Der Klinikarzt 2008; 37(10): 501
DOI: 10.1055/s-0028-1100438
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Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern - Geht die Ära der Vitamin-K-Antagonisten ihrem Ende entgegen?

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30 October 2008 (online)

 
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    Komplexe Therapieregime oder die Furcht vor möglichen Blutungskomplikationen sind die häufigsten Gründe, warum Patienten mit Vorhofflimmern und zusätzlichen Risikofaktoren keine adäquate Antikoagulation erhalten - und das obwohl sich damit das Schlaganfallrisiko der Betroffenen signifikant um etwa 70 % reduzieren lässt. Um mehr dieser Patienten suffizient versorgen zu können, setzen Experten ihre Hoffnung heute auf neuere Antikoagulanzien wie direkte Faktor-Xa- bzw. Thrombininhibitoren - wie zum Beispiel den direkten Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban, der kürzlich die EU-Zulassung zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperationen erhalten hat. Prof. Harald Darius, Berlin, bewertete im Gespräch mit dem klinikarzt das Potenzial der neuen Antikoagulanzien in der Kardiologie.

    ? Welche Rolle spielt das Vorhofflimmern beim Schlaganfall?

    Prof. Harald Darius: Ein erheblicher Teil der Schlaganfälle ist auf Vorhofflimmern zurückzuführen. Blutgerinnsel, die sich im linken Vorhofohr, also im Niederdrucksystem sammeln, werden ausgeschwemmt und führen zur Okklusion von Hirnarterien und damit zum Schlaganfall. Kurz gesagt: Rund 30 % aller Schlaganfälle beruhen auf einem solchen Ereignis.

    ? Laut den Leitlinien sollen Patienten mit Vorhofflimmern eine Thromboseprophylaxe erhalten. Worauf gründet sich diese Empfehlung?

    Darius: Junge Patienten, die sonst keine Risikofaktoren haben, brauchen keine Antikoagulation. Kommen aber ein Alter von mindestens 75 Jahren, Diabetes mellitus, Hochdruck, Herzinsuffizienz oder ein Zustand nach Schlaganfall oder Embolie dazu, besteht die Indikation zur Antikoagulation. Mithilfe einer Thromboseprophylaxe lässt sich bei diesen Risikopatienten die Häufigkeit von Schlaganfällen um circa 70 % reduzieren.

    Aus Registerdaten wissen wir, dass in Deutschland aber etwa die Hälfte dieser Patienten nicht antikoaguliert wird. Oft sind dies ältere Patienten, die zum einen sturzgefährdet sind und denen man zum anderen nicht zutraut, die aufgrund der Dosierung und des notwendigen Monitorings komplexe Therapie zuverlässig durchzuführen. Dazu kommt noch die Sorge der Ärzte vor Blutungskomplikationen.

    ? Demnach besteht ein Bedarf an neuen, einfacheren Therapieoptionen. Welche Anforderungen stellen Sie an ein neues Antithrombotikum?

    Darius: Zum einen sollte ein schneller Wirkungseintritt, aber auch ein schnelleres Wirkungsende gewährleistet sein. Darüber hinaus sollten möglichst keine Nahrungsmittel- oder Arzneimittelinteraktionen bestehen. Zudem sollte ein ideales Antikoagulans nicht kontrollbedürftig und einfach zu handhaben sein, möglichst also in einer fixen Dosis gegeben werden können.

    ? Direkte Faktor-Xa-Inhibitoren kommen diesem Ideal sehr nahe. Wie würden Sie deren Potenzial bei der Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern einstufen?

    Darius: Zweifellos haben diese Substanzen in dieser Indikation ein sehr großes Potenzial, die orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten in Zukunft abzulösen, wenn ihre Wirksamkeit in den aktuellen großen Studien dokumentiert ist. Faktor-Xa-Antagonisten oder direkte Thrombinantagonisten sind meiner Ansicht nach die Substanzen der Zukunft.

    ? Derzeit laufen Studien mit dem direkten Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban in dieser Indikation. Wo sehen Sie die Vorteile dieses Wirkstoffs?

    Darius: Rivaroxaban hat genau das therapeutische Profil, wie es ein ideales Antikoagulans haben müsste: Hiermit scheint eine einfache Therapie ohne Kontrollbedürftigkeit möglich - bei einem relativ geringen Blutungsrisiko. Daher ist Rivaroxaban ein ganz 'heißer Kandidat', einmal Nachfolgesubstanz für die Vitamin-K-Antagonisten zu werden.

    ? Auf die aktuelle Studie zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern mit Rivaroxaban, die ROCKET-AF [1] -Studie, haben Sie schon kurz hingewiesen. Lassen sich bereits erste Schlüsse aus dem bisherigen Studienverlauf ziehen?

    Darius: In ROCKET-AF wird die einmal tägliche Gabe Rivaroxaban an über 14 000 Patienten gegen Warfarin (Ziel-INR 2,5) randomisiert und doppelblind getestet. Endpunkte sind Schlaganfall oder systemische Thrombembolie. Inzwischen sind etwa die Hälfte der Patienten rekrutiert, die 'ältesten' Patienten sind schon über ein Jahr lang in Behandlung. Ergebnisse gibt es bisher natürlich nicht. Anhand der Sicherheitszwischenanalysen kann man aber davon ausgehen, dass keine signifikanten substanzbedingten Leberwerterhöhungen aufgetreten sind.

    ? Welche weiteren Indikationen werden für Rivaroxaban untersucht?

    Darius: Es gibt natürlich noch weitere Indikationen für Rivaroxaban, die für Kardiologen hochinteressant sind - angefangen bei der Thromboseprophylaxe bei internistisch schwer kranken Patienten über die Therapie tiefer Venenthrombosen oder Lungenembolien bis hin zur Antikoagulation bei Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom.

    ? Wird mit den neuen Antikoagulanzien die Ära der Vitamin-K-Antagonisten dem Ende entgegen gehen?

    Darius: Ich denke ja, denn eine so antiquierte Arzneimitteltherapie mit einer so komplexen Dosierung, die darüber hinaus so viele Arzneimittel- und Nahrungmittelinteraktionen aufweist und einen so großen Betreuungsaufwand der Patienten erfordert, ist nicht mehr zeitgemäß.

    ! Herr Professor Darius, vielen Dank für dieses Gespräch.

    Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen

    01 Rivaroxaban Once daily oral direct factor Xa inhibition Compared with vitamin K antagonist for the prevention of stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillaion

    01 Rivaroxaban Once daily oral direct factor Xa inhibition Compared with vitamin K antagonist for the prevention of stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillaion

     
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