Der Klinikarzt 2008; 37(7/08): 340-341
DOI: 10.1055/s-0028-1082379
Recht

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Fehler des Konsiliararztes - Haften Krankenhausträger und Chefarzt?

Haftung kann sich aus dem Krankenhausvertrag ergeben
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Korrespondenz

Dr. jur. Isabel Häser

Rechtsanwältin

Ehler, Ehlers & Partner

Widenmayerstraße 29

80538 München

eMail: i.haeser@eep-law.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. August 2008 (online)

 
Inhaltsübersicht

Das Hinzuziehen eines Konsiliararztes ist eine alltägliche Situation im Krankenhaus. Ob und inwieweit der Krankenhausträger und der Chefarzt für dessen Fehler geradestehen müssen, hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe zu entscheiden (Urteil vom 15.11.2006, Aktenzeichen: 7 U 107/04). Grundsätzlich haftet der Krankenhausträger auf der Basis des Krankenhausvertrags auch für Fehler von Konsiliarärzten, die zur Erfüllung eigener Aufgaben herangezogen wurden. Ein Arzt darf sich dagegen darauf verlassen, dass der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt. Es besteht keine gegenseitige Überwachungspflicht. Konsiliarärzte erfüllen eigene Pflichten und nicht diejenigen des behandelnden Chefarztes.

Die Vorgeschichte zum Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe begann Anfang März 1997. Damals ließ sich der Kläger, ein selbstständiger Architekt, wegen Schmerzen im Bereich der unteren Halswirbelsäule zunächst in der Ambulanz eines Krankenhauses konservativ behandeln. Eine Woche später wurde er stationär in die Klink aufgenommen. Im Zuge dieser Aufnahme hatte der Architekt mit dem Krankenhaus eine Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen.

Zehn Tage nach der ursprünglichen Behandlung in der Ambulanz ließ sich der Kläger vom orthopädischen Chefarzt der Klinik operieren. Im Rahmen des Eingriffs entfernte dieser unter anderem Osteophyten im Bereich des Segments C6/7 sowie Spondylophyten im Segment C7/TH1 und versteifte die Segmente. Einen Tag später verspürte der Kläger brennende Schmerzen in der rechten Hand und ein Bewegungsdefizit des rechten Fingers.

Der noch am selben Tag konsiliarisch hinzugezogene niedergelassene Neurologe vermutete die Ursache für die festgestellte schwere Wurzelschädigung C7 und C8 rechts in einer postoperativen Schwellung in den Foramina und empfahl eine weitere neurologische Untersuchung nach drei Tagen. Diese Nachuntersuchung übernahm ein anderer Neurologe. Weitere diagnostische Maßnahmen erfolgten bis zur Entlassung des Klägers fünf Tage später nicht.

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Schadensersatzklage gegen Chefarzt und Krankenhausträger

Wegen einer schweren Nervenschädigung kann der Kläger seinen rechten Unterarm und die Hand nicht mehr gebrauchen. Daher verklagte er den Krankenhausträger und den operierenden Chefarzt auf Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Seinen Anspruch begründete er damit, dass der Übergang von der konservativen Behandlung zur Operation fehlerhaft gewesen, der postoperative Befund unzureichend erhoben und die postoperative Behandlung der auftretenden Lähmungserscheinungen falsch gewesen seien. Zudem sei er über die möglichen Alternativen für die Behandlung seiner Beschwerden bzw. die nur relative Indikation einer Operation nicht unterrichtet worden. Unter anderem sei die prä- und postoperative Diagnostik grob fehlerhaft gewesen. Insgesamt sei dies als grober Behandlungsfehler zu werten, für den die Beklagten haften müssten.

Der Kläger stützte sich auch darauf, er hätte darüber in Kenntnis gesetzt werden müssen, dass die operative Behandlung und die Fortführung der konservativen Therapie gleichwertige Risiken nach sich ziehen würden. Hätte er dies gewusst, hätte er ohne jeden Zweifel der konservativen Therapie den Vorzug gegeben, um die operationsinhärenten Risiken und das nicht zu vernachlässigende Anästhesierisiko zu vermeiden.

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Gericht weist Klage zurück - Kein Behandlungsfehler!

