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DOI: 10.1055/a-2572-3941
Kommentar zu: „Appendizitis im Erwachsenenalter: Antibiotikatherapie vs. Appendektomie“

Eine intravenöse Antibiotikabehandlung kann bei etwa zwei Drittel aller erwachsenen Patienten mit unkomplizierter akuter Appendizitis eine Operation vermeiden, ohne das Risiko von Komplikationen im ersten Jahr nach der Erkrankung zu erhöhen [1]. Dennoch müssen Patienten mit akuter Appendizitis zunächst stationär aufgenommen werden, und ein Drittel muss sich trotz Antibiotika im Verlauf einer Appendektomie unterziehen. Obwohl die akute Erkrankung in der Regel auf eine bakterielle Infektion zurückzuführen ist, wurde eine Appendizitis bis vor wenigen Jahren fast immer chirurgisch behandelt [2]. Inzwischen haben mehrere hochwertige randomisierte Studien (RCTs) gezeigt, dass eine Antibiotikabehandlung zumindest bei Erwachsenen eine Alternative sein könnte. Auch die während der Coronapandemie angepasste US-amerikanische chirurgische Leitlinie akzeptiert inzwischen Antibiotika als Option, wobei die Wirksamkeit einer sofortigen chirurgischen Behandlung noch immer höher eingestuft wird [3]. Insofern ist die Frage, ob und bei welchen Patienten zunächst auf eine Operation verzichtet werden kann, nicht einfach zu beantworten. Ein Autorenteam der Universität Amsterdam unter Leitung der Chirurgin Marja Boermeester hat die Ergebnisse früherer RCTs im Rahmen einer Metaanalyse auf der Grundlage der Daten einzelner Patienten neu bewertet [4]. Eingeschlossen wurde auch die US-amerikanische CODA-Studie, aus der 1223 der 2101 auswertbaren Patienten in der Metaanalyse stammten [5].
Die höhere Komplikationsrate und die seltenere Vermeidung einer Operation sprechen gegen eine antibiotische Behandlung von Patienten, bei denen Appendikolithen in der Bildgebung entdeckt wurden. Dies ist die wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis der neuen niederländischen Metaanalyse auf Basis einzelner Patientendaten. Für andere Patienten könnten Antibiotika jedoch weitere Vorteile bieten, da sie zu einer schnelleren Genesung führen: Die Patienten in der Antibiotikagruppe waren im Median 7 Tage krankgeschrieben im Vergleich zu 14 Tagen in der Appendektomiegruppe. Eine schnellere Entlassung aus dem Krankenhaus war jedoch nicht möglich, da die Antibiotika in den ersten Tagen parenteral verabreicht wurden. Insofern besteht weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der Anwendung oraler Sequenztherapien, die eine schnellere Ambulantisierung ermöglichen könnten. Auch eine bessere Charakterisierung des Erregerspektrums bei akuter Appendizitis mit Erstellung aussagekräftiger Resistenzprofile wäre wünschenswert, um das klinische Management weiter standardisieren zu können.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
12. Juni 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Javanmard-Emamghissi H, Hollyman M, Boyd-Carson H. et al. Antibiotics as first-line alternative to appendicectomy in adult appendicitis: 90-day follow-up from a prospective, multicentre cohort study. Br J Surg 2021; 108: 1351-1359
- 2 Henry M, Rong LQ, Wingo M. et al. The evidence on the ten most common surgical interventions in the United States from 1970 to 2018. Ann Surg 2019; 270: e16-e17
- 3 American College of Surgeons. COVID 19: elective case triage guidelines for surgical care. Emergency General Surgery. Zugriff am 21. April 2024 unter: https://www.facs.org/media/33km00ma/guidance_for_triage_of_nonemergent_surgical_procedures_general_surgery.pdf
- 4 Scheijmans JCG, Haijanen J, Flum DR. et al. Antibiotic treatment versus appendicectomy for acute appendicitis in adults: an individual patient data meta-analysis. Lancet Gastroenterol Hepatol 2025; 10: 222-233
- 5 Davidson GH, Flum DR, Monsell SE. et al. Antibiotics versus appendectomy for acute appendicitis – longer-term outcomes. N Engl J Med 2021; 385: 2395-2397