Rofo
DOI: 10.1055/a-2657-9236
Interventional Radiology

Radiologische Schmerztherapien an der Wirbelsäule – Retrospektive Auswertung der DeGIR-Registerdaten 2021

Article in several languages: deutsch | English
Robert Fessl
1   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, University Hospital Augsburg, Augsburg, Germany (Ringgold ID: RIN39694)
,
Frank K Wacker
2   Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Hannover Medical School, Hannover, Germany (Ringgold ID: RIN9177)
,
Kai Wilhelm
3   Department of Radiology, Johanniter-Krankenhaus Bonn, Bonn, Germany (Ringgold ID: RIN62461)
,
Jonathan Nadjiri
4   Department of Interventional Radiology, Technical University of Munich, Munich, Germany (Ringgold ID: RIN9184)
,
Ansgar Berlis
1   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, University Hospital Augsburg, Augsburg, Germany (Ringgold ID: RIN39694)
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel

Auswertung der bildgebend gesteuerten Schmerztherapien im Bereich der Wirbelsäule anhand der erfassten Daten aus dem DeGIR-QS-Register für das Jahr 2021 zur Analyse der radiologischen Versorgungssituation in Deutschland.

Material und Methoden

Insgesamt wurden 28915 Interventionen der im DeGIR-Register dokumentierten klinischen und prozeduralen Daten zu schmerztherapeutischen Eingriffen für das Jahr 2021 nach Selektion der Therapien im Bereich der Wirbelsäule nach Art, Lokalisation und Methodik der angewandten Therapien sowie aufgetretenen Komplikationen analysiert.

Ergebnisse

In die Auswertung flossen 27139 als schmerztherapeutische Infiltrationen im Bereich der gesamten Wirbelsäule codierte Eingriffe ein. Das Durchschnittsalter war 62 Jahre. Wiederholungseingriffe wurden in 4923 Fällen (29,1%) durchgeführt. 95,6% der Fälle wurden CT-gesteuert durchgeführt. In 15623 (57,6%) der Eingriffe erfolgte zur Dokumentation eine lokale Kontrastmittelapplikation. 7848 (28,9%) der Eingriffe wurden im Bereich von Gelenkstrukturen durchgeführt, 19291 (71,1%) an Spinalnerven (transforaminal oder translaminär); hierbei erfolgte die große Mehrzahl der Eingriffe mit 22184 (81,7%) im lumbalen und sakralen Abschnitt der Wirbelsäule.

Komplikationen wurden bei 53 Fällen (0,2%) genannt, die überwiegende Mehrzahl hiervon waren leichtgradige Komplikationen der Kategorien A oder B (49 Fälle), in einem Fall wurde ein Tod berichtet (0,004%). Neuro-zerebrale Komplikationen wurden nicht dokumentiert.

Schlussfolgerung

Die Auswertung der Registerdaten zeigt ein typisches Verteilungsmuster der radiologisch interventionellen Schmerztherapien an der Wirbelsäule im Hinblick auf epidemiologische Daten, Lokalisation und Art der Therapien. Diese werden in der großen Mehrzahl sehr komplikationsarm unter CT-Steuerung vorgenommen. Ein Ziel zukünftiger Erhebungen sollte auch exaktere Angaben zur Anamnese, Indikation, Durchführung und insbesondere der klinischen Erfolgsqualität beinhalten.

Kernaussage

Radiologisch interventionelle Schmerztherapien an der Wirbelsäule werden in Deutschland sicher und in der überwiegenden Anzahl der Fälle unter bildgebender Steuerung im CT durchgeführt.

