Sowohl in der Akuttherapie als auch zur Sekundärprävention in der Langzeittherapie
des akuten Koronarsyndroms (ACS) spielt die duale Thrombozytenaggregationshemmung
mit Clopidogrel-Hydrogensulfat (z. B. Iscover®) und Azetylsalizylsäure (ASS) eine
entscheidende Rolle. Clopidogrel-Hydrogensulfat zählt in dieser Indikation inzwischen
zu den am besten erforschten Thrombozytenaggregationshemmern und ist in Kombination
mit ASS für das gesamte Spektrum des akuten Koronarsyndroms zugelassen [3]. Um bei Vorliegen einer instabilen Angina pectoris oder eines Nicht-ST-Hebungsinfarkts
die sofortige Gabe der von den ESC-Leitlinien 2007 der European Society of Cardiology
(ESC) empfohlenen 300-mg-Loading-Dose von Clopidogrel-Hydrogensulfat [1] zu vereinfachen, steht jetzt eine neue 300-mg-Tablette Clopidogrel-Hydrogensulfat
zur Verfügung.
Die aktuellen ESC-Leitlinien 2007 verweisen erneut auf die Bedeutung einer unmittelbaren,
möglichst zeitnahen interventionellen myokardialen Revaskularisation der betroffenen
Koronararterie bei instabiler Angina pectoris (IAP) oder Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI)
([1], [2], [3], Abb. [1]).
Abb. 1 Akutes Koronarsyndrom – Diagnostik. nach [4], [5]
Leitsymptom Brustschmerzen schnell richtig interpretieren
Leitsymptom Brustschmerzen schnell richtig interpretieren
Beiden Formen sowie auch dem ST-Hebungsinfarkt gemeinsam ist zum Beispiel ein typisches
Druck- oder Engegefühl im Thoraxbereich, vor allem hinter dem Brustbein (Sternum),
mit oder ohne Ausstrahlung in Unterkiefer, Zähne, Hals, Arme, Schultern, Rücken oder
Epigastrium, das sich charakteristischerweise durch die Gabe antianginös bzw. ischämisch
wirksamer Medikamente bessert. Doch nicht in jedem Fall treten solche typischen Beschwerden
auf. Insbesondere bei vergleichsweise jungen (25-40 Jahre) bzw. älteren Patienten
(> 75 Jahre), Frauen, Diabetikern und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz
oder Demenz kann die (Schmerz-)Symptomatik vollkommen fehlen, nur sehr schwach ausgeprägt
oder atypisch bzw. maskiert sein [6].
Akuttherapie: Duale Thrombozytenaggregationshemmung schon vor der Koronarangiografie
Akuttherapie: Duale Thrombozytenaggregationshemmung schon vor der Koronarangiografie
Die Arbeitsdiagnose "akutes Koronarsyndrom" (oben beschriebene Schmerzsymptomatik,
richtungsweisende Anamnese, Einschätzung der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen
einer koronaren Herzerkrankung, symptomorientierte körperliche Untersuchung, 12-Kanal-EKG)
muss laut der ESC-Leitlinien 2007 bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt und instabiler Angina
pectoris 10 Minuten nach dem Erstkontakt feststehen, damit der sofortige Beginn der
Basistherapie gewährleistet ist [1]. Im Falle eines ST-Hebungsinfarkt ist die gleiche Akutbehandlung indiziert [3]:
-
Clopidogrel-Hydrogensulfat: sofortige 300-mg-Loading-Dose, gefolgt von 75 mg täglich,
-
ASS: zunächst in einer Loading Dose von 160-325 mg parenteral, gefolgt von einer täglichen
Erhaltungsdosis von 75-100 mg (wenn keine Kontraindikation vorliegt).
Ein Abwarten bis zum Befund der Koronarangiografie wird ausdrücklich nicht empfohlen
[1].
