Darüber hinaus zeigen diese Fälle auch die Notwendigkeit einer Individualisierung der Therapiedauer.

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Fallberichte

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1. Fall – thorakale Aktinomykose in Assoziation mit einem Broncholith

Aus einem auswärtigen Krankenhaus wurde ein 76-jähriger Patient zur Abklärung einer Raumforderung in der Lunge unter dem hochgradigen Verdacht auf ein Bronchialkarzinom zu uns verlegt. Der Patient hatte das auswärtige Krankenhaus wegen zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustandes und linksthorakaler Schmerzen aufgesucht. Diese Beschwerden bestanden bereits seit 9 Monaten. Eine Röntgenaufnahme und eine CT des Thorax ([Abb. 1]) hatten eine Teilatelektase und ein Infiltrat des linken Lungenunterlappens und vorgeschaltet einen tumor-verdächtigen Prozess mit Einengung des Unterlappenabgangs gezeigt.

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Abb. 1 a – c Konventionelles Röntgen- und CT-Thorax eines 76-jährigen Patienten mit Broncholith am Abgang des linken Unterlappens (b) und dichtem linksparakardialem Infiltrat (c).

Der Patient hatte während der letzten Monate deutlich an Gewicht verloren. Die Mobilität, die durch eine inkomplette Hemiparese nach Apoplex bereits zuvor eingeschränkt war, war weiter reduziert.

Laborchemisch bestanden keine wegweisenden Auffälligkeiten; nur das CRP war mit 6,4 mg/dl erhöht. Die Blutgasanalyse zeigte eine leichte respiratorische Partialinsuffizienz – pCO2 40 mmHg, pO2 58 mmHg. Lungenfunktionell bestand eine fixierte mittelschwere obstruktive Ventilationsstörung – IVC 1,99 l (70 %), FEV1 1,07 l (51 %), Tiffeneau 57,2, TLC 5,94 l (109 %), ITGV 5,05 l (155 %), SR tot 3,8 kPas (323 %).

Eine Knochenszintigrafie wies Nuklidmehrbelegungen in Projektion auf die Rippen in Projektion auf den Schmerzpunkt auf ([Abb. 2]). In diesen Bereichen waren radiologisch weder im konventionellen Röntgen noch im CT Auffälligkeiten darstellbar. Allerdings war die Sonografie auffällig, sie zeigte unspezifische Veränderungen, wie sie normalerweise nur im Knorpel-/Knochenübergang zur Darstellung kommen.

Eine Bronchoskopie ergab den Befund einer deutlichen Stenose im Abgangsbereich des linken Unterlappens ([Abb. 3]). Das stenosierende Gewebe war sehr hart, sodass eine Biopsieentnahme nur oberflächlich möglich war. Distal war der Unterlappen durch nekrotisches Gewebe verlegt – hinter der Stenose entleerte sich Eiter; die Segmente 8 – 10 waren nach Absaugen frei einsehbar. Die Histologie der endobronchialen Biopsieentnahme aus dem linksseitigen Unterlappenabgang zeigte eine chronische, zum teil granulierende Bronchitis mit lymphatischen Aggregaten im Stroma und fokaler Plattenepithelmetaplasie. Zusätzlich fanden sich Nekroseanteile mit Kokkenbakterien und Actinomycesbesiedlung sowie Verkalkung und eine stärkergradige, floride, chronische Bronchitis mit fokaler Basalzellhyperplasie. In den Kulturen des Tracheobronchialsekrets fanden sich massenhaft Keime der oberen Luftwege.

Im weiteren Verlauf unter antimikrobieller Therapie mit Ampicillin + Sulbactam (Unacid 3 × 3 g i. v.) vergingen die Thoraxschmerzen bereits nach einer Woche. Die i. v.-antimikrobielle Therapie wurde nach 2 Wochen auf eine orale Therapie umgestellt (Sultamicillin [Unacid PD] 2 × 750 mg). Der Patient nahm langsam an Gewicht zu. In einer Kontroll-Bronchoskopie nach 3 Monaten war der Broncholith kleiner geworden ([Abb. 4]) und zeigte in weiteren Kontrollen nach 6 und 12 Monaten eine weitere Rückbildungstendenz. Die Therapie wurde daher auf insgesamt 1 Jahr ausgedehnt.

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Abb. 2 a – c Knochenszintigrafie mit Nuklidanreicherung linksthorakal (a). Sonografische Darstellung von unspezifischen echoreichen Arealen in den Rippen im Schmerzbereich (b, c).