Zitierweise

  • Fessl R, Wacker FK, Wilhelm K et al. Radiological Pain Therapy of the Spine: Retrospective Analysis of 2021 DeGIR Registry Data. Rofo 2025; DOI 10.1055/a-2657-9236


Einleitung

Die Prävalenz von Rückenschmerzen ist hoch und wird in Deutschland zwischen 30% und 70% angegeben. Die Angaben zur Lebenszeitprävalenz (mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen) liegen zwischen 74% und 85%. 62% der Betroffenen sind auch nach 12 Monaten nicht schmerzfrei. Rückenschmerzen führen insbesondere bei Chronifizierung zu erheblichen volkswirtschaftlichen Folgen. So lagen Rückenschmerzen im Jahre 2010 an erster Stelle bei den Arbeitsunfähigkeitstagen und medizinischer Rehabilitation der Pflichtversicherten der deutschen gesetzlichen Krankenkassen. Bei Arbeitsunfähigkeitszeit über 6 Monate wegen Rückenschmerzen kehren 60% der Patienten nicht wieder in den Arbeitsprozess zurück. Bei Frühberentungen (Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) standen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems im Jahr 2010 an zweiter Stelle nach den psychischen und Verhaltensstörungen. Die Krankheitskosten für Rückenleiden beliefen sich im Jahr 2008 in Deutschland geschätzt auf 9 Milliarden Euro. Die indirekten Kosten für z.B. Rehabilitation und frühzeitige Berentung werden mit zusätzlich 15 Milliarden Euro veranschlagt [1] [2] [3].

Neben physikalischen und medikamentösen Therapieansätzen kommen minimalinvasiv perkutane Therapieverfahren an der Wirbelsäule zunehmend häufiger zur Anwendung. Sie werden in Deutschland von interventionell tätigen Fachärzt:innen im ambulanten und stationären Bereich (z.B. der Orthopädie, Anästhesie, Neurochirurgie oder Radiologie und zum Teil auch der Allgemeinmedizin) durchgeführt. Komplikationen der Verfahren sind insgesamt selten, werden nur in kleineren Fallberichten veröffentlicht oder in retrospektiven Kohortenstudien für im Wesentlichen durchleuchtungsgesteuerte Verfahren in den USA erfasst, wenngleich auch relevante und schwere Komplikationen beschrieben sind [4] [5].

Heterogenität der eingeschlossenen Patientengruppen, die geringe Fallzahl einzelner Studien und die fehlende Unterscheidung in spezifische und nicht-spezifische Ursachen der Schmerzen verhindern häufig verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit der angewandten Verfahren [6] [7].

Das QS-Register der DeGIR (Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie) ist eine Software, mit der die Erfassung aller radiologischen Interventionen möglich ist, um eine umfassende Qualitätssicherung zu gewährleisten. Seit dem Jahr 2005 dokumentieren in dem zentralen DeGIR-QS-Register deutschlandweit sowie in Österreich radiologische Einrichtungen ihre Eingriffe. Die Teilnahme an der Dokumentation qualitätssichernder Informationen ist freiwillig, für die Zertifizierung von DeGIR-/DGNR-Zentren und anerkannten interdisziplinären Gefäßzentren hingegen verpflichtend. Beim DeGIR-QS-Register handelt es sich um pseudonymisierte Daten von Patientinnen und Patienten nach Einwilligung gem. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSGVO. Aktuell werden pro Jahr über 220000 Eingriffe erfasst. Aus dem Register können anonymisiert Daten extrahiert werden, um retrospektive Analysen durchzuführen.

Ziel dieser Auswertung ist die Erfassung von Art und Anzahl sowie Komplikationen bei durchleuchtungsgesteuerten und computertomografisch gesteuerten Schmerztherapien in Deutschland anhand der erfassten Daten aus dem DeGIR-QS-Register für das Jahr 2021.


Material und Methoden

Durchführung dieser retrospektiven Studie nach Beratung nach Deklaration von Helsinki/§ 15 Berufsordnung/Beratung nach geltendem Fakultätsrecht durch die zuständige Ethikkommission.

Retrospektive Analyse der im DeGIR-Register pseudonymisiert dokumentierten klinischen und prozeduralen Daten zu schmerztherapeutischen Eingriffen. Diese beinhalten im Jahre 2021 gesamt 28915 Datensätze aus über 300 deutschen Kliniken, hiervon 27139 schmerztherapeutische Eingriffe an der Wirbelsäule.

Analysiert wurden Art, Lokalisation und Methodik der angewandten Therapien sowie aufgetretene Komplikationen von durchleuchtungsgesteuerten und computertomografisch gesteuerten schmerztherapeutischen Maßnahmen an der Wirbelsäule.

Unplausible Daten wurden nach statistischer Exploration ausgeschlossen.


Ergebnisse

Von 28915 Datensätzen wurden 27139 Datensätze ausgewertet, die als schmerztherapeutische Infiltrationen im Bereich der gesamten Wirbelsäule valide codiert wurden. Die nicht berücksichtigten Eingaben betrafen Ganglienblockaden (n=661) und periphere Nervenblockaden (n=1115).

Die 27139 ausgewerteten Eingriffe wurden an 16893 Patient:innen durchgeführt, 8827 (52,3%) weiblich, 8066 (47,7%) männlich. Das Durchschnittsalter war 62 Jahre (6–101). Wiederholungseingriffe wurden in 4923 Fällen (29,1%) durchgeführt [Tab. 1].

Tab. 1 Patientenkohorde: Geschlecht, Altersverteilung, Mehrfachtherapien versus einmalige Therapie.

Anzahl (%)

Patienten

n = 16893

Geschlecht

weiblich

8827 (52,3%)

männlich

8066 (47,7%)

Alter

median (25%–75%)

62,0 (52,0–74,0)

mean (SD)

62,0 (15,1)

Minimum/Maximum

6,0/101,0

keine Eingabe

269

Mehrfachtherapie

ja

4923 (29,1%)

nein

11970 (70,9%)

Als Voruntersuchungen (teils Mehrfachnennungen) standen zum Therapiezeitpunkt in 16858 Fällen (62,1%) ein MRT, in 10532 (38,8%) Fällen eine Computertomografie zur Verfügung, in 3341 Fällen (12,3%) stand hierfür eine Projektionsradiografie zur Verfügung, in 1570 Fällen (5,8%) wurde auf eine Voruntersuchung verzichtet. Die Eingriffe erfolgten in 14724 Fällen (54,3%) ambulant, in 12415 (45,7%) in einem stationären Setting.

Kontrastmittel zur Dokumentation der Medikamentenverteilung wurde in 15623 (57,6%) Eingriffen appliziert, bei Eingriffen an Spinalnerven in 12955 von 19291 (67,2%).

Kortikosteroide kamen in 23490 (86,6%) Fällen zur Anwendung. Die Gabe eines Lokalanästhetikums wurde in 25811 (95,1%) Fällen dokumentiert.

Bezüglich der verwendeten Modalitäten erfolgten 25789 (95,0%) Eingriffe ausschließlich CT-gesteuert, 435 (1,6%) per DSA/Durchleuchtung, 764 (2,8%) sonogesteuert und 5 (0,02%) per MRT als Bildsteuerung. Eine Kombination der Modalitäten (CT-MRT, CT-Ultraschall, CT-DSA) erfolgte in 146 (0,5%) Eingriffen. Das CT kam somit in 25935 (95,6%) Fällen zur Anwendung, durchleuchtungsgesteuerte/DSA- Verfahren in 576 Fällen (2,1%).

Im Hinblick auf die anatomische Zielregion ergaben sich folgende Daten [Abb. 1]:

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Abb. 1 Art, Anzahl und anatomische Lokalisation der Eingriffe.
  • Gelenke (Facettengelenke und ISG):

    • zervikal: 782 (2,9%)

    • thorakal: 173 (0,6%)

    • lumbal und sakral: 6893 (25,4%)

  • Spinalnerven (translaminär, transforaminal):

    • zervikal: 3655 (13,5%)

    • thorakal: 345 (1,3%)

    • lumbal und sakral: 15291 (56,3%)

Gelenksdenervierungen wurden in 103 (0,4%) Fällen mittels Radiofrequenzablation, in 15 Fällen (0n1%) per Kryotherapie und in 314 Fällen (1,2%) mit Alkohol durchgeführt.

