Z Orthop Unfall 2008; 146(4): 430
DOI: 10.1055/s-0028-1085033
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die frische Skaphoidfraktur - Operative oder konservative Behandlung?

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Publication Date:
03 September 2008 (online)

 
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Nicht dislozierte Skaphoidfrakturen wurden in der Vergangenheit üblicherweise konservativ im Gips mit Daumeneinschluss therapiert. Hierdurch gelang eine Heilungsrate von annähernd 90 %. In letzter Zeit gewannen osteosynthetische Verfahren zunehmend an Bedeutung. Es wurden Heilungsraten von bis zu 100 % beschrieben. Studien, welche die langfristigen Ergebnisse beider Behandlungsmöglichkeiten vergleichen, lagen bisher nicht vor.

Nonoperative compared with operative treatment of acute scaphoid fractures. A Randomized Clinical Trial. J Bone Joint Surg Am 2008; 90: 1176-1185

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Methode

Zwischen 1992 und 1997 wurden 83 Patienten mit nicht oder nur minimal (höchstens 1 mm) dislozierter Skaphoidfraktur randomisiert einer konservativen Behandlung mit Anlage eines Gipses oder einer operativen Therapie im Sinne der Osteosynthese mittels Herbert-Schraube zugeführt. Die klinische und radiologische Nachbeobachtung erstreckte sich über durchschnittlich 10 Jahre.

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Ergebnisse

Im kurzfristigen Verlauf war bei den Patienten die operativ versorgt wurden eine durchschnittlich 3-wöchige Gipsbehandlung notwendig. Die konservativ therapierten Patienten erhielten die Gipsimmobilisierung für durchschnittlich 10 Wochen.

Nach zehn Jahren waren alle untersuchten Frakturen knöchern ausgeheilt. Komplikationen traten bei acht der operierten Patienten (Fehlplatzierung der Schraube, CRPS I, akzidentelle Weichteilverletzungen) und bei einem konservativ behandelten Patienten (delayed-union) auf. Ein auffälliger Unterschied bestand in der signifikant höheren Prävalenz einer skaphotrapezialen (ST-) Arthrose in der Gruppe der operierten Patienten. Sowohl Beweglichkeit, als auch Handkraft waren in der konservativ behandelten Gruppe größer, ohne dass hierbei jedoch das Signifikanzniveau erreicht wurde. Funktion und subjektive Zufriedenheit der Patienten, ermittelt durch den DASH (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand) und den PRWE (Patient-Rated Wrist Evaluation) Score, unterschieden sich in beiden Gruppen nicht.

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Schlussfolgerung

Die Studie konnte keine Überlegenheit der operativen Versorgung gegenüber der konservativen Therapie bei gering dislozierter Skaphoidfraktur belegen.

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Kommentar

Vinnars und Kollegen widmen sich in dieser sauber konzipierten und sehr gut dokumentierten Studie den Langzeitergebnissen der derzeit gängigen Therapiemethoden der nicht oder nur gering dislozierten Skaphoidfraktur. Während bei der dislozierten Skaphoidfraktur die Operation mit interner Fixierung Behandlungsstandard ist, wird in letzter Zeit zunehmend auch bei gering dislozierter Skaphoidfraktur die Operation propagiert (u. a. aufgrund vermuteter höherer Heilungsraten sowie einer kürzeren Nachbehandlungszeit). Somit ist eine Analyse der langfristigen Behandlungserfolge der Therapieoptionen angezeigt. Anhand dieser Studie konnte nachgewiesen werden, dass bei unterschiedlich langer initialer Gipsimmobilisierung (3 gegenüber 10 Wochen) nach Osteosynthese und konservativer Behandlung die Langzeitergebnisse 10 Jahre nach der Behandlung gleich gut sind und jeweils eine 100%ige knöcherne Heilungsrate erreicht werden konnte. Lediglich die radiologischen und CT-morphologischen Untersuchungen ergaben ein gehäuftes Auftreten der ST-Arthrose in der Gruppe der operierten Patienten. Auffälligerweise spiegelt sich dies nicht in den übrigen untersuchten Parametern wider: die bildmorphologisch nachgewiesene ST-Arthrose bleibt ohne klinisches Korrelat. Möglicherweise müsste der Nachbeobachtungszeitraum noch weiter ausgedehnt werden, um klinisch relevante Beeinträchtigungen zu erfassen.

Als interessanter Nebenbefund wird in 2 Fällen das Auftreten großer periimplantär gelegener Zysten nach Osteosynthese mittels Herbertschraube erwähnt. Die Herbertschraube besteht aus einer Titanlegierung und galt damit als inert und frei von negativen Auswirkungen auf Weichteile und Knochen. Im Licht neuerer Studien [1], die eine schwache Entzündungsreaktion und fibrotische Veränderungen in der Umgebung von Titanimplantaten beschreiben, wäre im Fall der beschriebenen multizystischen Veränderungen eine Reaktion auf die Legierung denkbar. Alternativ könnte es sich aber auch um Auswirkungen von Mikrobewegungen des Implantates oder der Frakturfragmente handeln.

Zusammenfassend handelt es sich um eine aufwändig angelegte und sehr sorgfältig dokumentierte Studie, die insbesondere durch die hohe Rücklaufrate von 93 % der Patienten nach 10 Jahren beeindruckt.

Dr. Philipp Herlyn

Dr. Philipp Herlyn

Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

Email: philipp.herlyn@med.uni-rostock.de

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Literatur

  • 01 Langford RJ . Frame JW . Tissue changes adjacent to titanium plates in patients.  J Craniomaxillofac Surg.. 2002;  30 103-107
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Literatur

  • 01 Langford RJ . Frame JW . Tissue changes adjacent to titanium plates in patients.  J Craniomaxillofac Surg.. 2002;  30 103-107