Rofo 2025; 197(05): 585-589
DOI: 10.1055/a-2548-2815
DRG-Mitteilungen

Wettbewerbsverbote in ärztlichen Gesellschafts- und Arbeitsverträgen – Anforderungen und Grenzen

 

I. Einführung

Bei der Abfassung und dem Abschluss von Gesellschaftsverträgen zur Gründung von Berufsausübungsgemeinschaften oder Organisationsgemeinschaften sowie von Arbeitsverträgen für die ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter, bestehen für Ärzte[ 1 ] eine Vielzahl von vertraglichen Anforderungen, deren Nichtbeachtung zu zivil-, berufs- oder vertragsarztrechtlichen Folgeproblemen führen können.

Der nachfolgende Beitrag fasst die wichtigsten Anforderungen und Grenzen in Bezug auf die Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen im gesellschafts- und Arbeitsverträgen zusammen und zeigt auf, welche Folgen bei Missachtung der Anforderungen drohen. Unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung gibt der Beitrag dem Leser zudem einen Überblick über die unterschiedlichsten Fälle und Beurteilungen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.


#

II. Wettbewerbsklauseln in ärztlichen Gesellschaftsverträgen

Ärzten ist es erlaubt sich in Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), Partnerschaftsgesellschaften (PartG) und – soweit nur eine privatärztliche Leistungserbringung erfolgt – sogar in der Rechtsform einer GmbH zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen. Für die PartG folgt das Wettbewerbsverbot aus § 6 Abs. 3 S. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) i. V. m. §§ 117, 118 Handelsgesetzbuch (HGB). Für die Gesellschafter einer GbR ist ein Wettbewerbsverbot gesetzlich nicht vorgesehen.[ 2 ] Ein (immanentes) Verbot mit der Gesellschaft in Konkurrenz zu treten ergibt sich für die Gesellschafter einer GbR jedoch bereits aus den ihren Treuepflichten zueinander.[ 3 ] Da die Treuepflicht von Gesellschaftern jedoch grundsätzlich mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft endet, bedarf es einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung, wenn dem ausgeschiedenen Gesellschafter eine Konkurrenztätigkeit untersagt werden soll.[ 4 ]

1. Zeitliche, räumliche und gegenständliche Grenzen

Zu ihrer Wirksamkeit sind gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsklauseln hinsichtlich ihrer Ausgestaltung von der Rechtsprechung bestimmten Vorgaben und Grenzen unterworfen worden. Ein sog. nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht nur dann wirksam, wenn es das notwendige Maß nicht überschreitet. Ihre Rechtfertigung findet es allein darin, die Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen. Dagegen darf ein solches Wettbewerbsverbot rechtlich nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als potenziellen Wettbewerber auszuschalten.

Für die zeitliche Geltungsdauer einer gesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsklausel wird vom Bundesgerichtshof in der Regel ein Zeitraum von zwei Jahren[ 5 ] nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft zu Grunde gelegt, da sich nach Ablauf dieser Zeit die während der Zugehörigkeit zu der Gesellschaft geknüpften Verbindungen in aller Regel in einem Maß gelockert haben, nach dem der Ausgeschiedene wie übrige Wettbewerber angesehen werden kann.[ 6 ] Verstößt eine Wettbewerbsklausel allein gegen die zeitliche Grenze, ohne dass weitere Gründe vorliegen, deretwegen die Wettbewerbsklausel als sittenwidrig zu qualifizieren ist, lässt der BGH eine zulässige Reduktion auf das zeitlich tolerable Maß von zwei Jahren zu.[ 7 ]

Hinsichtlich der räumlichen und gegenständlichen Ausgestaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots im Falle des Ausscheidens aus einer freiberuflichen Arztpraxis bestehen hingegen keine eindeutigen rechtlichen Vorgaben.[ 8 ] Die zulässige räumliche Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbotsklauseln richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Anhaltspunkte für die Bestimmung eines zulässigen Umkreises der Wettbewerbsbeschränkung sind sowohl die Fachrichtung und die Größe der Praxis als auch deren geografische Lage. Das Wettbewerbsverbot darf in jedem Fall nicht über den Einzugsbereich der bisherigen gemeinsamen Praxis hinausgehen.[ 9 ]

