Gastroenterologie up2date 2025; 21(04): 319-320
DOI: 10.1055/a-2717-3063
Wichtige Studien im Fokus

Kommentar zu: „Darmkrebs: PI3K-mutierte Tumoren rezidivieren mit Acetylsalicylsäure seltener“

Authors

  • Christoph Roderburg

10.1055/a-2717-3087

Nahezu 2 Millionen Menschen erkranken jährlich neu an Darmkrebs. Trotz moderner chirurgischer, radiotherapeutischer und systemischer Behandlungsstrategien bleibt das Risiko eines Rezidivs nach kurativ intendierter Tumorresektion hoch. Die ALASCCA-Studie liefert erstmals prospektiv-randomisierte Evidenz, dass niedrig dosiertes Aspirin das Rezidivrisiko spezifisch bei Darmkrebspatient*innen mit genetischen PI3K-Alterationen senken kann [1]. In die ALASCCA-Studie wurden 626 Patientinnen und Patienten mit Stadium-I–III-Rektum- oder Stadium-II–III-Kolonkarzinom eingeschlossen, deren Tumoren somatische Veränderungen im PI3K-Signalweg (PIK3CA-, PIK3R1- oder PTEN-Mutationen) aufwiesen. Sie erhielten randomisiert 160 mg Aspirin oder Placebo für 3 Jahre. Bei den vordefinierten PIK3CA-Hotspot-Mutationen (Exon 9 oder 20) reduzierte Aspirin die 3-Jahres-Rezidivrate signifikant (7,7 vs. 14,1%; Hazard Ratio [HR] 0,49; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,24–0,98). Ähnliche Ergebnisse zeigten sich für andere PI3K-Alterationen (HR 0,42; 95%-KI 0,21–0,83). Das krankheitsfreie Überleben war ebenfalls verbessert, die Toxizität akzeptabel – schwere Nebenwirkungen traten geringfügig häufiger auf als unter Placebo (16,8 vs. 11,6%) [1].

Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit mehreren früheren Beobachtungsstudien, die insbesondere bei PIK3CA-mutierten Tumoren eine Überlebensverbesserung unter Aspirin nahelegten [z. B. 2]. Die kleinere SAKK 41/13-Studie, die ebenfalls Patienten mit PIK3CA-mutierten Tumoren adressierte, unterstützt die Ergebnisse der ALASCCA-Studie, war jedoch unterpowert [2]. Die ASCOLT-Studie hingegen verzichtete auf eine molekulare Selektion und konnte keinen Effekt von Aspirin in der Rezidivprophylaxe zeigen (HR 0,91, [3]). Der biologische Hintergrund könnte in einer Hemmung der COX-2-vermittelten Prostaglandin-E₂-Produktion bestehen. Diese stimuliert die PI3K/AKT/mTOR – ein Mechanismus, der in PIK3CA-mutierten Tumoren besonders relevant ist. Aspirin unterbricht diese Feedback-Schleife durch COX-2-Inhibition. Auch eine indirekte Modulation des Immunsystems durch Hemmung der Thrombozytenaktivierung und Förderung der T-Zell-Antwort wird diskutiert. Damit positioniert sich ALASCCA als die bislang überzeugendste Studie für ein biomarkerbasiertes, zielgerichtetes Einsatzgebiet von Aspirin in der adjuvanten Therapie beim Kolorektalkarzinom.

Für die Praxis ergeben sich daraus mehrere Implikationen. Erstens bestätigt die Studie die Relevanz molekularer Charakterisierung auch im kurativen Setting: Etwa 35–40% der kolorektalen Karzinome weisen PI3K-Alterationen auf, sodass eine gezielte Anwendung für eine große und klinisch hochrelevante Patientengruppe in Frage kommt. Zweitens ist Aspirin aufgrund seiner breiten Verfügbarkeit und geringen Kosten ein attraktiver Kandidat für eine „Repurposing“-Strategie. Drittens sollte der Einsatz derzeit jedoch auf Studienzentren oder ausgewählte Hochrisikopatienten beschränkt bleiben, da Fragen zu optimaler Dosis, Dauer und optimaler Patientenauswahl noch offen sind. Die beobachtete stärkere Wirksamkeit bei Frauen ist interessant, aber explorativ und möglicherweise durch pharmakokinetische Unterschiede erklärbar [1].

Zusammenfassend belegt ALASCCA, dass ein einfaches, seit Jahrzehnten etabliertes Medikament in einem molekular definierten Subkollektiv eine signifikante onkologische Wirksamkeit entfalten kann. Die Integration von Aspirin in die adjuvante Therapie PI3K-mutierter kolorektaler Karzinome erscheint vielversprechend. Außerhalb kontrollierter Studien sollte der Einsatz individuell nach molekularem Profil und Blutungsrisiko erwogen werden. Perspektivisch könnte Aspirin zum Prototyp eines präzisionsonkologischen Ansatzes in der Rezidivprophylaxe werden – und damit ein neues Kapitel in der personalisierten adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms aufschlagen.



Publication History

Article published online:
11 December 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany