Schlüsselwörter nosokomiale Pneumonie - beatmungsassoziierte Pneumonie - deutsche Leitlinie - Antibiotic
Stewardship - sepsischer Schock
Keywords nosocomial pneumonia - ventilator-associated pneumonia - german guideline - antimicrobial
stewardship - septic shock
1 Informationen zu dieser Leitlinie
1 Informationen zu dieser Leitlinie
Das vorliegende Update der Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit nosokomialer
Pneumonie löst die bisher für den deutschen Sprachraum gültige Version der Leitlinie
zur nosokomialen Pneumonie von 2017 ab [1 ].
Die wesentliche Neuerung dieses Updates ist eine systematische Recherche, Bewertung
der Literatur, Erstellung der Evidenztabellen und narrativer Zusammenfassungen durch
eine externe Wissenschaftlerin mit Erfahrung in der methodischen Begleitung von Leitlinien.
In diesem Rahmen entstanden 13 evidenzbasierte Empfehlungen. Die Leitliniengruppe
hat bewusst eine ausführliche Leitlinie inklusive zusätzlichen 13 Empfehlungen beruhend
auf Expertenkonsens verfasst, da viele Fragen aus dem klinischen Alltag sonst nicht
hätten beantwortet werden können. Die Leitliniengruppe ist mit 27 Mitgliedern verhältnismäßig
groß, um alle Fachgruppen involviert in der Diagnostik und Therapie der nosokomialen
Pneumonie einzubinden. Die Anzahl der Stimmen aus den unterschiedlichen Fachgesellschaften
war gestaffelt nach Einbindung in diese Erkrankung. Somit hatten die Fachrichtungen
Pneumologie, Intensivmedizin und Mikrobiologie anteilig mehr Stimmen als die Fachgebiete
Virologie, Radiologie oder Chirurgie.
Dieses Update umfasst neue Empfehlungen zur mykologischen Diagnostik und Therapie.
Das Kapitel „prolongierte Infusionsdauer von Betalaktam-Antibiotika“ wurde überarbeitet
sowie ein Kapitel zu Antibiotic Stewardship ergänzt. Die Antiinfektiva und die Erreger
werden nicht mehr ausführlich dargestellt, die entsprechenden Kapitel sind entfallen.
Dafür wurde eine Tabelle aller in der Therapie der nosokomialen Pneumonie wichtigen
Antiinfektiva zusammengestellt. Die Leitlinie hat eine Neuerung in Bezug auf die Therapie.
Eine Kombinationstherapie ist nur noch beim septischen Schock und in speziellen Situationen
empfohlen. Ein neues Flowchart zur Therapie veranschaulicht die Empfehlung zum Vorgehen
bei HAP. Die in den letzten Jahren neu zugelassenen Reserveantibiotika wurden ebenfalls
in das Update aufgenommen. Die Leitliniengruppe hat auf Empfehlungen zur Prävention
der nosokomialen Pneumonie bewusst verzichtet und verweist diesbezüglich auf die Empfehlungen
der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert
Koch-Institut.
Was ist neu?
Neue Definition der therapierelevanten Risikofaktoren für multiresistente Erreger
(MRE).
Stellungnahme zum Einsatz einer Multiplex-PCR im Rahmen der mikrobiologischen Diagnostik
> kein regelhafter Einsatz empfohlen.
Neue Empfehlung zur Diagnostik auf Aspergillus bei Patienten mit Risikofaktoren mittels
Antigentest auf Galaktomannan aus bronchoalveolärer Lavage.
Virologische molekulardiagnostische Untersuchung mindestens auf SARS-CoV-2 und Influenzavirus
in Abhängigkeit von der epidemiologischen Situation.
Keine kalkulierte Monotherapie mit Ceftazidim bei HAP/VAP.
Monotherapie mit Meropenem bei Patienten mit septischem Schock ohne weiteren Risikofaktor
für MRE möglich.
Kombinationstherapie bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE und septischem Schock.
Tobramycin als einziges Aminoglykosid als Kombinationspartner empfohlen.
Empfehlung zur Therapiedauer der HAP/VAP auf 7–8 Tage verkürzt.
Empfehlung zur prolongierten Infusion der Betalaktam-Antibiotika bei kritisch kranken
Patienten.
Zusätzliche inhalative Antibiotikatherapie bei Vorliegen multiresistenter gramnegativer
Erreger.
Neue Empfehlungen zum Vorgehen bei Reevaluation der Therapie.
Fokus auf Antibiotic Stewardship: Empfehlung zur Deeskalation und Fokussierung der
Therapie sowie für Strategien zur Optimierung des Verordnungsverhaltens.
Empfehlungen zur gezielten Therapie spezieller Erreger inklusive Umgang mit neuen
Reserveantibiotika.
Zusätzlich zu dieser Langfassung liegen die folgenden Dokumente vor:
Kurzversion der Leitlinie in deutscher und englischer Sprache mit einer übersichtlicheren
Darstellung aller abgestimmten Empfehlungen und Statements sowie der wesentlichen
Tabellen.
Leitlinienreport mit einer detaillierteren Darstellung des methodischen Vorgehens
bei der Erstellung der Leitlinie sowie der Methodik, mit der Bewertung möglicher Interessenkonflikte
und der zusammenfassenden Tabelle der Interessenerklärungen und mit den Ergebnissen
der systematischen Evidenzrecherche einschließlich der erstellten Evidenztabellen.
Empfehlung zur richtigen Inhalation von Antibiotika auf der Intensivstation.
Präsentationsfolien.
Diese Leitlinie und alle Zusatzdokumente sind über folgende Seiten zugänglich:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-013
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov (Kurzversion auf englischer Sprache)
1.1 Herausgebende und federführende Fachgesellschaft
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) als federführende
Fachgesellschaft. Es erfolgte eine formale Sichtung durch das IMWi der AWMF entsprechend
des AWMF-Regelwerks. Die Vorgabe der Inhalte erfolgte durch die Autoren und die beteiligten
Fachgesellschaften.
1.2 Finanzierung
Die Erstellung dieser Leitlinie wurde aus Mitteln des Innovationsfonds beim Gemeinsamen
Bundesausschuss zur Förderung von Versorgungsforschung unterstützt. Die Mitglieder
der Arbeitsgruppen waren ausnahmslos ehrenamtlich tätig. Organisatorische Unterstützung
erfolgte durch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.
und die Medizinische Hochschule Hannover.
1.3 Leitlinienkoordination und wissenschaftliche Leitung
Leitung: PD Dr. med. Jessica Rademacher, Klinik für Pneumologie und Infektiologie, Medizinische
Hochschule Hannover, rademacher.jessica@mh-hannover.de
Stellvertretung: Prof. Dr. med. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie und Infektiologie,
Medizinische Hochschule Hannover, welte.tobias@mh-hannover.de
1.4 Zusammensetzung der Leitliniengruppe
1.4.1 Leitliniensekretariat
Stefanie Wustrack, DGP-Leitliniensekretariat, Deutsche Gesellschaft für Pneumonie
und Beatmungsmedizin e. V., Berlin, leitlinien@pneumologie.de
1.4.2 Methodische Koordination und Redaktion
Apl. Prof. Dr. rer. nat. Susanne Unverzagt, Institut für Allgemeinmedizin, Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, AWMF-Beraterin
1.4.3 Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen
Siehe [
Tab. 1
].
Tab. 1
Beteiligte Fachgesellschaften, Organisationen und Mandatsträger.
beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen
Mandatsträger und beteiligte Experten
Zeitraum
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP)
(federführende Fachgesellschaft)
PD Dr. med. Jessica Rademacher
(Koordination und wissenschaftliche Leitung)
Klinik für Pneumologie und Infektiologie, Medizinische Hochschule Hannover
01.08.2022 bis 31.12.2023
Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Infektionstherapie e. V. (PEG)
Prof. Dr. med. Tobias Welte (Stellvertretende Leitung)
Klinik für Pneumologie und Infektiologie, Medizinische Hochschule Hannover
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP)
(federführende Fachgesellschaft)
Prof. Dr. med. Martin Kolditz
Fachabteilung für Pneumologie, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum
Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Gernot Rohde
Medizinische Klinik I Schwerpunkt Pneumologie und Allergologie, Klinikum der Goethe-Universität
Frankfurt, Frankfurt am Main
01.02.2022 bis 31.12.2023
PD Dr. med. Bernhard Schaaf
Medizinische Klinik für Pneumologie, Infektiologie und internistische Intensivmedizin,
Klinikum Dortmund, Dortmund
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Santiago Ewig
Kliniken für Pneumologie und Infektiologie, Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Evangelisches
Krankenhaus Herne-Eickel und Augusta-Krankenanstalt Bochum, Herne-Eickel und Bochum
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin e. V. (DGAI)
Dr. med. Martina Gaßner
(Stellvertreterin für Frau Prof. Dr. med. Spies)
Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin Charité Campus
Virchow-Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Maria Deja
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Sektion Interdisziplinäre Operative
Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Universitätsklinikum
Lübeck, Lübeck
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Herwig Gerlach
Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Vivantes Klinikum
Neukölln, Berlin
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Irit Nachtigall
Ressort für Infektiologie und Antibiotic Stewardship Helios Region Ost, Helios Klinikum
Berlin-Buch und Fachbereich Krankenhaushygiene, Helios Klinikum Bad Saarow, Berlin
und Bad Saarow
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e. V. (DGCH)
Dr. med. Dierk Schreiter
Klinik für Intensivmedizin, Helios Park-Klinikum Leipzig, Akademisches Lehrkrankenhaus
der Universität Leipzig, Leipzig
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e. V. (DGHM)
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Marianne Abele-Horn
Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, Würzburg
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Peter-Michael Rath
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI)
Dr. med. Evelyn Kramme
Klinik für Infektiologie und Mikrobiologie, Campus Universitätsklinikum Lübeck, Lübeck,
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Mathias Pletz
Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsmedizin Jena, Jena
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V.
(DGIIN)
Prof. Dr. med. Stefan Kluge
Zentrum für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinik für Intensivmedizin Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)
Prof. Dr. med. Hans Schweisfurth
Pulmologisches Forschungsinstitut – Institute for Pulmonary Research (IPR), Cottbus
01.08.2022 bis 31.12.2023
PD Dr. med. Stefan Hagel
Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsmedizin Jena, Jena
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Röntgengesellschaft e. V., Gesellschaft für medizinische Radiologie e. V.
(DRG)
Prof. Dr. med. Claus Peter Heußel
Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Thoraxklinik Universitätsklinikum
Heidelberg, Heidelberg
01.08.2022 bis 31.12.2023
PD Dr. med. Hilmar Kühl
Klinik für Radiologie, St. Bernhard-Hospital Kamp-Lintford GmbH, Kamp-Lintfort
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Sepsis-Gesellschaft e. V. (DSG)
Prof. Dr. med. Markus A. Weigand
Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
01.08.2022 bis 31.12.2023
Prof. Dr. med. Christine Geffers
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
01.08.2022 bis 31.12.2023
Gesellschaft für Virologie e. V. (GfV)
Prof. Dr. med. Marcus Panning
Institut für Virologie, Department für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene,
Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
01.08.2022 bis 31.12.2023
Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Infektionstherapie e. V. (PEG)
Prof. Dr. med. Sören Gatermann
Abteilung für Medizinische Mikrobiologie, Institut für Hygiene und Mikrobiologie und
Nationales Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger, Ruhr-Universität Bochum,
Bochum
01.08.2022 bis 31.12.2023
Dr. med. Béatrice Grabein
Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, LMU Klinikum, München
01.08.2022 bis 31.12.2023
Deutsche Sepsis-Hilfe e. V. (DSH)
Prof. Dr. med. Frank Brunkhorst
Zentrum für klinische Studien (ZKS), Universitätsklinikum Jena, Jena
01.08.2022 bis 31.12.2023
Netzwerk chronisch pulmonale Aspergillose (CPAnet)
Prof. Dr. med. Helmut J. F. Salzer
Klinische Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin, Universitätsklinik für Innere
Medizin 4 – Pneumologie, Kepler Universitätsklinikum, Linz
01.08.2022 bis 31.12.2023
1.5 Methodische Begleitung
Bei der Aktualisierung wurde die Leitliniengruppe durch Frau apl. Prof. Dr. rer. nat.
Susanne Unverzagt, AWMF-Leitlinienberaterin, methodisch begleitet. Frau apl. Prof.
Dr. Unverzagt erstellte die Leitliniendokumente und Evidenzberichte für 12 Schlüsselfragen
auf der Grundlage einer systematischen Recherche, Bewertung der Literatur, Evidenztabellen
und narrativer Zusammenfassungen sowie Evidenzbewertungen mit dem GRADE-System.
Herr PD Dr. rer. nat. Helmut Sitter übernahm die Moderation in den virtuell und in
Präsenz durchgeführten Leitlinienkonferenzen, so zu den einzelnen Kapiteln, Empfehlungen
und Texten und den Abstimmungen. Darüber hinaus unterstützte er Frau PD Dr. Rademacher
beratend bei der Bewertung der Interessen auf einen thematischen Bezug zur Leitlinie
(siehe [
Tab. 2
] und [
Tab. 3
]).
Tab. 2
Methodische Unterstützung.
Weitere Teilnehmende
Funktion & Fachgesellschaft/Organisation
Zeitraum
Apl. Prof. Dr. rer. nat. Susanne Unverzagt
AWMF-Beraterin, Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, Institut für Allgemeinmedizin,
Literatursuche- und bewertung
01.08.2022 bis 31.12.2023
PD Dr. rer. nat. Helmut Sitter
AWMF e. V./Philipps-Universität Marburg,
Moderation der Leitlinienkonferenzen und beratende Unterstützung bei der Bewertung
der Interessen
01.08.2022 bis 31.12.2023
Tab. 3
Weitere Teilnehmende.
Weitere Teilnehmende
Funktion & Fachgesellschaft/Organisation
Zeitraum
Dr. med. Ewa Missol-Kolka
Administrative Unterstützung Projektmanagement
BREATH – Biomedical Research in Endstage and Obstructive Lung Disease Hannover
Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung,
Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
01.08.2022 bis 31.12.2023
1.6 Gliederung der Autoren in Arbeitsgruppen
Während und nach der Kick-off-Konferenz wurden Arbeitsgruppen auf Grundlage der individuellen
Expertise und Präferenzen gebildet. Diese Arbeitsgruppen erarbeiteten Vorschläge zur
Formulierung von Statements und Empfehlungen für ihr Fachgebiet auf der Grundlage
der Evidenzberichte. Zudem verfassten die Arbeitsgruppen die Hintergrundtexte zu den
jeweiligen Kapiteln (siehe [
Tab. 4
]).
Tab. 4
Arbeitsgruppen.
Arbeitsgruppe
Mitglieder (AG-Leitung kursiv)
Einführung, Epidemiologie und Definitionen
Prof. Dr. Christine Geffers
PD Dr. Jessica Rademacher
Erregerspektrum und Resistenz
Dr. Béatrice Grabein
Prof. Dr. Sören Gatermann
Prof. Dr. Dr. Marianne Abele-Horn
Prof. Dr. Stefan Kluge
Prof. Dr. Helmut J. F. Salzer
Diagnostik
Prof. Dr. Santiago Ewig
Prof. Dr. Martin Kolditz
Prof. Dr. Peter-Michael Rath
Prof. Dr. Helmut J. F. Salzer
Prof. Dr. Marcus Panning
PD Dr. Hilmar Kühl
Prof. Dr. Claus Peter Heußel
Therapie
Prof. Dr. Irit Nachtigall
Prof. Dr. Mathias Pletz
PD Dr. Stefan Hagel
Dr. Evelyn Kramme
Prof. Dr. Helmut J. F. Salzer
Prof. Dr. Gernot Rohde
Prof. Dr. Maria Deja
PD Dr. Bernhard Schaaf
Prof. Dr. Stefan Kluge
Prof. Dr. Markus A. Weigand
Prof. Dr. Tobias Welte
Dr. Martina Gaßner
Prof. Dr. Herwig Gerlach
Antibiotic Stewardship
Prof. Dr. Irit Nachtigall
Dr. Evelyn Kramme
Erstellung und Korrektur des Gesamtmanuskripts
PD Dr. Jessica Rademacher
Prof. Dr. Hans Schweisfurth
Dr. Dierk Schreiter
1.7 Verwendete Abkürzungen
Siehe [
Tab. 5
].
Tab. 5
Abkürzungen.
ABS
Antibiotic Stewardship
AIDS
Acquired Immune Deficiency Syndrome
Angio-CT
Angiografie-Computertomografie
ARDS
Acute Respiratory Distress Syndrome
ATS
American Thoracic Society
BAL
Bronchoalveoläre Lavage
BALF
BAL-Flüssigkeit
BfArM
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
CADDY
Calculator to Approximate Drug-Dosing in Dialysis
CAP
Community-acquired pneumonia
CAPA
COVID-19-assoziierte pulmonale Aspergillose
CLSI
Clinical & Laboratory Standards Institute
Cmax
Spitzenkonzentration
CMV
Cytomegalievirus
COP
Kryptogen organisierende Pneumonie
COPD
Chronic obstructive pulmonary disease
CPIS
Clinical Pulmonary Infection Score
CRE
Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae
CR-GN
Carbapenem-resistente gramnegative Erreger
CRP
C-reaktives Protein
CT
Computertomografie
DAD
Diffuser Alveolarschaden
DALYs
Disability-adjusted life years
DTR
Difficult-to-treat resistance
ECDC
European Centre for Disease Prevention and Control
EORTC
European Organization for Research and Treatment of Cancer
ESBL
Extended-Spectrum β-lactamase
ESCMID
European Society for Clinical Microbiology and Infectious Diseases
EUCAST
European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing
G-BA
Gemeinsamer Bundesausschuss
GFR
Glomeruläre Filtrationsrate
GM
Galactomannan
GRADE
Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation
HAP
Hospital-acquired pneumonia
HIV
Human Immunodeficiency Virus
HSCT
Haematopoietic stem cell transplantation
HSV
Herpes-simplex-Virus
HZV
Herzzeitvolumen
ICO
Intracellular organisms
ICU
Intensive Care Unit
IDSA
Infectious Diseases Society of America
IfSG
Infektionsschutzgesetz
IPA
Invasive pulmonale Aspergillose
ITS
Intensivstation
KBE
Koloniebildende Einheiten
KISS
Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System des Nationalen Referenzzentrums für die
Surveillance nosokomialer Infektionen
KPC
Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemase
KRINKO
Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
kV
Röhrenspannung
LFA
Aspergillus Galactomannan lateral flow assay
LFD
Lateral flow device
MBL
Metallo-Beta-Laktamasen
MDR
Multidrug resistance
MHK
Minimale Hemmkonzentration
MiQ
Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik
MODS
Multi organ dysfunction syndrome
MRE
Multiresistente Erreger
MRSA
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus
MSGERC
Mycoses Study Group – Education and Research Consortium
MSSA
Methicillin-sensibler Staphylococcus aureus
NAK
Nationales Antibiotika-Sensitivitätstest-Komitee
NDM
Neu-Delhi Metallo-Beta-Laktamase
NHSN
National Healthcare Safety Network
NIV
Nicht invasive Beatmung
NRZ
Nationales Referenzzentrum für die Surveillance nosokomialer Infektionen
OP
Organisierende Pneumonie
PCT
Procalcitonin
RCT
Randomized controlled trial
RSV
Respiratorisches Synzytial-Virus
SAPS-Score
Simplified Acute Physiology Score
SARS-CoV-2
Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2
SOFA-Score
Sequential Organ Failure Assessment Score
TBAS
Tracheobronchiales Aspirat
TDM
Therapeutisches Drug Monitoring
VAP
Ventilator-acquired pneumonia
VIM
Verona Integron-encoded Metallo-Betalaktamase
1.8 Patienten-/Bürgerbeteiligung
Die Deutsche Sepsis-Hilfe e. V. wurde angefragt, an der Leitlinienerstellung teilzunehmen
und zu den Konsensuskonferenzen eingeladen. Herr Prof. Dr. med. Frank Brunkhorst wurde
von der Deutschen Sepsis-Hilfe e. V. als Mandatsträger benannt. Er begleitete die
Erstellung der Leitlinie aus Patientensicht.
2 Einführung
2.1 Übersicht der Empfehlungen und Statements
Empfehlung
Thema
Evidenzqualität
1
Risikofaktoren für eine HAP mit multiresistenten Erregern
Tabellenansicht
Expertenkonsens
2
Klinische Diagnose
Expertenkonsens
3
Rolle von Scores bei der Risikobeurteilung
Expertenkonsens
4
Rolle von Biomarkern bei der Diagnose und der Sepsis im Rahmen der HAP
Expertenkonsens
5
Durchführung konventioneller mikrobiologischer Untersuchungen
Expertenkonsens
6
Rolle der Multiplex-PCR im Rahmen der mikrobiologischen Diagnostik
⊕⊖⊖⊖
7
Aspergillus-Diagnostik
⊕⊖⊖⊖
8
Virologische Diagnostik
Expertenkonsens
9
Invasive versus nicht invasive Materialgewinnung
⊕⊕⊕⊖
10
Standards bei der Materialgewinnung
Expertenkonsens
11
Bildgebende Verfahren zur Diagnostik der HAP
Expertenkonsens
12
Beginn einer empirischen Therapie
Antibiotika bei HAP
Expertenkonsens
13
Kalkulierte empirische Therapie
Tabellenansicht
Flussdiagramm
Expertenkonsens
14
Prolongierte Infusion einer Betalaktam-Therapie
⊕⊕⊖⊖
15
Mono- versus Kombinationstherapie
⊕⊖⊖⊖
16
Inhalative Antibiotikatherapie
⊕⊕⊕⊖
17
Inhalative Antibiotikatherapie bei Vorliegen multiresistenter Erreger
⊕⊖⊖⊖
18
Evaluation des Therapieansprechens
Expertenkonsens
19
Deeskalation der Antiinfektiven Therapie
⊕⊕⊕⊖
20
Fokussierung der Antiinfektiven Therapie
⊕⊕⊕⊖
21
Therapiedauer
⊕⊕⊕⊖
22
PCT gestützter Algorhythmus zur Steuerung der Behandlungsdauer
⊕⊕⊕⊖
23
Gezielte Therapie bei speziellen Erregern
Expertenkonsens
24
Vorgehen beim Therapieversagen
Expertenkonsens
25
Vorgehen beim Therapieversagen und positivem HSV-Nachweis
⊕⊕⊖⊖
26
Einsatz von Antibiotic-Stewardship-Maßnahmen
⊕⊕⊕⊖
Statement
Thema
Evidenzqualität
1
Diagnostik von Mikroorganismen des oropharyngealen Standortmikrobioms
Best Practice
2
Betalaktam-Unverträglichkeit/-Allergie
Best Practice
2.2 Geltungsbereich und Zweck
2.2.1 Zielsetzung und Fragestellung
In ihrer konstituierenden Sitzung legten die Mitglieder der Leitliniengruppe folgende
Ziele der Leitlinie fest:
Flächendeckende Verbesserung der Versorgungsqualität bei Patienten mit nosokomialer
Pneumonie
Sicherstellung eines hohen Niveaus adäquater Therapie
Etablierung von Entscheidungshilfen zu Diagnostik und Therapie
Optimierung des rationalen Einsatzes von Antibiotika mit adäquater Antibiotikaauswahl,
Dosierung und Therapiedauer im Sinne von Antibiotic Stewardship (ABS)
Vermeidung der Selektion resistenter Erreger
Reduktion der Krankenhausliegedauer durch kürzere Therapiedauern mit Kostenersparnis
Reduktion der Sterblichkeit
Bewertung und Empfehlung des Einsatzes der neuen (teuren) Antiinfektiva bei Problemkeimen
Stärkere Fokussierung auf Viren als Auslöser der Pneumonie und Pilze als Superinfektion
Die Leitliniengruppe legte bei ihrer konstitutionellen Sitzung im September 2022 fest,
dass u. a. zu folgenden Fragen Stellung genommen werden soll:
Einsatz von Multiplex-PCR-Techniken zur Verbesserung der Diagnostik der nosokomialen
Pneumonie
Welche Patienten haben ein besonderes Risiko für eine Infektion mit Aspergillus?