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Abb. 3 a – d Bronchoskopische Bilder: Blick vom distalen linken Hauptbronchus auf den verschlossenen Unterlappen und den freien Oberlappen/Lingulaabgang (a); Blick auf den subtotal verschlossenen linken Unterlappen (b); nachgeschaltet im hochgradig stenosierten linken Unterlappen entzündliches und nekrotisches Gewebe (c); die Segmente LB8 – 10 sind nach dem Absaugen frei einsehbar (d).

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Abb. 4 a, b Nach 3 Wochen (a) antimikrobieller Therapie kommt der Broncholith vor dem Abgang des linken Unterlappens zur Darstellung – der linke Unterlappen ist noch leichtgradig eingeengt und LB6 ist nicht darstellbar. Nach 3 Monaten (b) ist nur noch ein kleiner Broncholith sichtbar – ohne Stenosierung.

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2. Fall – perikardiale Aktinomykose mit oberer Einflussstauung

Aus einem auswärtigen Krankenhaus wurde uns ein 36-jähriger Patient mit progredienter Luftnot bei geringer Belastung, Husten mit hellem Auswurf und Gewichtsabnahme von 6 kg in 3 Monaten sowie intermittierenden Kopfschmerzen während der letzten Tage zugewiesen. Eine Woche zuvor war auch Nachtschweiß aufgetreten; Fieber bestand nicht. Eine einwöchige antimikrobielle Therapie mit Clarithromycin war ohne Effekt geblieben. Vorerkrankungen wurden nicht angegeben. Der Patient war inhalativer Zigarettenraucher (20 packyears). Er arbeitete freiberuflich als Metzger.

Bei der körperlichen Untersuchung war auskultatorisch beidseits basal ein abgeschwächtes Atemgeräusch auffällig, der Zahnstatus zeigte eine generalisierte Parodontitis und zahlreiche kariöse Läsionen. Das Gesicht wirkte mäßig aufgequollen.

Bereits auswärts waren eine konventionelle Röntgenaufnahme und ein CT des Thorax angefertigt worden. Hier kamen ein Infiltrat rechts parakardial und eine Raumforderung mit einem Durchmesser von 4 × 6 cm an der Herzspitze zur Darstellung sowie beidseits große Pleuraergüsse ([Abb. 5]). Die Raumforderung ließ sich auch sonografisch gut darstellen ([Abb. 6]).

Laborchemisch auffällig waren eine Leukozytose von 13/nl mit 6 % Stabkernigen im Differenzialblutbild und ein CRP von 12 mg/dl sowie eine leichte Erhöhung der Transaminasen (GOT 43 U/l und GPT 78 U/l) und der Cholestaseparameter (AP 251 U/l und yGT 299 U/l) bei leichter Hypalbuminämie (3,1 g/dl). In der Blutgasanalyse bestand eine respiratorische Partialinsuffizienz trotz deutlicher Hyperventilation - pCO2 26 mmHg, pO2 51 mmHg. Lungenfunktionell imponierte eine schwere restriktive Ventilationsstörung – IVC 1,61 l (35 %), FEV1 1,42 l (38 %), Tiffeneau 88,1, TLC 3,62 l (56 %), ITGV 2,36 l (73 %), SR tot 0,52 kPas (44 %). Im EKG fielen präterminal negative ST-Strecken in I, aVL und V2-V6 auf.

Der größere Pleuraerguss auf der linken Seite wurde diagnostisch punktiert. Es handelte es sich um ein Exsudat mit einem Proteingehalt von 3,7 g/dl und einer LDH von 190 U/l. Bakterien konnten weder direkt noch kulturell nachgewiesen werden. Zytologisch zeigte sich eine granulozytär betonte, gemischtzellige Entzündungsreaktion. Eine Ramel-Pleurabiopsie ergab eine unspezifische Pleuritis. Maligne Zellen wurden in keiner Probe gefunden. Endobronchial wurde kein wegweisender Befund erhoben. Eine CT-gesteuerte Punktion des Herdes an der Herzspitze mit einer 0,9 mm Franseennadel erbrachte histopathologisch abszessartiges, granulozytenreiches Gewebe. Auch dieser Befund wurde als nicht wegweisend interpretiert.