Die Einzugsbereiche radiologischer Praxen sind regional sehr unterschiedlich. Dies hängt auch mit der vertragsärztlichen Bedarfsplanung zusammen.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL)[ 10 ] des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gehört die Arztgruppe der Radiologen zur sog. spezialisierten fachärztlichen Versorgung, deren Planungsbereich nach Abs. 3 S. 1 die Raumordnungsregion in der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung ist. Räumliches Zentrum einer Raumordnungsregion sind in der Regel eine große Stadt oder mehrere größere Städte, die dann mit dem großräumigen Umland gemeinsam betrachtet werden. Im Schnitt sind bundesweit etwa vier Kreise zu einer Raumordnungsregion zusammengefasst. Die spezialisierte fachärztliche Versorgung ist nach der gesonderten fachärztlichen Versorgung (vgl. § 14 BedarfsplRL) der zweitgrößte Planungsbereich der BedarfsplRL. Für die Arztgruppe der Radiologen sind in der spezialisierten fachärztlichen Versorgung allgemeine Verhältniszahlen ( = ein Arzt je Anzahl Einwohner) von 48 801 bestimmt worden (vgl. § 13 Abs. 4 S. 1 BedarfsplRL).

In Ballungsgebieten wie etwa Hamburg, Köln und München kamen im Jahr 2024 auf 100.000 Einwohner 6,3 bis 10 Radiologen. Der Einzugsbereich der Praxen in diesen Gebieten ist daher kleiner als in ländlichen Regionen (etwa Mecklenburg-Vorpommern), in dessen Bereich auf 100 000 Einwohner insgesamt 3 bis 4,2 Radiologen tätig sind.[ 11 ] Im Ergebnis ist daher die räumliche Grenze der nachvertraglichen Wettbewerbsverbotsklauseln in Ballungsgebieten enger, in ländlichen Gebieten weiter anzusetzen. Für ländliche Gebiete und Praxen, die mit erheblichen Investitionen verbunden sind, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung[ 12 ] durchaus einen Radius von 20 km für rechtmäßig erachtet. Die Rechtsprechung ist bezüglich der räumlichen Grenzen aufgrund der Einzelfallabhängigkeit unterschiedlich. So ist ein räumliches Verbot im Umkreis von 9 km im Zusammenhang mit einem Übernahmevertrag einer Zahnarztpraxis nach Ansicht der OLG Koblenz[ 13 ] zulässig. Ein räumliches Verbot in einem Radius von 10 km um eine orthopädische Praxis hielt das LG Krefeld[ 14 ] dagegen mit dem Argument, es handele sich bei einer Stadt mit 220.000 Einwohner um ein dicht besiedeltes Gebiet, von vornherein für unzulässig. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung ist es daher anzuraten, bei der räumlichen Ausdehnung der Wettbewerbsklausel zurückhaltend zu sein.[ 15 ]

Gegenständlich darf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot lediglich dem Schutz der Interessen der Gesellschaft dienen. Dabei darf die Regelung gerade nicht dem Ausschluss von Konkurrenz, sondern lediglich dem angemessenen Schutz eigener Leistungen dienen.[ 16 ] Diesem Erfordernis genügt beispielsweise die Beschränkung auf eine freiberufliche Tätigkeit der bisher in der Gesellschaft vertretenen Fachrichtung.[ 17 ] Nicht zulässig ist allerdings die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung des Verzichts auf eine vertragsärztliche Zulassung bei einem freiwilligen Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis.[ 18 ] Soweit der Ausscheidende die vertragsärztliche Zulassung jedoch gerade als Nachfolger seines Vorgängers in der Gemeinschaftspraxis erhalten und nur für einen kurzen Zeitraum Mitglied (hier: 1 Jahr 9 Monate) der Gemeinschaftspraxis war, kann die Gesellschaft ein nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschütztes Interesse am Erhalt des Versorgungsauftrags geltend machen.[ 19 ]