Welchen Stellenwert hat die kalkulierte Kombinationstherapie bei nosokomialer Pneumonie?
Wann ist eine inhalative antibiotische Therapie indiziert?
Wie lange ist die optimale Therapiedauer und mit welchen Markern kann diese gesteuert
werden?
2.2.2 Versorgungsbereich
Stationärer Bereich: Normalstation, Überwachungsstation, Intensivstation.
2.2.3 Patientenzielgruppe
Erwachsene Patienten mit im Krankenhaus erworbener Pneumonie.
2.2.4 Adressaten
Die Leitlinie richtet sich an folgende im Krankenhaus tätige Ärzte, die mit der Diagnostik
und Therapie nosokomialer Pneumonien konfrontiert sind. Hierzu gehören insbesondere
Ärzte der Fachgebiete Anästhesiologie, Chirurgie, Innere Medizin, Pneumologie, Intensivmedizin,
klinische Infektiologie, klinische Mikrobiologie und Hygiene, Radiologie und Virologie.
Sie dient zur Information aber auch für Ärzte anderer Fachgebiete, die Patienten mit
nosokomialen Infektionen betreuen.
Sie fungiert als Orientierung für Personen, Organisationen, Kostenträger sowie medizinisch-wissenschaftliche
Fachgesellschaften und Berufsverbände, die direkt oder indirekt mit diesem Thema in
Verbindung stehen.
Zudem kann sie zur Beurteilungsgrundlage für Rechtsstreitfälle und Qualitätsmanagement
benutzt werden.
2.2.5 Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren
Die Leitlinie ist bis zur nächsten Aktualisierung gültig (Gültigkeit 01/03/2024–28/02/2029).
Kommentare und Hinweise für den Aktualisierungsprozess sind ausdrücklich erwünscht
und können an das Leitliniensekretariat (Leitlinien@pneumologie.de ) oder die Erstautorin (rademacher.jessica@mh-hannover.de ) gesendet werden.
2.3 Methodische Grundlagen
Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie richtet sich nach der aktuellen Version
des AWMF-Regelwerks (https://www.awmf.org/regelwerk/ ). Für alle evidenzbasierten Empfehlungen erfolgten systematische Recherchen nach
evidenzbasierten Leitlinien, systematischen Übersichten und Primärstudien auf der
Basis klinisch relevanter Fragestellungen. Anschließend wurde beste verfügbare Evidenz
ausgewählt, bewertet und aufgearbeitet. Die detaillierte methodische Vorgehensweise
bei der Erstellung der Leitlinie ist im Leitlinienreport dargelegt.
2.3.1 Kritische Bewertung der Evidenz
Alle Referenzen aus der systematischen Suche und weitere, von der Leitliniengruppe
zur Verfügung gestellte Studien wurden auf der Grundlage des Titels, der Zusammenfassung
und der Schlüsselwörter gescreent. Die Auswahlkriterien zur Zielpopulation, Studiendesign,
Vergleiche und Endpunkte wurden mit der Leitliniengruppe abgestimmt. Es wurden ausschließlich
in englischer oder deutscher Sprache im Volltext publizierte Studien des Studiendesigns
mit dem höchsten verfügbaren Evidenzgrad (systematischen Übersichten, evidenzbasierte
Leitlinien, RCTs oder Kohortenstudien mit Konfounderadjustierung) ohne Zeiteinschränkung
eingeschlossen, wobei auf den Einschluss von Studien, welche bereits in systematische
Übersichten einflossen, verzichtet wurde.
Die methodische Qualität der eingeschlossenen Studien (systematischen Übersichten,
evidenzbasierten Leitlinien und randomisierten kontrollierten Studien bzw. konfounderadjustierte
Kohortenstudien) wurde mit validierten Instrumenten in Abhängigkeit von den jeweiligen
Studiendesigns bewertet [2 ]
[3 ].
Es wurden Evidenztabellen nach Vorgaben der AWMF zur Zusammenfassung der Studiencharakteristika
und Ergebnisse erstellt und Informationen zu allen identifizierten systematischen
Übersichten und Metaanalysen sowie den evidenzbasierten Leitlinien extrahiert. Zusätzlich
erfolgte eine Extraktion der Schlussfolgerungen der Autoren, wobei kontrolliert wurde,
ob sich die Schlussfolgerung aus den Ergebnissen ableiten lässt. Es folgte eine Gesamtbewertung
der Begutachterin, aus welcher der Evidenzgrad der einzelnen systematischen Übersicht
auf der Basis der Oxford-Kriterien [4 ] abgeleitet wurde. Der Evidenzgrad basiert auf dem Design der Studien und wurde bei
moderaten Einschränkungen der Studienqualität, geringer Präzision der Effektschätzer,
Inkonsistenzen und Indirektheit um eine halbe Kategorie (z. B. von 1 auf 1–) und bei
schwerwiegenden Einschränkungen oder mehreren Einschränkungen um eine Kategorie (z. B.
von 1 auf 2) abgewertet. Systematische Übersichten auf der Grundlage nicht-randomisierter
Studien wurden um einen Evidenzgrad (von 1 auf 2) abgewertet. Es erfolgte eine zusammenfassende
Bewertung jeder extrahierten Studie, welche die Schlussfolgerungen der Studie und
der Begutachterin zur methodischen Qualität der Studien umfasst.
Die Beurteilung der Qualität der Evidenz basiert auf dem Cochrane Handbuch [5 ] modifiziert nach GRADE [6 ]. Für alle Fragestellungen wurde die Evidenz für alle kritischen Endpunkte aus allen
identifizierten Studien in einem Evidenzprofil zusammengefasst und die Qualität der
Evidenz bewertet (s. [
Tab. 6
]). Diese beschreibt zuerst endpunktspezifisch und studienübergreifend und anschließend
zusammenfassend für die Fragestellung das Vertrauen in die Ergebnisse und basiert
auf dem Design der eingeschlossenen Studien, Studienlimitationen, das Risiko von Publikationsbias,
die Genauigkeit und Konsistenz der Effekte und die Übertragbarkeit auf die vorgegebene
Fragestellung. Das Vertrauen in die Ergebnisse nimmt mit abnehmender Qualität der
Evidenz von hoch zu sehr niedrig ab.
Tab. 6
Vierstufige Evidenzbewertung nach GRADE.
Bedeutung der 4 Stufen von Evidenz
Qualitätsstufe
aktuelle Definition
hoch ⊕⊕⊕⊕
Wir sind sehr sicher, dass der wahre Effekt nahe dem Effektschätzer liegt.
moderat ⊕⊕⊕⊖
Wir haben mäßig viel Vertrauen in den Effektschätzer: Der wahre Effekt ist wahrscheinlich
nahe am Effektschätzer, aber es besteht die Möglichkeit, dass er relevant verschieden
ist.
niedrig ⊕⊕⊖⊖
Unser Vertrauen in den Effektschätzer ist begrenzt: Der wahre Effekt kann durchaus
relevant verschieden vom Effektschätzer sein.
sehr niedrig ⊕⊖⊖⊖
Wir haben nur sehr wenig Vertrauen in den Effektschätzer: Der wahre Effekt ist wahrscheinlich
relevant verschieden vom Effektschätzer.
2.3.2 Strukturierte Konsensusfindung
Die strukturierte Konsensfindung erfolgte im Zeitraum vom 14.11.2022 bis 05.10.2023
im Rahmen von persönlichen (14./15.11.2022 und 01.06.2023) oder webbasierten (05.10.2023)
strukturierten Konsensuskonferenzen im NIH-Typ unter neutraler Moderation durch Herrn
PD Dr. Sitter. Eine ausführliche Beschreibung der strukturierten Konsensfindung finden
Sie im Leitlinienreport dieser Leitlinie.
2.3.3 Empfehlungsgraduierung und Feststellung der Konsensusstärke
Festlegung des Empfehlungsgrads
Neben der methodisch aufbereiteten Qualität und dem Nutzen-Schaden-Verhältnis wurden
ethische, rechtliche, ökonomische Verpflichtungen; Patientenpräferenzen; die Umsetzbarkeit
im Alltag und in verschiedenen Versorgungsbereichen bei der Graduierung der Empfehlung
berücksichtigt. In [
Tab. 7
] ist die verwendete Empfehlungsgraduierung dargestellt.
Tab. 7
Dreistufiges Schema zur Graduierung von Empfehlungen.
Empfehlungsgrad
Beschreibung
Ausdrucksweise
A
starke Empfehlung
soll/soll nicht
B
schwache Empfehlung
sollte/sollte nicht
0
Empfehlung offen
kann erwogen/verzichtet werden
Festlegung der Konsensusstärke
Die Konsensstärke wurde gemäß [
Tab. 8
] klassifiziert. Von einem Konsens wird bei einer Zustimmung über 75 % ausgegangen.
Tab. 8
Feststellung der Konsensstärke.
Klassifikation der Konsensstärke
starker Konsens
> 95 % der Stimmberechtigten
Konsens
> 75–95 % der Stimmberechtigten
mehrheitliche Zustimmung
≥ 50–75 % der Stimmberechtigten
keine mehrheitliche Zustimmung
< 50 % der Stimmberechtigten
2.3.4 Statements
Als Statements werden Darlegungen oder Erläuterungen von spezifischen Sachverhalten
oder Fragestellungen ohne unmittelbare Handlungsaufforderung bezeichnet. Sie werden
entsprechend der Vorgehensweise bei den Empfehlungen im Rahmen eines formalen Konsensverfahrens
verabschiedet und können entweder auf Studienergebnissen oder auf Expertenmeinungen
beruhen. Statements enthalten Evidenz-, aber keine Empfehlungsgrade nach [
Tab. 7
].
2.3.5 Expertenkonsens
Statements/Empfehlungen, für die eine Bearbeitung auf der Grundlage von Expertenkonsens
der Leitliniengruppe beschlossen wurde, sind als Expertenkonsens ausgewiesen. Für
diese Empfehlungen erfolgte keine systematische Literaturrecherche und Bewertung der
Qualität der Evidenz. Die in den Hintergrundtexten angeführten Studien wurden von
den beteiligten Fachexperten ausgewählt. Bei Empfehlungen, die auf einem Expertenkonsens
basieren, wurden keine Qualitätsstufen bzw. Buchstaben zur Beschreibung der Qualität
der Evidenz- und des Empfehlungsgrads aus [
Tab. 7
] angegeben, um die Empfehlungsstärke und die Qualität der Evidenz darzustellen. Die
Stärke der Empfehlung ergibt sich hier allein aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann)
entsprechend der Abstufung in [
Tab. 7
].
2.4 Umgang mit Interessenkonflikten
Die Angaben zu den Interessen wurden mit dem AWMF-Formblatt von 2018 erhoben und zuletzt
2023 überprüft. PD Dr. Jessica Rademacher und PD Dr. Helmut Sitter haben die Interessen
auf einen thematischen Bezug zur Leitlinie bewertet.
Im Rahmen der Bewertung der vorliegenden Erklärungen nach den Vorgaben der AWMF wurden
Industriedrittmittel für Vortragstätigkeiten und Autorenschaften als „geringe“ Interessenkonflikte,
Advisory Board- und Beratungstätigkeit sowie Industriedrittmittel in verantwortlicher
Position als „moderat“ und Eigentümerinteresse als „hoch“ gewertet. Es zeigten sich
in der Bewertung der Interessenerklärungen einzelne, ausschließlich als „gering“ oder
„moderat“ bewertete Interessenkonflikte. Da im Rahmen der Leitlinie keine speziellen
Empfehlungen zu neueren (teuren) Medikamenten getroffen wurden, führten geringe oder
moderate (sich aus Kontakten zur Industrie ergebende) Interessenkonflikte nicht zum
Ausschluss von Leitungsfunktionen in den Arbeitsgruppen. Hohe Interessenkonflikte
traten nicht auf. Die finanzierenden Organisationen haben keinen direkten Einfluss
auf die Leitlinienerstellung genommen.
Als protektive Faktoren, die einer Verzerrung durch Interessenkonflikte entgegenwirken,
können die pluralistische Zusammensetzung der Leitliniengruppe, die strukturierte
Konsensfindung unter neutraler Moderation, die Diskussion zu den Interessen und Umgang
mit Interessenkonflikten zu Beginn der Konsenskonferenz und eine öffentliche Konsultationsfassung
gewertet werden.
An dieser Stelle möchten wir allen beteiligten Mandatsträgern für ihre ausschließlich
ehrenamtliche Mitarbeit an dem Projekt danken. Zudem möchten wir Herrn Prof. Frank
Brunkhorst als Vertreter der Patientenorganisation Deutsche Sepsis-Hilfe (DSH) danken.
Ein weiterer Dank geht an Dr. Susanne Simon für die Erstellung der Abbildung und das
Korrekturlesen der Leitlinie.
2.5 Externe Begutachtung und Verabschiedung
Die Leitlinie wurde im Zeitraum von 20.11.2023 bis 18.12.2023 von den Vorständen der
beteiligten Fachgesellschaften verabschiedet.
2.6 Redaktionelle Hinweise
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher
und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl
für beiderlei Geschlecht.
3 Einführung und Epidemiologie
3 Einführung und Epidemiologie
Die nosokomiale Pneumonie (ICD-10-Code U69.01) gehört zu den häufigsten nosokomialen
Infektionen in Europa. Nach den Daten der ersten europäischen Prävalenzerhebung 2011
hat die Pneumonie bzw. die Infektion der unteren Atemwege mit 26 % den größten Anteil
unter allen Infektionen, die sich während eines stationären Aufenthalts entwickeln
[7 ]. In epidemiologischen Untersuchungen, wie bspw. der europäischen Prävalenzerhebung,
werden die Pneumonien und die Infektionen der unteren Atemwege meist zusammengefasst,
da die im Rahmen der Erhebung zur Verfügung stehenden Informationen eine exakte Unterscheidung
nicht immer ermöglichen. Auf Intensivstationen liegt der Anteil, den die Pneumonie/Infektion
der unteren Atemwege unter allen nosokomialen Infektionen hat, sogar bei über 40 %
[8 ]. Die erneute Prävalenzerhebung in 2016 bestätigte die Pneumonie/Infektion der unteren
Atemwege dann auch für Deutschland als häufigste nosokomiale Infektion [9 ]. Auf europäischer Ebene sind 33 % [10 ] und in Deutschland 35 % [11 ] aller nosokomialen Pneumonien mit einer maschinellen Beatmung assoziiert.
Neben den Prävalenzerhebungen stehen darüber hinaus in Deutschland aktuellere Daten
aus der prospektiven Surveillance auf Intensivstationen zur Verfügung. Unter den hierbei
erfassten Infektionsarten macht die beatmungsassoziierte Pneumonie/Infektion der unteren
Atemwege die häufigste Infektionsart aus. Zwischen 2017 und 2021 entwickelten sich
ca. 3,8 solcher beatmungsassoziierter Pneumonien/Infektionen der unteren Atemwege
pro 1000 Beatmungstage neu auf Intensivstationen in Deutschland [12 ]. Basierend auf knapp 7 Millionen Behandlungstagen auf Intensivstationen in Deutschland
im Jahr 2020 und einer Beatmungsrate von ca. 38 % würden sich daraus mehr als 10 000
beatmungsassoziierte Pneumonien/Infektionen der unteren Atemwege pro Jahr ergeben
[12 ].
Eine Studie zur Bedeutung von nosokomialen Infektionen, welche die europäischen Prävalenzdaten
und Daten zu den Folgen von nosokomialen Infektionen aus der internationalen Literatur
nutzte, identifizierte die nosokomiale Pneumonie auch als die folgenreichste Infektionsart
[13 ]. Hierfür wurden sog. DALYs (behinderungsadjustierte Lebensjahre als Summe aus vorzeitigem
Tod bzw. Einbußen der Lebensqualität durch Behinderung) berechnet. Allein die nosokomiale
Pneumonie verursacht in Europa demnach 169 solcher DALYs pro 100 000 Einwohner und
ist damit schon für ein Drittel der durch nosokomiale Infektionen verursachten „behinderungsadjustierten
Lebensjahrverluste“ verantwortlich.
4 Definition
Für die Pneumonie existieren verschiedene epidemiologische Einteilungen entsprechend
ihrer Assoziation zu einem Krankenhausaufenthalt, zu einer Beatmung und zur zeitlichen
Einteilung des Auftretens ([
Tab. 9
]). Diese Unterscheidungen werden getroffen, um die wahrscheinliche Ätiologie und,
damit verbunden, die unterschiedlichen Aspekte hinsichtlich Prävention, Diagnostik
und Therapie besser berücksichtigen zu können. Häufig werden die HAP (hospital-acquired
pneumonia; im Krankenhaus erworbene Pneumonie), die VAP (ventilator-acquired pneumonia;
beatmungsassoziierte Pneumonie), die early onset (früh auftretende) und late onset
(später auftretende) Pneumonie unterschieden.
Tab. 9
Definition der HAP und deren Subgruppen.
Begriff
Definition
im Krankenhaus erworbene Pneumonie – HAP (engl. hospital-acquired pneumonia)
später als 48 Stunden nach Aufnahme in ein Krankenhaus auftretende Pneumonie
Subgruppen der HAP
beatmungsassoziierte Pneumonie – VAP (engl. ventilator-acquired pneumonia)
eine während einer maschinellen Beatmung über Endotrachealtubus oder Tracheostoma
erworbene Pneumonie
(eine Pneumonie, die sich während einer nicht-invasiven Beatmung entwickelt, zählt
nicht zu den VAP)
early onset HAP (bzw. VAP)
eine frühestens 49 Stunden bis maximal Tag 4 nach Aufnahme in ein Krankenhaus/nach
Beginn einer invasiven Beatmung auftretende HAP/VAP
late onset HAP (bzw. VAP)
eine ab Tag 5 nach Aufnahme in ein Krankenhaus/nach Beginn einer invasiven Beatmung
auftretende HAP/VAP
Bei nosokomialen Pneumonien unter schwerer Immunsuppression gelten die Behandlungsregeln
der schweren Immunsuppression. So sind bei Immunsupprimierten auch Erreger zu berücksichtigen,
die sonst nicht regelhaft zu erwarten sind. Die vorliegende Leitlinie betrifft entsprechend
nicht Patienten mit nosokomialen Pneumonien unter schwerer Immunsuppression.
4.1 Definition der nosokomialen Pneumonie
Von einer im Krankenhaus erworbenen Pneumonie (engl. hospital acquired pneumonia –
HAP) spricht man im Allgemeinen, wenn die Infektion bei Aufnahme in das Krankenhaus
noch nicht bestand. Zur Abgrenzung gegenüber den in das Krankenhaus mitgebrachten
Pneumonien (community acquired pneumonia, CAP) wird meist zusätzlich eine Zeitgrenze
zwischen Aufnahme in das Krankenhaus und dem Auftreten der ersten Infektionszeichen
definiert. In den weltweit größten Surveillance-Systemen für nosokomiale Infektionen,
dem National Healthcare Safety Network (NHSN) in den USA und dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System
(KISS) in Deutschland, wird eine Pneumonie als HAP definiert, wenn die ersten Infektionszeichen
frühestens am 3. stationären Tag oder später auftreten. Eine Pneumonie, bei der Infektionszeichen
bereits vor Aufnahme oder an Tag 1 oder 2 bestanden, wird als mitgebrachte Pneumonie
(CAP) betrachtet und gilt demnach nicht als HAP. Neben dieser über Tage definierten
Zeitgrenze existiert eine ebenfalls weit verbreitete auf Stunden basierende Zeitgrenze.
Bei der auf Stunden basierenden Zeitgrenze spricht man von HAP, wenn sich die Pneumonie
später als 48 Stunden nach Aufnahme entwickelt. Die 48-Stunden-Zeitgrenze zur Abgrenzung
der mitgebrachten Pneumonie wird in der CAP-Leitlinie (AWMF S3-CAP-Leitlinie [14 ]) verwendet und kommt daher auch in dieser HAP-Leitlinie zur Anwendung. Eine solche
pauschale Zeitgrenze berücksichtigt zwar nicht die unterschiedlichen Inkubationszeiten
der verschiedenen Erreger, verspricht aber innerhalb von Surveillance-Systemen oder
bei der Durchführung von Studien eine praktikable Möglichkeit der einheitlichen Datenerfassung.
Wichtig ist noch zu beachten, dass im Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine hiervon abweichende
Definition für nosokomiale Infektionen existiert, welche u. a. bei der Meldepflicht
für nosokomiale Infektionsausbrüche zur Anwendung kommen muss.
4.2 Definition der Ventilator-assoziierten Pneumonie
Bei der beatmungsassoziierten Pneumonie (engl. ventilator-acquired pneumonia – VAP)
handelt es sich um eine Pneumonie, die sich infolge einer maschinellen Beatmung entwickelt.
Im NHSN und KISS wird eine HAP als VAP definiert, wenn vor der Pneumonie mindestens
3 Kalendertage eine maschinelle Beatmung (unterschiedliche Druckniveaus in In- und
Exspiration) über einen Endotrachealtubus oder ein Tracheostoma stattgefunden hat.
Mindestens ein Drittel aller nosokomialen Pneumonien (HAP) sind VAP, entwickeln sich
also im Verlauf während einer maschinellen Beatmung [7 ]
[15 ]. Da sich, wie bei allen nosokomialen Infektionen, die sich im Gefolge einer Device-Anwendung
entwickeln, entsprechende Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Device (in
diesem Fall der Beatmung) ergeben, kann die Ermittlung der VAP-Häufigkeit wichtige
Hinweise zur Prävention liefern. Zudem ist im Vergleich zur CAP oder der nicht beatmungsassoziierten
HAP aufgrund der Ätiologie grundsätzlich mit einer höheren Morbidität und Mortalität
zu rechnen. V. a. unterscheidet sich aber das Erregerspektrum, welches für Diagnostik-
und Therapieentscheidungen berücksichtigt werden muss.
4.3 Early onset and late onset nosokomiale Pneumonie
Die HAP und VAP können noch weiter in early onset und late onset unterschieden werden
[16 ], um die das zu erwartende Erregerspektrum zu prädizieren. Zur Unterscheidung zwischen
early und late onset Pneumonie wird eine Zeitgrenze verwendet. Unterschiedliche Autoren
haben zwischen > 3 bis ≥ 7 Tagen als Grenze zwischen early und late onset verwendet,
wobei der Tag 5 (< Tag 5 = early onset; ≥ Tag 5 = late onset) entweder bezogen auf
den stationären Aufenthalt (HAP) oder auf den Beatmungstag (VAP) am häufigsten zur
Anwendung kommt [17 ]
[18 ]
[19 ]. Es handelt sich hierbei allerdings um eine Differenzierung, deren weitere Unterscheidungsmöglichkeiten
(zusätzlich zur Unterscheidung CAP vs. HAP bzw. HAP vs. VAP) allein dadurch sehr begrenzt
sind, dass bereits die Definitionen für CAP/HAP bzw. HAP/VAP Zeitgrenzen definieren
und diese sich nur marginal durch eine 5-Tages-Grenze weiter differenzieren lassen.
Early onset HAP sind somit Pneumonien, die an Tag 3 oder 4 auftreten, während late
onset HAP dann alle ab Tag 5 auftretenden HAP sind. Daher wird in dieser Leitlinie
auf die Unterscheidung in early onset/late onset verzichtet. Alternativ werden verschiedene
Risikofaktoren für das Vorliegen von MRE definiert, zu denen die late onset HAP (≥ 5
Tage nach Hospitalisation) gehört.
4.4 Weitere Gruppen der nosokomialen Pneumonie
Es existieren weitere HAP-Subgruppen wie z. B. vHAP (die beatmungspflichtige HAP)
oder die zu einer nicht invasiven Beatmung assoziierten HAP, welche in dieser Leitlinie
mit zu den HAP gezählt werden. Beide Subgruppen werden im Folgenden nicht gesondert
betrachtet. Abzugrenzen ist zudem die beatmungsassoziierte Tracheobronchitis (VAT),
ohne Infektion des Lungenparenchyms, welche nicht Gegenstand dieser Leitlinie ist.