Zu Komplikationen kam es in 53 Fällen (0,2%), diese wurden bezüglich des Schweregrades in 5 Kategorien (A-F) in Anlehnung des von der CIRSE (Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe) entwickelten Klassfikationssystems eingeteilt [8]. Hierbei entspricht Kategorie A „Kein Therapiebedarf, keine Konsequenzen“, B entspricht „Symptomatische Behandlung, ggf. Observation über Nacht“, C entspricht „Therapiebedarf, kurze Hospitalisation <48 Stunden“, D entspricht „höherer Therapiebedarf, ungeplanter Anstieg des Behandlungslevels, verlängerte Hospitalisation >48 Stunden“, E entspricht „Dauerschäden“ und F schließlich entspricht „Tod“.

Leichtgradig waren 34 Fälle in Kategorie A, 15 Fälle in Kategorie B und 1 Fall in Kategorie C. In den Kategorien D und E wurden keine Fälle dokumentiert. In Kategorie F (Todesfolge) 1 Fall; keine Angabe der Kategorie in 2 Fällen [Abb. 2].

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Abb. 2 Komplikationen: n = 53 bei 27139 Eingriffen (0,2 %). Kategorie A: Kein Therapiebedarf, keine Konsequenzen; Kategorie B: Symptomatische Behandlung, ggf. Observation über Nacht; Kategorie C: Therapiebedarf, kurze Hospitalisation <48 Stunden; Kategorie D: Höherer Therapiebedarf, ungeplanter Anstieg des Behandlungslevels, verlängerte Hospitalisation >48 Stunden; Kategorie E: Dauerschäden; Kategorie F: Tod.

Von den 53 dokumentierten Komplikationen betrafen 9 Fälle Interventionen per Durchleuchtung/DSA (davon sieben Kategorie A, eine Kategorie B, einmal keine Angabe der Kategorie), eine per Ultraschall (Kategorie B). 45 Fälle wurden unter CT-Steuerung dokumentiert.

Die eine Komplikation Kategorie C entsprach einer medikamentösen Nebenwirkung, die eine Komplikation Kategorie F entstand durch eine kardiale Komplikation mit Exitus letalis innerhalb von 24 Stunden postinterventionell [Tab. 2].

Tab. 2 Charakteristik der Eingriffe (ambulant versus stationär, bildgebende Voruntersuchungen, applizierte Medikamente, Therapieart und – lokalisation, Art der bildgebenden Therapiesteuerung, Komplikationen).

Charakteristik

Anzahl (%)

n = 27139 (100%)

Eingriff ambulant durchgeführt

14724 (54,3%)

Voruntersuchung: CT

10532 (38,8%)

Voruntersuchung: MRT

16858 (62,1%)

Voruntersuchung: Projektionsradiografie

3341 (12,3%)

Voruntersuchung nicht durchgeführt

1570 (5,8%)

Kontrastmittelgabe

15623 (57,6%)

Gabe von Lokalanaesthetikum

25811 (95,1%)

Gabe von Kortikosteroiden

23490 (86,6%)

Therapieart und -lokalisation

Gelenksinfiltration zervikal

782 (2,9%)

Gelenksinfiltration thorakal

173 (0,6%)

Gelenksinfiltration (Fac. + ISG) lumbal und sakral

6893 (25,4%)

Nervenwurzeltherapie zervikal

3655 (13,5%)

Nervenwurzeltherapie thorakal

345 (1,3%)

Nervenwurzeltherapie lumbal und sakral

15291 (56,3%)

Gelenksdenervierung mittels

Radiofrequenzablation

103 (0,4%)

Alkohol

314 (1,2%)

Kryotherapie

15 (0,1%)

Therapiesteuerung mittels

CT

25789 (95,0%)

CT + DSA/Durchleuchtung

141 (0,5%)

CT + MRT

4 (0,0%)

CT + Ultraschall

1 (0,0%)

DSA/Durchleuchtung

435 (1,6%)

MRT

5 (0,0%)

Ultraschall

764 (2,8%)

Therapiesteuerung mittels CT gesamt

25935 (95,6%)

Therapiesteuerung mittel DSA/Durchleuchtung gesamt

576 (2,1%)