#

2. Folgen der Missachtung der Grenzen

Die Missachtung der Grenzen der nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln kann im Einzelfall weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. So führt ein Verstoß gegen die räumliche oder gegenständliche Komponente zur Nichtigkeit der Klausel nach § 139 BGB.[ 20 ] Soweit die nachvertragliche Wettbewerbsklausel lediglich in zeitlicher Hinsicht zu weit gefasst ist, kann diese geltungserhaltend auf das zeitlich tolerable Maß reduziert werden.[ 21 ]


#

3. Abfindungsklauseln

Zur Kompensation der Beteiligung eines Gesellschafters am ideellen Vermögen der Gesellschaft (sog. „good will“) muss im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Abfindungsklausel vereinbart werden.[ 22 ] Der Begriff „good will“ umschreibt den immateriellen Wert der Gesellschaft, welcher in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis typischerweise aus Patientenbindungen sowie aus den Verbindungen zu ärztlichen „Zuweisern“, also zu Haus- oder Fachärzten, die Patienten an die Gemeinschaftspraxis überweisen, besteht.[ 23 ] Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass eine illoyale Verwertung der Erfolge der Praxis vorliegen kann, wenn der ausscheidende Gesellschafter einerseits zwar eine Abfindung im Wert des „good will“ der Praxis erhält und sodann andererseits durch Konkurrenztätigkeit in räumlicher Nähe zu der Gesellschaft durch Mitnahme von Patienten- und Geschäftsbeziehungen noch immer am gemeinsamen „good will“ partizipiert.[ 24 ]


#
#

III. Wettbewerbsklauseln in ärztlichen Anstellungsverträgen

Auch bei Anstellung von ärztlichem Personal spielen nachvertragliche Wettbewerbsklauseln eine nicht nur untergeordnete Rolle. Will der Praxisinhaber sicher gehen, sich nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht seinem ehemaligen Mitarbeiter als Konkurrenten um die ärztliche Versorgung gegenüber zu sehen, ist es ratsam, eine entsprechende Klausel in den Anstellungsvertrag aufzunehmen. Wegen des Schutzniveaus, den der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer zuspricht, gelten für die Wirksamkeit derartiger Klauseln deutlich engere Grenzen als für gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbote.

1. Anforderungen an die Verbindlichkeit der Klausel

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht es dem Arbeitnehmer grundsätzlich frei, mit seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten oder für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Über die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG wird das Recht des Arbeitnehmers über sein berufliches Fortkommen selbst zu bestimmen, verfassungsrechtlich gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, sich vor Nachteilen einer Konkurrenztätigkeit seines ehemaligen Arbeitnehmers zu schützen, geschützt und als übergeordnet angesehen.[ 25 ]

Gemäß § 110 Gewerbeordnung (GewO) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedoch die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch Vereinbarung beschränken. Nach § 110 S. 2 GewO sind die §§ 74 bis 75f Handelsgesetzbuch (HGB) entsprechend anzuwenden. Nach § 74 Abs. 1 HGB bedarf die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes der Schriftform und muss vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer in unterschriebener Form ausgehändigt werden. In der Regel erfolgt dies mit dem Anstellungsvertrag selbst. Dabei ist das Wettbewerbsverbot nur dann verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung (sog. Karenzentschädigung) zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht, § 74 Abs. 2 HGB. Darüber hinaus darf das Wettbewerbsverbot nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht zu weitreichend sein, mithin nach dem Wortlaut des § 74a Abs. 1 S. 2 HGB keine „unbillige Erschwerung des Fortkommens“ des Arbeitnehmers enthalten.

In zeitlicher Hinsicht darf die Wettbewerbsbeschränkung einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht überschreiten, § 74a Abs. 1 S. 3 HGB. Die Bestimmung des sachlichen und räumlichen Geltungsbereichs gestaltet sich auch bei arbeitsvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen schwierig. Probleme bereitet regelmäßig die Frage, wie weit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers als Bestandteil des sachlichen Geltungsbereichs der Wettbewerbsbeschränkung gehen dürfen. Ob berechtigte wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers betroffen sind, kann wegen der Dynamik der tatsächlichen Verhältnisse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelmäßig erst zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis entschieden werden. In jedem Fall muss ein Zusammenhang zwischen Inhalt und Umfang des Verbots und der bisherigen Funktion oder Tätigkeit des Arbeitnehmers bestehen.[ 26 ] Die Frage der unbilligen Fortkommenserschwerung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beurteilen. Maßgeblich sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung das Alter des Arbeitnehmers und seine Stellung im Unternehmen, die Höhe der Entschädigung, der Umfang des Wettbewerbsverbots und die Mobilität der jeweiligen Berufsgruppe.[ 27 ]