5 Erregerspektrum und Resistenz
5 Erregerspektrum und Resistenz
5.1 Erregerspektrum
Bakterien sind die häufigsten Erreger nosokomialer Pneumonien, Pilze und Viren werden
bei immunkompetenten Patienten nur selten als Erreger identifiziert. Aerobe und fakultativ
anaerobe gramnegative Stäbchenbakterien (Enterobacterales und P. aeruginosa ) werden am häufigsten nachgewiesen. Bei den grampositiven Erregern dominieren Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae ([
Tab. 10
]).
Tab. 10
Bakterielle Infektionserreger der nosokomialen Pneumonie.
Patienten ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger (MRE) oder P. aeruginosa
Enterobacterales (z. B.)
E. coli
Klebsiella spp.
Enterobacter spp.
Haemophilus influenzae
S. aureus
Streptococcus pneumoniae
zusätzlich bei Patienten mit Risikofaktoren für multiresistente Erreger (MRE) oder
P. aeruginosa
resistente Enterobacterales (z. B. ESBL-Bildner)
Pseudomonas aeruginosa
seltener:
Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)
Acinetobacter baumannii
Stenotrophomonas maltophilia
Gute verfügbare Daten zum Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie in Deutschland
liefert das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) des Nationalen Referenzzentrums
für die Surveillance nosokomialer Infektionen (NRZ) ([
Tab. 11
]).
Tab. 11
Erregerspektrum bei nosokomialer Pneumonie (KISS 2017–2021) [15 ].
Erregerspektrum bei Atemwegsinfektionen nicht invasiv beatmeter (NIV) Patienten
Erregerspektrum bei Atemwegsinfektionen invasiv beatmeter (NIV) Patienten
Bakterien 55,7 %
45,2 % gramnegativ; 15,8 % grampositiv
3MRGN 3 %, 4MRGN 0,8 %
Bakterien 79,2 %
65,5 % gramnegativ; 22 % grampositiv
3MRGN 5,1 %, 4MRGN 1,6 %
Bakterien 55,7 %
S. aureus 11,4 % (davon 2,5 % MRSA)
K. pneumoniae 8,5 % (davon 0,6 % 3MRGN)
E. coli 10,5 % (davon 0,8 % 3MRGN)
P. aeruginosa 7,8 % (davon 0,8 % 4MRGN)
E. cloacae 3,6 % (davon 0,5 % 3MRGN)
Bakterien 79,2 %
S. aureus 17,1 % (davon 2,4 % MRSA)
K. pneumoniae 11,7 % (davon 1,1 % 3MRGN)
E. coli 13,6 % (davon 1,5 % 3MRGN)
P. aeruginosa 13,3 % (davon 1 % 4MRGN)
E. cloacae 4,9 % (davon 0,2 % 3MRGN)
Pilze 5,6 %
Pilze 5,3 %
Viren 1,2 %
Viren 0,3 %
Das KISS-Erregerspektrum und die Verteilung stehen im Einklang mit den Ergebnissen
der SENTRY-Studie aus westeuropäischen Krankenhäusern [20 ] und den Ergebnissen des ECDC Surveillance Reports 2016 [21 ] ([
Tab. 12
]).
Tab. 12
Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie in verschiedenen geografischen Regionen.
Erreger
SENTRY
2016–2019
NRZ
2017–2021
ECDC ICU
2018
Westeuropa
USA
Osteuropa
VAP
Deutschland
Europa
S. aureus
20,1 %
27,3 %
9,1 %
17,14 %
19,8 %
17,8 %
Klebsiella spp.
K. pneumoniae
–
9,2 %
–
8,1 %
–
19,3 %
17,7 %
11,7 %
19,5 %
–
16,1 %
–
E. coli
12,7 %
6,4 %
6,1 %
13,6 %
16,5 %
13,3 %
S. marcescens
4,3 %
4,3 %
2,3 %
–
–
–
P. aeruginosa
20,6 %
24,3 %
27,2 %
13,3 %
15,4 %
20,8 %
Enterobacter spp.
E. cloacae
5,5 %
–
3,9 %
–
2,9 %
–
9,09 %
–
9,4 %
–
10,3 %
–
Acinetobacter spp.
1,9 %
2,8 %
19 %
–
1,5 %
4,1 %
S. maltophilia
3,2 %
4,7 %
3,9
–
3,8 %
4,5 %
H. influenzae
2,4 %
3 %
–-
–
3 %
4,2 %
S. pneumoniae
–
1,8 %
1 %
–
–
–
Die Prävalenz und die Rangfolge der Pneumonieerreger sind in den verschiedenen geografischen
Regionen unterschiedlich [22 ]. Das Erregerspektrum der beatmungsassoziierten Pneumonie (VAP) unterscheidet sich
nicht signifikant von dem der nicht invasiv beatmeten Pneumonie (HAP). Die 6 wichtigsten
Erreger sind in HAP und VAP identisch. Enterobacterales, P. aeruginosa und Acinetobacter spp. waren bei der beatmungsassoziierten Pneumonie häufiger nachweisbar. Pneumoniefälle,
die durch P. aeruginosa bedingt waren, zeigten ein längeres Intervall zwischen Aufnahme auf die Intensivstation
und Diagnose der Pneumonie im Vergleich zu den Fällen, die durch andere Erreger hervorgerufen
wurden (13 vs. 9 Tage). S. aureus war sowohl für die HAP als auch für die VAP ätiologisch bedeutsam [15 ]
[23 ]
[24 ].
Die Infektionen sind häufig monobakteriell, allerdings kommen polymikrobielle Infektionen
durchaus vor (z. B. 32 % [22 ], 16 % [25 ], 20,5–24,5 % [24 ]). Am häufigsten war eine Infektion mit 2 Erregern, v. a. bei der VAP. In einer neueren
Studie von Zilberberg et al. [26 ] lag die Infektionsrate mit mehr als 2 Erregern zwischen 11,7 und 17,8 % (NIV-HAP
11,7 %; INV-HAP 15,2 %; VAP 17,8 %), Infektionen mit mehr als 3 Erregern waren selten
(NIV-HAP 1,3 %; INV-HAP 1,5 %; VAP 1,9 %). Die polymikrobielle Ätiologie hatte keinen
Einfluss auf die Prognose und den Krankheitsverlauf der Pneumonie.
Viren
Neuere Studien zeigen, dass ein relevanter Anteil der nosokomialen Pneumonien durch
Viren verursacht wird, diese machten in einigen Untersuchungen bis zu 30 % der Fälle
aus [27 ]
[28 ]. Virale nosokomiale Pneumonien kommen v. a. bei immunsupprimierten Patienten vor,
können jedoch selten auch bei immunkompetenten Patienten eine Rolle spielen. Wichtige
Erreger sind Influenza, Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) und SARS-CoV-2. Eine
bakterielle Ko-Infektion ist ein gut definierter Risikofaktor für ein schlechteres
Outcome. Die virale Ätiologie kann je nach Lebensalter, Saisonalität, geografischem
Umfeld und Immunstatus variieren.
Candida spp.
werden unter Antibiotikatherapie, insbesondere unter einer Therapie mit Breitspektrumantibiotika,
selektiert und daher regelmäßig in 30–50 % der Fälle, je nach Beatmungsdauer, bei
intubierten Intensivpatienten nachgewiesen [29 ]. Sie spielen als Erreger einer nosokomialen Pneumonie keine Rolle und sollten bei
Nachweis in Atemwegssekreten, unabhängig von der nachgewiesenen Spezies, keinesfalls
als Indikation für eine Antimykotikatherapie angesehen werden [30 ].
Aspergillus spp. , i. d. R. A. fumigatus , sind als Erreger einer nosokomialen Pneumonie bei immunkompetenten Patienten selten.
Als Risikofaktoren auch bei nicht schwergradig immunsupprimierten Patienten gelten
Leberzirrhose, Neutropenie, langfristige Therapie mit Steroiden (> 4 Wochen > 20 mg
Prednisolon oder Äquivalent), COPD oder rheumatologische Grunderkrankungen.
Ein weiterer Risikofaktor für eine invasiv pulmonale Aspergillose (IPA) ist die Influenza
[31 ]. Erste Fälle der IPA bei Immunsupprimierten wurden 1952 beschrieben [32 ], Fälle bei zuvor gesunden Patienten wurden 1985 veröffentlicht [33 ]. Während der Grippewelle 2018 war ein signifikanter Anstieg von IPA zu beobachten.
In einer Studie aus Belgien und den Niederlanden wurde bei 432 Patienten mit Influenza
auf Intensivstationen bei 19 % eine influenzaassoziierte invasive Aspergillose beobachtet.
Auffällig war eine hohe Letalität (51 % bei Immunsupprimierten, 28 % bei Patienten
ohne Immunsuppression). 86 % hatten eine Influenza A und 14 % eine Influenza B; 25 %
der Aspergillus-positiven Patienten waren vor der Grippe immunkompetent und hatten
keine Vorerkrankungen [34 ].
Aufgrund der hohen Letalität sollten Aspergillen bei Risikopatienten berücksichtigt
werden, eine zuverlässige Diagnostik muss angestrebt werden. Auch bei schwerer SARS-CoV-2-Erkrankung
gehört die COVID-19-assoziierte pulmonale Aspergillose (CAPA) zu den Komplikationen
der Erkrankung. Sie kommt v. a. bei Patienten auf Intensivstationen vor und wird i. d. R.
von A. fumigatus , seltener von A. flavus verursacht. Die hohe Letalität (in Fallserien und Fallberichten bis 67 %) von CAPA
macht eine schnelle und zielführende Diagnostik notwendig [35 ].
Bakterien der normalen Schleimhautflora
der oberen Luftwege ([
Tab. 13
]) haben als Pneumonieerreger keine Bedeutung, auch wenn sie in größerer Menge in
einem invasiv gewonnenen Atemwegsmaterial nachgewiesen werden.
Tab. 13
Bakterien und Pilze der oropharyngealen Standortflora ohne Relevanz bei nosokomialer
Pneumonie.
Apathogene Corynebacterium spp.
Enterokokken (E. faecalis , E. faecium )
koagulasenegative Staphylokokken
Alpha-hämolysierende (vergrünende) Streptokokken
apathogene Neisseria spp.
Candida spp.
Best Practice Statement 1
Die Diagnostik von Mikroorganismen der oropharyngealen Standortflora sollte auf Genusebene
(Bakterien) bzw. Speziesebene (Hefepilze) beschränkt werden. Auf eine Resistenzbestimmung
soll verzichtet werden, um Fehltherapien zu vermeiden.
5.2 Risikofaktoren für eine nosokomiale Pneumonie mit multiresistenten Erregern
Wie sollte das Risiko einer nosokomialen Pneumonie in der kalkulierten Therapie eingeschätzt
werden?
Empfehlung 1
Expertenkonsens
Für das Management und die initiale, kalkulierte antimikrobielle Therapie der nosokomialen
Pneumonie soll zwischen Patienten mit und ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger und Pseudomonas aeruginosa unterschieden werden (s. [
Tab. 14
]).
Das Erregerspektrum und die Resistenzsituation der jeweiligen Station/Einrichtung
soll in Abständen von 6–12 Monaten erhoben und dargestellt sowie diese Daten für Entscheidungen
zur kalkulierten Antibiotikatherapie herangezogen werden.
starke Empfehlung
starker Konsens
Die Häufigkeit von Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) hängt von Risikofaktoren
ab ([
Tab. 14
]). Diese sind für die kalkulierte Antibiotikatherapie von zentraler Bedeutung. Eine
Vielzahl von Studien sowie eine Metaanalyse [36 ] haben sich mit der Bedeutung einzelner Risikofaktoren für den Nachweis von MRE vorwiegend
bei VAP beschäftigt. Die Ergebnisse sind aber nicht immer durch multivariate Analysen
gesichert.
Tab. 14
Therapierelevante Risikofaktoren für multiresistente Infektionserreger bei der HAP.
antimikrobielle Therapie (> 24 h) in den letzten 30 Tagen
Hospitalisierung ≥ 5 Tage vor Krankheitsbeginn
Kolonisation durch gramnegative MRE oder MRSA[* ]
septischer Schock
ARDS
Hämodialyse
medizinische Versorgung in einem Hochprävalenzland für gramnegative MRE und MRSA innerhalb
der letzten 12 Monate
zusätzliche Risikofaktoren für P. aeruginosa
strukturelle Lungenerkrankung (fortgeschrittene COPD, Bronchiektasen)
bekannte Kolonisation durch P. aeruginosa
* Die Mehrzahl der Patienten mit einer derartigen Kolonisation werden keine HAP/VAP
durch diese Erreger aufweisen.
Als wichtigster Risikofaktor für MRE bei der VAP wurde eine vorausgegangene intravenöse
antimikrobielle Therapie innerhalb der letzten 30 Tage vor Pneumoniebeginn identifiziert
[17 ]
[37 ]
[38 ]. Trouillet et al. untersuchten 135 ITS-Patienten mit VAP und unterschiedlicher Beatmungsdauer
von < 7 Tage vs. > 7 Tage, jeweils mit vorheriger bzw. ohne intravenöse Antibiotikagabe.
Von diesen Patienten waren 77 (57 %) mit potenziell resistenten Bakterien infiziert,
am höchsten war die Besiedelungsrate bei Patienten mit Antibiotikatherapie [17 ]. Die Multivariatanalyse ergab als höchstes MRE-Risiko die vorhergegangene Antibiotikatherapie
(OR 13,5) und die Beatmungsdauer von > 7 Tagen (OR 6,0). Auch in der Studie von Depuydt
et al. ergab die multivariate Analyse das höchste MRE-Risiko für Patienten, die vor
der Pneumonie mit 2 verschiedenen Antibiotikaklassen therapiert worden waren [37 ]. In einer Metaanalyse war die vorausgegangene intravenöse Antibiotikatherapie mit
dem höchsten MRE-Risiko bei VAP assoziiert (OR 12,3 für MRE-VAP; OR 5,17 für MRE-HAP)
[38 ]. Bei der Antibiotikatherapie handelte es sich um Breitspektrumantibiotika.
Die Daten für die nicht ventilierte HAP sind spärlich [39 ]
[40 ]. Seligman et al. untersuchten nicht beatmete Risikopatienten mit HAP (z. B. COPD,
chronische Niereninsuffizienz, kongestive Herzerkrankung) [39 ]. Von 140 Patienten waren 42 % mit MRE infiziert (MRSA [64 %], Enterobacter spp. [13,6 %], Klebsiella spp. [12 %]). Die multivariate Analyse der Risikofaktoren für MRE ergab nur eine
Antibiotikatherapie mit Breitspektrumantibiotika innerhalb von 10 Tagen vor Beginn
der Pneumonie (p = 0,001). Leroy et al. untersuchten Patienten mit HAP und VAP auf
Risiken für MRE: 90 Patienten hatten vor Pneumoniebeginn intravenös Antibiotika bekommen
(≤ 1 Monat). Bei diesen Patienten konnten in 61,5 % der Fälle „potenziell resistente
Bakterien“ (P. aeruginosa , Acinetobacter spp., S. maltophilia , MRSA) und in 30,3 % der Fälle resistente Bakterien nachgewiesen werden, im Vergleich
zu 17,8 % und 6,7 % bei Patienten ohne vorherige Antibiotikatherapie [40 ].
In einigen Studien war der Schweregrad der Erkrankung (septischer Schock, akute Organdysfunktion,
ARDS) lediglich univariat mit dem Nachweis von MRE bei VAP assoziiert [17 ]
[37 ]. Es wird dennoch vornehmlich aus prognostischen Gründen empfohlen, Patienten mit
sepsisassoziierter Organdysfunktion eine Initialtherapie, die potenzielle MRE erfasst,
zukommen zu lassen.
Eine vorbestehende Kolonisation mit MRE oder eine hohe lokale Rate an MRE, regional
oder in Kliniken, ist ein weiterer Risikofaktor für Pneumonien mit MRE. Nach Pilmis
et al. waren auf Intensivstationen 5–25 % Träger von ESBL-positiven Enterobacterales;
5–20 % der mit ESBL besiedelten Patienten entwickelten eine Pneumonie durch ESBL-Bildner
(VAP) [41 ]. In einer weiteren Studie konnte Goulenok et al. zeigen, dass von Patienten mit
bekannter ESBL-Bildner-Kolonisation ca. 10 % eine ESBL-Bildner-Infektion entwickeln
[42 ].
Goodman et al. beschrieben 5 Risikofaktoren für eine Bakteriämie durch ESBL-Bildner:
ESBL-Bildner-Kolonisation, liegende Dauerkatheter, Lebensalter ≥ 43 Jahre, Aufenthalt
in einer Klinik mit hohem MRE-Anteil, vorausgegangene Antibiotikatherapie ≥ 6 Tage
(Breitspektrumantibiotika) in den letzten 6 Monaten [43 ].
Barbier und Mitarbeiter ermittelten eine VAP-Rate von 3 % unter 318 ESBL-Bildner-positiven
Patienten [44 ].
Razazi et al. fanden bei 10–27 % der MRE-Träger auf Intensivstation eine Infektion,
von den ESBL-Bildner-Trägern entwickelten 13 % eine Pneumonie, aber nur die Hälfte
eine Pneumonie durch ESBL-Bildner [45 ]. Als Risikofaktoren für die Pneumonie durch ESBL-Bildner wurden ein hoher SAPS-II-Score
bei Aufnahme und die Kolonisation mit Enterobacterales (nicht E. coli ) identifiziert.
In einer Studie von Carbonne et al. lagen die positiv prädiktiven Werte (PPV) ESBL-Bildner-positiver
Rektumabstriche als Prädiktoren für die potenzielle respiratorische Besiedlung bei
Entnahme von ≤ 5 Tagen nach Aufnahme bei 14,5 % und bei Entnahme später als 5 Tage
bei 34,4 %. Die negativ prädiktiven Werte (NPV) lagen bei 99,2 % und 93,4 % [46 ]. Bruyère et al. screenten beatmete Patienten bei Aufnahme, dann wöchentlich, auf
ESBL-positive Bakterien (Rektumabstriche) als Prädiktoren für eine potenzielle VAP.
Von 587 Patienten mit V. a. VAP waren 40 (6,8 %) vor Pneumoniebeginn mit ESBL-positiven
Enterobacterales besiedelt und 20 Patienten (3,4 %) entwickelten eine VAP [47 ]. Der positiv prädiktive Wert (PPW) lag bei 41,5 %, der negative (NPW) bei 99,4 %.
In einer systematischen Übersichtsarbeit werden positiv prädiktive Werte zwischen
3,2 % und 25,7 % angegeben, wobei in den zugrunde liegenden Studien v. a. die Bakteriämie
durch ESBL-Bildner unabhängig vom Fokus erfasst wurde und die Studien einen wesentlichen
Anteil an immunsupprimierten Patienten enthielten [48 ].
In einem systematischen Review wurden als Risikofaktoren für Infektionen durch Carbapenem-resistente
gramnegative Erreger – P. aeruginosa , A. baumannii , K. pneumoniae , andere Enterobacterales – die Kolonisation im Respirationstrakt, aber auch im Rektum,
eine vorherige Antibiotikatherapie, insbesondere eine Carbapenem-Therapie sowie ein
(längerer) Aufenthalt auf einer Intensivstation identifiziert [49 ].
Als spezifischer Risikofaktor für nosokomiale Pneumonien durch P. aeruginosa wurde neben einer nachgewiesenen chronischen Atemwegsinfektion [49 ]
[50 ] das Vorliegen schwerer struktureller Lungenerkrankungen (schwere COPD, Bronchiektasen)
identifiziert [51 ]
[52 ]. In einer prospektiven Studie war darüber hinaus der Intensivaufenthalt von mehr
als 29 Tagen ein Hauptrisikofaktor [53 ].
Bei Nachweis einer MRSA-Kolonisation betrug der positiv prädiktive Wert für eine MRSA-Pneumonie
in Studien zwischen 18 % und 35 % [54 ]
[55 ]
[56 ]; eine Metaanalyse fand bei > 60 000 ITS-Patienten einen positiven prädiktiven Wert
des nasalen MRSA-Nachweises von 25 % (RR 8,3) für eine nachfolgende Infektion (nicht
nur Pneumonie) mit MRSA [57 ].
Somit kann eine Kolonisation mit MRSA und gramnegativen MRE als Risikofaktor für Infektionen
bzw. Pneumonien mit MRE angesehen werden. Die Integration der Screeningbefunde in
den klinischen Kontext (Erkrankungsschwere, weitere Risikofaktoren), die Durchführung
einer adäquaten Erregerdiagnostik und die Deeskalation der Therapie nach Eingang mikrobiologischer
Befunde sind daher von besonderer Bedeutung.
Die Gewichtung dieser Faktoren ist nicht exakt quantifizierbar. In einer spanischen
Studie mit 216 Patienten mit ITS-assoziierter Pneumonie hatten 91 % mindestens einen
Risikofaktor für MRE, aber eine Pneumonie mit MRE trat nur bei 34 % auf [58 ]. Das Risiko hängt von der Suszeptibilität des Patienten, der Dauer und Intensität
der Einwirkung einzelner Risikofaktoren, dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren sowie
der lokalen Erregerepidemiologie (Wahrscheinlichkeit der Akquisition von MRE aus der
Umgebung im Krankenhaus) ab.
In der europäischen Leitlinie werden als Risikofaktoren für MRE v. a. schwerwiegende
Erkrankungen wie z. B. septischer Schock, ARDS und eine hohe lokale Rate an MRE (> 25 %)
sowie individuelle Risiken betont [59 ].
Einerseits unterscheidet sich das Erregerspektrum in den Studien in geografischer
Abhängigkeit ([Tab. 11 ], [
Tab. 12
]), andererseits gibt es Differenzen in der Antibiotika-Empfindlichkeit zwischen Regionen
und Zentren [20 ]
[60 ]. Mithin ist es nicht möglich, aus publizierten Daten zur Antibiotikaempfindlichkeit
Rückschlüsse auf die lokale Situation zu ziehen. Aus diesem Grunde sollen lokale Empfindlichkeitsdaten
zur Therapieplanung herangezogen werden [61 ]. Die Erhebung erfolgt idealerweise bezogen auf die bei HAP nachgewiesenen Erreger,
mindestens aber auf solche, die in Atemwegsmaterialien nachgewiesen wurden.
6 Diagnostik
6.1 Klinische Diagnose der nosokomialen Pneumonie
Wie wird eine HAP klinisch diagnostiziert und welche Differenzialdiagnosen sind zu
beachten?
Empfehlung 2
Expertenkonsens
Therapierelevant ist bereits die Verdachtsdiagnose einer HAP, diese soll gestellt werden bei neuem, persistierendem oder progredientem Infiltrat in der Thorax-Röntgenaufnahme
in Kombination mit 2 von 3 weiteren Kriterien:
starke Empfehlung
Differenzialdiagnostisch sollten u. a. Atelektasen (Sekretverlegung), Herzinsuffizienz/Überwässerung, Lungenarterienembolien,
alveoläre Hämorrhagie, interstitielle Lungenerkrankungen wie eine organisierende Pneumonie
(OP) und das ARDS abgegrenzt werden.
schwache Empfehlung
starker Konsens
Die klinische Diagnose einer HAP ist schwierig. Es gibt keine allgemein akzeptierten
Kriterien auf der Basis randomisierter Studien, sondern lediglich prospektive Kohortenanalysen.
Die Inzidenz der VAP variiert stark in Abhängigkeit von den eingesetzten Diagnosekriterien
[62 ]. Therapierelevant ist die klinisch zu stellende Verdachtsdiagnose einer HAP.
Die in der 1. Empfehlung genannten Kriterien von Johanson et al. (Infiltrat in Kombination
mit 2–3 weiteren Kriterien) werden in den meisten Leitlinien verwendet und sind in
einer prospektiven Kohortenanalyse an 25 verstorbenen beatmeten Patienten validiert
worden [36 ]
[63 ]. In dieser lag die histologisch überprüfte Sensitivität bei 69 % und die Spezifität
bei 75 % [64 ]. Fagon et al. konnte 1993 in einer Studie an 84 beatmeten Patienten zeigen, dass
die klinische Diagnose in 62 % eine VAP korrekt vorhersagt, und bei 84 % korrekt keine
VAP diagnostiziert wurde [65 ]. In allen Studien liegen Sensitivität und Spezifität dieser Kriterien bei ca. 70 %,
sodass etwa 30 % der HAP-Patienten nicht erkannt werden und bei ca. 30 % eine andere
Diagnose als eine HAP vorliegt. Kritisch zu bedenken ist zudem, dass die Beurteilung
des Röntgenbilds einer Interobservervariabilität unterliegt [66 ] und im klinischen Alltag etwa ein Drittel der Patienten, die als V. a. HAP diagnostiziert
werden, die oben beschriebenen radiologischen Veränderungen (Infiltrate) objektiv
nicht erfüllen [67 ]
[68 ]. Der Einsatz mikrobiologischer Kriterien zur Diagnose einer HAP verbessert die Sensitivität
und Spezifität [64 ].
