Rehabilitation (Stuttg) 2025; 64(06): 318-319
DOI: 10.1055/a-2732-6260
Aktuelles

Gesundheitsversorgung für ältere Menschen in Altenpflegeeinrichtungen

Die Weltbevölkerung altert rasant: Bis 2050 wird voraussichtlich jede sechste Person über 65 Jahre alt sein und die Zahl der über 80-Jährigen wird sich verdreifachen. Damit einhergehend nimmt der Bedarf an Langzeitpflege in den OECD-Ländern stetig zu. Dies lässt erhebliche Kostensteigerungen für die öffentliche Hand erwarten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher die Entwicklung effizienter Modelle für die Pflege älterer Menschen als ein zentrales Ziel ihres Handelns formuliert.

Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen sind oft gebrechlich und leiden an mehreren chronischen Krankheiten (z. B. Diabetes oder Herzkrankheiten), die eine regelmäßige Überwachung und Behandlung erfordern. Im Falle von behandlungsbedürftigen Gesundheitsproblemen – z. B. aufgrund von Verletzungen, akuten Infektionen oder Verschlechterungen von Grunderkrankungen – werden Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen bislang häufig ins Krankenhaus gebracht, obwohl die Behandlung teilweise auch in der Einrichtung erfolgen könnte. Vorliegende Studien weisen darauf hin, dass Komplikationen, die mit Grunderkrankungen zusammenhängen, durch frühzeitige Risikoerkennung und angemessenes Management verhindert werden könnten. Eine Zusammenfassung verfügbarer Forschungsergebnisse zeigte, dass je nach Studie 4 % bis 55 % aller beobachteten Überweisungen aus Pflegeheimen in Notaufnahmen durch die Autorinnen und Autoren der Originalstudien als unnötig eingestuft wurden und dass unnötige Krankenhauseinweisungen mit einer hohen Sterblichkeit assoziiert waren.

Ziel einer Übersichtsarbeit von Putrik et al. war es, die Wirksamkeit und Sicherheit alternativer Modelle zur Bereitstellung primärer oder sekundärer Gesundheitsversorgung für Bewohnerinnen und Bewohner von Altenpflegeeinrichtungen zu bewerten.

Die Literaturrecherche wurde in acht Datenbanken und zwei Studienregistern durchgeführt und berücksichtigte Literatur bis Oktober 2022. Eingeschlossen wurden Publikationen, die sich mit alternativen Pflegemodellen oder der Koordination dieser Versorgungsleistungen befassten. Mögliche Modelle waren u. a. die klinische Versorgung vor Ort durch Krankenhauspersonal (In-reach-Modelle), pflegegeleitete Versorgung in Pflegeeinrichtungen, z. B. durch Advanced Practice Nurses, oder hausärztliche Leistungen innerhalb von Pflegeeinrichtungen. Als Vergleich dienten die übliche Pflege oder ein anderes Pflegemodell. Als primäre Endpunkte wurden Aufenthalte in der Notaufnahme, ungeplante Krankenhauseinweisungen und unerwünschte Ereignisse (dazu zählten Infektionen, Stürze und Druckgeschwüre) geprüft. Sekundäre Zielkriterien umfassten die Einhaltung der pflegerischen Empfehlungen gemäß klinischen Leitlinien, die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner, Sterblichkeit, Ressourcennutzung, Zugang zu primären oder spezialisierten Gesundheitsdiensten, Krankenhauseinweisungen, Dauer des Krankenhausaufenthaltes, Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner und der Angehörigen mit der Gesundheitsversorgung, arbeitsbezogene Zufriedenheit und arbeitsbedingter Stress des Personals in Altenpflegeeinrichtungen. Es wurden 40 randomisierte kontrollierte Studien mit 21787 teilnehmenden Personen eingeschlossen.

Im Vergleich zur Standardversorgung führten alternative Versorgungsmodelle nur zu geringen oder keinen Unterschieden im Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner mit mindestens einem Besuch in der Notaufnahme (RR=1,01, 95%-KI: 0,84 bis 1,20, 7 Vergleiche, 1276 teilnehmende Personen, niedrige Sicherheit der Evidenz), allerdings konnten alternative Versorgungsmodelle den Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner mit mindestens einer ungeplanten Krankenhausaufnahme verringern (RR=0,74, 95%-KI: 0,56 bis 0,99, 8 Vergleiche, 1263 teilnehmende Personen, niedrige Sicherheit der Evidenz). Die Autorinnen und Autoren waren sich unsicher über die Wirkung alternativer Versorgungsmodelle auf unerwünschte Ereignisse (z. B. Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner mit einem Sturz, RR=1,15, 95%-KI: 0,83 bis 1,60, 3 Vergleiche, 1061 teilnehmende Personen, sehr geringe Sicherheit der Evidenz) und auf die Einhaltung leitliniengerechter Versorgung (z. B. Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner, die eine angemessene Behandlung mit Antidepressiva erhalten, RR=5,29, 95%-KI: 1,08 bis 26,00, 1 Studie, 65 Teilnehmende, sehr geringe Sicherheit der Evidenz). Im Vergleich zur üblichen Versorgung hatten alternative Versorgungsmodelle nur geringe oder keine Auswirkungen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen (Mittlere Differenz, MD=− 0,016, 95%-KI:−0,036 bis 0,004, 12 Vergleiche, 4016 teilnehmende Personen, niedrige Sicherheit der Evidenz) und wahrscheinlich nur geringe oder keine Auswirkungen auf die Sterblichkeit in Pflegeeinrichtungen (RR=1,03, 95%-KI: 0,92 bis 1,16, 24 Vergleiche, 3881 teilnehmende Personen, moderate Sicherheit der Evidenz). Die Kosten-Effektivität alternativer Versorgungsmodelle konnte aufgrund unzureichender Daten nicht beurteilt werden.

Die Übersichtsarbeit mit dem Titel „Models for delivery and co-ordination of primary or secondary health care (or both) to older adults living in aged care facilities“ ist unter https://www.cochranelibrary.com/ verfügbar.



Publication History

Article published online:
10 December 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany