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DOI: 10.1055/a-2558-3879
Im Interview: Prof. Dr. Malek Bajbouj


Prof. Malek Bajbouj ist seit dem 1. April 2025 neuer Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Mitte der Charité und im St. Hedwig-Krankenhaus. Anlässlich seines Amtsantritts trafen wir das BGPN-Mitglied zum Interview.
Sie sind jetzt seit dem 1. April im Amt, wie waren die ersten Arbeitstage?
Bajbouj: Die ersten Tage waren wirklich inspirierend, aber auch anstrengend. Neben der Klinik am Campus Mitte der Charité gibt es die Klinik St. Hedwig, die in Kooperation mit den Alexianern betrieben wird. Obwohl ich schon eine gewisse Zeit in Berlin bin, habe ich an den beiden Standorten viele neue und spannende Menschen kennen lernen dürfen.
Die Rolle des Direktors einer Universitätsklinik ist ja eine fast unlösbare Aufgabe – Sie sollen Spitzenleistung in der Patientenversorgung, in der Lehre und in der Forschung bewerkstelligen. Was haben Sie sich wissenschaftlich vorgenommen?
Bajbouj: Ich würde es nicht unlösbar nennen. Dass ich sowohl klinisch als auch wissenschaftlich und in der Lehre tätig sein darf, macht die Aufgabe ja so spannend. Gemeinsam mit den vielen Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen in der Klinik möchte ich existierende wissenschaftliche Schwerpunkte weiterentwickeln. Dazu zählt insbesondere, dass wir gemeinsam mehr Prävention in der Psychiatrie wagen wollen. Zweitens und eng mit diesem Thema verbunden möchten wir mehr digitale Angebote in Therapie und Prävention entwickeln und Wirkmechanismen und Wirksamkeit erforschen. Dann gibt es zwei weitere wissenschaftliche Schwerpunkte: globale mentale Gesundheit, wozu ich in der Vergangenheit schon viel gemacht habe, und nicht zuletzt ein Fokus auf Projekten zur Gesundheit in Arbeitswelten. Hier habe ich als Klinikdirektor zwei Rollen: die des Vorgesetzten, der Arbeiten in einer gesunden Umgebung ermöglichen muss, und die des Wissenschaftlers, der verstehen möchte, welche Faktoren besonders wichtig sind.
Was haben Sie sich für die Patient*innenversorgung vorgenommen?
Bajbouj: Heute warten unseren Patient*innen viel zu lange auf ihren Behandlungen, sowohl in der Psychotherapie als auch bei Psychiater*innen. Und häufig bekommen auch nicht diejenigen die Behandlungen, die sie am dringendsten benötigen. Für mich ist es daher ganz wichtig, dass wir für unsere Patient*innen Pfade entwerfen, auf denen die richtigen Patient*innen schneller in die Behandlung kommen. Das bedeutet, dass wir mit Patient*innen passgenau, gestuft und abgestimmt niederschwellige Angebote entwickeln, die sich an den Lebenswirklichkeiten orientieren: und die sind manchmal interprofessionell aufsuchend und viel häufiger als wir denken, digital, z. B. über Chats und Smartphones. Außerdem möchte ich ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung von Angeboten für besonders benachteiligte Patient*innen legen, die in unserem gegenwärtigen Gesundheitssystem häufig ignoriert werden.
Bei all den anderen Aufgaben – was denken Sie, in welchem Umfang Sie z. B. regelmäßige Visiten durchführen können?
Bajbouj: Das ist eine schöne, praktische Frage. Ich werde es bei der Fülle der Aufgaben – ich bin ja noch zusätzlich als Direktor für Internationale Aktivitäten an der Charité tätig – wahrscheinlich nicht schaffen, alle Stationen jede Woche zu visitieren. Umgekehrt finde ich es auch wichtig, klinisch präsent zu sein und möchte daher auch nicht nur einmal pro Quartal auftauchen. Also nicht einmal pro Woche und auch nicht einmal im Quartal, sondern irgendetwas dazwischen.
Wofür soll die die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in der Zukunft stehen? Durch welche Besonderheiten soll sie sich auszeichnen?
Bajbouj: Da kommen die Vergangenheit und die Zukunft der Klinik zusammen. Die Klinik, die ich übernehmen durfte, hat in den vergangenen Jahren in außergewöhnlicher Weise moderne Methoden der Psychiatrie mit sozialpsychiatrischen Konzepten vereint. Diesen Geist einer patient*innenzentrierten innovativen Psychiatrie möchte ich fortführen und mich zwei großen Themen widmen: zum einen dem Thema einer Präventionspsychiatrie und zum anderen dem Thema der personenzentrierten Psychiatrie für besonders vulnerable Populationen in Deutschland und im globalen Kontext.Und eines ist mir besonders wichtig: egal, ob es um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Resilienz in Krisen, Produktivität von Unternehmen oder Mortalität und Morbidität in Deutschland geht: mentale Gesundheit spielt eine so zentrale Rolle, dass sie in der Charité, in der Medizin und in der Gesellschaft noch sichtbarer und selbstverständlicher mitgedacht werden sollte.
Das Interview führte Dr. Anja M. Bauer
IMPRESSUM
Prof. Dr. Tom Bschor
Redaktion: Dr. Anja M. Bauer
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.
Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie
Heubnerweg 2, 14059 Berlin
Publication History
Article published online:
16 July 2025
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