Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2688-2775
Macrodystrophia lipomatosa mit fibrolipomatösem Hamartom des Nervus medianus, ischiadicus und des Plexus brachialis
Macrodystrophia lipomatosa with fibrolipomatous hamartoma of the median nerve, sciatic nerve and brachial plexusAuthors
Die Macrodystrophia lipomatosa (ML), auch als Fettriesenwuchs bezeichnet, stellt eine seltene Form der Makrodaktylie dar. Es handelt sich um eine angeborene, jedoch nicht vererbbare Erkrankung, die durch einen lokalisierten Riesenwuchs (Gigantismus) eines Teils einer Extremität gekennzeichnet ist – meist in Form einer partiellen Akromegalie eines oder zweier Finger. Charakteristisch ist ein disproportionales Wachstum mesenchymaler Gewebeanteile, insbesondere von fibroadipösem Gewebe.
An den betroffenen Stellen verdrängt das abnorme Fettgewebe weitgehend das normale Knochenmark, das Periost, die Nervenscheiden, Muskeln und Sehnenscheiden. Die ML wurde erstmals 1925 von dem deutschen Arzt Hans Feriz beschrieben [1]. Besonders häufig sind die peripheren Nerven betroffen, die zu den Fingern ziehen. Dies führt während der Entwicklungsphase zu einer typischen, teils isolierten Vergrößerung der betroffenen Nervenstrukturen.
Ein alternativer Begriff für die Erkrankung ist die „Lipomatose des Nerven“, bei der eine lipomatöse Transformation des Epineuriums im Vordergrund steht. Im Zusammenhang mit der ML lassen sich häufig spezielle, gutartige Gewebeveränderungen abgrenzen, bei denen Fettgewebe innerhalb des Nerven selbst versprengt vorkommt. Diese Veränderungen werden als fibrolipomatöses Hamartom bezeichnet und im weiteren Verlauf dieser Arbeit gesondert behandelt.
Die ML manifestiert sich bevorzugt an den oberen Extremitäten entlang des Nervus medianus und an den unteren Extremitäten im Bereich des Nervus plantaris. Weitere mögliche Lokalisationen schließen Hirnnerven und den Plexus brachialis mit ein.
Typischerweise zeigen betroffene Kinder mehrere, unverhältnismäßig vergrößerte, geschwollene und deformierte Finger auf einer Körperseite. Die Haut bleibt dabei unbeteiligt. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, was zu einer erhöhten Unfallgefahr und zu funktionellen sowie ästhetischen Beeinträchtigungen der betroffenen Extremität führt. Sekundär kann es zu einer Osteoarthritis kommen. Zudem kann die Deformierung der Knochen zur Kompression benachbarter Gefäße und Nerven führen.
Eine Einteilung der ML erfolgte 1967 durch Barsky in eine statische und eine progressive Form, wobei Letztere häufiger auftritt. Bei der progressiven Form ist die Wachstumsgeschwindigkeit des mesenchymalen Gewebes bis zur Pubertät erhöht, stagniert jedoch ab diesem Zeitpunkt [2].
Die genaue Pathogenese der ML ist bislang nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass ein Ungleichgewicht bestimmter Wachstumsfaktoren sowie Mutationen, insbesondere mit Aktivierung des PI3K/AKT-Signalwegs, eine entscheidende Rolle spielen [3] [4] [5]. Histopathologisch zeigt sich eine gutartige Proliferation mesenchymaler Gewebeanteile, insbesondere von Fett- und Bindegewebe. Fetttröpfchen sind häufig nachweisbar.
Auch bildgebend lassen sich charakteristische Veränderungen feststellen ([Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5]). Im konventionellen Röntgen zeigen sich Weichteilschwellungen einzelner Finger sowie exzessive Endost- oder Periostformationen. Die kortikale Hypertrophie der Knochen kann sich in Form von Exostosen darstellen. In der CT wird die hypodense Fettproliferation innerhalb der Muskelfasern deutlich sichtbar. Die MRT zeigt ausgedehntes Fettgewebe mit Signalintensitäten, die denen des subkutanen Fettes entsprechen. In T1-gewichteten Sequenzen imponiert das Fett hyperintens, durchzogen von hypointensen fibrösen Bändern.