Andere Autoren konnten zeigen, dass postoperative Patienten mit der klinischen Diagnose
HAP (beruhend auf diesen Kriterien) eine höhere Letalität hatten als Patienten ohne
Verdacht auf HAP (8 von 46, 17 % vs. 16 von 306, 5 %; p = 0,046) [69 ].
Insbesondere bei schwerer HAP sollten die klinischen Kriterien der Sepsis beachtet
werden [70 ]. Zeichen der Sepsis oder des septischen Schocks sind jedoch nicht spezifisch für
eine HAP. Insgesamt ist die klinische Diagnose der HAP eine Arbeitsdiagnose, die für
die zeitnahe Einleitung einer kalkulierten antimikrobiellen Therapie relevant ist
und der regelmäßigen Überprüfung bedarf. In diesem Zusammenhang sind die aufgeführten
Differenzialdiagnosen zu bedenken.
Welche Rolle spielen Scores in der Risikobeurteilung der HAP?
Empfehlung 3
Expertenkonsens
Bei der klinischen Diagnose der HAP sollen
alle Patienten auf das Vorliegen einer Sepsis evaluiert werden.
außerhalb der Intensivstation mindestens die Bestimmung der Vitalparameter unter Verwendung
der qSOFA-Kriterien und der Sauerstoffsättigung erfolgen.
auf Intensivstationen Sepsis-Scores wie der „Sequential Organ Failure Assessment“
(SOFA) Score zur Risikoprädiktion angewandt werden.
starke Empfehlung
starker Konsens
Die Letalität von Patienten mit HAP ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Prognostisch
negative Einzelfaktoren sind eine initiale Bakteriämie und die Schwere der akuten
Lungenschädigung. Alle Patienten sollen zudem auf das Vorliegen einer Sepsis evaluiert
werden [70 ]. Als Screeningscore außerhalb der Intensivstation wurde dafür der qSOFA-Score evaluiert
(systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg, Atemfrequenz ≥ 22/min, Bewusstseinsstörung; ≥ 2
Kriterien sprechen für das Vorliegen einer Sepsis) [70 ]
[71 ]. Bei Patienten mit manifester Sepsis korreliert die Sterblichkeit mit den Organdysfunktionen.
Bei diesen Patienten sollen Scores angewandt werden, welche den Schweregrad der Sepsis
und die Organdysfunktion messen (SOFA, MODS, SAPS, APACHE-II) [71 ]
[72 ]
[73 ]
[74 ]. Der SOFA-Score wird von der aktuellen Konsensusdefinition der Sepsis (Sepsis-3)
als prognostischer Marker und zur Definition der Sepsis auf der Intensivstation (bei
Anstieg um ≥ 2 Punkte) empfohlen [70 ]. Der quick SOFA-Score sollte auf der Intensivstation nicht verwendet werden [71 ].
In einer aktuellen Metaanalyse verschiedener Scores zur Letalitätsprädiktion bei VAP
zeigte sich kein Vorteil diverser VAP-spezifischer Scores, die beste Datenlage existiert
zu den etablierten Scores APACHE-II, SAPS und SOFA [74 ].
6.2 Biomarker
Welche Rolle spielen Biomarker für die Diagnose der HAP und die Diagnose der Sepsis
im Rahmen der HAP?
Empfehlung 4
Expertenkonsens
Die Diagnose der HAP beruht auf klinischen, radiologischen und ggf. mikrobiologischen
Kriterien, ausreichende Evidenz für eine zusätzliche unabhängige diagnostische Aussagekraft
von Biomarkern liegt nicht vor.
Die Bestimmung eines Entzündungsparameters (C-reaktives Protein [CRP] oder Procalcitonin
[PCT]) sollte bei Diagnose erfolgen, um eine Verlaufsbeurteilung zu ermöglichen.
schwache Empfehlung
Bei Verdacht auf eine Sepsis im Rahmen der HAP sollen die Laborparameter zur Bestimmung des SOFA-Scores (Thrombozyten, Bilirubin, Kreatinin)
sowie Laktat ermittelt werden.
Bei Komorbiditäten sind bedarfsgerecht Laborparameter zur Überprüfung der entsprechenden
Organfunktion notwendig. Zu Biomarkern bei HAP durch SARS-CoV-2 wird auf die entsprechende
Leitlinie zu COVID-19 verwiesen.
starke Empfehlung
starker Konsens
Eine Reihe von Biomarkern sind in der Diagnostik der VAP evaluiert worden, keiner
dieser Biomarker hat bisher eine gegenüber der konventionellen mikrobiologischen Diagnostik
eigenständige und überlegene Bedeutung erlangen können. Alle Biomarker unterliegen
denselben Schwierigkeiten der Evaluation wie konventionelle Methoden (fehlender Goldstandard!)
[75 ]. Vor diagnostischer Implementierung sind randomisierte Interventionsstudien zu fordern.
Allerdings konnte in einer aktuellen randomisierten multizentrischen Studie mithilfe
einer Biomarker-gelenkten initialen diagnostischen Strategie (IL8 und IL1β aus BALF)
der klinische Endpunkt des Antibiotikaverbrauchs bei V. a. VAP nicht modifiziert werden
[76 ]. Dagegen sind CRP [77 ]
[78 ]
[79 ] und Procalcitonin (PCT) [80 ]
[81 ] im Klinikalltag etablierte und bei V. a. Pneumonie breit eingesetzte Biomarker der
akuten Entzündungsreaktion [82 ]. Ein zum aktuellen diagnostischen Algorithmus relevanter Zusatznutzen konnte jedoch
bisher für keinen der beiden Parameter etabliert werden [83 ]
[84 ]
[85 ], da ihre Sensitivität und Spezifität eingeschränkt sind und Interventionsstudien
mit klinischem Endpunkt fehlen. Beide Parameter sind jedoch im Kontext mit der klinischen
Gesamtsituation im Verlauf zur Evaluation des Therapieansprechens geeignet [83 ]
[86 ]
[87 ]
[88 ] und die Kinetik von PCT kann auch zur Bestimmung der Therapiedauer verwendet werden
(s. E22) [247 ].
Für die Diagnose einer sepsisassoziierten Organdysfunktion bei HAP ist auf Basis der
aktuellen Sepsis-Leitliniendefinition ein Anstieg des SOFA-Scores um ≥ 2 Punkte zu
verwenden [70 ]
[89 ], was die Bestimmung der hierfür erforderlichen Laborparameter Thrombozyten, Kreatinin
und Bilirubin begründet. Bei Patienten mit akuter Organdysfunktion und Schock im Rahmen
einer Sepsis ist der initiale Laktatwert mit der Prognose assoziiert [90 ]
[91 ]. Eine Laktatbestimmung wird von der aktuellen Sepsis-Leitlinie als prognostischer
Marker und bei einem Wert von 2 mmol/l als ein diagnostisches Kriterium des septischen
Schocks auf der Intensivstation empfohlen [70 ]
[89 ]. Metaanalysen randomisierter Studien zeigten darüber hinaus eine Prognoseverbesserung
bei Steuerung der initialen Volumengabe mittels serieller Laktatbestimmung bei Patienten
mit Sepsis-assoziierter Organdysfunktion [92 ]
[93 ]. Eine Laktatmessung wird daher bei allen Patienten mit akuter Organdysfunktion im
Rahmen der HAP aus prognostischen Gründen und zur Steuerung des Volumenmanagements
empfohlen.
Darüber hinaus ist in Analogie zur CAP die klinisch angepasste Evaluation einer akuten
Organdysfunktion unter Einschluss spezifischer Laborparameter insbesondere bei Patienten
mit Komorbiditäten (z. B. kardial, pulmonal, hepatisch, renal, Diabetes mellitus)
notwendig, da die Pneumonie zur Dekompensation bestehender Grunderkrankungen führen
kann [14 ].
Bei Pneumonie durch SARS-CoV-2 sind verschiedene Biomarker wie CRP, LDH, Ferritin,
Transaminasen, Lymphozyten und D-Dimere mit der Prognose im Krankenhaus assoziiert;
wichtigster prognostischer Marker ist jedoch die akute respiratorische Insuffizienz
[94 ]. Bei differenzialdiagnostischen Unsicherheiten und erhöhten D-Dimeren sollte großzügig
eine Angio-CT des Thoraxes durchgeführt werden [94 ]. Zu aktuellen Empfehlungen wird auf die entsprechende Leitlinie verwiesen [94 ].
6.3 Mikrobiologische Diagnostik
6.3.1 Bakteriologische Diagnostik
Welche konventionellen mikrobiologischen Untersuchungen sollten aus respiratorischen
Materialien durchgeführt werden?
Empfehlung 5
Expertenkonsens
Blutkulturen sollen im Rahmen der Diagnostik der HAP entnommen werden.
starke Empfehlung
Mindestens semiquantitative Kulturen sollen aus qualitativ hochwertigen unteren Atemwegsmaterialien wie tracheobronchialem Aspirat
(TBAS) oder bronchoalveolärer Lavage (BALF) angelegt werden. Die resultierenden Erregerzahlen
haben orientierenden Wert und sind nicht als unabhängige Prädiktoren des Vorliegens
einer Pneumonie zu betrachten, sondern vielmehr im klinischen Kontext zu interpretieren.
starke Empfehlung
Darüber hinaus sollte eine Ausstrichdiagnostik zur Validierung der Probe erfolgen. Die Ergebnisse eines
Grampräparats haben keinen prädiktiven Wert hinsichtlich der später isolierten Bakterienspezies.
Dagegen hat ein negatives Grampräparat bei nicht mit Antibiotika vorbehandelten Patienten
einen hohen negativen prädiktiven Wert.
schwache Empfehlung
Im Falle einer geringen Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine Pneumonie kann ein negatives Grampräparat bei nicht vorbehandelten Patienten den Verzicht auf eine
antimikrobielle Therapie stützen.
Empfehlung offen
starker Konsens
Bei HAP nicht beatmeter Patienten werden insgesamt in 9,3 %, bei S.-pneumoniae -Infektionen in 11,4 % positive Blutkulturen gefunden [95 ]. Bei VAP liegt eine Studie bei 162 Patienten vor [96 ]. Blutkulturen waren in insgesamt 27 Fällen (16 %) positiv, wobei dies deutlich häufiger
der Fall war, wenn die BALF ebenfalls positiv war (22/90 gegen 5/72 Fälle). Allerdings
waren Erreger in der Blutkultur in 6/22 Fällen auf eine extrapulmonale Quelle zurückzuführen.
Insgesamt hatte eine positive Blutkultur damit einen prädiktiven Wert von 73 % für
den Nachweis eines Pneumonieerregers; eine Assoziation mit der Schwere der Erkrankung
konnte nicht verifiziert werden. Die Blutkultur bleibt der Goldstandard für die Diagnose
der bakteriämischen Pneumonie. Darüber hinaus ist sie wertvoll für die Therapiesteuerung
und die Diagnose extrapulmonaler Infektionsquellen. Zur Technik der Blutkulturabnahme
wird auf die nationale Sepsis-Leitlinie verwiesen [89 ].
Die Detektion einer Pneumonie mit Legionella spp. ist bei Verwendung kultureller Techniken langwierig. Bei HAP nicht beatmeter
Patienten gehörte L. pneumophila in einer Studie nach S. pneumoniae zu den häufiger nachgewiesenen Erregern [95 ]. Demgegenüber spielt dieser Erreger bei Patienten, die bereits invasiv beatmet sind,
eine untergeordnete Rolle [97 ]. Der Urin-Antigentest selbst hat eine sehr hohe Spezifität von > 99 %, jedoch eine
vergleichsweise niedrige Sensitivität (74 %) [98 ]. Dabei bestehen zwischen den kommerziell verfügbaren Tests deutliche Unterschiede
hinsichtlich der Sensitivität insbesondere bei Isolaten, die nicht zur Serogruppe
1 der Spezies L. pneumophila gehören [99 ]. Ein negativer Legionellen-Antigentest schließt eine Legionellen-Infektion daher
nicht aus. Bei fortbestehendem Verdacht sollte eine weiterführende Diagnostik mittels
Kultur und der PCR aus bronchoalveolärer Lavage durchgeführt werden.
Pneumokokken sind bei 5,1 % nosokomialer Pneumonien (10,3 % bei early onset Pneumonie,
3,3 % bei late onset Pneumonie) in respiratorischen Materialien kulturell nachweisbar
[100 ]. Über die Aussagekraft eines Antigennachweises im Urin bei der HAP liegen wenig
Daten vor [100 ].
Zur Diagnostik der HAP liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Viele dieser Studien
sind unter hohem Aufwand und methodisch hochwertig durchgeführt worden. Die Ergebnisse
können wie folgt zusammengefasst werden:
Nur quantitative (oder semiquantitative) Kulturen ergeben ein zusätzliches Kriterium
für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Pneumonie.
Nicht-kulturelle diagnostische Methoden haben einen sehr begrenzten diagnostischen
Wert.
Es gibt keinen robusten „Goldstandard“ bei der Evaluation diagnostischer Techniken,
auch nicht post mortem gewonnene Gewebshomogenate oder Histologien; dennoch sind Letztere
aktuell die bestmöglichen „Goldstandards“. Aus klinischen Kriterien gewonnene Referenzen
müssen sehr kritisch betrachtet werden. Eine Überlegenheit einer invasiven Diagnostik
unter Zugrundelegung quantitativer Kulturen hinsichtlich des klinischen Therapieerfolgs
hat sich nicht belegen lassen.
Die Untersuchungen bei Verdacht auf HAP werden wie folgt bewertet:
Färbungen
Es sollte die Qualität des TBAS bzw. der BALF validiert werden. Mehr als 25 polymorphkernige
Granulozyten sowie weniger als 10 Plattenepithelien pro Blickfeld sprechen für ein
Material, das repräsentativ für die tiefen Atemwege ist. In einer Studie [101 ] mit 200 HAP-Patienten von 6 Intensivstationen in Spanien wurde die Aussagekraft
nicht-invasiver (Sputum und endotracheales Aspirat) und invasiver (Lavage oder bronchoskopisches
Aspirat) Materialien miteinander verglichen. Ein Erregernachweis gelang häufiger (56
vs. 39 %; p = 0,018) in der Gruppe mit invasiver Diagnostik, was häufiger zu einer
Deeskalation bei der Therapie führte.
Aus differenzialdiagnostischen Erwägungen kann ein Zytozentrifugenpräparat der BAL-Flüssigkeit
(BALF) nach Giemsa gefärbt werden, um eine Differenzialzytologie auf der Basis von
300 ausgezählten Zellen zu erhalten.
Darüber hinaus sollte eine Gramfärbung angefertigt werden, um ggf. eine vorherrschende
Bakterienart zu identifizieren. Der prädiktive Wert hinsichtlich der später isolierten
Spezies ist allerdings gering. Ein negatives Grampräparat aus TBAS oder BALF spricht
bei nicht mit Antibiotika vorbehandelten Patienten gegen eine bakterielle VAP [102 ]
[103 ]. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass der Nachweis grampositiver Haufenkokken
in respiratorischen Materialien von Patienten mit VAP eine Sensitivität von 68 % (49–83 %)
und eine Spezifität von 95 % (86–98 %) für einen kulturellen Nachweis von S. aureus zeigte [104 ]. In Szenarien mit einer Prävalenz von 5–20 % war zwar der positive Vorhersagewert
mit 62 % eher niedrig, der negative Vorhersagewert mit 95 % allerdings hoch.
In einer randomisierten Multicenterstudie [105 ] mit 206 Intensivpatienten mit VAP in Japan wurde der klinische Erfolg einer Therapie,
die sich an Ergebnissen einer Gramfärbung orientierte mit einer Leitlinien-orientierten
Therapie verglichen. Die klinische Erfolgsrate war bei beiden Gruppen nahezu identisch
(76,7 vs. 71,8 %), es ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede in
der Sterblichkeit, der Anzahl beatmungsfreier Tage oder bei Nebenwirkungen. Allerdings
kam es bei der Grampräparat-orientierten Gruppe zu einer Reduktion von Substanzen
mit Wirkung gegen P. aeruginosa und MRSA (38,8 %).
Schließlich kann bei Verdacht auf VAP eine Untersuchung auf intrazelluläre Erreger
in phagozytierenden Zellen („intracellular organisms“, ICO) erfolgen. Es wurden Grenzwerte
von 2–15 % positiver Zellen mit unterschiedlichen Resultaten untersucht. Ein Anteil
von > 5 % ICO spricht bei nicht antimikrobiell vorbehandelten Patienten für das Vorliegen
einer VAP. Zur Diagnose der Erstepisode einer VAP zeigte der Grenzwert von 1,5 % ICO
in einer chinesischen Studie eine gute Testcharakteristik (Fläche unter der ROC 0,956)
[106 ]. Die Sensitivität dieser Untersuchung unter antimikrobieller Vorbehandlung ist jedoch
deutlich reduziert (< 50 %).
Kultur
Die kulturelle Aufarbeitung sollte nach den Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen
Diagnostik (MiQ) mittels serieller Verdünnungstechnik quantitativ erfolgen. Unter
einer quantitativen Kultur versteht man die serielle Auftragung zunehmend verdünnten
respiratorischen Sekrets auf Kulturplatten. I. d. R. werden 3 Verdünnungsstufen angelegt
(1:10, 1:1000, 1:10 000). Alternativ kann eine semiquantitative Aufarbeitung mit nur
2 Verdünnungsstufen vorgenommen werden. Die Technik der quantitativen Kultur dient
der Erfassung der Erregerlast und (bei Patienten mit Verdacht auf HAP) der Unterscheidung
von Kolonisations- und Infektionserregern.
Es handelt sich dabei um eine Schätzung, die sich an der Erregerlast im Sputum bei
Patienten mit Pneumonie orientiert [107 ]. So finden sich im Sputum etwa 105 –106 koloniebildende Einheiten (KBE)/ml. Als Schwellenwerte zur Unterscheidung zwischen
Kolonisation und Infektion ergeben sich somit:
Die Erregerzahlen beziehen sich in den meisten Arbeiten auf unterscheidbare bakterielle
Spezies.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer vorbestehenden antibiotischen
Therapie die Sensitivität deutlich niedriger ist [108 ].
Die quantitative Kultur erlaubt eine bessere Abschätzung der Relevanz bakterieller
Isolate.
Wird der Einsatz von Multiplex-PCR im Rahmen der mikrobiologischen Diagnostik bei
Patienten mit Verdacht auf nosokomiale Pneumonie empfohlen?
Empfehlung 6
evidenzbasiert
Der regelhafte Einsatz von bakteriellen Multiplex-PCR-Systemen bei Patienten mit Verdacht
auf eine nosokomiale Pneumonie kann nicht empfohlen werden.
Empfehlung offen, Empfehlungsgrad 0
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
[109 ]
[110 ]
[111 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Antibiotikatage
Zeit bis zur Deeskalation
Inwieweit neue, molekulare Techniken, die einen gleichzeitigen Erregernachweis und
die Detektion einiger Resistenzgene erlauben, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen
können, bleibt abzuwarten.
Derzeit sind 2 gut untersuchte Multiplex-PCR-Systeme zum Nachweis von bakteriellen
Pneumonieerregern (inklusive Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien, Pneumocystis jirovecii ) und einigen Resistenzgenen kommerziell erhältlich (BioFire FilmArray Pneumonia [bioMerieux],
Unyvero Pneumonia Pannel [Curetis]). Das Unyvero-Pannel umfasst 20 Bakterien und Pneumocystis jirovecii sowie 16 Resistenzgene, der FilmArray 18 Bakterien und 8 Resistenzgene sowie 9 Viren.
Einige retrospektive Studien mit nur wenigen (< 100) HAP-Patienten sind publiziert.
In einer aktuellen Studie [112 ] wurden beide Systeme anhand von 6523 tiefen respiratorischen Materialien von 15
Krankenhäusern verglichen. Es konnten signifikant mehr Erregernachweise erbracht werden
als durch die Kultur (Unyvero 60,4 %; FilmArray 74,2 % vs. Kultur 44,2 %). Für typische
HAP/VAP-Pathogene betrug die Sensitivität und Spezifität vom FilmArray 91,7–100 %
und 87,5–99,5 %, für Unyvero 50–100 % und 89,4–99 %. Der Nachweis von Resistenzgenen
scheint mit einer Fehlerquote zwischen 20 und 30 % nicht sicher zu sein [113 ].
Bislang liegen nur wenige Studien vor, die die klinischen Konsequenzen der molekularbiologischen
Diagnostik hinsichtlich z. B. Antibiotikaverbrauch, Beatmungs-/Liegedauer und Letalität
prospektiv untersucht haben. In einer monozentrischen, prospektiven Studie wurde bei
605 unselektierten nicht-intubierten Patienten mit radiologisch diagnostizierter Pneumonie
die Frage untersucht, ob die Ergebnisse des Curetis unyvero P50 assay aus BALF einen
Einfluss auf die Länge des Krankenhausaufenthalts und auf den Einsatz von Antibiotika
haben. 54 % der Patienten waren immunsupprimiert, die meisten davon mit Zustand nach
Lungentransplantation. Zwar war die Nachweishäufigkeit der molekularbiologischen Methode
deutlich höher als die der kulturellen Analyse (82 vs. 56 %, insbesondere H. influenzae , A. baumannii ), dennoch hatten die molekularbiologischen Ergebnisse keinen Einfluss auf die Länge
des Krankenhausaufenthalts und die Gabe (Dauer und Anzahl) von Antibiotika. Immunkompetente
Patienten hatten häufiger positive Resultate in der Molekularbiologie und Kultur als
immuninkompetente. Insgesamt zeigte die molekularbiologische Methode eine Sensitivität
von 81,3 % und eine Spezifität von 86,9 % (Referenz: Kultur) [111 ].
Die Daten einer großen multizentrischen, randomisierten Studie, die den Einfluss der
Ergebnisse des FilmArrays auf den klinischen Verlauf der Patienten zeigen soll, sind
bislang nicht publiziert [114 ].
Obwohl molekularbiologische Befunde innerhalb von wenigen Stunden vorliegen, sind
Transportzeiten zum Labor, Möglichkeit der taggleichen Abarbeitung und Analyse der
Resultate Faktoren, die dazu führen, dass nicht selten kulturelle Ergebnisse vor molekularbiologischen
Daten auf Station vorliegen. Auf Basis von 3 randomisierten Studien mit nicht unerheblichen
methodischen Schwächen kann der Schluss gezogen werden, dass der Einsatz von Multiplex-PCR-Methoden
nicht zu einer Reduktion der Letalität führt. Ob der Einsatz dieser Methoden zu einer
Reduktion der Therapiedauer oder der Zeit bis zur Deeskalation führt, lässt sich derzeit
nicht sagen.
6.3.2 Mykologische Diagnostik
Bei welchen Patienten sollte eine Diagnostik auf Aspergillus durchgeführt werden?
Empfehlung 7
evidenzbasiert
Auch bei nicht schwergradig immunsupprimierten Patienten mit HAP auf der ITS und Risikofaktoren
für eine invasiv pulmonale Aspergillose (IPA) (Steroidtherapie, COPD, Leberzirrhose,
Malnutrition, Verbrennungen, Diabetes, schwere Influenza- oder COVID-19-Infektion)
soll bei Verdacht auf eine IPA eine rasche und gezielte Diagnostik auf Aspergillus erfolgen.