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist jedoch die operative Behandlung als solche nicht geeignet, die Haftung der Beklagten zu begründen. Die entstandenen Nervenschäden beruhen nicht auf Manipulationen während des Eingriffs. Darüber hinaus sei die operative Revision der Bandscheibenfächer wegen der präoperativ bestehenden sensomotorischen Defizite im rechten Arm des Klägers indiziert gewesen.

Die Sachverständigen sahen auch keinen Behandlungsfehler in der Tatsache, dass vor dem Eingriff keine Befundung durch einen Neurologen stattgefunden habe. Dies sei nicht notwendig gewesen, da die klinischen Anzeichen klar genug gewesen waren. Im Übrigen hätten auch ergänzende neurologische oder bildgebende Befunde nicht zu einem anderen Urteil über die Indikation für den Eingriff geführt. Auf etwaige diagnostische Unzulänglichkeiten käme es daher nicht an.

Nach Auffassung des Gerichts ist die Wahl der Behandlungsmethode Sache des Arztes. Erst wenn seine Therapie nicht mehr dem medizinischen Standard genüge, überschreite er die Grenzen zur fehlerhaften Behandlung. Ist dies nicht der Fall, könne nur eine unzulängliche Aufklärung über mögliche andere Behandlungsmethoden oder die nur relative Indikation der gewählten seine Haftung bedingen. Demnach folgte das Gericht dem Vortrag des Klägers nicht, dass schon wegen der Operationsrisiken nur die weitere konservative Behandlung indiziert gewesen wäre.

Zudem sei der Kläger hinreichend über die Gefahr möglicher Lähmungen unterrichtet worden. Auch dass die konservative Behandlung hätte fortgesetzt werden können und beiden Alternativen das Risiko einer Schädigung der Nervenwurzeln anhaftete, sei dem Kläger bewusst gewesen.

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Einschätzung des Konsiliararzts war falsch

Der Kläger warf den Beklagten vor, sie hätten durch weiterführende, kernspintomografische Untersuchungen (MRT) die Ursache der postoperativ eingetretenen Verschlechterung und damit seines jetzigen Zustands klären müssen. Dies sah das Oberlandesgericht ähnlich: Eine MRT-Untersuchung hätte möglicherweise Auskunft darüber gegeben, ob eine Revisionsoperation in Betracht gekommen wäre. Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass postoperativ gegenüber dem präoperativen Zustand ein relevantes neurologisches Defizit beim Kläger aufgetreten war. Unter diesen Umständen sei das von dem Neurologen vorgeschlagene Abwarten der Behandlung falsch gewesen. Der Sachverständige sah den Fehler damit beim konsiliarisch hinzugezogenen Neurologen. Dieser hätte auf eine kernspintomografische Abklärung des Defizits drängen müssen.

Für diesen Fehler des Konsiliararztes haben nach Auffassung des Oberlandesgerichts aber weder der Krankenhausträger noch der Chefarzt zu haften. Bei dem zugezogenen Spezialisten habe es sich um einen freiberuflich tätigen, niedergelassenen Arzt gehandelt.

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Chefarzt haftet nicht

Nach der sogenannten "horizontalen Arbeitsteilung" hat jeder Arzt den Gefahren zu begegnen, die in seinem Aufgabenbereich entstehen. Damit durfte sich der Chefarzt, solange bei der Behandlung durch den konsiliarisch tätigen Kollegen keine offensichtlichen Qualifikationsmängel oder Fehlleistungen zu erkennen waren, darauf verlassen, dass dieser seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt hat.

Im konkreten Fall entstand die Gefahr einer unvollständigen Befunderhebung nicht aus dem Zusammenwirken der Konsiliarärzte mit dem Chefarzt. Unter diesen Umständen kommt nach Auffassung des Gerichts eine Zurechnung des neurologischen Fehlers zur Verantwortlichkeit des Chefarztes nicht in Betracht. Denn Konsiliarärzte erfüllen eigene Pflichten, nicht etwa die des Chefarztes. Aufgrund ihrer eigenen Verpflichtung und mangels Weisungsabhängigkeit waren die Konsiliarärzte - bei fachlicher wie persönlicher Gleichordnung - nicht vom Chefarzt zu einer Behandlung als seine "Verrichtungsgehilfen" bestellt.