Therapiesteuerung mittel MRT gesamt

9 (0,0%)

Therapiesteuerung mittels Ultraschall gesamt

765 (2,8%)

Komplikationen

53 (0,2%)

Komplikationen Graduierung

A

34

B

15

C

1

D

0

F

1


Diskussion

Von der Wirbelsäule ausgehende, in der Mehrzahl degenerativ bedingte Schmerzen zeigen eine hohe Prävalenz und stellen eine hohe individuelle, aber auch volkswirtschaftliche Belastung dar. Neben der leitliniengerechten Indikation bei spezifischen Ursachen (red flags) in Form von beispielsweise nicht primär operationspflichtigen Radikulopathien [9] oder spezifischen Dorsalgien [10] sollte nach den Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ [11] bei 6-wöchiger Schmerzdauer trotz leitliniengerechter Therapie und positivem Nachweis von Risikofaktoren zur Chronifizierung ein umfassendes interdisziplinäres Assessment stattfinden, um die Indikation zu einem multimodalen Therapieprogramm zu prüfen. Auch in diesem Kontext hat die Injektionstherapie nach Ausschöpfen konservativer Maßnahmen insbesondere bei der Behandlung von degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen einen hohen Stellenwert.

Dementsprechend nehmen im breiten Behandlungsspektrum minimalinvasiv perkutane schmerztherapeutische Therapieverfahren an der Wirbelsäule einen zunehmenden Stellenwert ein. Die bildgestützte Injektion analgetischer, antiphlogistischer und antiödematöser Präparate an die Ausgangspunkte der Nozizeption dient neben der Schmerztherapie auch der diagnostisch differenzialdiagnostischen Klärung der Schmerzursache, zum Beispiel radikulärer versus pseudoradikulärer Schmerzursachen, sowie der Zuordnung der betroffenen Nervenwurzel in unklaren Fällen. Es kommen vorwiegend Lokalanästhetika und Kortikosteroide im Bereich schmerzverursachender Strukturen wie Gelenken, Nervenwurzeln sowie im gesamten spinalen Epiduralraum zur Anwendung. Abhängig von der Klinik werden bei Therapien im Epiduralraum transforaminale (PRT) und interlaminäre (LESI, epidurale Überflutung) Zugänge verwendet; in der BWS und LWS werden ausschließlich dorsale oder dorsolaterale Zugänge in (in der Regel) Bauchlage, in der HWS beim Zugang zum Neuroforamen ventrolaterale und posterolaterale Zugänge in Rücken- und Bauchlage verwendet [12]. Es ist zu beachten, dass es sich bei der Anwendung von Kortikoiden im Epiduralraum um eine „zulassungsüberschreitende“ (Off-Label-Use) Therapiemaßnahme handelt, die aber einer lange etablierten und in den Leitlinien empfohlenen klinischen Praxis entspricht [9] [10]. Die existierenden Leitlinien [9] [10] [13] empfehlen im Hinblick auf das Risiko thromboembolischer Komplikationen mit teils katastrophalen Konsequenzen bei akzidentell intravasaler Applikation durch Aggregation der Partikel bei kristallinem Kortison die Gabe ausschließlich nicht-kristalliner Kortisonpräparate wie z.B. Dexamethason für zervikale transforaminale Injektionen.

Zur Injektion kommen bildgebend radiologisch die „landmarkengestützte“ Durchleuchtung (Fluoroskopie), ggf. mit ergänzender digitaler Subtraktionstechnik und die Computertomografie, in wenigen aber zunehmenden Fällen auch der Ultraschall, selten das MRT zur Anwendung.

Für die beiden „Arbeitspferde“ Fluoroskopie und Computertomografie besteht in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit ausreichende Evidenz. Im Vergleich der beiden Verfahren bietet das CT bei unter optimierten Bedingungen vergleichbarer Strahlenexposition für den/die Patient:in den Vorteil einer direkten Visualisierung des Zielgewebes und der gefährdeten Strukturen sowie eine bessere Kontrastauflösung [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20]. Im deutschsprachigen Raum kommt deshalb insbesondere in radiologischen Einrichtungen zur interventionellen Schmerztherapie an der Wirbelsäule bevorzugt die Computertomografie zur Anwendung, was die Auswertung der vorliegenden DeGIR QS-Registerdaten mit CT-gesteuerten Eingriffen in 95,6% der Fälle bestätigt.