Liegen diese Voraussetzungen vor, sind beide Parteien an die Vereinbarung gebunden. Soweit die Abrede gilt, hat sich demnach der Arbeitnehmer des Wettbewerbs zu enthalten. Im Gegenzug hat der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung eines erzielten anderweitigen Erwerbs nach § 74c HGB Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung.[ 28 ]

Einen interessanten Fall hatte das Oberlandesgericht Brandenburg[ 29 ] zu entscheiden. Der Kläger war ehemals als Chefarzt bei der Beklagten beschäftigt. Er war neben seiner Chefarzttätigkeit alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die ein MVZ betrieb, dessen ärztlicher Leiter er war. Die Beklagte betrieb ebenfalls ein MVZ. Im Jahr 2018 schlossen die Parteien hinsichtlich der Chefarzttätigkeit des Klägers einen Aufhebungsvertrag, der unter anderem vorsah, dass die GmbH, dessen alleiniger Gesellschafter der Kläger war, für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsschluss auf das Recht zur Teilnahme an Bewerbungen im Rahmen von Sitzausschreibungen des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg verzichtet. Dieser Verzicht sollte auf zwei vom Kläger konkret zu benennende Sitzausschreibungsverfahren beschränkt sein. In der Folge bewarben sich Kläger und Beklagte auf eine zum Verkauf angebotene niedergelassene Facharztpraxis. Die Verkäuferin der Praxis nahm unter Hinweis der Beklagten auf das zwischen der Beklagten und dem Kläger bestehende Wettbewerbsverbot das 15 000,00 Euro unter dem Gebot des Klägers liegende Angebot der Beklagten an und schloss mit dieser einen Praxisübernahmevertrag. Das OLG Brandenburg qualifizierte die Vereinbarung nach ihrem Inhalt und Wirkung als ein sog. Submissionskartell, einer Abrede, sich bei Ausschreibungen oder Versteigerungen zugunsten eines Kartellmitglieds eines wettbewerbsgerechten Angebots zu enthalten. Nach Ansicht des OLG zielten die Parteien darauf ab, den Wettbewerb zwischen den von ihnen betriebenen MVZ insofern zu beschränken, als dass die Aufnahme bzw. Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf den betreffenden Vertragsarztsitzen nicht dem Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V) zu überlassen, sondern dass der Ausgang des Verfahrens durch die vereinbarte Nicht-Teilnahme des Klägers zugunsten der Beklagten beeinflusst werden sollte und erklärte die Klausel für nichtig.[ 30 ]


#

2. Folgen der Missachtung gesetzlicher Vorgaben

Je nach Schwere des Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorgaben der §§ 74 bis 75f HGB, drohen unterschiedliche Rechtsfolgen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang etwa die Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung oder die Unverbindlichkeit der gesamten oder nur eines Teils der Vereinbarung.

a. Nichtigkeit der Vereinbarung

Von besonderer Bedeutung ist die Vereinbarung einer Karenzentschädigung, denn Wettbewerbsklauseln, welche keine Karenzentschädigung enthalten, sind nach ständiger Rechtsprechung nichtig. Daher kann weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer Rechte hieraus herleiten. Auch bleibt für eine Wahl des Arbeitnehmers zwischen der Ausübung von Wettbewerb und der Wettbewerbsenthaltung gegen eine Karenzentschädigung in diesen Fällen kein Raum, da der Arbeitnehmer aus der nichtigen Vereinbarung keine Zahlungsansprüche bei Einhalten des Wettbewerbsverbots herleiten kann.[ 31 ] In der Konsequenz ist daher unbedingt darauf Acht zu geben, dass eine Karenzentschädigung Bestandteil der Wettbewerbsverbotsklausel ist.


