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DOI: 10.1055/s-0028-1090269
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Das Forschungsgutachten zur Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten (PP) und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP)
Research Expertise Related to the Training of Psychological Psychotherapists and Child- and Adolescent PsychotherapistsPublication History
Publication Date:
06 May 2009 (online)

Prof. Bernhard Strauß
Prof. Elmar Brähler
Im Sommer 2007 wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das im Titel genannte Forschungsgutachten ausgeschrieben. Die Vergabe des Auftrages war u. a. motiviert durch Veränderungen der Zugangsvoraussetzungen durch die gestuften Studiengänge (Bachelor, Master) infolge der sog. „Bologna-Reform”, uneinheitliche Zugangsvoraussetzungen für die beiden Ausbildungen bzw. Approbationen (PP / KJP), Unklarheiten und Unzufriedenheiten bezüglich der Finanzierung (speziell der praktischen Tätigkeit von Psychologen in Ausbildung, „PiA”), deutliche Redundanzen zwischen den Hochschulstudiengängen und der Ausbildung sowie die immer noch bestehenden Unterschiede zum ärztlichen Aus- und Weiterbildungssystem in der Psychotherapie.
Im November 2007 wurde das Gutachten an eine Gruppe von Wissenschaftler(inne)n vergeben, der auch die beiden für dieses Editorial zeichnenden PPmP-Herausgeber angehören (die Gruppe besteht aus Marianne Leuzinger-Bohleber, Ulrike Willutzki, Sven Barnow, Elmar Brähler, Jörg Fegert, Steffen Fliegel, Harald J. Freyberger, Lutz Goldbeck sowie Bernhard Strauß als Projektleiter). Mit dem Ende des Monats April wurde das Gutachten abgeschlossen und an das BMG übergeben. Ohne jetzt schon im Detail verraten zu dürfen, welche grundsätzlichen gutachterlichen Empfehlungen abgegeben wurden, wollen wir mit diesem Editorial die Fachwelt doch darüber informieren, dass mit dem Forschungsgutachten, das sicher in Bälde auch durch das BMG öffentlich gemacht werden wird, eine sehr umfangreiche Bestandsaufnahme der Ausbildungslandschaft gelungen ist, die eine Fülle an Informationen enthält, die sich für den Anstoß kleinerer und größerer Reformen der Psychotherapieausbildung sehr gut eignen werden.
Im Mittelpunkt der Analyse der aktuellen Ausbildung standen Fragen, die sich auf die bestehenden Ausbildungsstätten und -strukturen beziehen, die Bewährung der Verfahrensorientierung, die Dauer, die Kosten und die Bestandteile der Ausbildung, die staatlichen Prüfungen, Zugangsvoraussetzungen und auf einen Vergleich der Entwicklungen im In- und Ausland.
Der Auftraggeber wünschte darüber hinaus konkrete Empfehlungen für die zukünftige Gestaltung der Ausbildung und die Formulierung von speziellen Zugangsvoraussetzungen, die Ausrichtung der Ausbildung an Verfahren oder alternativen Konzepten, wie etwa einer störungsorientierten Psychotherapie, die Einbindung der bestehenden Strukturen in der Aus- und Weiterbildungen, künftige Kostenregelungen und eine „Medizinorientierung” (hier waren Fragen zu beantworten, ob nicht-ärztliche Psychotherapeuten in Zukunft erweiterte Kompetenzen erhalten sollten, um bspw. Medikamente zu verordnen, Überweisungen zu tätigen etc.).
Das Gutachten stützt sich auf eine Vielzahl von Quellen, u. a. sehr umfangreiche Erhebungen, die unter Studierenden der Psychologie, Ausbildungsteilnehmern, Absolventen, Lehrkräften (tätig in der Theorieausbildung, Supervision, Selbsterfahrung und als Prüfer), den Aufsichtsbehörden und einigen Praxisstätten vorgenommen wurden. Außerdem wurde eine ganze Reihe von Expertinnen und Experten im Rahmen einer Delphibefragung und eines Expertenpanels um ihre Meinung gebeten.
Das Gutachten zeigt, dass die Ausbildung zum PP / KJP im Moment an ca. 180 Ausbildungsstätten angeboten wird. Die beiden zentralen Vertiefungsverfahren psychodynamische und Verhaltenstherapie sind im Hinblick auf die Ausbildungsstätten zwar noch relativ gleich verteilt, bei den Ausbildungsteilnehmern gibt es inzwischen aber eine klare Präferenz für die Verhaltenstherapieausbildung, die sich unterschiedlich begründen lässt, u. a. sicherlich auch dadurch, dass an den Hochschulen alternative, nicht verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapieverfahren allenfalls marginal unterrichtet werden.
Auch wenn die im Rahmen des Forschungsgutachtens befragten Gruppierungen mit dem Status quo im Großen und Ganzen recht zufrieden sind, gibt es doch einige Probleme, die insbesondere mit der Finanzierung der Ausbildung und der zeitlichen Struktur zu tun haben. Es ist nicht überraschend, dass bspw. die Ausbildungsteilnehmer und -teilnehmerinnen heftige Kritik an der großen Variabilität hinsichtlich der Vergütung der praktischen Tätigkeit in psychiatrischen und anderen klinischen Einrichtungen äußerten. Generell ist die Tatsache, dass die Psychotherapieausbildung für Nichtärzte eine Ausbildung nach der Ausbildung (und keine Weiterbildung) darstellt, ein Nachteil, der aber auch der unterschiedlichen Tradition der berufsbezogenen Aus- und Weiterbildungsmodelle geschuldet ist.
Das Gutachten hat eine sehr sorgfältige Bestandsaufnahme der einzelnen Ausbildungsbestandteile (theoretischer Unterricht, praktische Ausbildung und Supervision, Selbsterfahrung, praktische Tätigkeit und freie Verfügungsstunden) vorgelegt und macht – wir müssen bezüglich konkreter Inhalte auf das demnächst sicher veröffentlichte Gutachten verweisen – recht konkrete Vorschläge für eine Veränderung und zeitliche Umgestaltung der Ausbildung.
Für die Gutachter war es eine sehr intensive aber auch erfahrungsreiche Zeit, die Einblicke in vielfältige Alternativen der Strukturen, Gestaltung und inhaltlichen Ausrichtung von Ausbildungsmodellen ermöglichte, die sehr intensiv im Hinblick auf ihre Vor- und Nachteile diskutiert wurden. Das Gutachten gibt Empfehlungen, Entscheidungen werden in näherer und weiterer Zukunft von der Politik getroffen. Die Profession darf sicherlich sehr gespannt sein, wie sich die Ausbildungslandschaft verändern wird. In der Schlussbemerkung des Gutachtens wird darauf hingewiesen, dass auch innerhalb der Gutachtergruppe zahlreiche Themen durchaus kontrovers, letztlich aber konstruktiv diskutiert wurden und dass es gelungen ist, alle Standespositionen dem Ziel unterzuordnen, substanzielle Verbesserungen für die zukünftige psychotherapeutische Ausbildung zu ermöglichen. Damit soll auch ein wichtiger gesundheitspolitischer Beitrag zur Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen geleistet werden. Wir hoffen, dass das Gutachten hierfür Impulse setzt und sind sicher, dass Detailergebnisse in Zukunft auch in der PPmP zur Diskussion gestellt werden können.
Prof. Dr. Bernhard Strauß
Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie
Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität
Stoystraße 3
07740 Jena
Email: Bernhard.Strauss@med.uni-jena.de