Aufgrund der intermittierenden oberen Einflussstauung musste eine umgehende Diagnosestellung angestrebt werden. Der Patient wurde hierzu in die Kardiochirurgische Klinik des St. Johannes-Hospital in Dortmund verlegt. In einem intraoperativen Schnellschnitt fand sich das Bild eines entzündlichen Prozesses. Es entleerte sich wenig eitrige Flüssigkeit und es imponierten teilweise derbe und harte Perikardverwachsungen. Der Befund einer Perkarditis konstriktiva zog eine subtotale Perikardektomie nach sich. Histopathologisch stellte sich im Perikardgewebe das Bild einer Aktinomykose mit abszedierender chronisch unspezifischer, teils in Vernarbung übergehender Entzündung, herdförmiger Schaumzellreaktion und interstitiell-entzündlicher Infiltration mit kubischer Transformation der Pneumozyten des angrenzenden Lungenparenchyms dar ([Abb. 7]).

Bereits unmittelbar postoperativ waren die Zeichen der oberen Einflussstauung nicht mehr sichtbar.

Es wurde eine intravenöse antimikrobielle Therapie mit Ampicillin + Sulbactam (Unacid 3 × 3 g i. v.) begonnen. Die i. v.-antimikrobielle Therapie wurde nach 4 Wochen auf eine orale Therapie umgestellt (Sultamicillin [Unacid PD] 2 × 750 mg). Hierunter war das CRP nur sehr langsam rückläufig und auch Allgemeinzustand und Belastungsdyspnoe besserten sich nur verzögert. Die Blutgasanalyse war allerdings bereits 4 Wochen nach der OP wieder normwertig; die Lungenfunktion zeigte noch eine mittelschwere restriktive Ventilationsstörung. Der weitere Krankenhausaufenthalt gestaltete sich komplikationslos.

Der Patient wurde in 6-wöchigen Abständen zur Verlaufskontrolle einbestellt. Er war nach insgesamt 4 Monaten Therapie subjektiv vollständig beschwerdefrei und erschien nicht mehr zu den weiteren Nachuntersuchungsterminen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Lungenfunktion und die Blutgasanalyse vollständig normalisiert; sonografisch war noch ein kleiner linksseitiger Pleuraerguss darstellbar; radiologisch zeigten sich noch diffuse kleine Infiltrate unklarer Ursache.

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Abb. 5 a – c CT-Thorax eines 36-jährigen Patienten mit ausgedehnter perikardialer, mediastinaler und Lungenaktinomykose mit Raumforderung an der Herzspitze (a); hochgradiger Stenosierung der V. cava superior (b) und Infiltrat rechts parakardial (c).

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Abb. 6 Substernale sonografische Darstellung der Raumforderung an der Herzspitze (zwischen den Pfeilen).

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Abb. 7 Histopathologische Darstellung des Perikards. a 2 Aktinomycesdrusen in Granulationsgewebe (PAS-Reaktion/100 ×). b Aktinomycesdruse aus feinem Geflecht fadenförmiger Mikroorganismen (PAS-Reaktion/400 ×). c, d Lungenparenchym (jeweils in der oberen Bildhälfte) mit interstitieller Entzündungsreaktion und kubischer Transformation der Pneumozyten (H.E./c: 100 ×, d: 200 ×) (Die Vergrößerungsangaben beziehen sich auf die Mikroskopvergrößerung).

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Diskussion

Die thorakale Aktinomykose wird meist nur mit erheblicher Verzögerung diagnostiziert. Das klassische Bild thorakaler Aktinomykosen geht meistens mit thorakalen Schmerzen und kutanen Fisteln einher [5]. Aktuell sind jedoch die Initialsymptome und Befunde meist geringer ausgeprägt und unspezifischer ([Tab. 2]). Die meisten Patienten mit thorakaler Aktinomykose fallen jetzt initial durch eine Raumforderung im Röntgenbild auf ([Tab. 3]).

Tab. 2 Häufige und typische Symptome bei thorakaler Aktinomykose [6].
Respiratorische Symptome Allgemeinsymptome
Husten 84 % Gewichtsverlust 53 %
Auswurf 74 % Schwäche 42 %
Thoraxschmerzen 68 % Nachtschweiß 32 %
Luftnot 47 % Fieber 21 %
Hämoptysen 31 %
Thoraxwandschwellung 10 %
Tab. 3 Radiologisches Bild der Aktinomykose [7].
fleckige Infiltration 9 %
Raumforderung 91 %
Einschmelzung 75 %
kontrastmittelspeichernder Randwall 77 %
Pleura-Verbreiterung 73 %

Auch in Zentren mit großer Erfahrung in der Therapie der Aktinomykose ist die Diagnosestellung häufig schwierig. In einer großen Klinik wurde initial nur bei 7 % der Patienten die Diagnose korrekt gestellt [8] und die mittlere Krankheitsdauer bis zur definitiven Diagnosestellung lag bei ungefähr 6 Monaten.

