Ultraschall Med
DOI: 10.1055/a-2679-7511
Editorial

GDM Screening & Intervention @ 11–13+6 anstatt 24–28 Schwangerschaftswochen: Zeit für einen Paradigmenwechsel?

Article in several languages: English | deutsch
Constantin S. von Kaisenberg
 

Im Juni 2025 wurde ein Amendment der Leitlinie Ersttrimester-Diagnostik und -Therapie @ 11–13+6. Schwangerschaftswochen [1] von der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) angenommen.

Dieser Zusatz war notwendig geworden, da eine im Juni 2024 im Lancet veröffentlichte Trilogie zum Gestationsdiabetes mellitus (GDM) einen grundlegenden Paradigmenwechsel – hin zum ersten Trimester – gefordert hatte (LoE 1) Level of Evidence (LoE) [2] [3] [4]. In der vorliegenden Ausgabe finden Sie das Amendment zu Kapitel 11 der Leitlinie (Kurzversion). Eine Zusammenfassung der Leitlinie war bereits zuvor in 2 Teilen in „Ultraschall in der Medizin“ veröffentlicht worden [5] [6].

GDM ist eine heterogene Erkrankung, die bei 14–40 % der Frauen auftritt [2]. Damit ist sie die häufigste Komplikation in der Schwangerschaft. Daher ist GDM ein wichtiges Thema in der Pränatalmedizin.

Die bisherige Philosophie nahm an, dass ein erhöhter Glukosespiegel in der Schwangerschaft nur zwischen 24 und 28 Schwangerschaftswoche (SSW) klinisch relevant wird (LoE 1a) [2] [7].

Das neue Paradigma versteht Schwangerschaftsdiabetes als eine heterogene Erkrankung, deren Ursachen bereits vor der Schwangerschaft liegen. Ein GDM tritt häufig bereits in der Frühschwangerschaft auf und profitiert von einer gezielten Behandlung. Weiterhin sollten die Folgen des Schwangerschaftsdiabetes für das gesamte weitere Leben berücksichtigt werden [2].

Die wichtigsten negativen Folgen eines GDM sind Makrosomie, Atemnot bei Neugeborenen, Verletzungen des Fetus und der Mutter bei der Geburt, wie z. B. eine Schulterdystokie, sowie ein lebenslang erhöhtes Risiko für Glukose-Intoleranz, Adipositas, metabolisches Syndrom und Bluthochdruck [2].

Die Voraussetzung dafür, dass das GDM-Screening zu einer vierten und wichtigen Komponente des Ersttrimester-Screenings @ 11–13+6. Schwangerschaftswochen wird, ist, dass (I.) ein Screening verfügbar ist, das eine Hochrisikogruppe mit einer niedrigen Falsch-Positiv-Rate zuverlässig identifiziert, (II.) eine frühzeitige Intervention möglich und effektiv ist und (III.) dieses Konzept mit den vorhandenen Ressourcen umgesetzt werden kann.

Vor allem aber ist es von entscheidender Bedeutung, dass hochwertige klinische Studien fundierte Evidenz dafür geliefert haben, dass eine frühzeitige Untersuchung und Intervention die Outcomes praktisch verbessert und einen Benefit für die Mütter und Kinder aufweist [8].

Das TOBOGM-Trial [9] [10] [11] zeigt, dass Frauen mit hohen Glukosewerten und früh im ersten Trimenon auftretendem GDM am meisten von einer frühzeitigen Untersuchung und Intervention profitieren. Daher besteht die aktuelle Strategie darin, jeder Frau die Identifizierung von GDM-Risikofaktoren als integralen Bestandteil des Ersttrimester-Screenings @ 11–13+6 SSW zu empfehlen. Liegt einer dieser Risikofaktoren vor, wird ein 75 g-oGTT (oraler Glukose-Toleranztest) durchgeführt. Die Grenzwerte [12] liegen etwas höher als die der WHO [13], da TOBOGM darauf hinweist, dass eine Übertherapie zu einer intrauterinen Wachstumsrestriktion führen kann, wenn die Cut-off-Werte der WHO verwendet werden. Es wurden daher für @ 11–13+6 SSW höhere Grenzwerte als bei 24–28 SSW gewählt, um eine Hochrisikogruppe zu identifizieren [12]. Ist der oGTT positiv, werden eine Lifestyle-Intervention, Ernährungsberatung, Blutzucker-Selbstkontrollen und – in einigen Fällen – eine Insulintherapie begonnen. Wenn die BZ-Selbstkontrollen normale Glukosewerte zeigen, kann ein wiederholter oGTT zwischen der 24 und 28 SSW entfallen. Wenn die Schwangere einem oGTT nicht zustimmt, werden der Nüchtern-Glukosespiegel und der HbA1c-Wert als Surrogatmarker gemessen. Wenn der oGTT im ersten Trimester negativ ausfällt, muss er zwischen der 24 und 28 SSW wiederholt werden.

Die vorliegende Evidenz zeigt, dass eine Makrosomie und Atemnot bei der Geburt in Risikogruppen durch ein frühzeitiges Screening und eine Intervention um die Hälfte reduziert werden können.

Ein frühes Screening und eine Intervention auf GDM sind daher in den deutschsprachigen Ländern ein fester Bestandteil des Ersttrimester-Screenings @ 11–13+ 6 SSW.


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Univ.-Prof. Dr. Constantin von Kaisenberg

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence

Univ.-Prof. Dr. Constantin von Kaisenberg
Obstetrics and Gynecology
Hannover Medical School
Hannover
Germany   

Publication History

Article published online:
09 September 2025

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