Im Rahmen der Differenzialdiagnostik müssen verschiedene Erkrankungen berücksichtigt werden. Dazu zählen die juvenile idiopathische Arthritis, Neurofibromatose, Lymphangiomatose, Hämangiomatose, das Klippel-Trenaunay-Weber-(KTW)-Syndrom, das Proteus-Syndrom, das Maffucci-Syndrom sowie das fibrolipomatöse Hamartom selbst. Auch sehr seltene Syndrome wie das CLOVES-Syndrom (Congenital Lipomatous Overgrowth, Vascular malformations, Epidermal nevi, Spinal/skeletal anomalies) sollten differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.
Wichtig ist, dass einige dieser Krankheitsbilder auch gemeinsam mit der ML auftreten können, insbesondere das KTW-Syndrom und das fibrolipomatöse Hamartom [6].
Eine klare Abgrenzung zur Neurofibromatose (Typ 1) ist essenziell: Bei dieser vererbbaren Erkrankung finden sich kutane Veränderungen, während die ML nicht vererbt wird und typischerweise unilateral auftritt. Die in T2-gewichteten MRT-Bildern besonders hyperintensen Neurofibrome stehen in engem Bezug zum Nerven, während bei der ML Fett innerhalb der Nervenscheide ein typisches Merkmal ist.
Bei Lymphangiomen lassen sich in der MRT ödematöse Schwellungsbereiche erkennen, die in T2-Sequenzen gegenüber Fett signalreicher und septiert erscheinen. Das KTW-Syndrom ist bereits bei Geburt durch Naevus flammeus, Varizen und übermäßige Knochen- und Weichteilbildung charakterisiert. Letztere ist bei Lymphangiomatose und Hämangiomatose, die vorrangig Blutschwämmchen zeigen, nicht vorhanden.
Das Proteus-Syndrom kann der ML ähneln, da auch hier eine einseitige Hypertrophie typisch ist. Es weist jedoch zusätzliche, charakteristische Merkmale auf wie Lungenzysten, pigmentierte Nävi, Veränderungen der Schädelkalotte und intraabdominelle Lipome.
Die Therapie der ML ist in erster Linie chirurgisch. Ziel ist die funktionelle und kosmetische Verbesserung durch Verfahren wie Osteotomie, Epiphysiodese, Massenreduktion und Rekonstruktionen.
Im Folgenden soll detaillierter auf das mit der ML häufig assoziierte fibrolipomatöse Hamartom (FLH) des Nervs eingegangen werden, da dieses eine eigenständige Entität mit typischer klinischer und bildgebender Präsentation darstellt.
Das fibrolipomatöse Hamartom (FLH) tritt in etwa 80% der Fälle am Nervus medianus auf. Es führt bei Kindern zu einer langsam zunehmenden Verdickung des betroffenen Nervs ohne geschlechtsspezifische oder hereditäre Prädisposition [6].
In der Literatur wird das FLH auch unter anderen Begriffen geführt: Lipofibrom, lipomatöses Hamartom, lipofibromatöses Hamartom, fettige Infiltration des Nervus medianus oder faserig-fettige Überwucherung [7]. Histologisch ist das FLH durch fibrolipomatöse Proliferationen des Epi- und Perineuriums mit wenigen atrophischen peripheren Nervenfaszikeln gekennzeichnet.
Klinisch manifestiert sich das FLH typischerweise durch eine langsam zunehmende, nicht schmerzhafte Weichteilmasse an der volaren Seite des Handgelenks und Unterarms. Eine daraus folgende Kompression des Nervus medianus kann jedoch zu Schmerzen, Parästhesien und Symptomen wie bei einem Karpaltunnelsyndrom führen.
