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DOI: 10.1055/a-2597-5739
Mentor, Impulsgeber und Wegbegleiter der Versorgungsforschung
Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) an Prof. Dr. Holger Pfaf Artikel in mehreren Sprachen: English | deutschIm Rahmen seines Abschiedssymposiums am 14.03.2025 in der Universitätsklinik zu Köln wurde Prof. Dr. Holger Pfaff vom Vorsitzenden des DNVF, Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, die Ehrenmitgliedschaft des DNVF verliehen.
Die Geschichte und Entwicklung der Versorgungsforschung in Deutschland ist sehr eng mit der von Prof. Holger Pfaff verbunden. Seine exzellente Leistung als Brückenbauer zwischen verschiedenen Fakultäten, als Pionier und Gründungsvater der Versorgungsforschung in Deutschland und seine internationale Vernetzung wurden beeindruckend in den elf Laudationes des Symposiums gewürdigt.
Holger Pfaff hat Forschung betrieben, die Evidenz über Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der Gesundheitsversorgung und deren Determinanten generiert. Er hat wichtige Voraussetzungen für evidenzbasierte Entscheidungen im Gesundheitswesen geschaffen. Zuletzt hat er zusammen mit Jochen Schmitt eine Serie von Artikeln publiziert, die einen Weg von der theoretisch besten Evidenz zur praktisch besten Evidenz aufzeigt, um in Krisensituationen und bei strukturellen Veränderungsprozessen entscheidungsfähig zu bleiben [1] [2] [3] . Den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis methodisch zu begleiten und zu fördern, sieht er als wesentliche Aufgabe der Versorgungsforschung, um eine verbesserte Versorgung und Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen. Als Vorsitzender des Expertenbeirats des Innovationsfonds hat er entscheidend dazu beigetragen, dass Versorgungsforschung in der gesundheitspolitischen Landschaft eine zunehmend wichtige Rolle spielt und dass Veränderungen im Gesundheitssystem evidenzbasiert vorangetrieben werden. Gleichzeitig hat er als langjähriger DFG-Kollegiat in der Sektion 4 „Genetische, metabolische und regulatorische Basis von Krankheiten und Public Health“ des Fachkollegiums 205 „Medizin“ die Versorgungsforschung in der DFG und damit in der Grundlagenforschung etabliert. Die methodische, inhaltliche und theoretische Weiterentwicklung der Versorgungsforschung hin zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin mit Grundlagen- und Anwendungsforschung ist ein Vorhaben, das das DNVF mit ihm als Mentor weiter vorantreiben wird.
Holger Pfaff war Präsident des 1. Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung 2003 (DKVF) und Vorsitzender der Ständigen Kongresskommission, aus der 2006 das DNVF hervorgegangen ist. Auch dem 20. DKVF im Jahr 2021 hat er als Präsident vorgestanden. Die zu diesem Anlass von ihm 2021 gesetzte Aufforderung „mehr Theorie zu wagen“ hat dem Netzwerk und der Deutschen Versorgungsforschung neue Impulse gegeben, ohne die die Gründung der Arbeitsgruppe Kausale Inferenz in der Versorgungsforschung und die aktuelle intensive Diskussion über das Thema zum Selbstverständnis der Versorgungsforschung in Deutschland nicht denkbar ist. Das primär von ihm geschaffene Throughput-Modell [4] ist eine der wesentlichen Beschreibungen zum Verständnis von Versorgungsprozessen, um die komplexen Interventionen in der Gesundheitsversorgung besser zu verstehen. Das Modell ist eine Grundlage, die Wirksamkeit von Versorgung in der Praxis zu evaluieren, Über -Unter- und Fehlversorgung zu identifizieren und neue Versorgungsformen zu generieren. Ziel dabei ist es, ein evidenzbasiertes patientenorientiertes Gesundheitswesen voranzubringen. Auch die hohe Bedeutung des Zugangs zu und der wissenschaftlichen Nutzung von versorgungsnahen Daten (VeDa) kommt im Throughput-Modell zum Ausdruck.
Die Gründung des DNVF durch 26 Fachgesellschaften im Jahr 2006 mit Prof. Holger Pfaff als Gründungspräsidenten hat den wesentlichen organisatorischen Rahmen für die Versorgungsforschung in Deutschland gebildet, in dem sich das in Deutschland junge Fach bis heute gut entwickelt hat. Mit Bedacht hat Holger Pfaff darauf eingewirkt, ein Netzwerk zu gründen und keine Fachgesellschaft, zum einen, um die Dynamik des Anfangs, des Neuen zu nutzen und zum zweiten, um möglichst viele der Beteiligten an der Versorgung einzubinden. Die aktuell 126 institutionellen Mitglieder inklusive Patientenvertretungen und die 415 persönlichen Mitglieder des DNVF spiegeln die Bandbreite der Versorgung wider. Die ersten Memoranden und das Lehrbuch Versorgungsforschung sowie dann folgende Positions- und Diskussionspapiere gaben und geben der deutschen Versorgungsforschung einen inhaltlichen und methodischen Rahmen. Das Netzwerk hat mittlerweile 14 Memoranden herausgegeben, die von den heute 27 Arbeits- und Fachgruppen erstellt und im ganzen Netzwerk diskutiert werden, bevor sie dann konsentiert publiziert werden.