Bei unserem zuerst beschriebenen Patienten betrug der Zeitraum vom Beginn der Symptomatik bis zur Diagnosestellung 9 Monate. Er hatte als wegweisenden Befund nur lokalisierte, linksthorakale Schmerzen angegeben. Der zweite beschriebene Patient hatte im Wesentlichen Allgemeinsymptome: Gewichtsverlust, Schwäche und zuletzt Nachtschweiß. Hier betrug die Zeit bis zur Diagnose 3 Monate.

Beiden Fällen gemeinsam war zunächst die Verdachtsdiagnose einer malignen Erkrankung. Dies ist eine sehr häufige Konstellation bei Patienten mit thorakaler Aktinomykose und wird immer wieder in der Literatur beschrieben. Insgesamt hat aber die Anzahl in der Literatur beschriebener Fälle und Serien von Aktinomykosen während der letzten drei Jahrzehnte deutlich abgenommen. Hierfür werden verschiedene Gründe genannt: 1. die Zahn- und Mundpflege ist deutlich gebessert und 2. der relativ breite Einsatz von Antibiotika bei vermuteter bakterieller Infektion jeglicher Ursache wirkt protektiv.

Besonders interessant erscheint in unserem ersten Fall der Befund eines Broncholithen. Ein Broncholith ist ein verkalkter nach endobronchial reichender gutartiger Tumor, häufig ein verkalkter Lymphknoten. Es wird davon ausgegangen, dass ein vorbestehender endobronchialer Broncholith – es kann sich alternativ auch um einen aspirierten Fremdkörper handeln – von aspirierten Aktinomyzeten besiedelt wird und sich sekundär ein Verschluss des Bronchus mit poststenotischer Pneumonie und Abszess ausbildet. Bei unserem Patienten spricht für diese Theorie sowohl die schlechte Mundhygiene als auch die Vorgeschichte mit Apoplex und inkompletter Hemiparese, die einen zumindest passager gestörten Schluckakt vermuten lässt. CT-morphologisch zeigten sich ein proximaler kalzifizierter Knoten, der Broncholith, mit Stenosierung und dahinterliegendem Infiltrat sowie hiläre und mediastinale Lymphknoten. Ein typisches Infiltrat kann mit oder ohne zentrale Aufhellung oder Höhlenbildung imponieren; hiläre und mediastinale Lymphknoten sind häufig vergrößert [7].

Interessant sind auch die thorakalen Schmerzen des Patienten, die der Einweisungsgrund gewesen waren. In Projektion auf den Hauptschmerzpunkt kamen in der Knochenszintigrafie Nuklidmehranreicherungen zur Darstellung, in der Sonografie zeigen sich hier in den Rippen dichtere Areale, die im Knorpel-/Knochenübergang normal, aber lateraler – wie hier vorliegend – ungewöhnlich sind, die dennoch als unspezifisch angesehen werden müssen (s. o.). Das CT des Thorax zeigte zu diesem Befund kein Korrelat. Die Schmerzen, die bereits seit 9 Monaten bestanden und unter NSAR nur gering gebessert waren, sodass der Patient mit Opiaten behandelt werden musste, waren bereits eine Woche nach Einleitung der antimikrobiellen Therapie vollständig verschwunden. Dies kann als klarer Indikator für einen direkten Zusammenhang zwischen den Knochenschmerzen und der entzündlichen Erkrankung angesehen werden.

Die perikardiale Aktinomykose wurde in der deutschen Literatur erstmals 1884 im Rahmen einer Dissertation in Berlin von A. König beschrieben. Zuletzt waren perikardiale Aktinomykosen Einzellfälle. Die letzten Fallberichte datieren von 1976 und 1988 [9] [10].

Die Gesamtheit der kardialen Aktinomykosen macht wahrscheinlich weniger als 2 % aller Aktinomykosefälle aus. Nach gängiger Auffassung entwickelt sich die perikardiale Aktinomykose im Wesentlichen per continuitatem aus einer thorakalen Aktinomykose [11]. Eine primäre Infektion oder eine hämatogene Ausbreitung erscheinen eher unwahrscheinlich – werden aber in Einzelfällen bei Kindern diskutiert. Neben dem Perikard können auch Myokard und Endokard infiziert sein.