Grundlage dieser Therapieempfehlungen sind die Ergebnisse der Studien CURE[1] und CLARITY-TIMI[2]-28, in denen der Effekt einer Clopidogrel-Hydrogensulfat-Loading-Dose einmal bei
Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung [7] sowie auch bei ST-Streckenhebungsmyokardinfarkt [8] randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert untersucht wurde. In beiden Studien
hatten die Patienten zusätzlich zur indizierten Basistherapie, unter anderem mit ASS
(75-325 mg täglich), auch Clopidogrel-Hydrogensulfat erhalten (zunächst eine Loading
Dose von 300 mg, dann 75 mg täglich). Um die bisher nötige Gabe der Loading Dose von
vier 75-mg-Tabletten zu vereinfachen, steht jetzt eine 300-mg-Tablette Clopidogrel-Hydrogensulfat
zur Verfügung, die seit Juni 2008 in Deutschland erhältlich ist.
Sofortiger Behandlungsbeginn schützt schon in den ersten Stunden
Sofortiger Behandlungsbeginn schützt schon in den ersten Stunden
Schon innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Clopidogrel-Hydrogensulfatgabe war
in CURE ein signifikanter Nutzen für die Patienten mit instabiler Angina pectoris
und Nicht-ST-Hebungsinfarkt zu verzeichnen [7]. In diesem Zeitrahmen trat nur bei 1,4 % der Patienten, die eine 300-mg-Clopidogrel-Hydrogensulfat-Loading-Dose
erhalten hatten, ein kardiovaskuläres Ereignis (Tod durch kardiovaskuläre Ursache,
nichttödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall, refraktäre oder schwere Ischämie) auf,
während in der Placebogruppe 2,1 % der Patienten betroffen waren. Dies entspricht
einer relativen Risikoreduktion von 34 % (95 %-Konfidenzintervall 0,51-0,86). In CLARITY
wiederum verbesserte die duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Clopidogrel - zusätzlich
zu einer Fibrinolyse und einer Heparingabe bei Bedarf - bei Patienten mit Myokardinfarkt
mit ST-Streckenhebung, die 75 Jahre oder jünger waren, im Vergleich zur alleinigen
ASS-Therapie die Koronarperfusion signifikant [8].
Alle Patienten waren für eine Angiografie 48-192 Stunden nach Beginn der Studienmedikation
vorgesehen. Mithilfe der 300-mg-Clopidogrel-Hydrogensulfat-Loading-Dose erhöhte sich
die Wahrscheinlichkeit gegenüber Placebo für
-
einen optimalen epikardialen Fluss, definiert als TIMI-Flussgrad 3 (p < 0,001)
-
sowie eine optimale Myokardreperfusion (TIMI-Myokardreperfusionsgrad 3) (p = 0,008).
Dementsprechend verringerte sich unter einer Therapie mit Clopidogrel-Hydrogensulfat
die Wahrscheinlichkeit für einen intrakoronaren Thrombus um 27 % (p < 0,001). Nach
30 Tagen reduzierte die Clopidogrel-Hydrogensulfattherapie die Wahrscheinlichkeit
für den kombinierten Endpunkt der Studie (Tod durch kardiovaskuläre Ursache, Myokardinfarktrezidiv
oder rezidivierende Ischämie mit Notwendigkeit einer Notfallvaskularisation) signifikant
- und zwar um 20 % (p = 0,03, Abb. [2]). Dies war aber nicht mit einer signifikant erhöhten Rate schwerer oder intrakranieller
Blutungen verbunden.
