Frau Prof. Hattingen, ARIA – Amyloid-related Imaging Abnormalities – ist für viele
noch ein Fachbegriff. Können Sie kurz erklären, was dahintersteckt und warum dieses
Thema gerade jetzt so aktuell ist?
Im April 2025 wurde Lecanemab von der EU unter strengen Auflagen zugelassen, im Juli
2025 folgte die Empfehlung zur EU-Zulassung für Donanemab durch die EMA. Beide Medikamente
sind humanisierte Anti-Amyloid-ß-Antikörper, die Immunzellen zur Entfernung von Amyloidablagerungen
im Gehirn anregen. PET-Studien für alle bisher international bereits zugelassenen
Wirkstoffe (Aducanumab, Lecanemab, Donanemab) zeigten eine starke Reduktion der zerebralen
Amyloid-Belastung. Dennoch heilen die Präparate nicht, sondern verlangsamen lediglich
den Krankheitsverlauf im Frühstadium. Die EU-Zulassung verzögerte sich vor allem wegen
auffälliger MRT-Befunde (ARIA), die bei bis zu 40 Prozent der Patient:innen in den
Zulassungsstudien beobachtet wurden. Das Spektrum dieser MRT-Veränderungen wird seit
2010 als Amyloid-Related Imaging Abnormalities (ARIA) bezeichnet.
Welche bildgebenden Merkmale sind typisch für Amyloid-related Imaging Abnormalities
– und worauf sollte man im klinischen Alltag besonders achten?
Um ARIA zu erkennen, muss man die Pathophysiologie verstehen. Bei Alzheimer lagert
sich Amyloid oft nicht nur im Hirngewebe, sondern auch an den Gefäßwänden vor allem
nahe der Hirnoberfläche ab. Anti-Amyloid-Antikörper können hier Entzündungen verursachen,
was zu einer undichten Blut-Hirn-Schranke führt. Dadurch entstehen fokale Ödeme, subarachnoidales
Exsudat (Effusion) und Einblutungen wie superfizielle Siderose oder Mikroblutungen,
die mit geeigneten MRT-Sequenzen frühzeitig erkennbar sind.
Den Radiolog:innen kommt die wichtige Aufgabe zu, ARIA frühzeitig mittels standardisierter
MRT-Serien zu identifizieren, damit die Medikation bis zur Heilung der Bluthirnschranke
pausiert werden kann. Die wichtigste Voraussetzung dafür sind Qualität und Vergleichbarkeit
der MRT-Messungen, die standardisiert die gesamte Therapie überwachen. FLAIR-Sequenzen
sind essenziell für Ödeme und Effusionen, T2-Gradienten für Siderose und Mikroblutungen
– fehlerhafte Liquorunterdrückung in der FLAIR und zu große Schichtdicken können zu
falschen Befunden führen.
Wie können diese Veränderungen bei ARIA differentialdiagnostisch beurteilt und abgegrenzt
werden?
Die klinisch relevante Differenzialdiagnose stellt der akute ischämische Schlaganfall
dar. ARIA kann sowohl klinisch als auch computertomografisch (CCT) eine Schlaganfall-Mimik
zeigen; das CCT erweist sich bei akut-ischämischem Schlaganfall und milden ARIA-Formen
als unauffällig oder nicht richtungsweisend. Eine irrtümlich durchgeführte thrombolytische
Behandlung von Patient:innen mit ARIA führte vereinzelt zu letalen Blutungen. Daher
ist es essenziell, dass alle behandelnden ärztlichen Fachkräfte, einschließlich Radiologie,
diese Differenzialdiagnose berücksichtigen und bei Verdacht auf Schlaganfall zeitnah
ein MRT veranlassen: ARIA ist – im Gegensatz zum frischen Infarkt – DWI-negativ. Im
MRT lässt sich ARIA in der Regel eindeutig identifizieren: Neu aufgetretene, typische
FLAIR- oder T2*GE-Läsionen unter laufender Therapie sind primär als ARIA zu werten,
vorausgesetzt, die MRT-Kontrollen erfolgen standardisiert und absolut vergleichbar
– idealerweise stets am selben Gerät und mit identischen Sequenzen – und jedes MRT
wird sorgfältig mit der Voruntersuchung sowie dem Ausgangs-MRT vor Therapiebeginn
abgeglichen. Nur durch dieses Vorgehen können vorbestehende Mikroblutungen oder Gliosen
nicht fälschlicherweise als ARIA interpretiert werden. Bei qualitativ minderwertigen
FLAIR-Sequenzen besteht zudem das Risiko, dass eine unzureichende Liquorunterdrückung
fälschlich als Effusion gewertet wird.