Im DNVF ist Holger Pfaff weiterhin Sprecher der Gruppe der Hochschullehrer:innen. Seit dem 1. Kongress für Versorgungsforschung 2003 wurden viele neue Professuren an deutschen Hochschulen geschaffen. Mittlerweile gibt es über 40 Professuren an 34 Standorten und zehn Studiengänge für Versorgungsforschung. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses lag Holger Pfaff dabei immer am Herzen. Sie ist auch ein zentrales Anliegen des DNVF. Holger Pfaff hat großzügig eigene Ressourcen zur Verfügung gestellt. Seine Lehr- und Forschungstätigkeit hat viele exzellente Wissenschaftler:innen hervorgebracht. Als Beispiel seien hier Prof. Dr. Lena Ansmann, Prof. Dr. Nicole Ernstmann und Prof. Dr. Nadine Scholten genannt, die heute Lehrstühle bzw. Professuren in der Versorgungsforschung besetzen.
Holger Pfaff hat das Zentrum für Versorgungsforschung (ZVFK) in Köln gegründet. Das Zentrum ist eine fakultätsübergreifende Kooperation für eine gemeinsame, interdisziplinär ausgerichtete Versorgungsforschung. Es setzt sich aus Instituten und Lehrstühlen der Humanwissenschaftlichen Fakultät, der Medizinischen Fakultät und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät zusammen. Leitbild des ZVFK ist die „lernende Versorgung.“ Die Ausrichtung dieses Zentrums sowie die Brückenprofessur von Holger Pfaff an der Humanwissenschaftlichen und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln zeigt einen Grundsatz seines Handelns, nämlich unterschiedlichste Fachkompetenzen zu bündeln, um mit einer leistungsstarken Versorgungsforschung Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung entlang der „Translationskette“ zu verknüpfen (from bench to practice).
Lernende Versorgung und die Translation der Ergebnisse der Versorgungsforschung in die Versorgungspraxis heißt hier, für die Versorgung der Patient:innen einen Unterschied hinsichtlich einer besseren Versorgung zu schaffen. Holger Pfaff würde es so ausdrücken, dass wir mit unseren Aktivtäten nicht eine „0“, sondern eine „1“ erzeugen. Die große Spannbreite von theoretischer Fundierung, methodischer Exzellenz und einer effizienten Translation unter möglichst breiter Einbeziehung aller Beteiligten zeigt das nationale und internationale Wirken von Holger Pfaff. Sie spiegelt sich auch in dem Selbstverständnis des DNVF wider. Für diese nachhaltige Prägung und Richtungsweisung sind wir Prof. Holger Pfaff sehr dankbar und wünschen, dass er uns als Ratgeber, Impulsgeber und Mentor noch lange erhalten bleibt.
Thomas Bierbaum, Geschäftsführer DNVF
Martin Härter, Hauptgeschäftsführer DNVF
Wolfgang Hoffmann, Editor in Chief, Vorsitzender DNVF
Jochen Schmitt, Editor in Chief, stellvertretender Vorsitzender DNVF
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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References
- 1 Pfaff H, Schmitt J. Shifting from Theoretical Best Evidence to Practical Best Evidence: an Approach to Overcome Structural Conservatism of Evidence-Based Medicine and Health Policy. Public Health 2024; 86: S239-S250
- 2 Pfaff H, Schmitt J. The Organic Turn: Coping With Pandemic and Non-pandemic Challenges by Integrating Evidence-, Theory-, Experience-, and Context-Based Knowledge in Advising Health Policy. Front Public Health 2021; 9: 727427
- 3 Pfaff H, Schmitt J. Reducing uncertainty in evidence-based health policy by integrating empirical and theoretical evidence: An EbM+theory approach. J Eval Clin Pract 2023; 29: 1279-1293
- 4 Pfaff H, Schrappe M. (Hrsg.). Gesundheitsversorgung und Disease Management: Grundlagen und Anwendungen der Versorgungsforschung. Verlag Hans Huber; 2003. ISBN: 9783456840260
Correspondence
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
02. Juli 2025
© 2025. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
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References
- 1 Pfaff H, Schmitt J. Shifting from Theoretical Best Evidence to Practical Best Evidence: an Approach to Overcome Structural Conservatism of Evidence-Based Medicine and Health Policy. Public Health 2024; 86: S239-S250
- 2 Pfaff H, Schmitt J. The Organic Turn: Coping With Pandemic and Non-pandemic Challenges by Integrating Evidence-, Theory-, Experience-, and Context-Based Knowledge in Advising Health Policy. Front Public Health 2021; 9: 727427
- 3 Pfaff H, Schmitt J. Reducing uncertainty in evidence-based health policy by integrating empirical and theoretical evidence: An EbM+theory approach. J Eval Clin Pract 2023; 29: 1279-1293
- 4 Pfaff H, Schrappe M. (Hrsg.). Gesundheitsversorgung und Disease Management: Grundlagen und Anwendungen der Versorgungsforschung. Verlag Hans Huber; 2003. ISBN: 9783456840260















