NOTARZT
DOI: 10.1055/a-2749-5624
Aktuelles

Rettungsdienst als Teil des Gesetzes zur Notfallversorgung

Autor*innen

  • Peter Sefrin

 

Nach dem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zum Gesetz zur Reform der Notfallversorgung vom August 2024 wurde nunmehr von der neuen Regierung am 17.11.2025 eine überarbeitete, mehr als 100 Seiten umfassende Fassung vorgelegt [1]. Ziel des Gesetzes ist eine Verbesserung der Steuerung der Hilfeersuchenden und eine Einsparung der Gesundheitskosten, um ein leistungsfähiges Gesundheitssystem sowie eine bundesweit einheitliche und gleichwertige Notfallversorgung zu gewährleisten. Dazu müssen die 3 Versorgungsbereiche vertragsärztlicher Notdienst, Notaufnahmen der Krankenhäuser und Rettungsdienste besser vernetzt und aufeinander abgestimmt werden. Die derzeitigen Fehlsteuerungen, die eine Überlastung von Akteuren insbesondere der Notaufnahmen und des Rettungsdienstes zur Folge haben, müssen abgestellt werden. Mit der Aufnahme der medizinischen Notfallrettung als Leistungssegment im Fünften Buch Sozialgesetzbuch soll die Rechtslage an die Versorgungsrealität angepasst werden. Nicht angesprochen im Referentenentwurf ist die Beziehung der Notfallrettung zur Gefahrenabwehr beim Katastrophen- und Bevölkerungsschutz.

Neu ist der Begriff des Gesundheitsleitstellensystems (§ 133a SGB V), unter dem die Vernetzung der Rettungsleitstellen und der Akutleitstelle der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zu verstehen ist. Die beiden Leitstellen werden digital vernetzt und nutzen einheitliche Ersteinschätzungskriterien. Die bisherigen Aufgaben der Terminservicestelle der KV im Bereich der Akutfallvermittlung nimmt zukünftig die sogenannte Akutleitstelle der KV wahr. Deren Vernetzung mit den Rettungsleitstellen soll eine bessere Steuerung von Hilfesuchenden ermöglichen. Dabei soll die digitale Fallübergabe mit medienbruchfreier Übermittlung bereits erhobener Daten wechselseitig möglich sein.

Zur Sicherstellung einer medizinisch notwendigen Erstversorgung von Patientinnen und Patienten mit akutem Behandlungsbedarf werden die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, neben der ambulanten Versorgung durchgängig eine telemedizinische und eine aufsuchende Versorgung bereitzustellen.

Etablierung integrierter Notfallzentren

Integrierte Notfallzentren (INZ) werden als sektorenübergreifende Notfallversorgungsstrukturen etabliert (§ 123a SGB V). Der Referentenentwurf sieht vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) verpflichtet werden, einen flächendeckenden Ausbau der INZ sicherstellen. In den INZ arbeiten zugelassene Krankenhäuser und die KV verbindlich so zusammen, dass immer rund um die Uhr eine bedarfsgerechte ambulante medizinische Erstversorgung bereitsteht. Die INZ besteht aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der KV im oder am Krankenhausstandort und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle. Zusätzlich sollen zu Sprechstundenzeiten vertragsärztliche Leistungserbringer als „Kooperationspraxen“ an Integrierte Notfallzentren angebunden werden können. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird beauftragt, in einer Richtlinie allgemeine Anforderungen an die sachliche oder personelle Ausstattung der Notdienstpraxen vorzugeben (§ 123c Abs. 2 Satz 9). Die Standorte für INZ werden von den Selbstverwaltungspartnern nach bundeseinheitlichen Rahmenvorgaben im erweiterten Landesausschuss nach § 90 SGB V festgelegt.


Sicherstellung einer notdienstlichen Akutversorgung

Der neue Begriff der notdienstlichen Akutversorgung (§ 73b Abs. 4 Satz 7) umfasst die vertragsärztliche Versorgung in Fällen, in denen eine sofortige Behandlung aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Die notdienstliche Versorgung ist durchgängig, das bedeutet 24 Stunden täglich, sicherzustellen. Sie ist jedoch ausdrücklich auf eine Erstversorgung der Versicherten begrenzt.

Zur Sicherstellung der Versorgung von Patientinnen und Patienten einer Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam mit dem Träger des Krankenhauses einen Vertrag mit dem Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke zu schließen.

Der G-BA regelt in einer Richtlinie die Vorgaben zur Durchführung einer qualifizierten, standardisierten und digitalen Ersteinschätzung des medizinischen Versorgungsbedarfs für Hilfesuchende (§ 123c Abs. 2 Satz 1 SGB V), die mit einem von ihnen als dringend erachteten gesundheitlichen Anliegen selbstständig einen Krankenhausstandort aufsuchen.


Verankerung der Notfallrettung als Sachleistung

In § 60 SGB V werden in Abgrenzung zur Notfallrettung Krankentransporte, Krankentransportflüge und Krankenfahrten geregelt. Versicherte haben Anspruch auf Übernahme der Kosten für Krankentransporte, Krankentransportflüge und Krankenfahrten, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus medizinischen Gründen notwendig sind. Dies sind Fahrten zur stationären Behandlung, im Zuge einer Verlegung, Fahrten zu einer vor- oder nachstationären Behandlung im Krankenhaus, einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder einer ambulanten Operation in einer Vertragsarztpraxis, Fahrten zu ambulanten Behandlungen oder zur Versorgung in einem INZ aufgrund einer mittels digitaler standardisierter Abfrage getroffenen Entscheidung oder Transporte im Rahmen eines besonderen Ausnahmefalls.

Krankentransporte sind Fahrten mit medizinisch-fachlicher Betreuung, die in Kraftfahrzeugen durchgeführt werden, die über die besondere Einrichtung eines Krankenkraftwagens verfügen. Sie werden für Versicherte durchgeführt, die einer Betreuung oder Einrichtung während der Fahrt bedürfen oder deren Zustand erwarten lässt, dass eine solche Betreuung oder Einrichtung während der Fahrt erforderlich ist. Die Regelungen dieses Absatzes gelten entsprechend für Krankentransportflüge (§ 60 Abs. 3 SGB V).

Krankenfahrten sind Fahrten ohne medizinisch-fachliche Betreuung, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Kraftfahrzeugen, Mietwagen oder Taxen durchgeführt werden (§ 60 Abs. 4 SGB V).

Bislang hat die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die medizinische Notfallrettung indirekt als Fahrkostenersatz finanziert. Der Entwurf sieht vor, nunmehr die medizinische Notfallrettung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verankern. Somit werden das medizinische Notfallmanagement, die medizinische Versorgung vor Ort und die fachlich-medizinische Betreuung während des Transports ausdrücklich als Teile der Krankenbehandlung anerkannt und nicht länger allein der Transportauftrag der Krankenkassen finanziert. Um die Zuständigkeit der Länder für den Rettungsdienst nicht zu beschneiden, bleiben diese für die regionale Planung und Organisation zuständig.

Durch die Einführung des Sachleistungsprinzips für Leistungen der medizinischen Notfallrettung wird das Risiko für Versicherte der GKV ausgeschlossen, die Kosten für Rettungseinsätze selbst übernehmen zu müssen. Im § 30 SGB V soll festgelegt werden, wann ein rettungsdienstlicher Notfall vorliegt. Dies ist der Fall, wenn aus objektiver Sicht hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Versicherte in unmittelbarer Lebensgefahr befindet oder eine lebensbedrohende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes oder eine schwere gesundheitliche Schädigung des Versicherten zu befürchten ist, sofern nicht unverzüglich eine medizinische Versorgung erfolgt.

Bei Vorliegen eines rettungsdienstlichen Notfalls haben Versicherte Anspruch auf medizinische Notfallrettung durch einen Leistungserbringer des Rettungsdienstes. Die aufgrund einer digitalen standardisierten Notrufabfrage getroffene Entscheidung zur Veranlassung der medizinischen Notfallrettung gilt als Nachweis des Vorliegens eines rettungsdienstlichen Notfalls. Die medizinische Notfallrettung besteht aus Notfallmanagement, notfallmedizinischer Versorgung und dem Notfalltransport (§ 30 Abs. 2 SGB V).

Das Notfallmanagement umfasst die Entgegennahme des medizinischen Hilfeersuchens und die Vermittlung der erforderlichen Hilfe auf der Grundlage einer digitalen standardisierten Abfrage. Es soll auch die telefonische und telemedizinische Notfallberatung, einschließlich der telefonischen Anleitung lebensrettender Sofortmaßnahmen, sowie die Einbindung von Ersthelfern durch auf digitalen Anwendungen basierende Ersthelferalarmierungssysteme bei lebensbedrohlichen rettungsdienstlichen Notfällen beinhalten.

Unter notfallmedizinischer Versorgung wird die aus medizinischer Sicht erforderliche, auch telemedizinische, Behandlung am Notfallort zum Zeitpunkt des medizinischen Notfalls und während eines Notfalltransports verstanden. Die Versorgung wird nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft, durch nicht-ärztliches Fachpersonal sowie – bei medizinischer Notwendigkeit – durch Notärzte gewährleistet (§ 30 Abs. 4 SGB V).

Der Notfalltransport umfasst den aus medizinischer Sicht erforderlichen Transport in die grundsätzlich nächste geeignete Versorgungseinrichtung oder die aus zwingenden medizinischen Gründen erforderliche Verlegung von einer Einrichtung in eine andere Einrichtung, bei der aus medizinischer Sicht die Beförderung mit einem qualifizierten boden- oder luftgebundenen Rettungsmittel erforderlich ist.

Die Vergütung der Leistungen der medizinischen Notfallrettung wird zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und den zuständigen Landesbehörden mit den zuständigen Trägern oder den mit der Wahrnehmung der medizinischen Notfallrettung beauftragten Einrichtungen oder Unternehmen verhandelt (§ 133 Abs. 2 SGB V).


Einsetzung eines Fachgremiums für Rahmenempfehlungen zur medizinischen Notfallrettung

Zur Herstellung eines einheitlichen Verständnisses sieht der Entwurf die Einsetzung eines Fachgremiums vor. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bildet ein Gremium, das Rahmenempfehlungen für die Leistungen der medizinischen Notfallrettung beschließt und ständig fortentwickelt (§ 133b Abs. 1 SGB V). Zweck der Regelung ist die Sicherstellung und Förderung einer leitliniengerechten, qualitativ hochwertigen, für Patienten sicheren und gleichzeitig wirtschaftlichen medizinischen Versorgung. Vertreter der Rettungsdienste werden explizit als mögliche Mitglieder in die Regelung der gemeinsamen Landesgremien aufgenommen (§ 133b SGB V).

Gegenstand der Rahmenempfehlungen sind insbesondere u. a. die Nutzung und einheitliche Anwendung von standardisierten softwaregestützten Abfragesystemen, die Nutzung standardisierter und vernetzter Einsatzleitsysteme zur Ermöglichung einer auch länder- und leitstellenübergreifenden Alarmierung von Einsatzmitteln, der qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Einsatz von Telemedizin in der Notfallrettung, bundesweit zu erhebende Qualitätsindikatoren der medizinischen Notfallrettung, die für die Ermittlung der Leistungsqualität in der medizinischen Notfallrettung erforderlich sind, darüber hinaus die Anforderungen an auf digitalen Anwendungen basierende Ersthelferalarmierungssysteme, Entwicklung von standardmäßigen Vorgaben bei notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen sowie zu deren einheitlichen Umsetzung im Rahmen der medizinischen Notfallrettung sowie die Anforderungen an die Fort- oder Weiterbildung von Rettungsfachpersonal. Das Gremium beschließt außerdem Spezifikationen für interoperable Datensätze und informationstechnische Vorgaben für eine strukturierte, einheitliche und digitale Dokumentation und Kommunikation sowie Empfehlungen für die Übermittlung der Daten der Leistungserbringer zur Qualitätssicherung in der medizinischen Notfallrettung.

Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zu den für die Qualitätssicherung in der medizinischen Notfallrettung erforderlichen Daten zu regeln (§ 133 Abs. 5 SGB V).




Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Peter Sefrin
Ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin (DGKM)
Sandweg 10
97078 Würzburg
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
16. Dezember 2025

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