Was bedeutet der ARIA-Befund für die Alzheimer-Patient:innen hinsichtlich des weiteren
Therapieverlaufs?
Für Alzheimerpatient:innen bedeutet es in der Regel, dass eine Therapiepause genügt
und diese fortgesetzt werden kann, wenn sich die Ödeme und Effusionen (ARIA-E) zurückgebildet
haben. Blutungsreste bleiben bestehen, da sich Hämeisen als Ferritin ablagert und
im T2-Gradienten sichtbar bleibt. Über die Wiederaufnahme der Therapie entscheiden
die Patient:innen zusammen mit den behandelnden Ärzt:innen, sowie die Richtlinien,
die für die Zulassung des entsprechenden Medikaments festgelegt wurden.
Für Ihren Vortrag konnten Sie auf exklusive Studiendaten im Rahmen von Zulassungsverfahren
von Antikörper-Präparaten zurückgreifen. Was hat Sie an den Bilddaten am meisten überrascht
und worauf muss die Befundung am stärksten fokussieren?
Ich möchte nicht vorgreifen und lade Sie ein, meine Eindrücke im Vortrag visuell nachzuvollziehen.
Da ich aus Sicherheitsgründen die Klinik der Patient:innen nicht kannte und einen
ausgewählten Datensatz erhielt, werde ich mich dort auf die MR-morphologischen Charakteristika
konzentrieren. Die Erkennung der vier ARIA-Manifestationen ist mit etwas Übung gut
möglich. Ohne Vorwissen und Training können Radiolog:innen dieser Aufgabe jedoch nicht
gerecht werden.
Neue Alzheimer-Antikörper wie Lecanemab oder Donanemab bringen für die Radiologie
neue Aufgaben. Welche Rolle spielen Radiolog:innen im Therapiemanagement dieser Patient:innen
und wie können sie die neue Aufgabe am besten meistern?
Die Nebenwirkungen der Therapie zeigen sich überwiegend als MR-radiologisch sichtbare
Veränderungen im Gehirn, die bei vier von fünf Patient:innen entweder nicht oder lediglich
durch leichte enzephalopathische Symptome wie Kopfschmerzen und Schwindel bemerkbar
sind. Die Rolle der Radiolog:innen besteht darin, solche fokalen Störungen der Blut-Hirn-Schranke
frühzeitig zu erkennen und somit das Therapiemanagement zum Schutz vor größeren Schäden
zu beeinflussen. Es ist derzeit schwierig abzuschätzen, wie viele Patient:innen künftig
für diese Therapien infrage kommen; Schätzungen gehen von etwa 10 Prozent der Alzheimerpatient:innen
aus. Bei einer angenommenen Anzahl von 1,2 Millionen Erkrankten wären dies circa 120.000
Menschen, die regelmäßig MRT-Kontrollen benötigen werden. Da das ARIA-Risiko besonders
in den ersten Monaten nach Beginn der Therapie erhöht ist, werden häufigere MRT-Kontrollen
erforderlich sein, wobei die Vergütung hierfür nicht geklärt ist. Darüber hinaus ist
es aus fachlicher Sicht notwendig, dass Radiolog:innen standardisierte MRTs mit FLAIR
und T2-Gradienten in guter Qualität anfertigen, Zugang zu allen Verlaufskontrollen
haben und die Befunde sorgfältig bewerten. Diese Voraussetzungen sind in der aktuellen
Praxis der Radiologie nicht immer gegeben.
Mit den beiden zugelassenen Präparaten steht nun erstmals eine kurative Therapie bei
Morbus Alzheimer zur Verfügung – wo sehen Sie die weiteren therapeutischen Entwicklungen
bei dieser gefürchteten Erkrankung?
Es ist erfreulich, dass es nun Therapien für schwere neurologische Erkrankungen gibt.
Der Behandlungserfolg wird wahrscheinlich nur im multimodalen Ansatz gelingen; insbesondere
Lebensstil und geistige Aktivität sind wichtige präventive Faktoren. Neben Amyloid
rückt Tau als weiteres Ziel in den Fokus, und guter Schlaf fördert ebenfalls die Entsorgung
schädlicher Stoffe. Problematisch bleibt, dass Patient:innen mit hohem genetischem
Alzheimer-Risiko auch am anfälligsten für ARIA sind; ein Ausschluss dieser Gruppe
von der Therapie ist jedoch keine optimale Lösung.