Für den Aspergillus -Nachweis soll mindestens ein Antigentest auf Galaktomannan (GM) (Grenzwert ≥ 1,0) aus bronchoalveolärer
Lavage und ggf. ergänzende mikrobiologische Verfahren durchgeführt werden.
starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
[115 ]
[116 ]
[117 ]
[118 ]
[119 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Die Diagnostik der invasiven pulmonalen Aspergillose (IPA) ist herausfordernd und
unterscheidet sich erheblich zwischen Patienten mit „klassischen“ Risikofaktoren (z. B.
prolongierte Neutropenie, hämatoonkologische Grunderkrankung, Z. n. Organtransplantation)
und nicht-neutropenen Patienten auf Intensivstation (s. [
Tab. 15
]) [120 ].
Tab. 15
Unterschiede zwischen neutropenen Patienten und nicht-neutropenen ITS-Patienten mit
IPA.
neutropener Patient
Intensivpatient
(ohne Neutropenie)
Pathophysiologie
primär angioinvasiv
primär Lungengewebe-invasiv, später angioinvasiv (Tage)
klinische Symptomatik[* ]
Fieber 95 %, Husten 67 %, thorakale Schmerzen 33 %
häufig nur schwer beurteilbar
radiologisches Bild
„Halo“-Zeichen, „air-crescent“-Zeichen
unspezifische Infiltrate, Konsolidierungen
Diagnosekriterien
modifizierte EORTC/MSG-Kriterien
diverse modifizierte AspICU-Kriterien
EORTC/MSGERC ICU 2020 Kriterien
mykologischer Nachweis
BALF: GM[# ], Mikroskopie, Pilzkultur, ggf. PCR
Serum: GM[# ]
BALF: GM[# ]>, Mikroskopie, Pilzkultur, ggf. PCR
Serum: GM (CAVE schlechte Sensitivität)
GM: Galactomannan-Antigen-Test; LFA: Aspergillus Galactomannan lateral flow assay;
LFD: lateral flow device
* CAVE: bei invasiv-beatmeten Patienten nicht interpretierbar, Limitierung bei bestimmten
diagnostischen Algorithmen.
# ggf. Alternativen zu GM wie LFD oder LFA
Risikofaktoren für eine IPA bei ITS-Patienten beinhalten eine Steroidtherapie, COPD,
Leberzirrhose, Malnutrition, Verbrennungen, Diabetes sowie eine schwere Influenza-
oder COVID-19-Infektion.
Die konventionelle Röntgenuntersuchung des Thoraxes ist zur Differenzialdiagnostik
der IPA ungeeignet. Die wesentlichen Gründe dafür sind die ungenügende Sensitivität
bei der Detektion von frühen pneumonischen Infiltraten und der zunehmend geringer
werdende Dosisvorteil gegenüber der aktuellen CT-Scanner-Generation [121 ].
Lediglich Verlaufskontrollen mit Röntgenthoraxuntersuchungen können Komplikationen
von chronischen pulmonalen Aspergillus-Infektionen wie Pleuraerguss oder Pleuraverschwartung
mit ausreichender Sicherheit diagnostizieren [122 ].
Radiologisch ist vielmehr die Computertomografie des Thorax (CT-Thorax) Mittel der
Wahl. Klassische radiologische Muster sind bei nicht-neutropenen Patienten mit IPA
in aller Regel nicht vorhanden (s. [
Tab. 15
]). Die bei diesen Patienten häufiger anzutreffende bronchoinvasive Form der IPA präsentiert
sich in der CT unspezifisch im Sinne von Tracheal- und Bronchialwandverdickungen,
peribronchialen Milchglasinfiltraten oder Konsolidierungen, Bronchiektasen und fokalen
Zeichen der Bronchiolitis [123 ]
[124 ].
Multiple Herdbefunde sind häufige CT-Befunde in frühen Phasen der IPA. Das Fehlen
von Konsolidierungen oder unscharf begrenzten Raumforderungen („consolidation-or-mass“)
sowie dieser Herdbefunde („macronodules“, Herde zwischen 3 mm bis < 3 cm Größe) kann
die Diagnose einer IPA ausschließen [123 ]. Die Morphologie der mit einer Aspergillus-Infektion einhergehenden Bildbefunde
unterliegt einem dynamischen Wandel. Die Kombination aus fokalen Bronchiektasen mit
angrenzenden peribronchialen Milchglasinfiltraten und Herden mit Halo-Zeichen kann
die Diagnose einer frühen IPA unterstützen [125 ]. Die initial nicht sehr spezifischen Befunde können eine CT-Verlaufskontrolle notwendig
machen [126 ]. Trotz eines klinischen Therapieansprechens kann sich das radiologische Bild in
den ersten 7–10 Tagen auch noch verschlechtern.
In den letzten Jahren wurde an verschiedenen Diagnosekriterien zur IPA bei ITS-Patienten
gearbeitet (z. B. modifizierte Blot-Kriterien, modifizierte AspICU Kriterien etc.),
welche berücksichtigen, dass „klassische“ Risikofaktoren nicht vorliegen bzw. eine
Biopsie zur Diagnosesicherung aufgrund des Komplikationsrisikos häufig nicht durchführbar
ist [127 ]
[128 ]. Eine Unterscheidung zwischen Kolonisation und IPA beim alleinigen kulturellen Nachweis
von Aspergillus spp. aus respiratorischem Material ist nicht möglich.
Schröder und Kollegen verglichen diverse diagnostische Algorithmen für die IPA bei
ITS-Patienten [129 ]. Dabei zeigten die EORTC/MSGERC ICU 2021 Diagnosekriterien die höchste Sensitivität
und Spezifität [130 ]. Unterschieden wird dabei zwischen gesicherter („proven“) und wahrscheinlicher („probable“)
IPA ([
Tab. 16
]). In beiden Fällen ist eine Antimykotikatherapie mit Aspergillus-Wirksamkeit einzuleiten.
Tab. 16
Empfohlene EORTC/MSG-Diagnosekriterien für die gesicherte und wahrscheinliche IPA
bei Patienten auf Intensivstation [130 ].
gesicherte („proven“) IPA
eines der beiden Kriterien muss erfüllt sein:
histopathologischer, zytologischer oder mikroskopischer Nachweis von Hyphen, welche
mit Aspergillus spp. vereinbar sind, aus Nadelaspirat oder Gewebebiopsie und angrenzendem Lungengewebsschaden;
Aspergillus spp. muss in der Folge kulturell oder durch eine PCR bestätigt werden;
kultureller Nachweis von Aspergillus spp. aus primär sterilem Material, gewonnen durch eine sterile Probenentnahme. Zudem
klinische und radiologische Zeichen passend zu einer Infektion.
wahrscheinliche („probable“) IPA
mykologische Evidenz für Aspergillus spp. + mindestens 1 klinisches/radiologisches
Kriterium + mindestens 1 Wirtsfaktor
mykologische Kriterien
mindestens eines der folgenden Kriterien muss erfüllt sein:
Nachweis von Aspergillus spp., in der Zytologie, Mikroskopie und/oder Kultur aus Material des unteren Respirationstrakts
Galactomannan-Antigen-Index > 0,5 im Plasma oder Serum
Galactomannan-Antigen-Index > 1,0 in bronchoalveolärer Lavage
klinisch/radiologische Kriterien
zumindest ein klinisch/radiologisches Kriterium passend zu einer pulmonalen Infektionserkrankung,
welche nicht anders erklärt werden kann:
dichte, gut begrenzte Läsion mit oder ohne Halo-Zeichen
Air-crescent-Zeichen
Kaverne
keilförmige und segmentale oder lobär verteilte Konsolidierung
tracheobronchiale Ulzeration, Pseudomembrane, Nodulus, Plaque oder Schorf (eschar)
in der Bronchoskopie (als Zeichen einer Aspergillus-Tracheobronchitis)
Wirtsfaktoren
zusätzlich sollte mindestens einer der folgenden Wirtsfaktoren (host factors) erfüllt
werden:
Glukokortikoidtherapie entsprechend einer Prednisolondosis von 20 mg oder mehr pro
Tag
chronische Lungenerkrankungen (z. B. COPD, Bronchiektasen)
dekompensierte Leberzirrhose
schwere Influenza-, COVID-19- oder andere schwere Virusinfektion
reduzierte Anzahl oder Funktionsfähigkeit der Neutrophilen (z. B. absolute Anzahl
an Neutrophilen ≤ 500 Zellen/mm3 ; vererbte Funktionsstörungen der Neutrophilen)[* ]
immunsuppressive Therapie (z. B. mTOR oder TNF-alpha-Inhibitoren, Alemtuzumab, Ibrutinib,
Nucleosid-Analoga) während der letzten 90 Tage[* ]
hämatoonkologische Grunderkrankung/HSCT*
solide Organtransplantation[* ]
HIV-Infektion[* ]
* Diese Wirtsfaktoren werden in der hiesigen Leitlinie nicht adressiert.
Modifizierte Diagnosekriterien für die IPA wurden auch für Patienten mit schwerer
COVID-19- oder Influenza-Infektion beschrieben [131 ]
[132 ].
Bei dem Verdacht auf eine IPA bei ITS-Patienten sollte zum Nachweis von Aspergillus spp. eine Mikroskopie und eine Pilzkultur sowie ein Galactomannan (GM)-Antigen-Test
aus der bronchoalveolären Lavage erfolgen. Der GM-Antigen-Test aus dem Plasma/Serum
spielt aufgrund der deutlich schlechteren Sensitivität bei ITS-Patienten eine untergeordnete
Rolle. Aus der bronchoalveolären Lavage weist der GM-Antigen-Test hingegen eine Sensitivität
> 90 % auf [120 ]. Der GM-Antigen-Test aus der BALF wird bei ITS-Patienten als der diagnostische Goldstandard
angesehen. Falsch positive Werte im GM-Antigen-Test können durch Kreuzreaktionen (z. B.
nach Aspiration oder unter einer Therapie mit Piperacillin-Tazobactam) hervorgerufen
werden. Alternativ zum GM-Antigen-Test oder in Ergänzung stehen auch andere Nachweismethoden
zur Verfügung wie der Aspergillus-specific lateral flow device (LFD) und der Aspergillus
galactomannan lateral flow assay (LFA) sowie die PCR bei jedoch geringer Evidenzlage.
Die Sensitivität der Kultur aus der BALF liegt zwischen 30 und 60 % mit einer Spezifität
um 50 % bei intubierten Patienten [133 ]. Es konnte gezeigt werden, dass eine adäquate und zeitgerechte Aspergillus-Diagnostik
zu einer besseren Prognose der Patienten mit Aspergillus-Pneumonie beiträgt [117 ]
[118 ]
[119 ].
Das Trachealsekret bei intubierten Patienten kann hilfreich sein z. B. als Screening
bei Hochrisikopatienten oder wenn eine Bronchoskopie nicht möglich ist. Die Befunde
müssen aber in Zusammenschau mit der Klinik und der Radiologie interpretiert werden.
Nach Möglichkeit sollte der Befund durch eine Bronchoskopie verifiziert werden.
Der histopathologische Nachweis einer IPA sichert zwar die Diagnose einer IPA, spielt
im klinischen Alltag aber eine untergeordnete Rolle. Eine Gewebebiopsie der Lunge
ist häufig aufgrund des Komplikationsrisikos, der schlechten Sensitivität der transbronchialen
Biopsie bei unspezifischen Infiltraten bei ITS-Patienten und der Verfügbarkeit guter
alternativer Tests nicht gerechtfertigt.
6.3.3 Virologische Diagnostik
Wann und wie sollte eine virologische Diagnostik erfolgen?
Empfehlung 8
Expertenkonsens
In Abhängigkeit von der epidemiologischen Situation soll derzeit mindestens auf SARS-CoV-2 und Influenzavirus molekulargenetisch untersucht
werden.
starke Empfehlung
Eine Diagnostik auf andere respiratorische Viren sollte nicht routinemäßig im Rahmen der Erstevaluation durchgeführt werden.
schwache Empfehlung
starker Konsens
Virale Erreger sind eine wahrscheinlich unterschätzte Ursache der HAP [27 ]
[134 ]. Eine große Observationsstudie zeigte, dass eine virologische Diagnostik bei Patienten
mit HAP oftmals unterbleibt [135 ]. Eine Testung auf Influenzaviren erscheint während der jährlichen Influenza-Saison
sowie bei Hinweisen auf nosokomiale Akquisition sinnvoll, da ein Influenzavirus-Nachweis
therapeutische und krankenhaushygienische Konsequenzen hat [136 ]
[137 ]
[138 ]. Dies trifft, zurzeit noch ganzjährig, auch auf SARS-CoV-2 zu. Aus krankenhaushygienischer
Sicht ist die Testung auf RSV trotz fehlender therapeutischer Optionen ebenfalls sinnvoll.
Die beste Evidenz zur Diagnostik viraler Atemwegsinfektionen besteht für die Verwendung
von molekularen Testverfahren [139 ]. Zur Verfügung stehen Testverfahren, die simultan SARS-CoV-2, RSV und Influenzaviren
nachweisen und sowohl am Point-of-Care als auch im Labor durchgeführt werden können.
Geeignete Untersuchungsmaterialien (Herstellangaben beachten) sind u. a. BALF, Trachealsekret,
Nasen-/Rachenabstriche und Sputum. Neue Multiplex-PCR-Formate (sog. „syndromische“
Panels) erlauben einen gleichzeitigen Nachweis von über 20 viralen und teilweise auch
atypischen bakteriellen Erregern und sind in der Sensitivität und Spezifität vergleichbar
mit konventionellen Einzel-PCR-Nachweisen [140 ]. Auch diese können teilweise am Point-of-Care durchgeführt werden [141 ]. Evidenzbasierte Daten zum Einsatz dieser syndromischen Panels zur Diagnostik bei
HAP fehlen zurzeit.
6.3.4 Materialgewinnung
Wann ist eine invasive Diagnostik, wann eine nicht invasive Materialgewinnung vorzuziehen?
Empfehlung 9
evidenzbasiert
Eine bronchoskopische ist einer nicht-bronchoskopischen Diagnostik bei VAP nicht überlegen,
sodass die Entscheidung für oder gegen eine bronchoskopische Diagnostik in Abhängigkeit
von der lokalen Logistik, differenzialdiagnostischen Erwägungen, aber auch möglichen
therapeutischen Aspekten einer endoskopischen Untersuchung getroffen werden soll .
starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A
hohe Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊕
hohe Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊕
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
[142 ]
[143 ]
[144 ]
[145 ]
[146 ]
[147 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
adäquate antiinfektive Therapie
Antibiotikatage
Beatmungstage
Spontan atmende und nichtinvasiv (NIV) beatmete Patienten mit HAP
Es gibt keine Studien, die die invasive Diagnostik bei diesen Patienten vergleichend
zur nichtinvasiven untersucht haben. Grundsätzlich gilt, dass eine nichtinvasive Diagnostik
indiziert ist. Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz sollten nicht
einer invasiven Untersuchung unterzogen werden. Unter NIV kann eine invasive Untersuchung
erfolgen, dies setzt jedoch ein intensivmedizinisches Monitoring und eine entsprechende
Erfahrung des Untersuchers voraus.
Patienten mit VAP
Grundsätzlich gilt, dass die quantitative Kultur der BALF verglichen zu der des Tracheobronchialsekrets
eine höhere Spezifität, jedoch geringere Sensitivität aufweist. Eine Reihe von Studien
haben jenseits des Vergleichs beider diagnostischer Techniken und ihrer operativen
Indizes den Wert der Bronchoskopie mit BAL und/oder PSB vergleichend hinsichtlich
verschiedener Endpunkte wie Dauer der antimikrobiellen Therapie, Rate der inadäquaten
antimikrobiellen Therapien, Hospitalisations- und Beatmungszeit sowie Letalität untersucht
[144 ]
[145 ]
[146 ]. Trotz hohen methodischen Niveaus sind diese Studien aufgrund ihrer methodischen
Heterogenität und z. T. unaufhebbaren Schwächen kaum vergleichbar. Hierzu gehört das
Fehlen eines konsentierten Standards. Auch die Post-mortem-Histologie kann diesen
Anspruch nicht erheben [148 ]
[149 ].
Eine große kanadische multizentrische Studie fand keinen Unterschied hinsichtlich
des klinischen Therapieerfolgs zwischen quantitativer BAL und nicht invasivem, qualitativem
TBAS unter Standardisierung der initialen kalkulierten Antibiotikatherapie [143 ], wobei allerdings die genaue Aufarbeitung und Befundübermittlung des TBAS nicht
beschrieben wurde. Außerdem wurden Infektionen mit MRSA und P. aeruginosa ausgeschlossen, die Ergebnisse sind deshalb nur eingeschränkt übertragbar. Diese
Studie sowie 4 weitere randomisierte Primärstudien mit den beschriebenen Einschränkungen
konnten in einen systematischen Review eingeschlossen werden, welcher von einer Vergleichbarkeit
der Prognose von Patienten mit und ohne invasive Diagnostik ausgeht [142 ].
Weitere Untersuchungen gleicher Qualität, die diese Ergebnisse infrage stellen könnten,
sind bis auf Weiteres nicht zu erwarten.
Eine Reihe von neueren Untersuchungen unterstreicht jedoch die Bedeutung der quantitativen
Kultur der BALF [150 ]. So konnte in einem Vergleich von Mikrobiom und quantitativen Kulturen des respiratorischen
Sekrets gezeigt werden, dass signifikante Kulturergebnisse eine klare Assoziation
zu charakteristischen Änderungen des Mikrobioms im Falle einer Pneumonie (hohe Kopienzahl,
Verlust der Diversität, hohe „abundance“) aufweisen [151 ]. Zudem weist die fehlende Neutrophilie in der BALF einen hohen negativen Prädiktionswert
auf. Auch die Anzahl intrazellulärer Erreger liefert wichtige Informationen [150 ]. Die Visualisierung distaler purulenter Sekretionen sowie die Persistenz distaler
Sekretionen während der Exspiration sind als unabhängige Prädiktoren für eine Pneumonie
beschrieben worden [152 ]. Schließlich ermöglicht die BALF eine zusätzliche Untersuchung auf die zuletzt im
Rahmen der HAP bedeutsamer gewordenen Viren (zuletzt v. a. SARS-CoV-2, aber auch Influenza)
und Pilze (v. a. Aspergillus spp., hier auch durch Bestimmung des Galaktomannans). Auch wenn die Multiplex-PCR
nicht allgemein etabliert ist, bietet nur die BALF die Möglichkeit einer entsprechenden
Untersuchung.
Vor diesem Hintergrund bleibt zwar das nicht invasiv gewonnene und meist problemlos
verfügbare Tracheobronchialsekret in der Initialdiagnostik ein hinreichendes Material
für die mikrobiologische Erregerdiagnostik. Aufgrund der potenziellen Vorteile der
BALF sollte jedoch eine Bronchoskopie mit BALF erwogen werden.
In folgenden Differenzialindikationen wird eine invasive Diagnostik empfohlen:
Verdacht auf mit der Infektion assoziierte Atelektasen, bronchiale Blutungen oder
Raumforderungen, die endoskopisch identifiziert und ggf. bereits bronchoskopisch bzw.
interventionell therapiert werden können,
begründeter Verdacht auf eine Pneumonie durch Pilze, speziell Aspergillus spp., sowie ggf. auch virale Erreger,
unzureichende Ausbeute bei der Gewinnung von Tracheobronchialsekret,
Therapieversagen (s. Empfehlung 24).
Folgende Kontraindikationen gegen eine invasive Diagnostik sind zu beachten:
Eine relative Kontraindikation gegen eine BAL besteht bei abszedierenden Pneumonien
wegen der Gefahr der Erregerverschleppung während der Untersuchung.
Bei beatmeten Patienten besteht eine relative Kontraindikation gegen eine BAL in der
schweren respiratorischen Insuffizienz (PaO2 /FIO2 < 100). So konnte gezeigt werden, dass eine BAL unabhängig vom Lavagevolumen zu einer
Reduktion der Oxygenierung auch über 24 Stunden hinausführt, insbesondere dann, wenn
tatsächlich eine Pneumonie vorliegt [153 ].
Kontraindikationen gegen bronchoskopisch gewonnenes Tracheobronchialsekret bestehen
bei beatmeten Patienten nicht.
Welche Standards werden bei der Materialgewinnung empfohlen?
Empfehlung 10
Expertenkonsens
Die nicht invasive Materialgewinnung soll mithilfe steriler Katheter und Auffanggefäße erfolgen.
Falls eine Bronchoskopie durchgeführt wird, sollen die im Hintergrundtext aufgeführten, auf dem Konsensus erfahrener Untersucher beruhenden
Empfehlungen zur Durchführung der Endoskopie bei Pneumonien beachtet werden.
starke Empfehlung
starker Konsens
Die hier aufgeführten Empfehlungen sind den Ergebnissen einer Konsensuskonferenz entnommen,
bei der die Erfahrungen internationaler Experten zusammengetragen wurden, die an der
Entwicklung der BAL-Diagnostik bei VAP maßgeblich beteiligt waren [107 ]. Für die meisten dargestellten Maßnahmen liegen keine Daten aus kontrollierten Studien
vor.
Timing der Untersuchung
Die Probengewinnung sollte grundsätzlich vor Einleitung einer kalkulierten antimikrobiellen
Therapie erfolgen. Auch eine bronchoskopische Untersuchung sollte zum Zeitpunkt des
Verdachts auf eine HAP/VAP oder eines Therapieversagens möglichst umgehend erfolgen.
Für eine diagnostische Maßnahme darf die Einleitung der Therapie insbesondere bei
hämodynamisch instabilen Patienten nicht länger als eine Stunde verschoben werden
[154 ]. Unabhängig vom gewählten Verfahren sollten bei der Materialentnahme Hinweise zur
Vermeidung von Kontaminationen beachtet werden ([
Tab. 17
]).
Tab. 17
Methodische Voraussetzungen zur Gewinnung qualitativ hochwertiger diagnostischer Proben
aus dem unteren Respirationstrakt.
Probe
Voraussetzungen
Tracheobronchialaspirat
Absaugung des Sekrets aus dem Tubus
tiefes Einführen eines frischen sterilen Katheters mit angeschlossenem Auffanggefäß,
dann erst Absaugung aktivieren
keine vorherige Instillation von Kochsalzlösung
Bronchoskopie
gute Sedierung
bei intubierten Patienten sollte auf die Anwendung von Lokalanästhetika verzichtet
werden
keine Aspiration über den Arbeitskanal des Bronchoskops vor Gewinnung der respiratorischen
Sekrete
Vorbestehende antimikrobielle Therapie
Falls eine Umstellung der antimikrobiellen Therapie geplant ist, sollte die Diagnostik
vor Gabe neuer antimikrobieller Substanzen erfolgen [108 ]. Ein Vorteil eines sog. „diagnostischen Fensters“ mit Antibiotikapause ist nicht
nachgewiesen. Die Diagnostik sollte daher umgehend erfolgen und die neue kalkulierte
antimikrobielle Therapie sollte danach ohne Verzögerungen begonnen werden.
Techniken der Materialgewinnung
Bei der nicht invasiven Gewinnung von tracheobronchialem Aspirat (TBAS) müssen bei
der Abnahme sterile Katheter und dicht schließende Auffanggefäße verwendet und eine
Kontamination mit Material aus dem Oropharynx muss so weit wie möglich vermieden werden.
Die bronchoskopische Erregerdiagnostik umfasst heute i. d. R. eine BAL. Die protected
specimen brush (PSB) ist wenig verbreitet, kostenintensiv und im Prinzip entbehrlich.
Probenmenge
Laut MiQ sollen bei Sputum, Bronchialsekret und TBAS mehr als 1 ml eingesandt werden,
bei Mini-BAL 10–20 ml, bei BAL 30–100 ml. Die Probenmenge ist für die Durchführung
mikrobiologischer Analysen i. A. nicht kritisch, die Probe sollte allerdings repräsentativ
gewonnen sein.
Bronchoalveoläre Lavage (BAL)
Nach Erreichen der Wedge-Position im Segmentostium werden z. B. 6-mal 20 ml körperwarme
0,9 %-ige NaCl instilliert und sofort reaspiriert. Bei einer Rückgewinnung von 40–50 ml
sollte die Lavage beendet werden. Im Falle einer schlechten Rückgewinnung können weitere
40 ml appliziert werden. Die erste rückgewonnene Portion aus der BAL wird verworfen.
Die übrigen Portionen werden gepoolt und ggf. aliquotiert.
Verarbeitung nicht invasiv und invasiv gewonnener Proben
Die Probenverarbeitung sollte innerhalb von spätestens 4 Stunden nach Entnahme erfolgen.
Lässt sich ein längerer Zeitraum bis zur Verarbeitung nicht vermeiden, muss das Material
gekühlt (4–8 °C) gelagert und transportiert werden. Unter diesen Bedingungen verschlechtert
sich insgesamt die Aussagekraft der Untersuchungen auch bei 24-stündiger Lagerung
nicht wesentlich [155 ]
[156 ]. Andernfalls drohen empfindliche Erreger abzusterben (z. B. Pneumokokken, H. influenzae ) und es besteht die Gefahr der Überwucherung durch schnell wachsende Mikroorganismen,
die durch ihre Vermehrung eine falsch hohe Menge einer nicht am Geschehen beteiligten
Spezies vortäuschen können.
6.4 Bildgebung
Welche bildgebenden Verfahren sind in der Diagnostik der HAP indiziert?
Empfehlung 11
Expertenkonsens
Erstdiagnose:
Bei Verdacht auf eine HAP soll eine Röntgenuntersuchung des Thoraxes im Stehen in 2 Ebenen in Hartstrahltechnik
in Inspiration durchgeführt werden. Bei immobilen Patienten wird eine Röntgenuntersuchung
in einer Ebene möglichst im Sitzen, alternativ im Liegen durchgeführt.
starke Empfehlung
Falls die Röntgenthoraxaufnahme kein eindeutiges Korrelat für eine Pneumonie ergibt
und eine Änderung der Behandlungsstrategie zu erwarten ist, sollten weitere bildgebende Verfahren (Thorax-Sonografie, -CT) durchgeführt werden.
schwache Empfehlung
starker Konsens
Im Gegensatz zur CAP gibt es zur Bildgebung der HAP unverändert nur wenige Daten.
Digitale Bildgebung und -befundung sind aus Qualitätsgründen unabdingbar [157 ]. Falls Röntgenvoraufnahmen, auch externe Vorbefunde, existieren, sollten diese zum
Vergleich hinzugezogen werden.
Nicht stehfähige Patienten sollten im Sitzen am Stativ geröntgt werden. Aufgrund der
besseren Entfaltung der Lunge in aufrechter Position, dem Auslaufen von Ergüssen nach
basal und der Möglichkeit zum Einsatz eines beweglichen Streustrahlenrasters ist dieses
Vorgehen zu bevorzugen. Die Aufnahme im Sitzen vor dem Stativ entspricht bei ausreichender
Mitarbeit des Patienten weitgehend der Standardaufnahme im Stehen. Der zu erwartende
Anteil fehlerhafter Aufnahmen im Sinne von nicht orthograd erfassten Thoraxstrukturen
und Verkippungsphänomenen ist dagegen bei der Sitzend-Aufnahme im Bett höher als bei
der Liegend-Aufnahme.
Zur Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit der Röntgenthoraxuntersuchung im Liegen
sollten Qualitätsparameter eingeführt und deren Einhaltung kontrolliert werden ([
Tab. 18
]).
Tab. 18
Qualitätsparameter bei Röntgenthoraxaufnahmen im Liegen (basierend auf [158 ]).
Parameter
Anforderung
Lagerung
Eine symmetrische, möglichst streng horizontale Positionierung des Patienten in Rückenlage
auf der Detektoreinheit (Filmkassette, Speicherfolie o. Ä.) ist notwendig. Insbesondere
bei adipösen Patienten ist ein Streustrahlenraster zu bevorzugen.
Vorbereitung
Alle extrakorporalen Installationen im Bereich des Thoraxes (Katheter, Kabel, Beatmungsschläuche
etc.) müssen entfernt bzw. verlagert und fixiert werden, soweit für den Untersuchungszeitraum
klinisch zu vertreten.
Aufnahme
Die Exposition (d. h. Belichtung) der Detektoreinheit muss zum Zeitpunkt der maximalen
Inspiration erfolgen
Dokumentation
Dokumentation der Belichtungsparameter:
KV (90–110 kV) und mAs
Belichtungszeit (möglichst kurze Expositionszeit)
Fokus-Detektor-Abstand (in cm, empfohlen sind 90–120 cm) sowie
Beatmungsparameter:
inspiratorischer Beatmungsdruck (ggf. PEEP), PaO2 , FIO2
ggf. anliegender Sog oder Abklemmung an Drainagen
Die Befundung in Form eines strukturierten Reports [159 ] führt zu einer erhöhten Befundqualität und verbesserten klinischen Akzeptanz [160 ]. Die Etablierung einer strukturierten Befundung sollte daher angestrebt werden.
Die diagnostische Wertigkeit der Röntgenaufnahme des Thoraxes wird zumeist gegen die
Computertomografie verglichen. Die Sensitivität der Thoraxröntgenuntersuchung liegt
demnach in prä- und postmortalen Studien zwischen 25–70 %, die Spezifität bei 30–93 %.
Die Diagnose einer VAP mittels Röntgenuntersuchung im Liegen ist nur sehr eingeschränkt
möglich. So bestand in einer Studie bezogen auf den Goldstandard der Histopathologie
bezüglich des Nachweises von Infiltraten im Röntgenthorax zwar eine hohe Sensitivität
von 89 %, die Spezifität betrug jedoch nur 26 % [75 ].
Den höchsten Stellenwert für die Diagnose einer Pneumonie im Röntgenbild haben multiple
Bronchopneumogramme mit einer Prädiktionsrate von ca. 64 % [66 ]. Röntgenthoraxuntersuchungen bei postoperativen Patienten mittels Aufnahmetechnik
im Liegen zeigen eine Sensitivität von 50–70 % und eine Spezifität von 80–100 % für
die Detektion von Konsolidierungen (Infiltrate und Atelektasen), bezogen auf die CT
als Referenzstandard. In den Unterfeldern, insbesondere retrokardial, werden Befunde
am häufigsten übersehen [161 ]. Daher sollte die Thoraxuntersuchung wenn immer möglich in der Radiologie erfolgen,
z. B. als Thoraxübersicht in aufrechter Position anlässlich der Verlegung von der
Intensiv- oder Überwachungsstation auf die Normalstation oder als CT, wenn aus anderen
Gründen eine andere CT-Untersuchung angefertigt wird.
Routinemäßige Verlaufskontrollen des Röntgenbefunds sind auch auf Intensivstationen
nicht indiziert [162 ]. Verlaufsaufnahmen innerhalb von 48–72 h sollten ggf. zur Überprüfung der Diagnose
bzw. zum Erkennen von Therapieversagen sowie bei neuen klinischen Ereignissen durchgeführt
werden [163 ].
Falls die Röntgenthoraxaufnahme kein Infiltrat zeigt, klinisch jedoch der Verdacht
auf eine Pneumonie besteht, sollte der Einsatz der CT geprüft werden, da einige Lungenabschnitte
in der Thoraxübersichtsaufnahme nicht ausreichend überlagerungsfrei dargestellt und
interstitielle Infiltrate schwer erkennbar sein können [164 ]
[165 ]
[166 ]. Eine Niedrigdosis-CT ohne intravenöses Kontrastmittel ist dabei zur Identifikation
eines Infiltrats ausreichend.
Valide Daten zum Einsatz der Computertomografie für die Diagnose einer HAP liegen
nicht vor. Eine CT-Untersuchung des Thoraxes ist insbesondere bei therapierefraktären
Infiltraten aus differenzialdiagnostischen Erwägungen zu begründen. Damit können Infiltratausschluss
und relevante Differenzialdiagnosen mit Pneumonie-ähnlichen Mustern in der konventionellen
Röntgenuntersuchung besser differenziert werden, wie etwa alveoläre Einblutung, Infarktpneumonie
nach Lungenembolie, kardiales Ödem, Atelektase oder die organisierende Pneumonie [167 ]. Bei einem V. a. eine Lungenarterienembolie sollte eine Angio-CT-Technik mit intravenösem
Kontrastmittel genutzt werden. Mit der i. v. kontrastverstärkten CT ist auch die Differenzierung
von organisiertem Infiltrat und Atelektase möglich. Voraussetzung für eine effektive
CT-Diagnostik ist dabei die entsprechende Kommunikation der Fragestellung mit dem
Radiologen, da die jeweilige Kontrastmittelphase im CT (pulmonalarteriell, aortal,
venös) auf die jeweilige Fragestellung abgestimmt werden muss.
Die Thoraxsonografie kann neben der Diagnosesicherung der Pneumonie auch zur kurzfristigen
Verlaufskontrolle eingesetzt werden. Darüber hinaus ist mit dem Ultraschall die Differenzierung
von Atelektase, Erguss, Lungenödem, peripherer Raumforderung und Lungenembolie möglich
und es können Komplikationen (z. B. Empyem, Infarktpneumonie) detektiert werden.
Aufgrund der guten Verfügbarkeit in der Intensivmedizin kann der Ultraschall als zusätzliche
Methode zur Diagnose der VAP verwendet werden [168 ]. Der Nachweis von 2 Bronchopneumogrammen hatte in einer aktuellen Studie an 99 Patienten
einen positiv prädiktiven Wert für VAP von 94 %, in Kombination mit einer Gramfärbung
aus dem Aspirat lag die Sensitivität bei 77 % mit einer Spezifität von 78 % [169 ]. Bezogen auf die CT als Referenzstandard konnten Bourcier et al. in ihrer Studie
an 144 Patienten eine Überlegenheit der Lungensonografie gegenüber dem Thoraxröntgen
für die Diagnose einer Pneumonie zeigen [170 ].
Mit einer Pneumonie sind folgende Zeichen in der ausführlichen Ultraschalluntersuchung
assoziiert:
eine oder mehrere pulmonale Konsolidierungen,
juxtapleurale Konsolidierungen mit oder ohne B-Linien,
der Nachweis eines intrapulmonalen farbcodierten Doppler-Signals innerhalb der Konsolidierung
und
der Nachweis eines statischen oder dynamischen Bronchopneumogramms innerhalb der Konsolidierungen
[171 ]
[172 ].
Zu berücksichtigen sind der zeitliche und damit personelle Aufwand sowie die Begrenzung
der Eindringtiefe auf den Subpleuralraum. Die eingeschränkte Reproduzierbarkeit und
insbesondere die ausgeprägte Abhängigkeit von der Erfahrung des Untersuchers sind
limitierende Faktoren.
7 Therapie
7.1 Antimikrobielle Therapie
7.1.1 Antibakterielle Substanzen
Die Leitliniengruppe hat sich aus Gründen der Übersichtlichkeit entschieden, die Antibiotika
zur Therapie der nosokomialen Therapie in einer Tabelle zusammenzufassen, auf die
an dieser Stelle verwiesen werden soll ([
Tab. 19
]).
Tab. 19
Antibiotika zur Therapie der nosokomialen Pneumonie.
Antibiotikum
Dosierung
erfasste Pneumonieerreger
Bemerkung
Penicilline
Penicillin G
4-mal 5 Mio. IU oder 3-mal 10 Mio. IU i. v.
Pneumokokken
zur gezielten Therapie bei Nachweis sensibler Pneumokokken
Flucloxacillin
4-mal 3 g i. v.
6-mal 2 g i. v.
S. aureus (MS)
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch MSSA
Ampicillin
3–4-mal 2 g i. v.
3-mal 5 g i. v.
Pneumokokken
H. influenzae
zur gezielten Therapie bei Nachweis sensibler Erreger
Amoxicillin/Clavulansäure
3-mal 2,2 g i. v. (2 g Amoxicllin + 0,2 g Clavulansäure)
Pneumokokken
S. aureus (MS)
H. influenzae
einige Enterobacterales
nosokomiale Pneumonie ohne Risikofaktoren für MRE
Ampicillin/Sulbactam
3-mal 3 g i. v. (2 g Ampicillin + 1 g Sulbactam)
> 80 kg KG
4-mal 3 g i. v. (2 g Ampicillin + 1 g Sulbactam)
Pneumokokken
S. aureus (MS)
H. influenzae
einige Enterobacterales
nosokomiale Pneumonie ohne Risikofaktoren für MRE
Piperacillin/Tazobactam
Standarddosis:
4-mal 4,5 g (4 g Piperacillin + 0,5 g Tazobactam) i. v. über 30 min
oder
3-mal 4,5 g (4 g Piperacillin + 0,5 g Tazobactam) i. v. über 4 h
oder
hohe Dosierung:
4-mal 4,5 g (4 g Piperacillin + 0,5 g Tazobactam) i. v. über 3 h
Pneumokokken
S. aureus (MS)
H. influenzae
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
nosokomiale Pneumonie mit Pseudomonas-Risiko
hohe Dosierung bei Infektion mit P. aeruginosa
prolongierte Infusion über 3 h generell bei kritisch kranken Patienten empfohlen (bei Therapiestart loading dose
1-mal 4,5 g als Kurzinfusion)
Cephalosporine
Cefazolin
3(–4)-mal 2 g i. v.
Pneumokokken
S. aureus (MS)
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch MSSA
Cefotaxim
3–4-mal 2 g i. v.
Höchstdosis: 12 g/d
Pneumokokken
H. influenzae
viele Enterobacterales
nosokomiale Pneumonie ohne Risikofaktoren für MRE
Ceftriaxon
1-mal 2 g i. v.
Pneumokokken
H. influenzae
viele Enterobacterales
nosokomiale Pneumonie ohne Risikofaktoren für MRE
Ceftazidim
3-mal –1–2 g i. v.
H. influenzae
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
ggf. Acinetobacter baumannii
gezielte Therapie bei Nachweis von P. aeruginosa : hohe Dosierung (3-mal 2 g)!
Cave: keine hinreichende Aktivität gegenüber Pneumokokken und S. aureus
Cefepim
2–3-mal 2 g i. v.
Pneumokokken
S. aureus (MS)
H. influenzae
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
nosokomiale Pneumonie mit Pseudomonas-Risiko oder gezielte Therapie bei Nachweis sensibler
Erreger
Carbapeneme
Imipenem/Cilastatin
3–4-mal 1 g i. v.
Pneumokokken
S. aureus (MS)
H. influenzae
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
A. baumannii
pneumogene Sepsis, nosokomiale Pneumonie mit Risiko für resistente gramnegative Erreger,
einschließlich P. aeruginosa
Meropenem
Standarddosis:
3-mal 1 g über 30 min
hohe Dosis:
3-mal 2 g i. v. über 3 h
Pneumokokken
S. aureus (MS)
H. influenzae
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
A. baumannii
pneumogene Sepsis, nosokomiale Pneumonie mit Risiko für resistente gramnegative Erreger,
einschließlich P. aeruginosa
prolongierte Infusion über 3 h bei kritisch kranken Patienten empfohlen (bei Therapiestart 0,5–1 g loading dose
als Kurzinfusion)
Aminoglykoside
Tobramycin
1-mal 6 mg/kg i. v.
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
A. baumannii
nur zur Kombinationstherapie
Talspiegelkontrolle < 1 mg/l, wenn länger als 3 Tage im Einsatz
Glykopeptide
Teicoplanin
Initialdosis:
2-mal 0,4 g i. v. (entsprechend mindestens 6 mg/kg Körpergewicht) alle 12 Stunden
für 3 Anwendungen
Erhaltungsdosis:
6 mg/kg Körpergewicht intravenös einmal täglich
Pneumokokken
S. aureus (MS und MR)
Pneumonie durch MRSA
Talspiegelkontrolle: Zielwert: > 20 mg/l
Vancomycin
Initialdosis 15–20 mg/kg (bei sehr schweren Infektionen 25–30 mg/kg, maximal 3000 mg)
Erhaltungsdosis (1 h): Dosierung nach Spiegelbestimmung (TDM), Zielspiegel: intermittierende
Dosierung 15–20 mg/l, kontinuierliche Gabe 20–25 mg/l
Pneumokokken
S. aureus (MR)
Pneumonie durch MRSA
Dosierungshilfe:
https://www.vancoeasy.de
Vorteil der kontinuierlichen Gabe hinsichtlich Toxizität
Fluorchinolone
Ciprofloxacin
Standarddosis:
2-mal 0,5 g p. o.
2-mal 0,4 g i. v.
hohe Dosis:
2-mal 0,75 g p. o.
3-mal 0,4 g i. v.
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
kalkulierte Kombinationstherapie bei nosokomialer Pneumonie mit Risiko für P. aeruginosa oder gezielte Therapie bei Nachweis von P. aeruginosa: hohe Dosierung!
Levofloxacin
Standarddosis:
1-mal 0,5 g i. v., p. o.
hohe Dosis:
2-mal 0,5 g i. v., p. o.
Pneumokokken
S. aureus (MS)
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
nosokomiale Pneumonie ohne Risikofaktoren für MRE
Moxifloxacin
1-mal 0,4 g i. v., p. o.
Pneumokokken
S. aureus
viele Enterobacterales
nosokomiale Pneumonie ohne Risikofaktoren für MRE
andere Antibiotika
Cotrimoxazol
Standarddosis:
2-mal 960 mg (160 mg Trimethoprim + 800 mg Sulfamethoxazol) p. o. oder i. v.
hohe Dosis:
2-mal 1440 mg (240 mg Trimethoprim + 1200 mg Sulfamethoxazol) p. o. oder i. v.
höchste Dosierung:
8–12 mg/kgKG/d in 3 Einzeldosen (bezogen auf Trimethoprim-Anteil)
S. aureus
H. influenzae
viele Enterobacterales
S. maltophilia
Infektionen durch Stenotrophomonas maltophilia : höchste Dosierung
Fosfomycin
3-mal 4–5 g i. v. (bei schweren Infektionen bis 24 g)
S. aureus (MS und MR)
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
Kombinationstherapie bei z. B. abszedierender S.-aureus -Pneumonie, Kombinationstherapie bei multiresistenten gramnegativen Erregern
Linezolid
2-mal 0,6 g i. v., p. o.
Pneumokokken
S. aureus (MS und MR)
Pneumonie durch MRSA
ggf. gezielte Therapie bei MSSA oder Pneumokokken bei Betalaktam-Allergie
Reserveantibiotika neu[* ]
Cefiderocol
3-mal 2 g i. v. über 3 h
viele Carbapenem-resistente Enterobacterales (KPC, OXA-48, MBL)
P. aeruginosa
A. baumannii
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch sensible gramnegative Erreger, bei denen
andere AB nicht wirken
Ceftazidim/Avibactam
3-mal 2,5 g (2 g Ceftazidim + 0,5 g Avibactam) i. v. (Applikation über 2 h)
viele Carbapenem-resistente Enterobacterales (KPC, OXA-48)
P. aeruginosa (DTR)
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch sensible gramnegative Erreger, bei denen
andere Antibiotika nicht wirken
Kombination mit Aztreonam zur gezielten Therapie bei Enterobacterales mit Metallo-Carbapenemasen
Ceftolozan/Tazobactam
3-mal 3 g (2 g Ceftolozan + 1 g Tazobactam) i. v. (Applikation über 1 h)
P. aeruginosa (DTR)
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch sensible P. aeruginosa , bei denen andere AB nicht wirken
Imipenem/Cilastatin/Relebactam
4-mal 1,25 g (Imipenem 0,5 g + Cilastatin 0,5 g + Relebactam 0,25 g) i. v. über 30 min
Carbapenem-resistente Enterobacterales (KPC)
P. aeruginosa (DTR)
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch sensible gramnegative Erreger, bei denen
andere AB nicht wirken
Meropenem/Vaborbactam
3-mal 4 g (Meropenem 2 g + Vaborbactam 2 g) i. v., Applikation über 3 h
Carbapenem-resistente Enterobacterales (KPC)
zur gezielten Therapie bei Infektionen durch sensible gramnegative Erreger, bei denen
andere AB nicht wirken
Reserveantibiotika alt
Aztreonam
3-mal 1 g – 4-mal 2 g i. v.
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
Kombination mit Ceftazidim/Avibactam zur gezielten Therapie bei Enterobacterales mit
Metallo-Carbapenemasen
ggf. zur gezielten Therapie bei Pneumonien durch sensible gramnegative Erreger, bei
denen andere AB nicht wirken
Ceftobiprol
3-mal 0,5 g i. v. (Applikation über 2 h)
Pneumokokken
S. aureus (MS und MR)
H. influenzae
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
zur gezielten Therapie bei Nachweis sensibler Erreger HAP (NICHT VAP)
Colistin
Initialdosis 9 Mio. IE
Erhaltungsdosis 2-mal 4,5 Mio. IE/d i. v.
Höchstdosis 3-mal 4 Mio. IE/d i. v. nur in Ausnahmefällen
viele Enterobacterales
P. aeruginosa
A. baumannii
zur gezielten Kombinationsbehandlung bei Pneumonien durch gramnegative Erreger, bei
denen die neuen Reserveantibiotika nicht wirken
* Als Reserveantibiotika neu werden Substanzen bezeichnet, die durch den GBA entsprechend
eingestuft wurden.
Die Anforderungen des GBA für den Einsatz der „neuen“ Reserveantibiotika wurden bzgl.
einer strengen Indikationsstellung festgelegt. Es muss im Einzelfall immer überprüft
werden, ob wirklich nur dieses Antibiotikum zur Behandlung infrage kommt. Das RKI
hat dazu eine nicht abschließende Liste veröffentlicht, zu der der folgende Link führt.
Hier sind die Kriterien zur Einstufung aufgeführt. https://www.rki.de/DE/Content/Institut/OrgEinheiten/Abt3/FG37/Einstufung_als_Reserveantibiotikum.pdf?__blob=publicationFile
Alle aufgeführten Substanzen haben potenzielle unerwünschte Wirkungen, z. T. schwere.
Hier wird auf die Fachinformationen verwiesen.
Wann soll die antimikrobielle Therapie begonnen werden?
Empfehlung 12
Expertenkonsens
Nach Etablierung der Arbeitsdiagnose nosokomiale Pneumonie soll
die Antibiotikatherapie nach Entnahme von adäquatem Untersuchungsmaterial so früh
wie möglich erfolgen
bei Patienten mit septischem Schock eine Antibiotikatherapie innerhalb der ersten
Stunde gegeben werden.
starke Empfehlung
mehrheitliche Zustimmung
Eine Studie in einem Notfallzentrum zeigte, dass Verzögerungen bei der ersten Verabreichung
antimikrobieller Substanzen bei Patienten mit Verdacht auf eine Infektion zu einem
Anstieg der Wahrscheinlichkeit eines septischen Schocks führten [173 ]. Für ambulant erworbene Pneumonien konnte dies gezeigt werden, jedoch gibt es für
die nosokomiale Pneumonie keine entsprechenden Daten. In einer Untersuchung von Patienten
mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock waren Verzögerungen mit einem schlechteren
Outcome assoziiert, allerdings war nur bei 10 % der Fälle ein pneumogener Fokus nachweisbar
[174 ].
Die Empfehlung, bereits bei Verdacht auf eine nosokomiale Pneumonie eine kalkulierte
antibiotische Therapie zu beginnen, gilt uneingeschränkt für Patienten im septischen
Schock.
Die Datenlage ist weniger eindeutig für Patienten ohne septischen Schock. Dessen ungeachtet
zwingen die Schwierigkeiten der Diagnostik zu einer Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit
des Vorliegens einer Pneumonie, die im positiven Fall eine umgehende kalkulierte antibiotische
Therapie nach sich zieht. Entscheidend für die Limitierung nicht indizierter Antibiotikagaben
bleibt die sorgfältige Überprüfung der Verdachtsdiagnose einer Pneumonie.
Die Empfehlungen zur kalkulierten antimikrobiellen Therapie folgen dem Vorliegen eines
Risikos für MRE und P. aeruginosa . Die relevante Multiresistenz im grampositiven Bereich ist MRSA.
Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie
zu empfehlen?
Empfehlung 13
Expertenkonsens
Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für MRE und Pseudomonas aeruginosa (s. [
Tab. 14
]) sollen primär Aminopenicilline mit Betalaktamase-Inhibitor oder Cephalosporine der Gruppe
3a eingesetzt werden. Nachrangig können pneumokokkenwirksame Fluorchinolone verwendet
werden.
Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE inklusive Pseudomonas aeruginosa
sollen – Piperacillin/Tazobactam, Cefepim oder Meropenem eingesetzt werden. Kombinationspartner
sind pseudomonaswirksame Fluorchinolone, Fosfomycin oder Aminoglykoside.
Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils getroffen werden.
starke Empfehlung
starker Konsens
Die Datenbasis zu Erregerspektrum und Therapie der nosokomialen Pneumonie bei Patienten
ohne invasive Beatmung und anderen Risikofaktoren für MRE ist außerordentlich schmal.
Die Patientenkollektive sind heterogen und die Erregernachweisrate liegt deutlich
niedriger als bei der VAP. Es wurden Piperacillin/Tazobactam, Cephalosporine der Gruppen
3a und 3b, Carbapeneme und Moxifloxacin geprüft, ohne dass eine Überlegenheit einer
Substanz hinsichtlich Sterblichkeit oder klinischem Therapieerfolg gefunden wurde
[175 ]
[176 ]
[177 ].
In 2 Studien wurde mit Erfolg versucht, Patienten nach dem Vorhandensein von Risikofaktoren
für Infektionen mit P. aeruginosa und anderen Nonfermentern zu stratifizieren [176 ]
[178 ]. Hierbei spielen neben einer Beatmungstherapie strukturelle Lungenerkrankungen,
Dauer des Krankenhausaufenthalts vor Beginn der Pneumonie (early onset vs. late onset)
und Schweregrad der Pneumonie eine Rolle. In der nach diesen Kriterien durchgeführten
Studie von Yakovlev et al. war in einem Kollektiv von Patienten ohne erhöhtes Risiko
für MRE eine nicht pseudomonaswirksame Therapie der Gabe eines pseudomonaswirksamen
Cephalosporins gleichwertig [178 ].
Bei niedrigem Risiko für MRE ([
Tab. 14
]) erscheint eine Therapie mit begrenztem Wirkspektrum möglich ([
Tab. 20
]). Bei der Substanzauswahl sollten lokales Erregerspektrum und Resistenzdaten berücksichtigt
werden.
Tab. 20
Kalkulierte Therapie bei nosokomialer Pneumonie.
Patienten OHNE septischem Schock
OHNE erhöhtem Risiko für MRE ([
Tab. 14
])
MIT erhöhtem Risiko für MRE ([
Tab. 14
])
Aminopenicillin/BLI
Pseudomonas-wirksames Betalaktam
Ampicillin/Sulbactam
3–4-mal 3 g i. v.
Piperacillin/Tazobactam
4-mal 4,5 g i. v.
Amoxicillin/Clavulansäure
3-mal 2,2 g i. v.
ODER
ODER
Cefepim
2–3-mal 2 g i. v.
Cephalosporin Gr. 3a
ODER
Ceftriaxon
1-mal 2 g i. v.
Meropenem
3-mal 1–2 g i. v.
Cefotaxim
3–4-mal 2 g i. v.
ODER
Fluorchinolon
Moxifloxacin
1-mal 0,4 g i. v. oder p. o.
Levofloxacin
2-mal 0,5 g i. v. oder p. o.
Patienten MIT septischem Schock
OHNE weiterem Risikofaktor für MRE ([
Tab. 14
])
MIT weiterem Risikofaktor für MRE ([
Tab. 14
])
Monotherapie
Kombinationstherapie
Carbapenem
Pseudomonas-wirksames Betalaktam
Meropenem
3-mal 1–2 g i. v.
PLUS
Pseudomonas-wirksames Fluorchinolon
Ciprofloxacin
3-mal 0,4 g i. v.
Levofloxacin
2-mal 0,5 g i. v.
ODER
Aminoglykosid
Tobramycin
1-mal 6 mg/kg i. v.
ODER
Fosfomycin
3-mal 4–5 g i. v.
bei MRSA-Verdacht PLUS
Glykopeptid
Vancomycin
Initialdosis 15–20 mg/kg (bei sehr schweren Infektionen 25–30 mg/kg, maximal 3000 mg)
Erhaltungsdosis (1 h): Dosierung nach Spiegelbestimmung (TDM), Zielspiegel: intermittierende
Dosierung 15–20 mg/l, kontinuierliche Gabe 20–25 mg/l
ODER
Oxazolidinon
Linezolid
2-mal 0,6 g i. v. oder p. o.
Die Kombination mit Makroliden in antinflammatorischer Indikation ist bei HAP oder
VAP nicht untersucht. Eine regelhafte Berücksichtigung der Legionellen im antibiotischen
Spektrum ist nicht indiziert [179 ].
Der Begriff gramnegative MRE hat keine einheitliche Definition, er steht für „gramnegative
multiresistente Erreger“ und bezieht sich auf Bakterienstämme mit Resistenzen gegen
mehrere Antibiotikaklassen.
U. a. bilden folgende Bakterienspezies besondere Resistenzmechanismen aus: Escherichia coli (E. coli), Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumanii.
Die Evidenz für die Auswahl einer Therapieoption bei beatmungsassoziierter Pneumonie
ist gering. Piperacillin/Tazobactam, pseudomonaswirksame Cephalosporine, pseudomonaswirksame
Carbapeneme und die Fluorchinolone Ciprofloxacin und Levofloxacin wurden in Mono-
bzw. Kombinationstherapie geprüft, ohne dass eine Überlegenheit einer Substanz hinsichtlich
der Letalität gefunden wurde. Dabei sind die Studien aufgrund der unterschiedlichen
Erreger- und Resistenzepidemiologie nur bedingt vergleichbar. Die meisten Daten wurden
im Rahmen von Zulassungsstudien mit dem Ziel der Äquivalenz an begrenzten Kollektiven
erhoben. Vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen konnte kein Vorteil einer Substanz
oder eines Regimes hinsichtlich der Sterblichkeit gezeigt werden.
Im Hinblick auf Therapieversagen fanden sich in den meisten Studien und in einer Metaanalyse,
die über 7000 Patienten mit VAP einschloss, ebenfalls keine signifikanten Unterschiede
[180 ]. Allerdings schnitt eine Ceftazidim-Monotherapie in mehreren Studien hinsichtlich
des klinischen Ansprechens schlechter als Meropenem oder Piperacillin/Tazobactam ab
[180 ]
[181 ]. Die Substanz weist eine unzureichende Aktivität gegenüber Staphylococcus aureus und Pneumokokken auf und sollte daher nicht als Monotherapie verabreicht werden.
Ceftazidim ist darüber hinaus unwirksam gegen ESBL-bildende Enterobakterien.
Bei Verdacht auf MRSA-Infektion sollten bei Vorliegen einer Sepsis oder eines septischen
Schocks Vancomycin oder Linezolid als gegenüber MRSA wirksame Substanzen hinzugefügt
werden (s. Kapitel 7.7). Bei bekannter ESBL und/oder MRGN-Besiedlung soll ein Therapieschema
gewählt werden, welches die entsprechenden ESBL und/oder MRGN miterfasst. VRE gilt
nicht als Erreger einer Pneumonie, eine Antibiotikatherapie, die diesen Erreger einschließt,
ist nicht erforderlich.
Die hier gegebenen Empfehlungen ([
Tab. 20
] und [
Abb. 1
]) berücksichtigen die aktuellen epidemiologischen und mikrobiologischen Daten in
Deutschland (s. Kapitel 5). Die detaillierten Angaben zu den Dosierungen können auch
der [
Tab. 19
] entnommen werden. Weitere Empfehlungen zur Kombinationstherapie werden in Kapitel
7.2 besprochen.
Abb. 1 Flussdiagramm zur kalkulierten Therapie der HAP [rerif].
7.1.1.1 Prolongierte Infusionsdauer und Therapeutisches Drug Monitoring von Betalaktam-Antibiotika
Profitieren bestimmte Patientengruppen von einer prolongierten Infusion einer Betalaktam-Therapie?
Empfehlung 14
evidenzbasiert
Bei kritisch kranken Patienten sollte nach initialer loading dose eine prolongierte Applikation von hierfür geeigneten
Betalaktam-Antibiotika bevorzugt eingesetzt werden.
schwache Empfehlung, Empfehlungsgrad B
niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊖⊖
niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊖⊖
[182 ]
[183 ]
[184 ]
[185 ]
[186 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
klinische Heilung
Experimentelle Studien zeigen, dass die Vorhersage der Wirksamkeit von Antibiotika
am besten durch die Berücksichtigung von pharmakodynamischen (PD) und pharmakokinetischen
(PK) Parametern erfolgen kann [187 ]. Antibiotika können basierend auf ihren Abtötungskinetiken in 3 Gruppen eingeteilt
werden: 1. konzentrationsabhängig (z. B. Aminoglykoside), 2. konzentrations- und zeitabhängig
(z. B. Fluorchinolone, Tigecyclin, Vancomycin, Daptomycin, Linezolid) und 3. zeitabhängig
(z. B. Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme) [188 ].
Bei konzentrationsabhängig wirksamen Antibiotika ist ein hohes Verhältnis aus Spitzenkonzentration
(Cmax) zu minimaler Hemmkonzentration (MHK) ausschlaggebend für die Wirkung. Bei zeitabhängig
wirksamen Antibiotika ist die Zeit entscheidend, in der die freie Konzentration des
Antibiotikums oberhalb der minimalen Hemmkonzentration (MHK) eines Erregers liegt
(fT > MHK). Für Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme wurden fT > MHK-Werte
von mindestens 50 %, 60–70 % bzw. mindestens 40 % des Dosisintervalls ermittelt. Eine
Möglichkeit, die Wirksamkeit von Betalaktam-Antibiotika zu verbessern, ist somit die
Verlängerung der Infusionsdauer auf 3–4 Stunden oder die kontinuierliche Infusion
über 24 Stunden.
Auf Grundlage einer systematischen Literatursuche wurden 5 aktuelle systematische
Übersichtsarbeiten identifiziert, welche die Wirksamkeit und Sicherheit einer prolongierten
Applikation (3–4 Stunden oder kontinuierliche Infusion) mit der intermittierenden
Bolusgabe von Betalaktam-Antibiotika in Hinblick auf die Endpunkte Sterblichkeit,
klinische Heilung, Nebenwirkungen und dem Auftreten antibiotikaresistenter Bakterien
untersucht haben [182 ]
[183 ]
[184 ]
[185 ]
[186 ]. Alle Arbeiten berichteten Ergebnisse für die Endpunkte Sterblichkeit und klinische
Heilung, v. a. bei kritisch kranken Intensivpatienten mit unterschiedlichen zugrunde
liegenden Infektionen, jedoch in der Mehrzahl mit pulmonalem Fokus. Nur eine systematische
Übersichtsarbeit berichtete über das Auftreten von Nebenwirkungen und antibiotikaresistenten
Bakterien [184 ].
Zusammenfassend ergibt sich mit geringer Qualität der Evidenz eine verringerte Sterblichkeit
und eine verbesserte klinische Heilung unter prolongierter Applikation von Betalaktam-Antibiotika
bei kritisch kranken Patienten. Aufgrund dessen wird empfohlen, bei Patienten mit
Sepsis und septischem Schock eine prolongierte Infusion von Betalaktam-Antibiotika
bevorzugt durchzuführen. Für das Auftreten von Nebenwirkungen und antibiotikaresistenter
Bakterien ist aufgrund der geringen Anzahl von Studien keine Aussage möglich.
Patienten mit einer (akut oder chronisch) stark eingeschränkten Nierenfunktion oder
Patienten, die ein Nierenersatzverfahren erhalten, profitieren möglicherweise nicht
wesentlich von einer prolongierten Applikation von Betalaktam-Antibiotika, da bei
diesen Patienten unabhängig von der Verabreichungsmethode eine verminderte (renale)
Arzneimittel-Clearance und folglich eine höhere Betalaktam-Exposition zu erwarten
ist. Bei Patienten mit supranormaler Nierenfunktion („augmented renal clearance“ = GFR
≥ 130 ml/min/m2 ) hingegen besteht auch trotz einer verlängerten bzw. einer kontinuierlichen Infusion
von Betalaktam-Antibiotika ein signifikantes Risiko für eine Unterdosierung. In diesen
Fällen muss die Tagesdosis und/oder Applikationsfrequenz erhöht werden [189 ].
Zur raschen Erzielung eines therapeutischen Wirkspiegels bei Therapiebeginn soll zunächst
eine initiale Bolusgabe (i. d. R. 50 % der Einzeldosis ausreichend) bei kritisch kranken
Patienten verabreicht werden. Unmittelbar im Anschluss an diese Kurzinfusion kann
eine prolongierte oder kontinuierliche Infusion über 3–4 bzw. 24 Stunden mittels Spritzenpumpe
fortgeführt werden.
Eine kontinuierliche Applikation (über 24 Stunden) ohne regelmäßige und zeitnahe (d. h.
Ergebnismitteilung ≤ 24 h) Kontrolle der Blutspiegel (TDM) darf nicht durchgeführt
werden, da hier die Gefahr der dauerhaften Unterschreitung der PK/PD-Ziele besteht
(z. B. bei hoher MHK des Erregers oder bei gesteigerter Antibiotika-Clearance) [190 ].
Bei Patienten mit prolongierter Infusion, die ein hohes Risiko für subtherapeutische
Konzentrationen haben (z. B. GFR > 130 ml/min oder Erreger mit hoher MHK), ist ein
TDM geeignet, um zu überprüfen, ob die Konzentration im Zielbereich liegt.
Für die Durchführung und Interpretation der TDM-Ergebnisse ist ein fundiertes Wissen
zu Pharmakokinetik und -dynamik der Substanz unumgänglich und eine interdisziplinäre
(Intensivmediziner, Infektiologen, Labormediziner, Mikrobiologen) erforderlich und
interprofessionelle Zusammenarbeit (klinische Pharmazeuten) im Rahmen eines TDM-Programms
empfohlen.
Inwiefern eine individuelle Steuerung der Dosierung durch ein TDM, sowohl aus Gründen
der Toxizität als auch der Effektivität, einen Benefit für Patienten mit einer nosokomialen
Pneumonie bringt, ist noch nicht endgültig geklärt. Eine retrospektive Kohortenanalyse
an 638 Patienten mit VAP zeigte, dass die individuelle Dosisanpassung zum Erreichen
vorab definierter Zielspiegel entsprechend PK/PD im klinischen Alltag realisierbar
ist und mit besseren klinischen Ergebnissen einhergeht (Letalität 10 vs. 24 %) [191 ]. Hingegen konnte in der bisher größten randomisierten, kontrollierten Studie der
Nutzen einer TDM-gesteuerten Therapie mit Piperacillin/Tazobactam bei 254 Patienten
mit Sepsis/septischem Schock (62 % mit einer Pneumonie als Fokus) im primären Endpunkt,
dem mittleren SOFA-Score als Marker der Organdysfunktion, nicht gezeigt werden [190 ].
Bei Patienten mit einer eingeschränkten oder supranormalen Nierenfunktion („augmented
renal clearance“ = GFR ≥ 130 ml/min/m2 ) bzw. bei Patienten mit einer Nierenersatztherapie sollte die Dosis individuell angepasst
werden. Hilfreich hierfür sind Online-Simulations-/Dosiskalkulations-Tools wie z. B.
CADDY (Calculator to Approximate Drug-Dosing in Dialysis) oder www.dosing.de und www.clincalc.com .
Insbesondere bei Patienten mit supranormaler Nierenfunktion („augmented renal clearance“ = GFR ≥ 130 ml/min/m2 ), bei hyperdynamer Kreislaufsituation mit hohem Herzzeitvolumen (HZV) oder hoher
Volumensubstitution erscheint eine höhere Dosierung von v. a. hydrophilen Antibiotika
(z. B. Betalaktam-Antibiotika) sinnvoll.
Allgemeine Grundsätze zur Dosierung
Grundlage der Dosisempfehlungen des Nationalen Antibiotika-Sensitivitätstest-Komitees
(NAK) sind die Empfehlungen der EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility
Testing) zur Dosierung von Antibiotika bei Erwachsenen. Mit Unterstützung des BfArM
(Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) wurde vom NAK eine nationale,
erweiterte und kommentierte Fassung, angepasst an Deutschland-spezifische Dosierungen,
erstellt (https://www.nak-deutschland.org/dosierungstabellen.html ).
Es wird zwischen einer Standarddosierung und einer hohen Dosierung unterschieden (s.
[
Tab. 19
]). Die hohe Dosis ist bei bestimmten Indikationen oder bei bestimmten Erregern indiziert
und soll bei Antibiotika eingesetzt werden, die als „I“ (sensibel bei erhöhter Exposition)
auf dem Antibiogramm berichtet worden sind, sofern nicht eine Anreicherung des Antibiotikums
am Infektionsort erfolgt (z. B. Betalaktam-Antibiotika bei Infektionen des Harntrakts).
Hintergrund für die grundlegende Überarbeitung der Dosisempfehlungen durch die EUCAST
in den vergangenen Jahren war die Beobachtung, dass mit den bis dato empfohlenen Standarddosierungen
bei ausgewählten Substanzen eine adäquate Antibiotikaexposition nicht in jeder Situation
gewährleistet war. So konnte z. B. für Piperacillin/Tazobactam in Studien gezeigt
werden, dass mit der bisherigen Standarddosierung (4,5 g alle 8 h über 30 min) nicht
bei allen Patienten mit
einer nosokomialen Pneumonie,
mit Fieber in Neutropenie und
mit einer Infektion durch einen Erreger mit einer Resistenz gegen ein oder mehrere
Cephalosporine der 3. Generation
eine ausreichende Antibiotikaexposition erreicht werden kann und dass dies mit einer
höheren Sterblichkeit einhergeht. Die neue Standarddosierung, bei der eine Dosissteigerung
(4,5 g alle 6 h über 30 min) oder eine Verlängerung der Infusionsdauer (4,5 g alle
8 h über 4 h) empfohlen wird, führt hingegen bei der Mehrzahl der Patienten zu einer
adäquaten Antibiotikaexposition für sensibel („S“) getestete Erreger [192 ]
[193 ]
[194 ]
[195 ]. Bei Erregern, bei denen Piperacillin/Tazobactam als „I“ (sensibel bei erhöhter
Exposition) auf dem Antibiogramm berichtet wird (typisch P. aeruginosa ), ist diese neue Standarddosierung jedoch auch unzureichend und es wird die Gabe
einer „hohen Dosierung“ in dieser Situation empfohlen (4,5 g alle 6 h über 3 h).
Da bei Therapiebeginn i. d. R. der verursachende Erreger und dessen Resistenzverhalten
nicht bekannt ist, soll je nach individuellem Risikoprofil des Patienten (z. B. hohes
Risiko für Pseudomonas aeruginosa , Patient mit hoher GFR oder schwerer Krankheitsverlauf) bereits in der kalkulierten
Therapiesituation erwogen werden, die empfohlene hohe Dosierung zu wählen. Dies soll
sicherstellen, dass auch Infektionen mit Erregern, bei denen zur erfolgreichen Therapie
die „hohe Dosis“ eines Antibiotikums erforderlich ist, von Beginn an adäquat therapiert
werden. Nach Erhalt des Antibiogramms soll die Dosis entsprechend angepasst werden.
Bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion soll mindestens die erste Dosis
in voller Höhe gegeben und die nachfolgende Dosis entsprechend dem Grad der Nierenfunktionsstörung
angepasst werden.
7.1.2 Antifungale Substanzen
Bei dem Hinweis auf eine IPA (CT-Thorax und GM-Test aus der BAL ± PCR) sollte möglichst
frühzeitig eine antimykotische Therapie eingeleitet werden. Als Erstlinientherapie
für die invasive pulmonale Aspergillose (IPA) wird Voriconazol, Isavuconazol oder
liposomales Amphotericin B empfohlen ([
Tab. 21
]) [196 ]. Alternativ kann Posaconazol, bei geringerer Datenlage, in Betracht gezogen werden.
Bei Verdacht auf eine IPA ist eine frühzeitige Antimykotikatherapie entscheidend,
um die hohe Letalität zu reduzieren [197 ].
Tab. 21
Antimykotische Therapie.
Applikation
Dosierung
therapeutisches Drug-Monitoring
Dauer
wichtige Nebenwirkungen
Voriconazol
i. v., p. o. (Tabl. oder Suspension)
Tag 1: 2-mal 6 mg/kg i. v.
ab Tag 2: 2-mal 4 mg/kg i. v.
Ziel-Talspiegel > 1−2 μg/ml (nicht höher als 5−6 μg/ml); Messung an Tag 2–5 + nach
1 Woche bzw. bei neuen Aspekten
mindestens 2 Monate (Umstellung von i. v. auf p. o. im Verlauf möglich)
Hepatotoxizität, neurologische Nebenwirkungen, Halluzinationen, gastrointestinale
Nebenwirkungen, Verlängerung der QT-Zeit
Isavuconazol
i. v., p. o.
Tag 1 + 2: 3-mal 200 mg i. v.
ab Tag 3: 1-mal 200 mg i. v.
nicht allgemein empfohlen (Ziel-Talspiegel 2–5 μg/ml am Tag 5)
mindestens 2 Monate (Umstellung von i. v. auf p. o. im Verlauf möglich)
Hepatotoxizität
Verkürzung der QT-Zeit
Posaconazol
i. v., p. o. (Tbl. oder Suspension)
Tag 1: 2-mal 300 mg i. v.
ab Tag 2: 1-mal 300 mg i. v.
Ziel-Talspiegel > 1 μg/ml
mindestens 2 Monate (Umstellung von i. v. auf p. o. im Verlauf möglich)
Hepatotoxizität
liposomales Amphotericin B
i. v.
1-mal 3 mg/kg
nicht erforderlich
mindestens 2 Monate (ggf. Umstellung auf p. o. Azol möglich)
Nephrotoxizität, Ototoxizität (deutlich geringer als bei konventionellem Amphotericin
B)
TDM ist für alle Azole empfohlen (CAVE-Arzneimittelinteraktionen) [198 ]. Der Ziel-Talspiegel sollte bei Voriconazol > 1–2 μg/ml liegen, aber nicht höher
als 5−6 μg/ml. Die erste Messung sollte am Tag 2–5 erfolgen und nach 1 Woche wiederholt
werden. Weitere Messungen sind erforderlich bei Dosisänderung, neuer Komedikation
mit Risiko der Interaktion, Änderung der Applikationsform (i. v. auf oral) oder bei
Therapieversagen. Für Isavuconazol gibt es bisher keine allgemeine Empfehlung für
ein TDM, es sollte aber bei fehlendem therapeutischem Ansprechen in Betracht gezogen
werden. Für Posaconazol ist ebenfalls ein TDM zu empfehlen (Ziel-Talspiegel > 1 μg/ml).
Die Therapiedauer der IPA hängt vom Therapieansprechen und der Immunrekonstitution
ab und wurde in der letzten Aspergillus-Leitlinie 2017 mit 3 bis > 50 Wochen angegeben.
Eine Therapiedauer von mindestens 2 Monaten erscheint empfehlenswert [128 ]. Ein Wechsel von einer intravenösen auf eine orale Therapie ist nach klinischer
Stabilisierung möglich.
Bei Therapieversagen sollte eine Identifikation auf Speziesebene angestrebt werden
(molekulargenetisch und kulturell), um eine „Durchbruchs-Pilzinfektion“ erkennen zu
können bzw. um eine phänotypische Resistenztestung zu ermöglichen. In Deutschland
liegt die Azol-Resistenz bei A. fumigatus um 3 % [199 ]. Bei einem Therapieversagen ist, neben dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen,
ein Wechsel der Substanzklasse zu empfehlen. Bei einer Erstlinientherapie mit einem
Azol sollte auf liposomales Amphotericin B gewechselt werden (CAVE fehlende Wirkung
bei z. B. Scedosporium spp. ).
Eine primäre antimykotische Kombinationstherapie ist nicht empfohlen. Für nicht-neutropene
Patienten mit anderen Risikofaktoren für eine IPA gibt es keine generelle Empfehlung
für eine antimykotische Prophylaxe.
7.1.3 Antivirale Substanzen
Es gibt nur wenige Untersuchungen, die die Rolle der typischen Atemwegsviren bei der
nosokomialen Pneumonie untersucht haben. Eine aktuelle Arbeit aus USA hat 174 Patienten
mit nosokomialer Pneumonie untersucht [27 ]. In ca. einem Viertel der Patienten (22,4 %) wurden Atemwegsviren nachgewiesen.