Die perikardiale Infektion kann als akute Perikarditis, eitrige Perikarditis mit Perikarderguss, konstriktive Perikarditis oder akuter Perikardtamponade auftreten [12]. Eine Perikarditis konstriktiva mit oberer Einflussstauung bei thorakaler Aktinomykose, wie wir sie beschreiben, war früher immer tödlich und ist auch heute noch mit einer hohen Letalität verbunden. Differenzialdiagnostisch muss beim Nachweis einer Perikarditis konstriktiva auch an eine perikardiale Tuberkulose gedacht werden.

Über Jahrzehnte wurde die Aktinomykose mit Penicillin G für 2 bis 6 Wochen hochdosiert intravenös (18 bis 24 Mio E) und dann für weitere 6 bis 12 Monate oral mit Penicillin oder Amoxicillin antimikrobiell behandelt. Die Notwendigkeit einer langen Therapie wurde mit einer sehr langsamen Vermehrung der Bakterien und mit einer sehr geringen Vaskularisierung und einer hochgradigen Fibrosierung im Entzündungsareal begründet. Bei der Diskussion der Therapiedauer muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Aktinomykose früher häufig erst in einem sehr späten Stadium mit ausgedehnten großen Entzündungsprozessen behandelt wurde. Ob die lange Therapiedauer auch für weniger ausgeprägte Fälle gilt, wurde zuletzt infrage gestellt. Für einfache Fälle ohne Empyem, ohne Fistelbildung nach außen und ohne Mediastinitis werden kürzere i.v.-Therapiespannen mit anschließender oraler Therapie beschrieben. In einer Fallsammlung einer koreanischen Arbeitsgruppe (28 Patienten mit thorakaler Aktinomykose in 10 Jahren) wurde dabei kein Rezidiv berichtet. Die Autoren empfehlen, die Therapiedauer individualisiert zu gestalten und an Faktoren wie Ausdehnung der Erkrankung, klinischem und radiologischem Ansprechen sowie Radikalität einer eventuell durchgeführten Operation anzupassen. Die verwendeten antimikrobiellen Substanzen waren Penicillin G, Clindamycin, Ampicillin mit und ohne Sulbactam und Amoxicillin mit und ohne Clavulansäure und Cephalosporine als i.v.-Medikation sowie Ampicillin, Sultamicillin, Amoxicillin mit und ohne Clavulansäure, Cephalosporine und Clindamycin als orale Medikation [13]. Die Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen unterstützen diese verkürzten Therapieschemata [14] [15] [16] [17].

Bei vielen Patienten finden sich in der mikrobiologischen Probe nicht nur Actinomyces spp, sondern auch viele andere Bakterien: Actinobacillus actinomycetescomitans, Eikanella corrodens, Enterobacteriaceae, Fusobakterien, Bacteroides, Capnocytophagia, Staphylokokken und Streptokokken. Zwei bis vier, manchmal bis zu 10 verschiedene Erreger wurden in Assoziation mit den krankheitsursächlichen Aktinomyzeten gefunden [18]. Inwieweit es sich bei diesen Keimen um Erreger oder um Kommensalen handelt, ist nicht geklärt. Wahrscheinlich sind zusätzliche Keime für die Invasivität der Aktinomykose verantwortlich, da den Aktinomyzeten selber Enzyme wie Hyaluronidasen fehlen. Die höhere Ansprech- und niedrigere Rezidivrate von Patienten, die mit einem Aminopenicillin plus β-Laktamaseinhibitor behandelt werden, spricht ebenfalls für die Relevanz dieser Keime.

Die Diagnose der Aktinomykose erfolgt meist durch den direkten Nachweis von Aktinomyzetendrusen aus Fistelgängen, Biopsien, Bronchialsekret oder BAL durch einen erfahrenen Untersucher. Zudem sollte eine kulturelle Identifikation der Erreger angestrebt werden. Sie ist nur möglich, wenn das Sekret in anaeroben Transportmedien versandt und eine Kultur auf Aktinomyzeten angefordert wird, die Aktinomykose also bereits differenzialdiagnostisch bedacht wird. Der Mikrobiologe sollte dann gezielt auf die Möglichkeit des Vorliegens einer Aktinomykose hingewiesen werden. Da dies nur selten der Fall ist, werden die Erreger selten kulturell identifiziert. Eine solche Identifikation birgt Vorteile, da eine Speziesdifferenzierung, Resistenztestung und Identifikation von Begleiterregern (wieder mit Resistenztestung) möglich ist.