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Krankenhausträger haftete damals nicht auf Schmerzensgeld

Eine Haftung des Krankenhausträgers beschränkte sich zur Zeit der Klageerhebung nach Auffassung des Gerichts allenfalls auf Ansprüche aus dem Krankenhausvertrag auf Schadensersatz (nach dem maßgeblichen Rechtszustand im Jahr 1997). Schmerzensgeld könne der Kläger wegen des Fehlers der Konsiliarärzte von dem Krankenhausträger nicht verlangen. Nach aktuellem Recht würde der Krankenhausträger auch bei vertraglichen Ansprüchen auf Schmerzensgeld haften.

Entsprechend dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag schuldete der Krankenhausträger dem Kläger unabhängig von der Wahlleistungsvereinbarung die allgemeinen Krankenhausleistungen. Zu diesen gehören auch die von dem Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter, also auch die Tätigkeit der Konsiliarärzte. Das Hinzuziehen der Neurologen war für die medizinische Versorgung des Klägers aufgrund der Leistungspflicht der Klinik notwendig. Der Krankenhausträger hat die Konsiliarärzte also - anders als der Chefarzt - zur Erfüllung eigener Pflichten hinzugezogen und haftet daher für deren Fehler allenfalls auf vertraglicher Grundlage (§ 278 BGB).

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Konsiliarärzte sind nicht weisungsabhängig

Das ebenfalls vom Kläger geforderte Schmerzensgeld hätte vorausgesetzt, dass es sich bei den Konsiliarärzten um sogenannte Verrichtungsgehilfen des Krankenhausträgers gehandelt hätte. Nach Auffassung des Gerichts seien aber die Konsiliarärzte derart in den Krankenhausbetrieb eingebunden gewesen, dass sie wie eigene Ärzte des Krankenhausträgers weisungsabhängig gewesen wären.

Maßgeblich sei, dass es hier an der Eingliederung des selbstständigen niedergelassenen Arztes in den Organisationskreis des Krankenhauses fehle und damit die für einen solchen Anspruch maßgebliche Abhängigkeit des Gehilfen vom Geschäftsherrn nicht vorhanden sei. Die bloße Pflicht des Krankenhausträgers, die Leistung gegebenenfalls durch Dritte zu erbringen, macht ihn nicht zum Geschäftsherrn des Konsiliararztes, der den Auftrag nach seinem Gutdünken und unabhängig von Weisungen erledigen kann.

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Kein grober Behandlungsfehler - Keine Beweislastumkehr

Abschließend stellte das Gericht fest, dass die Ansprüche gegen die Beklagten aber bereits deshalb nicht bestünden, weil es äußerst unwahrscheinlich sei, dass eine Kernspintomografie den Befund eines operablen Hämatoms ergeben hätte. Obwohl also das Gericht Fehler des Konsiliararztes bei der Behandlung feststellte, galt auch in diesem Fall der Grundsatz, dass der Kläger die Schadensursächlichkeit des Fehlverhaltens beweisen musste. Eine Beweislastumkehr wäre nur möglich gewesen, wenn es sich um einen groben Behandlungsfehler - also einen Verstoß gegen medizinische Regeln, wie er einem Arzt schlicht nicht unterlaufen darf - gehandelt hätte. Einen solchen Fehler sah das Gericht jedoch nicht.

Auch dem Chefarzt konnte nach Meinung der Richter nicht vorgeworfen werden, dass er als verantwortlicher Orthopäde bei der Eindeutigkeit der neurologischen Verschlechterung aus eigenem Wissen und eigener Beurteilung keine weiterführende Untersuchung durch ein MRT veranlasst hat. Selbst wenn sein Verhalten insoweit als grob fehlerhaft beurteilt würde, fehlte es doch an der Rechtfertigung für eine Umkehr der Beweislast.

Denn ein grober Fehler muss nur geeignet sein, den Schaden herbeizuführen. Nahelegen oder wahrscheinlich machen muss er ihn nicht. Wenn aber ausnahmsweise der Ursachenzusammenhang gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinlich ist, kommt eine Beweislastumkehr nicht in Betracht. Davon ist hier nach Auffassung des Gerichts auszugehen: Da es gänzlich unwahrscheinlich sei, dass das MRT einen grundsätzlich operablen Befund erbracht hätte und, weil es darüber hinaus äußerst unwahrscheinlich sei, dass bei den dennoch durchgeführten Operationen ein operationswürdiges Hämatom angetroffen worden wäre, käme die Beweislastumkehr hier nicht infrage.

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