In der Magnetresonanztomografie lässt sich das FLH aufgrund charakteristischer morphologischer Merkmale sehr präzise diagnostizieren ([Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5], [Abb. 6], [Abb. 7], [Abb. 8], [Abb. 9], [Abb. 10], [Abb. 11]). In T1-gewichteten Sequenzen erscheinen die tubulär verdickten Nervenfaszikel signalarm und sind von signalreichen Fettanteilen marmoriert, die sich bei Fettunterdrückung auslöschen lassen. In axialen MRT-Aufnahmen zeigt das FLH daher wie im Ultraschall eine koaxiale Kabel-ähnliche Struktur, wohingegen es in koronaren Aufnahmen die Form von Spaghetti-Bündeln annimmt [7] [8] [9]. Die Faszikel sind gleichmäßig innerhalb der Nervenscheide verteilt und erscheinen sowohl in T1- als auch T2-gewichteten Aufnahmen signalarm. Eine signifikante Kontrastmittelaufnahme bleibt meist aus. Selten kann sich eine metaplastische Knochenbildung mit Kalzifizierungen im Röntgen darstellen.












Die Differenzialdiagnosen des FLH ähneln denen der ML. In Betracht kommen unter anderem intraneurale Lipome, andere Lipome ([Abb. 12]), neurale Fibrome und andere Formen fettiger Überwucherung. Klinisch müssen insbesondere weitere Ursachen eines Karpaltunnelsyndroms ausgeschlossen werden, etwa Ganglien oder Tenosynovitiden bei rheumatoider Arthritis oder Spondylarthritis. Auch infektiöse Ursachen wie Tuberkulose oder Mykosen sind abzuklären.


Die Therapie des FLH besteht, analog zur ML, vorrangig in der operativen Entfernung des betroffenen Nervensegments, gegebenenfalls mit anschließender Nerventransplantation. In ausgeprägten Fällen kann eine Amputation des betroffenen Fingers notwendig werden. Konservative Maßnahmen zeigen meist keine ausreichende Wirkung.
Publication History
Received: 10 July 2025
Accepted after revision: 21 August 2025
Article published online:
19 September 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Feriz H. Macrodystrophia lipomatosa progressiva. Virchows Arch 1925; 260: 308-368
- 2 Barsky AJ. Macrodactyly. J Bone Joint Surg Am 1967; 49: 1255-1266
- 3 Guha M, Mackman N. The phosphatidylinositol 3-kinase-Akt pathway limits lipopolysaccharide activation of signaling pathways and expression of inflammatory mediators in human monocytic cells. J Biol Chem 2002; 277: 32124-32132
- 4 Rios JJ, Paria N, Burns DK. et al. Somatic gain-of-function mutations in PIK3CA in patients with macrodactyly. Hum Mol Genet 2013; 22: 444-451
- 5 Vittay O, Christopher J, Mehta SG. et al. Genetic basis and imaging findings of neurofibromatosis 1 and other somatic overgrowth disorders. Skeletal Radiol 2025; 54: 915-923
- 6 Mehra R, Bhartiya R, Agrawal P. et al. Macrodystrophia Lipomatosa: Clinico-patho-radiological Correlation. Indian J Med Paediatr Oncol 2017; 38: 559-562
- 7 De Maeseneer M, Jaovisidha S, Lenchik L. et al. Fibrolipomatous hamartoma: MR imaging findings. Skeletal Radiol 1997; 26: 155-160
- 8 Marom EM, Helms CA. Fibrolipomatous hamartoma: pathognomonic on MR imaging. Skeletal Radiol 1999; 28: 260-264
- 9 Boren WL, Henry RE, Wintch K. MR diagnosis of fibrolipomatous hamartoma of nerve: association with nerve territory-oriented macrodactyly (macrodystrophia lipomatosa). Skeletal Radiol 1995; 24: 296-297