Ausschließlich mittels DSA/Durchleuchtung wurden nur 435 (1,6%) der Eingriffe, in Kombination DSA mit CT 141 (0,5%), somit insgesamt nur 576 (2,1%) per alleiniger Durchleuchtung oder zusätzlicher Anwendung digitaler Subtraktionstechnik durchgeführt.

Komplikationen sind in 53 Fällen (0,2%) dokumentiert. Davon waren 49 Fälle leichtgradig (Kategorie A-B). Die eine Komplikation Kategorie C entsprach einer medikamentösen Nebenwirkung; die eine Komplikation Kategorie F entsprach einer kardialen Komplikation mit Exitus letalis innerhalb von 24 Stunden postinterventionell (beide im Rahmen CT-gesteuerter Interventionen). Dabei ist zu diskutieren, inwieweit die F-Komplikation kausal der Intervention zugeschrieben werden kann. Zu relevanten neurologischen/neurozerebralen Komplikationen kam es nicht. Damit bestätigt sich in Einklang mit der zahlreich vorhandenen Literatur (Fenster 2016 [21], Kamp 2023 [22], Amrhein 2017 [23], Cotten 2018 [24], Bise 2023 [25]), dass interventionelle Schmerztherapien an der Wirbelsäule auch in der Hand von Interventionsradiolog:innen ein sehr komplikationsarmes Verfahren darstellen. Angaben zu potenziellen Infektionen liegen nicht vor, da lediglich direkt post- bzw. periinterventionelle Verlaufskontrollen dokumentiert wurden. Hier wurde von den 27139 dokumentierten Eingriffen bei 60 (0,2%) eine Verschlechterung der Schmerzsymptomatik angegeben, in 16714 (61,6%) eine Beseitigung oder Verbesserung der Schmerzsymptomatik, in 1626 (6%) ein gleichbleibender Befund und in 8739 (32,2%) Fällen wurden keine Angaben gemacht. Daten zur Schmerzsymptomatik im Verlauf wurden nicht dokumentiert.

Die lokale Kontrastmittelinjektion wird vor Applikation von Medikamenten verwendet, um die korrekte Verteilung an der Zielstruktur sicherzustellen und ist aufgrund der anatomischen Nähe zu venösen aber auch arteriellen Gefäßen insbesondere periradikulär bzw. im Epiduralraum zum Ausschluss einer akzidentell intravasalen Applikation von großer Bedeutung (Kranz 2015 [26], Wald 2014 [27], Maus 2024 [28], Rathmell 2015 [29], Klessinger 2025 [30]). Die vorliegenden Daten dokumentieren eine Kontrastmittelgabe insgesamt nur in 57,6%, bei den Eingriffen an Spinalnerven (translaminär oder interlaminär) wurde Kontrastmittel nur in 67,2% der Fälle verwendet. Diese Zahl ist in Anbetracht der Literaturlage erstaunlich niedrig. Dennoch zeigt unsere Auswertung nur sehr geringe Komplikationsraten und insbesondere kam es zu keinem einzigen dokumentierten Fall einer durch akzidentell intraarterielle Medikamentenapplikation induzierten Komplikation wie beispielsweise einer cerebralen Thromboembolie oder neurologische Defizite bzw. Querschnittssymptomatik.


Limitationen

Diese retrospektive Datenauswertung aus dem DeGIR-QS-Register von über 300 deutschen Kliniken mit 27139 Datensätzen aus dem Jahre 2021 unterliegt aufgrund der Freiwilligkeit der Eingaben einem gewissen Selektionsbias.