#

b. (Teil-)Unverbindlichkeit der Vereinbarung

Differenziert zu betrachten sind die Fälle, in denen Abreden zwar schriftlich vereinbart wurden und dem Grunde nach auch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung vorsehen, aber zuungunsten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Diese Vereinbarungen sind allenfalls zwischen den Parteien unverbindlich, wobei zwischen Unverbindlichkeit im Gesamten und Unverbindlichkeit nur eines Teils der Klausel zu differenzieren ist.

aa. Unverbindlichkeit der gesamten Klausel

Zum erstgenannten Fall zählen etwa Vereinbarungen, bei denen die Entschädigung nicht eindeutig die gesetzliche Mindesthöhe (für jedes Verbotsjahr mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen) erreicht und die unter Bedingungen stehen oder dem Arbeitgeber ein Wahlrecht einräumen. Sofern der Verstoß zur Unverbindlichkeit der gesamten Wettbewerbsklausel führt, steht dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zu, ob er sich an die Wettbewerbsvereinbarung hält, den Wettbewerb unterlässt und somit einen Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung erwirbt[ 32 ] oder ob er in Wettbewerb zu seinem ehemaligen Arbeitgeber tritt ohne Sanktionen ausgesetzt zu sein. Diese Entscheidung hat der Arbeitnehmer jedoch zu Beginn und für die gesamte Karenzzeit zu treffen.[ 33 ]


#

bb. Teilweise Unverbindlichkeit der Klausel

Vereinbarungen, die gegen die Vorgaben des § 74a Abs. 1 HGB[ 34 ] verstoßen, haben keine Nichtigkeit, sondern lediglich eine Teilunverbindlichkeit zur Folge.[ 35 ] Hierbei führt der Verstoß dazu, dass Rechtsfolge der überschießenden Regelung sein kann, dass eine Bindung des Arbeitnehmers an die Vereinbarung nur im Rahmen des rechtlich zulässigen erfolgt.[ 36 ] Dies hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit sowohl in einem Fall eines Verstoßes gegen das berechtigte geschäftliche Interesse des Arbeitgebers[ 37 ] als auch bei einem Verstoß gegen die Vorgaben des § 74c Abs. 1 HGB[ 38 ] angenommen.


#
#
#

3. Sonderfall: Verhältnis von nachvertraglichen Wettbewerbsverbot und Aufhebungsvereinbarung

Besondere Beachtung sollte den Fällen entgegengebracht werden, in denen der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung über das Anstellungsverhältnis abschließt. Eine Aufhebungsvereinbarung umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes[ 39 ] nicht per se ein zuvor im Anstellungsvertrag vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot. In dem genannten Fall stritten die Parteien, eine ehemals bei der Beklagten angestellte Zahnärztin und die beklagte Gemeinschaftspraxis um die Zahlung einer Karenzentschädigung. Die Parteien hatten das Anstellungsverhältnis zuvor mittels einer Aufhebungsvereinbarung beendet. Die beklagte Gemeinschaftspraxis und ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin war der Ansicht, vom Aufhebungsvertrag sei auch (konkludent) die Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung umfasst.

Das Bundesarbeitsgericht[ 40 ] beurteilte den Fall wie folgt:

„Aus der einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses kann regelmäßig nicht auf die Aufhebung eines zuvor vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots geschlossen werden. Während der Arbeitgeber durch das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§§ 60 f. HGB) davor geschützt werden soll, dass ihm der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses Konkurrenz macht, liegen Sinn und Zweck eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots i. S. d. §§ 74 ff. HGB darin, den Arbeitgeber für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vor Konkurrenz des Arbeitnehmers zu schützen. Wenn daher in einem Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nichts über die gleichzeitige Erledigung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gesagt worden ist, muss regelmäßig davon ausgegangen werden, dass nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien eine bestehende Abrede über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot weiterhin Wirkung entfalten soll […].“

Das Bundesarbeitsgericht sprach der Klägerin daher die begehrte Zahlung einer Karenzentschädigung zu. Dieser Fall aus der Praxis verdeutlicht, dass stets besondere Vorsicht geboten ist, wenn Wettbewerbsverbote zwischen den Parteien vereinbart worden sind. Wünschen die Parteien den Abschluss eines Aufhebungsvertrages hinsichtlich des Anstellungsverhältnisses sollte unbedingt explizit auf die Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes verwiesen werden, sofern die Parteien wünschen, dass die vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung keine Geltung mehr entfalten soll.


