Neuropsychologie und Psychotherapie sind Bereiche der Klinischen Psychologie, die
in den vergangenen Jahren für die Psychiatrie stark an Bedeutung und an eigenständigem
Profil gewonnen haben. Nach längerer Zeit sind diese Disziplinen wieder aus dem Schatten
von Pharmakologie und Neurobiologie herausgetreten.
Im Bereich der Diagnostik hängt dies mit der zunehmenden Aufmerksamkeit zusammen,
die in den vergangenen Jahren die Demenzerkrankungen, insbesondere die Alzheimersche
Krankheit, gefunden haben. Hier stellen die Früherkennung der Erkrankung sowie die
Abbildung der Wirksamkeit krankheitsmodifizierender Therapiemethoden die Neuropsychologie
vor neue Herausforderungen. Auf dem Gebiet der Schizophrenien ist die entscheidende
Bedeutung von Negativsymptomen und kognitiven Störungen für den Langzeitverlauf lange
bekannt. Die Bedeutung der Neuropsychologie für die Diagnostik und die der Psychotherapie
für die Therapie dieser Erkrankung ist allerdings noch nicht allgemein anerkannt.
Neuropsychologische Einschränkungen psychiatrischer Patienten erschließen sich häufig
nur teilweise in der psychopathologischen Untersuchung. Ihre Erfassung bedarf spezifischer
Verfahren und qualifizierter Untersucher, die in der Anwendung und Ergebnisinterpretation
für diese Instrumente geschult und geübt sind. Vielfalt und Stellenwert neuropsychologischer
Untersuchungsverfahren werden in dem einführenden Übersichtsartikel von Blessing et
al. dargestellt. In dem folgenden Beitrag werden die wesentlichen neuropsychologischen
Einschränkungen von an Schizophrenie erkrankten Patienten und die Bedeutung dieser
Einschränkungen für Funktionsniveau und Langzeitverlauf dargestellt.
Auf dem Gebiet der Psychotherapie erscheint bemerkenswert, dass in den vergangenen
Jahren in zunehmendem Ausmaß auch Krankheitsbilder psychotherapeutisch behandelt werden,
bei denen man dies noch vor einigen Jahren als wenig hilfreich, vielleicht sogar als
schädlich angesehen hat. In dem Beitrag von Veselinovic et al. wird der aktuelle Stand
in der Anwendung der Dialektisch–Behavioralen Therapie bei Patienten mit Borderline–Persönlichkeitsstörung
dargestellt, ein Verfahren, das sich in dieser Indikation schon seit einigen Jahren
bewährt hat. Sinnvoll und hilfreich kann die Anwendung verhaltenstherapeutischer Techniken
aber auch bei an Schizophrenie erkrankten Patienten mit therapierefraktärer Positivsymptomatik
sein. Diese interessante, mitunter kontrovers diskutierte Thematik wird in dem Beitrag
von Vauth dargestellt. Möglicherweise noch umstrittener ist die Durchführung kognitiver
Trainingsmaßnahmen bei an Demenz erkrankten Patienten. Nach der Ära des Realitäts–Orientierungs–Trainings
(ROT), das in der Vergangenheit mitunter wenig einfühlsam durchgeführt wurde, stehen
derzeit bei der Psycho–, Sozio– und Ergotherapie Verfahren im Vordergrund, die sich
primär am Wohlbefinden der Patienten orientieren, z.?B. die Validation. Das Potenzial
und die Durchführbarkeit kognitiver Trainingsmaßnahmen sind noch weitgehend unbekannt.
Meine Arbeitsgruppe hat sich dieses Themas angenommen; erste Untersuchungsergebnisse
zur Auswirkung eines Gedächtnistrainings auf Lebensqualität und Gedächtnisleistung
von an Demenz erkrankten Patienten sind in dem Beitrag von Schimmel et al. dargestellt.
Ich hoffe, die Beiträge dieses Heftes finden Ihr Interesse. Sie sind meiner Meinung
nach informativ und anregend. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!