Da die DeGIR-Software ein Qualitätssicherungsinstrument darstellt, werden einige klinische Informationen primär nicht erhoben. Deshalb kann die Software aktuell nicht für eine umfassende klinische Analyse eingesetzt werden. Auch sind Verlaufsaussagen nicht möglich, da die regelmäßige Erhebung von klinischen Daten bei ambulanten Patienten nicht ohne weiteres in allen Krankenhäusern möglich ist.


Schlussfolgerung

Die Datenauswertung der Registerdaten aus dem DeGIR-QS-Register für das Jahr 2021 mit 27139 schmerztherapeutischen Eingriffen an der Wirbelsäule belegt, dass die bildgestützte Schmerztherapie an der Wirbelsäule durch Interventionsradiolog:innen eine sichere und sehr komplikationsarme Methode ist. Zur Bildsteuerung kommt in der großen Mehrzahl die Computertomografie zur Anwendung.

Beachtet werden sollte, dass insbesondere bei Therapien im Epiduralraum wie Zugänge transforaminal (PRT) und interlaminär (epidurale Überflutung bzw. LESI) eine Dokumentation der korrekten Verteilung des Medikamentes an der Zielstruktur mit Ausschluss einer intravasalen Nadellage mit Kontrastmittel unabdingbar ist.

Um über die reine Qualitätssicherung der Prozeduren hinaus weitere valide klinische Aussagen machen zu können, sind zur Dokumentation schmerztherapeutischer Eingriffe an der Wirbelsäule ausführlichere Daten zur Anamnese, Symptomatik, Indikation, Durchführung und klinischem Verlauf notwendig. All das könnte zum Beispiel im Rahmen einer prospektiven Registerstudie erfolgen.


Klinische Relevanz der Studie

  • Bildgestützte Schmerztherapien an der Wirbelsäule werden durch Interventionsradiologinnen und -radiologen sicher und sehr komplikationsarm durchgeführt.

  • Das Arbeitspferd der bildgesteuerten Schmerztherapie durch Radiologen ist die Computertomografie.



Interessenkonflikt

Robert Fessl: Mitgliedschaft DeGIR Kai Wilhelm: Im Untersuchungszeitraum kooptiertes Vorstandsmitglied der DeGIR (DeGIR-Vertretung im DGNR-Vorstand) Frank Wacker: Präsident-elect und aktuell Präsident der DeGIR Jonathan Nadijir: Kooptiertes Vorstandsmitglied der DeGIR mit Leitung des DeGIR Registers Ansgar Berlis: Mitgliedschaft DeGIR. Im Untersuchungszeitraum Präsident der DGNR, aktuell Past President der DGNR.

Danksagung

Herzlichen Dank Herrn Dr. rer. nat. Stefan Schiele vom Institut für Mathematik und Statistikberatung, Prof. Dr. Gernot Müller, Universität Augsburg, für die Unterstützung bei der statistischen Aufarbeitung der Datensätze.


Korrespondenzadresse

Robert Fessl
Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, University Hospital Augsburg
Augsburg
Germany   

Publication History

Received: 31 May 2025

Accepted after revision: 11 July 2025

Article published online:
01 August 2025

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Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Art, Anzahl und anatomische Lokalisation der Eingriffe.
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Abb. 2 Komplikationen: n = 53 bei 27139 Eingriffen (0,2 %). Kategorie A: Kein Therapiebedarf, keine Konsequenzen; Kategorie B: Symptomatische Behandlung, ggf. Observation über Nacht; Kategorie C: Therapiebedarf, kurze Hospitalisation <48 Stunden; Kategorie D: Höherer Therapiebedarf, ungeplanter Anstieg des Behandlungslevels, verlängerte Hospitalisation >48 Stunden; Kategorie E: Dauerschäden; Kategorie F: Tod.
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Fig. 1 Type, number, and anatomical location of procedures.
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Fig. 2 Adverse effects, n = 53 of 27139 procedures (0.2 %). Category A: No need for treatment, no consequences; Category B: Symptomatic treatment, overnight observation, if necessary; Category C: Need for treatment, short hospital stay < 48 hours; Category D: Need for greater treatment, unplanned increase in treatment level, extended hospital stay > 48 hours; Category E: Permanent damage; Category F: Death.