#
#

IV. Exkurs: Rückwirkender Wegfall der Karenzentschädigung bei Geschäftsführern

Differenziert betrachtet die Rechtsprechung die Fälle, in denen Geschäftsführer Ansprüche auf Zahlung einer Karenzentschädigung gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen versuchten. Der Bundesgerichtshof hatte am 23.04.2024[ 41 ] einen Fall zu entscheiden, in dem es zwischen den Parteien streitig war, ob ein rückwirkender Wegfall der Karenzentschädigung eines angestellten Geschäftsführers bei Verstoß gegen das vereinbarte zweijährige nachvertragliche Wettbewerbsverbot wirksam ist. Nach der Vereinbarung sollte der Geschäftsführer auch bereits gezahlte Karenzentschädigungen bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zurückzahlen. Nach der Rechtsprechung des Senats muss dem Geschäftsführer einer GmbH (gleich ob geschäftsführender Gesellschafter oder Fremdgeschäftsführer) mit dem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird, keine Karenzentschädigung versprochen oder gezahlt werden. Wird diesem dennoch eine Entschädigung versprochen, können die Vertragsparteien – anders als in § 74 Abs. II HGB[ 42 ] – ihre Höhe frei vereinbaren. Dementsprechend kann auch der rückwirkende Wegfall einer versprochenen Karenzentschädigung wirksam für den Fall vereinbart werden, dass der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt[ 43 ]. Dies verdeutlicht, dass die Rechtsprechung dem Geschäftsführer weit weniger wohlgesonnen ist, will dieser seine Zahlungsansprüche auf eine Entschädigung wegen nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen gegen die Gesellschaft geltend machen. Diese Tatsache sollten Geschäftsführer in jedem Fall im Blick behalten, sollten sie sich im Fall einer Rückzahlungsvereinbarung in Bezug auf die bereits gezahlte Karenzentschädigung dafür entscheiden, mit der Gesellschaft in Wettbewerb zu treten.


#

IV. Fazit

Die rechtssichere Ausgestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsklauseln ist mit einigen Fallstricken verbunden. Es empfiehlt sicher daher stets die konkreten Umstände des Einzelfalls sowohl bei der Ausgestaltung einer gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelung zu berücksichtigen. Zudem ist zu klären, ob das Verbot lediglich die Niederlassung in selbstständiger Praxis oder auch die Position im Angestelltenverhältnis betreffen soll.[ 44 ] Schließlich sollte stets bedacht werden, dass Aufhebungsvereinbarungen über Anstellungsverträge nicht zwingend auch die nachvertragliche Wettbewerbsklausel umfassen. Hier sollten Arbeitgeber ein besonderes Augenmerk auf die explizite Nennung der Wettbewerbsbeschränkung legen, um der Geltendmachung von Ansprüchen des ehemaligen Arbeitnehmers auf Zahlung einer Karenzentschädigung trotz Aufhebungsvereinbarung entgegenzuwirken.

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Stefanie Kath
Rechtsanwältin

Rechtsanwälte Wigge
Großer Burstah 42
20 457 Hamburg
Tel.: + 49 (0)40/3398 705-90
Fax.: + 49 (0)40/3398 705-99
E-Mail: kanzlei@ra-wigge.de
Internet: www.ra-wigge.de


#
#

1 Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen. Auf eine Doppelnennung wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.


2 Schäfer, in: Münchner Kommentar zum BGB, 2024, § 705, Rn. 287.


3 Wigge, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2017, § 6, Rn. 71.


4 Wigge, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2017, § 6, Rn. 71.


5 BGH, Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98 – juris Rn. 13.


6 BGH, Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98 – juris Rn. 14; Goette, DStR 1997, S. 1413, 1415;


7 BGH, Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98 – juris Rn. 13.


8 Schroeder-Printzen, in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2020, § 11, Rn. 273.


9 Wigge/Broß, RoFo 2014, S. 634, 636.


10 In der Fassung vom 20. Dezember 2012, zuletzt geändert am 16. Januar 2025 veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 19.03.2025 B4) in Kraft getreten am 20. März 2025.


