Z Geburtshilfe Neonatol 2025; 229(03): 161
DOI: 10.1055/a-2558-4469
Editorial

Vom Wert eines guten Rates in der Stunde größter Not

Dominique Singer
1   Zentrum für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)
› Author Affiliations

Liebe Leserinnen und Leser,

die Stellung einer relevanten pränatalen Diagnose ist für die betroffenen Paare und werdenden Eltern ein schockierendes Erlebnis, das die freudige Erwartung eines „Hauptsache gesunden“ Kindes jäh unterbricht und durch Gefühle von Verzweiflung, Hilflosigkeit und nicht selten auch Schuld ersetzt. Die klinische Erfahrung lehrt, dass die rasche – möglichst sofortige – Verfügbarkeit eines kompetenten Rates eine der effektivsten, wenn nicht die effektivste Hilfestellung ist, die man Schwangeren und Paaren „in der Stunde größter Not“ bieten kann: Allein der Umstand, dass es offenbar Jemanden gibt, der genau weiß, was zu tun sein wird, wirkt hier bereits entlastend. Aus den stets vorhandenen Ambivalenzen kann dann letztlich doch der Entschluss zur Beendigung der Schwangerschaft erwachsen – bestenfalls im Ergebnis eines sorgfältigen Abwägungsprozesses (für den wiederum eine ausreichende Bedenkzeit unerlässlich ist); mitunter aber auch aus dem verständlichen, wiewohl irrigen Wunsch heraus, das Erlebte schnellstmöglich „ungeschehen zu machen“. Ob und wie die Entscheidung für oder gegen eine Fortsetzung der Schwangerschaft nach der pränatalen Diagnose einer Trisomie 21 durch eine pädiatrische Beratung beeinflusst wird, ist Gegenstand einer Originalarbeit in diesem Heft der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN). Positiv mit einer Fortsetzung der Schwangerschaft korreliert waren die rasche Verfügbarkeit und erschöpfende Dauer der pädiatrischen Beratung wie auch die Kontaktaufnahme zu einschlägig erfahrenen Familien. Zwar mag es sein, dass genau diejenigen Paare das Angebot angenommen haben, die einem Schwangerschaftsabbruch ohnedies ablehnend gegenübergestanden hätten. Gleichwohl unterstreicht die Arbeit den Wert einer multiperspektivischen Beratung in Situationen, in denen es darauf ankommt, den Patient*innen eine tragfähige Vorstellung von einer möglichen Zukunft zu vermitteln.



Publication History

Article published online:
10 June 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany