Gastroenterologie up2date 2008; 4(4): 293-294
DOI: 10.1055/s-0028-1103427
Klinisch-pathologische Konferenz

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Inflammatorische fibroide Polypen des Magen-Darm-Trakts – Kommentar

Steffen  Kunsch, Thomas  Mathias  Gress
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Publication Date:
09 December 2008 (online)

Sicht des Gastroenterologen

Die Autoren Huss et al. beschreiben in der hier vorgestellten Kasuistik einen sehr interessanten Fall einer polypoiden Läsion des terminalen Ileums, welche im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie bei einer 63-jährigen asymptomatischen Patientin diagnostiziert wurde. Aufgrund der schwierigen Lokalisation wurde in dem vorgestellten Fall von einer endoskopischen Abtragung abgesehen. Es erfolgte die vollständige chirurgische Resektion. Histopathologisch wurde die Diagnose eines entzündlich fibroiden Polypen (IFP) gestellt. In Analogie zu dieser Kasuistik sollen im Folgenden die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten aus Sicht des Gastroenterologen beleuchtet werden.

Ätiologie und Klinik

Entzündlich fibroide Polypen sind mesenchymalen Ursprungs und entstehen in der Submukosa. Prinzipiell können sie im gesamten Gastrointestinaltrakt vorkommen, wobei der Magen mit 70 % die häufigste Lokalisation darstellt. An zweiter Stelle findet sich die Läsion im Dünndarm. Seltener werden diese Polypen im Kolon, Zäkum oder der Appendix diagnostiziert. Nur in Einzelfällen wurde über Manifestationen im Ösophagus berichtet. Bei Diagnosestellung sind die Polypen meist zwischen 1 und 5 cm groß, wobei Berichte über eine Größe von bis zu 20 cm vorliegen. Obgleich die Ätiologie nicht geklärt ist, besteht hinsichtlich der benignen Dignität heute weitgehende Einigkeit. Die traditionelle Auffassung einer rein entzündlich reaktiven Genese muss jedoch aufgrund aktueller Daten kritisch hinterfragt werden. Der Nachweis von Mutationen des Platelet-derived-Growth-Factor-α-Gens (PDGFRA) lässt vielmehr einen neoplastischen Prozess vermuten [1].

Symptomatik. Klinische Symptome entstehen meist im fortgeschrittenen Stadium und setzen sich je nach Lokalisation aus Bauchschmerzen, Übelkeit, Diarrhö oder dem Auftreten einer chronischen Blutungsanämie zusammen [2].

Diagnostik

Im Rahmen endoskopischer Routineverfahren (Gastro- und Koloskopie) gelingt die Diagnosestellung, wie in der hier vorgestellten Kasuistik, häufig im asymptomatischen Stadium als Zufallsbefund. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Lokalisation im Dünndarm. Es liegt eine Reihe von Fallberichten vor, wonach diese Patienten häufig erst aufgrund ausgeprägter klinischer Beschwerden einer suffizienten Diagnostik zugeführt werden können [3]. Hier ist vor allem die Kapselendoskopie mit anschließender Enteroskopie oder eine Schnittbildgebung des Abdomens zu nennen. Makroskopisch imponieren entzündlich fibroide Polypen als gestielte oder sessile Polypen. Die Oberfläche weist häufig Exulzerationen auf. Die konventionelle Zangenbiopsie führt aufgrund des submukösen Wachstumsverhaltens der entzündlich fibroiden Polypen meist nicht zur Diagnose. Es ist davon auszugehen, dass mittels Zangenbiopsie lediglich in 10 % der Fälle eine korrekte Diagnosestellung zu erwarten ist [4].

Therapie

Vollständige Resektion. Die komplette Resektion von entzündlich fibroiden Polypen muss derzeit als Therapie der Wahl angesehen werden. Dies gilt sowohl für die Behandlung und Prävention von klinischen Beschwerden als auch für die Diagnosesicherung. Die Frage, ob die endoskopische Abtragung oder eine chirurgische Resektion die optimale Therapieform darstellt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Da es sich um eine sehr seltene Läsion handelt, stützt sich die vorhandene Literatur hauptsächlich auf Einzelfallberichte und retrospektive Auswertungen. Prospektive Studien stehen nicht zur Verfügung.

In der klinischen Praxis sollten erstens die Lokalisation und zweitens die Morphologie der Läsion über das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen entscheiden.

Endoskopische Abtragung. Entsprechend den allgemeinen Empfehlungen sollten polypoide Läsionen im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung, wenn technisch möglich, ohne vorhergehende bioptische Sicherung abgetragen werden. Die Diagnose eines IFP wird dann histopathologisch gestellt. Einschränkend muss erwähnt werden, dass IFP meist von der Submukosa ausgehen und Ausläufer bis in die Lamina muscularis beschrieben wurden. Hier könnte die endoskopische Abtragung mit einem erhöhten Perforationsrisiko oder der Gefahr einer inkompletten Entfernung einhergehen. Entsprechend liegt bereits eine Fallbeschreibung eines Rezidivs nach endoskopischer Resektion vor [5].

Derzeit existieren keine allgemeinen Empfehlungen zum Vorgehen bei inkompletter endoskopischer Abtragung. So muss im Einzelfall entschieden werden, ob wegen der bereits beschriebenen Rezidivgefahr und der fraglich neoplastischen Genese eine endoskopische oder chirurgische Nachresektion angestrebt wird oder ob endoskopische Verlaufskontrollen durchgeführt werden.

Chirurgische Resektion. Ein primär chirurgisches Vorgehen sollte bei allen Polypen erfolgen, die aufgrund von Größe oder Lokalisation bei Diagnosestellung technisch nicht endoskopisch abtragbar sind.

Fazit

Entzündlich fibroide Polypen sind sehr seltene benigne Läsionen des Gastrointestinaltrakts. Aufgrund des submukösen Wachstumsverhaltens ist eine bioptische Diagnosesicherung selten möglich. Die vollständige Resektion ist das therapeutische Ziel. Die Lokalisation und Morphologie entscheiden über ein primär endoskopisches oder chirurgisches Vorgehen. Wir empfehlen, wenn technisch möglich, die primäre endoskopische Abtragung. Wegen der schlechten Datenlage muss im Einzelfall entschieden werden, ob bei unvollständiger endoskopischer Abtragung eine endoskopische oder chirurgische Nachresektion oder eine Verlaufsendoskopie durchgeführt wird.

Literatur

  • 1 Schildhaus H U, Cavlar T, Binot E. et al . Inflammatory fibroid polyps harbour mutations in the platelet-derived growth factor receptor alpha (PDGFRA) gene.  J Pathol. 2008;  216 176-182
  • 2 Ozolek J A, Sasatomi E, Swalsky P A. et al . Inflammatory fibroid polyps of the gastrointestinal tract: clinical, pathologic, and molecular characteristics.  Appl Immunohistochem Mol Morphol. 2004;  12 59-66
  • 3 El Hajj II , Sharara A I. Jejunojejunal intussusception caused by an inflammatory fibroid polyp. Case report and review of the literature.  J Med Liban. 2007;  55 108-111
  • 4 Stolte M, Finkenzeller G. Inflammatory fibroid polyp of the stomach.  Endoscopy. 1990;  22 203-207
  • 5 Zinkiewicz K, Zgodzinski W, Dabrowski A. et al . Recurrent inflammatory fibroid polyp of cardia: a case report.  World J Gastroenterol. 2004;  10 767-768

Dr. med. Steffen Kunsch

Klinik für Innere Medizin
Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg

Baldingerstraße
35043 Marburg

Email: kunsch@med.uni-marburg.de

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