Sie gelang in unseren Fällen allerdings nicht.

Unsere Patienten erhielten kalkuliert ein Aminopenicillin in Kombination mit einem Betalaktamasehemmer. Beim ersten Patienten ergab sich die längere Therapiedauer aus der Besonderheit des vorliegenden Broncholithen. Beim zweiten Patienten war aufgrund der Ausbreitung der Infektion und des nur verzögerten Ansprechens eine längere Therapiedauer indiziert.

Bei Vorliegen einer Penicillinallergie können alternativerweise auch Therapien mit Clindamycin, Erythromycin oder auch Tetrazyklinen verordnet werden.

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Literatur

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  • 2 Mabeza G F, Macfarlane J. Pulmonary actinomycosis.  Eur Respir J. 2003;  21 545-551
  • 3 Slade P R, Slesser B V, Southgate J. Thoracic actinomycosis.  Thorax. 1973;  28 73-85
  • 4 Smego R A, Foglia G. Actinomycosis.  Clin Infect Dis. 1998;  26 1255-1263
  • 5 Kim T S, Han J, Koh W J. et al . Thoracic actinomycosis: CT features with Histopathologic correlation.  AJR. 2006;  186 225-231
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  • 11 Zöckler S. Cardiac actinomycosis: a case report and review of the literature.  Circulation. 1951;  3 854-858
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  • 13 Choi J C, Koh W J, Kim T S, Lee K S, Han J, Kim H, Kwon O J. Optimal duration of iv and oral antibiotics in the treatment of thoracic actinomycosis.  Chest. 2005;  128 2211-2217
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  • 15 Hsieh M J, Liu H P, Chang J P. Thoracic actinomycosis.  Chest. 1993;  104 366-370
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Andreas Bastian

Ärztlicher Leiter der Zentralen Interdisziplinären Notaufnahme
Klinikum Lüdenscheid

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Email: andreas.bastian@rub.de

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Andreas Bastian

Ärztlicher Leiter der Zentralen Interdisziplinären Notaufnahme
Klinikum Lüdenscheid

Paulmannshöher Str. 14
58515 Lüdenscheid

Email: andreas.bastian@rub.de

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Abb. 1 a – c Konventionelles Röntgen- und CT-Thorax eines 76-jährigen Patienten mit Broncholith am Abgang des linken Unterlappens (b) und dichtem linksparakardialem Infiltrat (c).

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Abb. 2 a – c Knochenszintigrafie mit Nuklidanreicherung linksthorakal (a). Sonografische Darstellung von unspezifischen echoreichen Arealen in den Rippen im Schmerzbereich (b, c).

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Abb. 3 a – d Bronchoskopische Bilder: Blick vom distalen linken Hauptbronchus auf den verschlossenen Unterlappen und den freien Oberlappen/Lingulaabgang (a); Blick auf den subtotal verschlossenen linken Unterlappen (b); nachgeschaltet im hochgradig stenosierten linken Unterlappen entzündliches und nekrotisches Gewebe (c); die Segmente LB8 – 10 sind nach dem Absaugen frei einsehbar (d).

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Abb. 4 a, b Nach 3 Wochen (a) antimikrobieller Therapie kommt der Broncholith vor dem Abgang des linken Unterlappens zur Darstellung – der linke Unterlappen ist noch leichtgradig eingeengt und LB6 ist nicht darstellbar. Nach 3 Monaten (b) ist nur noch ein kleiner Broncholith sichtbar – ohne Stenosierung.

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Abb. 5 a – c CT-Thorax eines 36-jährigen Patienten mit ausgedehnter perikardialer, mediastinaler und Lungenaktinomykose mit Raumforderung an der Herzspitze (a); hochgradiger Stenosierung der V. cava superior (b) und Infiltrat rechts parakardial (c).

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Abb. 6 Substernale sonografische Darstellung der Raumforderung an der Herzspitze (zwischen den Pfeilen).

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Abb. 7 Histopathologische Darstellung des Perikards. a 2 Aktinomycesdrusen in Granulationsgewebe (PAS-Reaktion/100 ×). b Aktinomycesdruse aus feinem Geflecht fadenförmiger Mikroorganismen (PAS-Reaktion/400 ×). c, d Lungenparenchym (jeweils in der oberen Bildhälfte) mit interstitieller Entzündungsreaktion und kubischer Transformation der Pneumozyten (H.E./c: 100 ×, d: 200 ×) (Die Vergrößerungsangaben beziehen sich auf die Mikroskopvergrößerung).