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DOI: 10.1055/a-2732-9961
Sozialistische Telefonseelsorge: Das Telefon des Vertrauens
Historical review: “Socialist help line”: The telephone of trustAuthors
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ihrer Existenz gab es in der DDR in verschiedenen Städten ein „Telefon des Vertrauens“. Es sollte Menschen in psychosozialen Problem- und Krisensituationen beistehen, sie unterstützen und ihnen helfen, mit ihren Schwierigkeiten zurechtzukommen bzw. sie zu überwinden. Das Angebot wurde einerseits – wie die vorliegenden Statistiken belegen – in beträchtlichem Ausmaß in Anspruch genommen. Andererseits war es in der breiten Bevölkerung kaum bekannt. Auffällig ist, dass es mehrfach falsche Darstellungen gibt, in denen beispielsweise das „Telefon des Vertrauens“ gleichgesetzt oder vermischt wird mit der kirchlich organisierten Telefonseelsorge. Retrospektiv fallen zudem wiederholt negative diffamierende Konnotationen auf: „Die Stasi hörte immer mit“, „SED-verseucht“ oder „Viel Vertrauen war nicht angebracht“. In diesem Beitrag wird dargestellt, wie es zur Gründung des „Telefon des Vertrauens“ in der DDR gekommen ist, nach welchen Grundsätzen und unter welchen Bedingungen dessen Mitarbeiter – auch im Vergleich zur Telefonseelsorge – tätig wurden und was über die Anrufenden bekannt ist. Dabei wird Bezug genommen auf das 1983 gegründete „Telefon des Vertrauens“ in Leipzig, auf das seit Ende 1987 existierende in Berlin (bei dem die Autorin zwei Jahre mitgearbeitet hat) und auf das seit dem Frühjahr 1989 in Dresden bestehende Angebot.
Abstract
Summary In the final years of its existence, the GDR had a “telephone of trust” service in various cities. It was intended to assist people in psychosocial problems and crisis situations, to support them and help them cope with or overcome their difficulties. On the one hand, as the available statistics show, the service was used to a considerable extent. On the other hand, it was hardly known among the general population. It is striking that there are several misrepresentations in which, for example, the “trust phone” is equated or confused with the church-organized telephone counseling service. In retrospect, negative and defamatory connotations are also repeatedly noticeable: “The Stasi was always listening,” “SED-contaminated,” or “It wasn't wise to place too much trust in it.” This article describes how the “trust phone (Telefon des Vertrauens)” was founded in the GDR, the principles and conditions under which its employees worked – also in comparison to the telephone counseling service – and what is known about the callers. Reference is made to the “Telefon des Vertrauens” founded in Leipzig in 1983, the one that has existed in Berlin since the end of 1987 (with which personal experience of the author exist), and the one that existed in Dresden since the spring of 1989.
Publication History
Received: 23 October 2025
Accepted: 23 October 2025
Article published online:
15 December 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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