11 Die regionale Dichte der Fachärzte für Radiologie ist auf der Internetseite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einsehbar unter: https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/16 402.php.


12 BGH, Urt. v. 07.05.2007, Az. II ZR 281/05, Rn. 43 – openJur 2011, 8301 – Dialysepraxis.


13 OLG Koblenz, Urt. v. 22.02.2012, Az. 5 U 1233/11 – NZG 2012, 386.


14 LG Krefeld, Urt. v. 04.01.2007, Az. 3 O 443/06, Rn. 18 – BeckRS 2007, 17 734.


15 Morawietz, NJOZ 2008, S. 3813, 3819.


16 BGH, Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98 – juris Rn. 14.


17 Schroeder-Printzen in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2020, § 11, Rn. 277.


18 Armbrüster in: Münchener Kommentar zum BGB, 2025, § 138; Rn. 130.


19 BGH, Urt. v. 22.07.2002, Az. II ZR 265/00, Rn. 22 – openJur 2010, 6710.


20 Schroeder-Printzen in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2020, § 11, Rn. 277.


21 BGH, Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98 – juris Rn. 13.


22 Wigge/Broß, in: RoFo 2014, S. 634, 637.


23 LG Heidelberg, Urt. v. 30.09.2013, Az. 5 O 104/13, Rn. 24 – openJur 2014, 3131.


24 BGH, Urt. v. 08.05.2000, Az. II ZR 308/98, Rn. 18 – juris Rn. 10.


25 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 45 – openJur 2022, 7941; BAG, Urt. v. 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15, Rn. 19.


26 BAG, Urt. v. 21.04.2010, Az. 10 AZR 288/09, Rn. 38 – openJur 2011, 96 674; BAG, Urt. v. 01.08.1995, Az. 9 AZR 884/93 – BAGE 80, 303, 306 ff.


27 BAG, Urt. v. 21.04.2010, Az. 10 AZR 288/09, Rn. 39 – openJur 2011, 96 674.


28 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 48 – openJur 2022, 7941; BAG, Urt. v. 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15, Rn. 22.


29 OLG Brandenburg, Urt. v. 25.04.2023, Az.: 17 U 1/22 – BeckRS 2023, 9919.


30 OLG Brandenburg, Urt. v. 25.04.2023, Az. 17 U 1/22, Rn. 45 – BeckRS 2023, 9919.


31 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 49 – openJur 2022, 7941; BAG, Urt. v. 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15, Rn. 23.


32 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 50 – openJur 2022, 7941; BAG, Urt. v. 15.01.2014, Az. 10 AZR 243/13, Rn. 23.


33 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 51 – openJur 2022, 7941; BAG, Urt. v. 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15, Rn. 24.


34 Nur zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers, keine nach Ort, Zeit und Gegenstand unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers sowie nicht länger als zwei Jahre nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses.


35 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 52 – openJur 2022, 7941.


36 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 52 – openJur 2022, 7941; BAG, Urt. v. 21.04.2010, Az. 10 AZR 288/09, Rn. 22 f. – BAGE 134, 147.


37 BAG, Urt. v. 21.04.2010, Az. 10 AZR 288/09, Rn. 40 ff. – openJur 2011, 96 674.


38 Anrechnung anderweitiger Arbeitseinkünfte in voller Höhe auf die Karenzentschädigung, BAG, Urt. v. 25.06.1985, Az. 3 AZR 305/83, Rn. 25 ff. – BAGE 49, 109–120.


39 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20.


40 BAG, Urt. v. 16.12.2021, Az. 8 AZR 498/20, Rn. 26 – NZA 2022, 713, 715.


41 BGH, Urt. v. 23.04.2024, Az. II ZR 99/22 – NZG 2024, 1077.


42 Für jedes Jahr des Verbots muss die Entschädigung mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen betragen.


43 BGH, Urt. v. 23.04.2024, Az. II ZR 99/22, Rn. 14 – NZG 2024, 1077.


44 Schroeder-Printzen, in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2020, § 11, Rn. 279.



Publication History

Article published online:
17 April 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany