Der Klinikarzt 2008; 37(10): 500
DOI: 10.1055/s-0028-1100437
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Behandlungsfenster nach dem Schlaganfall wird weiter - Positive Effekte der Thrombolyse bis zu 4,5 Stunden nach ersten Symptomen

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30 October 2008 (online)

 
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Der Schlaganfall ist zwar - nach Herzinfarkt und Krebserkrankungen - "nur" die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, allerdings der häufigste Auslöser einer bleibenden Behinderung. Weltweit sind Schlaganfälle für mehr als 5 Millionen Todesfälle verantwortlich - mit steigender Tendenz: Schätzungen zufolge wird die Inzidenz bis zum Jahr 2020 um weitere 30 % ansteigen, war jetzt auf dem World Stroke Congress (WSC) in Wien zu hören.

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Patienten profitieren länger von der Thrombolyse als bislang belegt

Seit über 10 Jahren sei die systemische Thrombolyse, beispielsweise mit dem Wirkstoff Alteplase (Actilyse®), die wichtigste wissenschaftlich bewiesene und zugelassene Behandlung akuter Schlaganfälle, so die Experten. Bislang war hierbei aufgrund der vorliegenden Studiendaten ein Zeitfenster von maximal 3 Stunden vorgegeben.

Ein späterer Einsatz, so die Befürchtung, erhöhe die Gefahr von Hirnblutungen durch die Wiedereröffnung des Gefäßes. Darüber hinaus habe die Ischämie dann bereits soviel Gewebe zerstört, dass eine Wiedereröffnung keinen Sinn mehr mache - auch das befürchteten die Experten. Erste Ergebnisse der ECASS[1]-3-Studie können dies jetzt widerlegen. Denn hier zeigte sich ein signifikanter Nutzen der Alteplasetherapie auch innerhalb eines Zeitraums von 3-4,5 Stunden nach Einsetzen der ersten Schlaganfallsymptome [1].

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Studiendetails im Überblick

Insgesamt nahmen an der ECASS-3-Studie 821 Patienten aus 15 europäischen Ländern teil, die in 2 Studienarme randomisiert wurden: 418 Schlaganfallpatienten wurden 3-4,5 Stunden nach dem ersten Auftreten ihrer Symptome einer Thrombolyse mit Alteplase zugeführt, 403 erhielten Placebo. Primärer Studienendpunkt war der Grad der Behinderung nach 90 Tagen, gemessen anhand der modifizierten Rankin-Scale. Ein Wert von 0 auf dieser Skala entspricht einem Patienten ohne Symptome, ansteigende Werte dokumentieren eine immer höhere Beeinträchtigung (6 = Tod). Ein Wert von 0-1 war im Rahmen der Studie als günstiges Ergebnis ("Outcome") definiert, ein Wert zwischen 2 und 6 wurde als ungünstiges "Outcome" gewertet.

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Mehr Patienten mit leichteren Behinderungen - auch nach 3 Stunden

Rund 52,4 % mit Alteplase behandelten Patienten, aber nur 45,1 % der Patienten unter Placebo sprachen gut auf die Therapie an und trugen keine oder nur geringfügige Behinderungen davon (Abb. [1]). Demnach hatten die Alteplasepatienten eine um 34 % höhere Wahrscheinlichkeit für ein günstiges Ergebnis als die Kontrollgruppe (p = 0,04). Auch 1,5 Stunden außerhalb des zugelassenen Zeitfensters erhöht der Einsatz des Plasminogenaktivators also die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten nach einem Schlaganfall lediglich minimale oder sogar keine Behinderungen haben.

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ECASS 3: Grad der Behinderung auf der modifizierten Rankin-Scale-Verteilung der Scores. nach [1]

Die Zahl der Todesfälle war mit etwa 8 % in beiden Studienarmen etwa gleich hoch. Allerdings waren in der Thrombolysegruppe erwartungsgemäß mehr symptomatische intrakranielle Blutungen zu verzeichnen (2,4 versus 0,3 %; p = 0,008) - eine Rate, wie sie aus den vorangegangenen Studien bekannt ist.

Die positiven Ergebnisse aus ECASS 3 spiegeln sich auch im klinischen Alltag wider: Die Daten des STS-ISTR[2], ein wissenschaftlich entwickeltes Register zur Thrombolyse bei akutem ischämischen Schlaganfall, weisen in dieselbe Richtung [2]. Hier zeichnet sich ebenfalls ab, dass eine Behandlung in dem erweiterten Zeitfenster ein vergleichbares klinisches Ergebnis ermöglicht, wie es Patienten aufweisen, die früher behandelt werden.

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Trotzdem bleibt es dabei: Je früher desto besser

"Dass wir mehr Zeit haben, heißt jedoch nicht, dass wir uns mehr Zeit nehmen dürfen", warnte Prof. Werner Hacke, Heidelberg. Nach wir vor gelte es, Patienten mit Schlaganfallsymptomen so schnell wie möglich in die Klinik zu bringen. Denn dass die Patienten umso mehr Behinderungen davon tragen, je später sie behandelt werden, daran lassen auch die neuen Daten keinen Zweifel.

Doch ECASS 3 stellt wichtige Weichen für die Zukunft: Auch Schlaganfallpatienten, die nicht innerhalb von 3 Stunden in eine spezialisiertes Zentrum eingeliefert werden können, können demnach effektiv behandelt werden. "Eine große Patientengruppe, die derzeit von dieser Behandlungsmöglichkeit noch ausgeschlossen ist, könnte also in Zukunft davon profitieren", kommentierte Hacke.

Alexander Wehr, Hamburg

Quelle: Pressegespräch und Satellitensymposium "Path breaking results in ischaemic stroke therapy" im Rahmen des 6. World Stroke Congress, veranstaltet von der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim

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Literatur

  • 01 Hacke W . et al . N Engl J Med. 2008;  359 1317-1329
  • 02 Wahlgren N . et al . Lancet 2008; Sep 12 [Epub ahead of print]. 

01 European Cooperative Acute Stroke Study

02 Safe Implementation of Treatments in Stroke - International Stroke Thrombolysis Registry

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Literatur

  • 01 Hacke W . et al . N Engl J Med. 2008;  359 1317-1329
  • 02 Wahlgren N . et al . Lancet 2008; Sep 12 [Epub ahead of print]. 

01 European Cooperative Acute Stroke Study

02 Safe Implementation of Treatments in Stroke - International Stroke Thrombolysis Registry

 
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ECASS 3: Grad der Behinderung auf der modifizierten Rankin-Scale-Verteilung der Scores. nach [1]