Abb. 2 CLARITY - Kumulative Inzidenz des Endpunktes 'Tod durch kardiovaskuläre Ursachen,
Myokardinfarktrezidiv oder rezidivierende Ischämie' mit Notwendigkeit einer Notfallrevaskularisation.
nach [8]
Abb. 3 CURE - Kumulative Hazard-Raten für den primären Endpunkt 'Tod durch kardiovaskuläre
Ursachen, nichttödlicher Myokardinfarkt oder Schlaganfall' während der ersten 12 Monate
der Studie. nach [7]
Leitliniengerechte Langzeittherapie: Duale Thrombozytenaggregationshemmung
Leitliniengerechte Langzeittherapie: Duale Thrombozytenaggregationshemmung
Ganz deutlich betonen die aktuellen ESC-Leitlinien 2007 auch den Nutzen der Therapie
mit Clopidogrel-Hydrogensulfat über 12 Monate bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom
ohne ST-Streckenhebung [1] - das heißt sowohl bei instabiler Angina pectoris als auch bei Nicht-ST-Hebungsinfarkt,
sofern kein exzessives Blutungsrisiko besteht (1-A-Empfehlung). Von einer vorübergehenden
Unterbrechung der dualen Thrombozytenaggregationshemmung mit Clopidogrel-Hydrogensulfat
und ASS innerhalb der ersten 12 Monate ist explizit abzuraten, außer es ist klinisch
indiziert, zum Beispiel bei massiven Blutungen oder chirurgischen Eingriffen (1-C-Empfehlung).
Dies gilt auch für ein längeres oder permanentes Absetzen von ASS und/oder Clopidogrel-Hydrogensulfat,
sofern keine klinische Indikation hierfür vorliegt (1-C-Empfehlung).
Effektiver Langzeitschutz gleichermaßen bei IAP und NSTEMI
Effektiver Langzeitschutz gleichermaßen bei IAP und NSTEMI
Auch diese Leitlinienempfehlungen basieren auf den Ergebnissen der CURE-Studie [7]. Denn hier hat sich im Beobachtungszeitraum über 12 Monate eine signifikante Risikoreduktion
für die NSTEMI-ACS-Patienten ergeben, welche die duale Thrombozytenaggregationshemmung
über diesen Zeitraum erhalten hatten - sowohl bei konservativer als auch bei invasiver
Behandlung. Dabei konnte bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder einem Nicht-ST-Hebungsinfarkt
eine beinahe identische Risikoreduktion erreicht werden:
-
Patienten mit instabiler Angina pectoris: relative Risikoreduktion 19 %,
-
NSTEMI-Patienten: relative Risikoreduktion 18 %.
So trat bei 582 der 6 259 Patienten (9,3 %) der Clopidogrel-Hydrogensulfat-Gruppe
im Verlauf der Studie ein solches kardiovaskuläres Ereignis ein. Dagegen waren bei
719 der 6 303 Patienten (11,4 %), die nur ASS erhalten hatten, ein kardiovaskuläres
Ereignis zu beobachten. Dieser signifikante Nutzen durch die zusätzliche Gabe von
Clopidogrel-Hydrogensulfat zur Basistherapie mit ASS zeigte sich unabhängig davon,
ob die Patienten konservativ, das heißt nur medikamentös behandelt wurden (relative
Risikoreduktion unter Clopidogrel-Hydrogensulfat von 20 % versus Placebo; p = 0,0025)
oder invasiv revaskularisiert wurden (PCI, CABG; relative Risikoreduktion unter Clopidogrel-Hydrogensulfat
von 18 % versus Placebo, p = 0,015) [7].
Situation in Deutschland verbesserungswürdig
Situation in Deutschland verbesserungswürdig
Trotz der konkreten Leitlinienempfehlungen zur Behandlung von instabiler Angina pectoris
und Nicht-ST-Hebungsinfarkt und der klaren Studiendaten erhält schätzungsweise nur
etwa jeder 2. Patient mit akutem Koronarsyndrom die duale Thrombozytenaggregationshemmung
[9]. Der Einsatz der kürzlich zugelassenen 300-mg-Dosierung von Clopidogrel-Hydrogensulfat
gestaltet die Akuttherapie deutlich einfacher (1 statt 4 Tabletten) und kann somit
wesentlich zur Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation beitragen.
sts
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Bristol-Myers Squibb GmbH
& Co. KGaA, München