Im Einzelnen fanden sich Rhinovirus (n = 19), Influenza (n = 7), Parainfluenza (n = 6),
Coronavirus (n = 5) und Metapneumovirus (n = 4). Von diesen Viren gibt es nur für
Influenza zugelassene antivirale Medikamente, welche bei einem Nachweis verabreicht
werden sollten. Hier sind die Neuraminidase-Inhibitoren Zanamivir und Oseltamivir
zu nennen. Beide verhindern durch Hemmung der Neuraminidase die Freisetzung von Influenzaviren
[200 ]. Die Wirksamkeit ist bei Immungesunden innerhalb von 48 Stunden nach Infektion am
größten und nimmt danach deutlich ab. Beide Medikamente sind zur Therapie und auch
zur Prophylaxe der Influenza in Deutschland zugelassen.
Zanamivir sollte in einer Dosierung von 2-mal tgl. 600 mg über einen Zeitraum von
5–10 Tagen als intravenöse Infusion angewendet werden. Die Dosierung von Oseltamivir
beträgt 2-mal 75 mg oral über 10 Tage. Zur Therapie einer nosokomialen SARS-CoV-2-Pneumonie
wird auf die aktuellen Empfehlungen der entsprechenden Leitlinie verwiesen [94 ].
7.2 Mono- versus Kombinationstherapie
Welche Patienten profitieren von einer kalkulierten Kombinationstherapie aus zwei
gegenüber gramnegativen Erregern wirksamen Antibiotika?
Empfehlung 15
evidenzbasiert
Bei Patienten mit septischem Schock und dem Vorliegen eines weiteren Risikofaktors
für MRE ([
Tab. 14
]) sollte initial eine kalkulierte Kombinationstherapie erfolgen.
Bei Patienten mit septischem Schock und erhöhtem Risiko für P. aeruginosa ([
Tab. 14
]) sollte bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Erregerempfindlichkeitsprüfung eine P.-aeruginosa -wirksame Kombinationstherapie erfolgen.
schwache Empfehlung, Empfehlungsgrad B
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
[201 ]
[202 ]
[203 ]
[204 ]
[205 ]
[206 ]
[207 ]
[208 ]
[209 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Eine frühzeitig wirksame antiinfektive Therapie ist bei Patienten mit Sepsis (Organversagen)
und/oder septischem Schock mit einer höheren Überlebensrate verbunden [210 ]. Ein Antibiotikum mit einer hohen Resistenzrate gegen den zu erwartenden Erreger
ist für eine Monotherapie in dieser Patientengruppe damit ungeeignet [211 ].
Entsprechend [
Tab. 20
], [
Abb. 1
] wird eine Kombinationstherapie in Fällen eines septischen Schocks mit mindestens
einem weiteren Risikofaktor empfohlen.
Bei Patienten mit nachgewiesener Infektion mit Carbapenem-resistenten gramnegativen
Erregern und Bakteriämie konnte bei Patienten mit geringerem Krankheitsschweregrad
kein Nachteil einer initialen Monotherapie gesehen werden [212 ]. Diese Befunde sprechen dafür, dass der Wert einer frühzeitigen Kombinationstherapie
v. a. in der Vermeidung einer inadäquaten Initialtherapie bei Patienten mit hohem
Krankheitsschweregrad wie einem septischen Schock und Risiko von Infektionen mit gramnegativen
MRE besteht.
Die Kombination für gramnegative MRE besteht typischerweise aus einem Betalaktam-Antibiotikum
mit Wirksamkeit gegen P. aeruginosa und einem Fluorchinolon oder Aminoglykosid (s. [
Tab. 20
]).
Metaanalysen, systematische Reviews und RCTs mit dem Ziel der Evidenzprüfung zu kalkulierten
Kombinationstherapien bei VAP liegen vor und beleuchten dabei ganz unterschiedliche
Fragestellungen in unterschiedlichen Patientengruppen bzw. Substanzklassen (Patienten
mit Pneumonie allgemein, mit MRE-Infektionen, mit P.-aeruginosa -Bakteriämie, Patienten mit und ohne septischen Schock, mit Infektionen mit CR-gramnegativen
Erregern, Monotherapie mit Tigecyclin oder mit Colistin bei Infektionen mit MRE) [201 ]
[202 ]
[203 ]
[204 ]
[205 ]
[206 ]
[207 ]
[208 ]. Diese Studien sind auch Teil eines systematischen Reviews und Metaanalyse zur Kombinationstherapie
bei Patienten mit schwerer Sepsis [208 ]. Hier konnte kein Vorteil bzgl. Sterblichkeit und weiteren Endpunkten wie sekundäre
Infektionen, Beatmungsdauer, Intensivaufenthalt, Krankenhausaufenthalt oder der Notwendigkeit
der Nierenersatztherapie für die Kombinationstherapie ermittelt werden, allerdings
mit deutlich eingeschränkter Qualität und Quantität der Daten [208 ].
In einer weiteren Metaanalyse zur Kombinationstherapie bei 8504 Patienten aus 50 Studien
(13 RCTs, 15 prospektiven Studien, 34 retrospektiven Kohortenstudien) wurde ein Überlebensvorteil
für kritisch kranke Patienten mit septischem Schock berichtet, wobei die Aussagekraft
dieser Analyse wegen der methodischen Limitationen ebenfalls eingeschränkt ist [204 ]. Für Patienten mit geringer Krankheitsschwere (keine Sepsis, kein Organversagen)
gab es Hinweise für eine höhere Sterblichkeit unter der Kombinationstherapie [204 ]. Als mögliche Ursachen werden die direkte Toxizität der antibakteriellen Substanz,
Selektion von resistenten Erregern, Resistenzentwicklung und Infektionen mit Clostridioides difficile genannt [213 ].
In einer retrospektiven multizentrischen Kohortenstudie zur Therapie der VAP mit Nachweis
von P. aeruginosa wurde nur dann ein Vorteil der initialen Kombinationstherapie erkennbar, wenn auf
diese Weise das Risiko einer ineffektiven Monotherapie vermieden wurde [214 ]. In einer Metaanalyse zur Kombinationstherapie bei Blutstrominfektionen und nosokomialer
Pneumonie mit P. aeruginosa konnten wenige ältere RCTs, prospektive Kohortenstudien und zumeist retrospektive
Observationsstudien eingeschlossen werden. Sie zeigten keinen Vorteil für eine kalkulierte
Kombinationstherapie [203 ]. Mit geringer Evidenz konnte in einer prospektiven Observationsstudie gezeigt werden,
dass in einer Subgruppenbetrachtung von Infektionen mit Nachweis von P. aeruginosa eine zusätzliche Aminoglykosidtherapie zusätzlich zu einer adäquaten Monotherapie
mit einem Betalaktam-Antibiotikum ebenfalls keinen Überlebensvorteil ergab [215 ]. Die Kombination mit einem Aminoglykosid war sogar mit einem höheren Letalitätsrisiko
in der gezielten Therapie verbunden [215 ].
Die CLSI (Clinical Laboratory Standards Institute, USA) sieht die Grenzwerte für Pseudomonas aeruginosa bei Aminoglykosiden zuletzt kritisch. Bei der EUCAST werden schon seit einigen Jahren
keine Werte mehr für den Einsatz von Aminoglykosiden als Monosubstanz bei systemischen
Infektionen angegeben. Somit sind Aminoglykoside keine optimalen Kombinationspartner.
In Bezug auf Fluorchinolone als Kombinationspartner wurde in einer älteren Studie
die Monotherapie mit Meropenem mit einer kalkulierten Kombinationstherapie von Meropenem
und Ciprofloxacin verglichen. Die 28-Tage-Sterblichkeit war (bei niedriger Sepsisrate)
nicht unterschiedlich, wobei in einer Subgruppe mit Infektionen durch MRE (90 % P. aeruginosa ) ein besseres mikrobiologisches Ansprechen für die Kombinationstherapie ermittelt
werden konnte [216 ].
Zusammenfassend entscheiden Krankheitsschwere (Organversagen/septischer Schock), lokale
Resistenzrate, Risikoprofil des Patienten für resistente Erregern (MRE/P. aeruginosa ) und die Toxizität über die Indikation für eine Kombinationstherapie und die Substanzwahl.
Eine protrahierte antibakterielle Kombinationstherapie ohne Nachweis von Erregern
erscheint bei mangelhafter Evidenz nicht gerechtfertigt und erfordert eine Deeskalation
der antibakteriellen Therapie (s. Kapitel 7.5) bzw. eine erweiterte Diagnostik (Viren,
Pilze, immunologische Grunderkrankungen, beatmungsassoziierter Lungenschaden, kardiopulmonale
Genese) [217 ].
7.3 Inhalative antimikrobielle Therapie
Sollte bei Patienten mit VAP zusätzlich zur systemischen eine inhalative Antibiotikatherapie
durchgeführt werden?
Empfehlung 16
evidenzbasiert
Eine inhalative Antibiotikatherapie zusätzlich zur systemischen Therapie sollte nicht routinemäßig durchgeführt werden.
schwache Empfehlung, Empfehlungsgrad B
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
[218 ]
[219 ]
[220 ]
[221 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Antibiotikatage
Auf Grundlage einer systematischen Literatursuche wurden 4 Übersichtsarbeiten [218 ]
[219 ]
[220 ]
[221 ] mit Bewertung der Evidenz zur Wirksamkeit einer inhalativen Antibiotikatherapie
bei Patienten mit VAP auf die Sterblichkeit, die Eradikationsrate sowie die Verweil-
und Beatmungsdauer identifiziert. Es konnten mit moderater Qualität der Evidenz kein
Einfluss auf die Sterblichkeit und Behandlungsdauer, aber verbesserte Eradikationsraten
unter allgemeinen inhalativen Antibiotikatherapien gezeigt werden. Ein erhöhtes Auftreten
von renalen Nebenwirkungen wurde nicht gesehen.
Hervorzuheben ist die Metaanalyse von Tang et al., in der eine additive Antibiotika-Inhalationstherapie
bei VAP untersucht wurde [219 ]. Zwar konnte kein Überlebensvorteil gezeigt werden (relatives Risiko [RR] 1,00;
95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,82–1,21), aber im Vergleich zur alleinigen intravenösen
Therapie wurde eine höhere klinische Heilungsrate (RR 1,13; 95 %-KI 1,02–1,26) und
eine häufigere mikrobiologische Eradikation (RR 1,45; 95 %-KI 1,19–1,76) in der mit
inhalativen Antibiotika kombinierten Therapie beobachtet. Allerdings war die inhalative
Antibiotikagabe mit einem erhöhten Risiko für einen Bronchospasmus assoziiert.
Die hohen lokalen Konzentrationen im Bronchialsystem nach Inhalation von Antibiotika
könnten insbesondere bei Infektionen mit MRE vorteilhaft sein. Die lokale Applikation
vermindert den Selektionsdruck auf das Darmmikrobiom und kann bei vorbestehender Niereninsuffizienz
einen Vorteil bringen. Unklar ist die Penetration aerosolierter Antibiotika in das
betroffene Lungenparenchym insbesondere bei beatmeten Patienten mit schwerer Infektion
der Lunge, sodass die Deposition des inhalierten Medikaments hier möglicherweise nicht
ausreicht [222 ].
In der Metaanalyse von Valachis und Kollegen konnte ein verbessertes Outcome (klinisches
Ansprechen, mikrobiologische Eradikation und infektionsassoziierte Letalität) unter
zusätzlich inhalativer Colistinapplikation bei allerdings geringem Evidenzgrad und
ohne Effekt auf die Gesamtsterblichkeit gesehen werden [220 ]. Eine weitere Metaanalyse anhand von 12 Studien mit 812 Patienten fand einen Vorteil
hinsichtlich des klinischen Ansprechens, ebenfalls bei methodischen Limitationen mit
einer unterpowerten Analyse [223 ].
Welche Patienten profitieren von einer zusätzlichen inhalativen Antibiotikatherapie?
Empfehlung 17
evidenzbasiert
Bei Vorliegen multiresistenter gramnegativer Erreger, die nur gegenüber Colistin und/oder
Aminoglykosiden empfindlich sind, sollte eine ergänzende inhalative Therapie mit hierfür geeigneten Verneblern zusätzlich
zur systemischen Antibiotikatherapie erwogen werden.
schwache Empfehlung, Empfehlungsgrad B
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
[218 ]
[219 ]
[220 ]
[221 ]
starker Konsens
klinisches Ansprechen
Die aktuelle Leitlinie der IDSA/ATS [36 ] empfiehlt eine inhalative Antibiotikatherapie zusätzlich zur systemischen Antibiotikatherapie
bei HAP/VAP durch Carbapenem-resistente gramnegative Erreger, die nur noch auf Aminoglykoside
und Polymyxine sensibel sind, oder bei Nachweis von A. baumannii mit Sensibilität ausschließlich gegenüber Polymyxinen.
Insbesondere bei Patienten, die systemisch nicht ausreichend oder nur unter Inkaufnahme
erheblicher Toxizität behandelbar sind, kann die inhalative Therapie sinnvoll sein.
In einer prospektiven Observationsstudie wurden Patienten mit VAP und Nachweis eines
sensiblen P. aeruginosa oder A. baumannii und intravenöser Therapie mit Patienten und Nachweis eines multiresistenten P. aeruginosa oder A. baumannii mit einer inhalativen Colistintherapie in hoher Dosis (3-mal 5 Mio. IE) mit und ohne
intravenösem Aminoglykosid über 3 Tage hinsichtlich klinischer Heilung und Letalität
verglichen [224 ]. Hierbei war die Gruppe der multiresistenten Erreger und unter der Inhalation von
Colistin der systemischen Therapie nicht unterlegen.
Allgemeines
Wenn inhalative Antibiotika bei einer nosokomialen Pneumonie eingesetzt werden, sollte
auf den Einsatz geeigneter Verneblersysteme geachtet werden, um eine ausreichende
Deposition und optimale Tröpfchengröße zu gewährleisten. Erläuterungen zur Technik
der Inhalationstherapie auf der Intensivstation sind bei den Zusatzdokumenten zu dieser
Leitlinie zu finden. Alle inhalativen Antibiotika können bei VAP nur „off label“ eingesetzt
werden.
7.4 Reevaluation der Therapie
Wann und nach welchen Kriterien soll das Therapieansprechen evaluiert werden?
Empfehlung 18
Expertenkonsens
Eine Reevaluation des Patienten soll 48–72 Stunden nach Beginn der Therapie erfolgen,
hierzu gehört eine Überprüfung der initialen Verdachtsdiagnose, die Beurteilung des
klinischen Verlaufs, der Ergebnisse der initialen Diagnostik einschließlich der Laborparameter,
der mikrobiologischen Diagnostik und ggf. der Bildgebung im Verlauf.
Hat sich klinisch und aus der Zusammenschau der Befunde die Verdachtsdiagnose einer
HAP nicht bestätigt, soll die Antibiotikatherapie beendet werden. Ergibt die Diagnostik
eine Sepsis/einen septischen Schock mit anderem Fokus, soll die Therapie angepasst
werden.
starke Empfehlung
starker Konsens
48–72 h nach Therapiebeginn soll eine systematische Reevaluation des klinischen Ansprechens
sowie eine Bewertung der Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik erfolgen.
Zu diesem Zweck sind folgende Parameter relevant:
klinisches Ansprechen (Gasaustausch inkl. Oxygenierungsindex und ggf. Beatmungsparameter,
Vitalparameter inkl. Temperatur),
Verlauf der Laborparameter (CRP, PCT), aber auch der Organfunktionsparameter (z. B.
Herz, Niere, Leber, Laktat),
Befunde der Bildgebung (Röntgen-Thorax, Sonografie des Thoraxes, ggf. CT des Thoraxes),
vorliegende mikrobiologische Ergebnisse,
auf Intensivstation serielle Bestimmung von ITS-Scores (z. B. SOFA).
Sowohl eine Verbesserung der klinischen Parameter und der Organdysfunktion (Oxygenierungsindex,
Körpertemperatur, SOFA-Score) als auch ein Abfall von CRP oder PCT an Tag 3–4 sind
mit einer günstigen Prognose bei HAP assoziiert [83 ]
[86 ]
[87 ]
[88 ]
[225 ]
[226 ]
[227 ]. Eine solche Assoziation besteht für beide Biomarker auch bei Patienten mit VAP
[87 ].
Angesichts der Unsicherheiten in der Diagnostik impliziert die Evaluation des klinischen
Ansprechens durch o. g. Parameter auch eine Reevaluation der Diagnose. Dies gilt sowohl
für die HAP des nicht beatmeten Patienten als auch für Patienten mit VAP, wenngleich
aus unterschiedlichen Gründen: Im ersteren Fall liegt häufig keine hinreichende mikrobiologische
Diagnostik vor, bei VAP resultieren die diagnostischen Unsicherheiten aus der Röntgenthorax-Diagnostik,
der antimikrobiellen Vorbehandlung sowie der meist höheren Komplexität der klinischen
Situation des Patienten.
In einem Teil der Fälle kann eindeutig das Vorliegen einer VAP bestätigt bzw. verworfen
werden. Wird sie bestätigt, soll eine mögliche Deeskalation bzw. Fokussierung der
Therapie überprüft und die weitere Therapiedauer festgesetzt werden (s. Kapitel 7.5
und 7.6).
In einer Vielzahl von Fällen bleibt das Vorliegen einer HAP bzw. VAP ungewiss. Ein
strukturierter Umgang mit diesen Ungewissheiten erscheint daher im Hinblick auf dieses
Dilemma hilfreich.
Ein solches Schema soll das Bewusstsein aller an der Behandlung Beteiligten für den
jeweils geltenden Grad der Ungewissheit schärfen. Zudem ermöglicht es, dass alle Beteiligten
zu jeder Zeit (also auch alle Diensthabenden und in Vertretung Stehenden) die Grundlage
des jeweils aktuellen therapeutischen Vorgehens nachvollziehen können.
Die Autoren der Leitlinie schlagen daher vor, bei Patienten mit VAP 6 diagnostische
Konstellationen zu unterscheiden (s. [
Tab. 22
]). Die erste Konstellation ist dabei klinisch so selten, dass sie vernachlässigt
werden kann.
Tab. 22
Diagnostische Konstellationen nach erster Evaluation des Therapieansprechens bei Patienten
mit VAP (neben dem Röntgenbefund können auch Befunde aus anderer Bildgebung [Sonografie
des Thorax, CT des Thorax] hinzugezogen werden).
Diagnose Pneumonie
Histologie/Röntgen
quant. Kultur (BALF[* ] oder TBAS[** ])
I sicher
Histologie positiv
≥ 104 (105 ) KBE/ml
II wahrscheinlich
eindeutiges Infiltrat
≥ 104 (105 ) KBE/ml
II möglich
eindeutiges Infiltrat
≥ 102 , < 104 (105 )KBE/ml
IV fraglich
fragliches Infiltrat
jedwedes Ergebnis
V ausgeschlossen
Infiltat nicht persistierend
negativ
VI unklar
eindeutiges Infiltrat
negativ
* Bronchoalveoläre Flüssigkeit
** Tracheobronchiales Aspirat
Dieses Schema kann grundsätzlich auch bei HAP verwandt werden, setzt allerdings das
Vorhandensein einer initialen mikrobiologischen Untersuchung unter Einschluss der
Untersuchung von respiratorischen Materialien (TBAS oder BALF) voraus.
Dabei muss Folgendes beachtet werden:
Die Tabelle berücksichtigt nur die bakteriologische Untersuchung respiratorischer
Sekrete. Die Ergebnisse von Blutkulturen müssen zusätzlich einbezogen werden.
Die Ergebnisse der viralen und mykologischen Diagnostik müssen ebenfalls berücksichtigt
werden.
Viele Patienten sind antimikrobiell vorbehandelt. Dies reduziert die Aussagekraft
negativer bzw. nicht signifikanter Resultate der mikrobiologischen Untersuchungen
erheblich; daher sind mikrobiologische Befunde immer auf der Basis der bestehenden
Vorbehandlungen zu interpretieren.
Bei nicht-intubierten Patienten stehen mikrobiologische Ergebnisse häufig nicht zur
Verfügung. Die Reevaluation kann sich daher häufig nur auf das klinische Bild und
Inflammationsparameter stützen (analog zur CAP).
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen bzw. Ergänzungen entspricht diesen diagnostischen
Konstellationen jeweils ein mögliches therapeutisches Vorgehen, das in [
Tab. 23
] zusammengefasst ist.
Tab. 23
Diagnostische Konstellationen mit möglichem therapeutischem Vorgehen bei Patienten
mit VAP (virologische und mykologische Befunde müssen gesondert berücksichtigt werden).
klinische Konstellation
Strategie
Rationale
klinischer Verdacht auf VAP
quantitative Kulturen TBAS
kalkulierte Therapie
Vorgehen evident
Reevaluation nach 48–72 h; 6 klinische Konstellationen:
VAP sicher oder wahrscheinlich
(I oder II)
Fortführung der Therapie
Adjustierung nach plausiblen mikrobiologischen Befunden
Vorgehen evident
VAP möglich,
Kulturergebnisse nicht signifikant (III);
keine akute Organdysfunktion
individuelle Abwägung
Vorgehen nicht gesichert;
Therapie eher fortführen, ggf. verkürzen
VAP fraglich,
jedwede Kulturergebnisse (IV);
keine akute Organdysfunktion
individuelle Abwägung
Vorgehen nicht gesichert;
Therapie eher absetzen, ggf. verkürzen
Reduktion des Selektionsdrucks und der Exzessletalität durch Übertherapie
VAP ausgeschlossen (V);
keine akute Organdysfunktion
Beendigung der Therapie
Vorgehen evident
VAP unklar (VI);
keine akute Organdysfunktion
zweite kalkulierte Therapie
oder
Steroidkurs
oder
Biopsie
oder
Beendigung der Therapie
Gründe für fehlenden Erregernachweis wahrscheinlich (z. B. antimikrobielle Vorbehandlung)
mögliche organisierende Pneumonie
therapeutische Konsequenz wahrscheinlich
diffuser Alveolarschaden wahrscheinlich
alternative Infektionsquelle oder
akute Organdysfunktion/septischer Schock
Fortsetzen bzw. Adjustierung der Therapie
Vorgehen evident
Wie ersichtlich, sind nur in den Konstellationen I, II und V eindeutige Empfehlungen
zur weiteren Therapie möglich; in III, IV und VI müssen die regelhaften Vorgehensweisen
in jedem Setting definiert, im Einzelfall aber auch kalkulierte klinische Entscheidungen
getroffen werden. Selbstverständlich muss bei ausgeschlossener VAP und Detektion einer
alternativen Infektionsquelle bzw. Vorliegen eines septischen Schocks eine antimikrobielle
Therapie auf der Basis dieser Indikationen erfolgen.
Die Optionen unter Konstellation VI sind insbesondere beim Therapieversagen relevant
(Kapitel 7.8).
7.5 Deeskalation und Fokussierung der Therapie
Wann kann die antiinfektive Therapie deeskaliert werden?
Empfehlung 19
evidenzbasiert
Bei Patienten mit klinischer Stabilisierung soll die Therapie auch ohne Erregernachweis deeskaliert werden.
starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
[38 ]
[228 ]
[229 ]
[230 ]
[231 ]
[232 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Eradikationsrate
Beatmungstage
Verweildauer
Wann kann die antiinfektive Therapie fokussiert werden?
Empfehlung 20
evidenzbasiert
Bei Patienten mit mikrobiologischem Nachweis eines relevanten Erregers soll die Therapie fokussiert werden.
starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
sehr niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊖⊖⊖
[38 ]
[212 ]
[228 ]
[231 ]
[232 ]
[233 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Eradikationsrate
Beatmungstage
Verweildauer
Es konnten 5 systematische Übersichten und 8 Kohortenstudien identifiziert werden,
die zur Auswertung der Wirksamkeit und Sicherheit einer Deeskalation sowie Fokussierung
der Therapie herangezogen wurden [38 ]
[212 ]
[228 ]
[229 ]
[230 ]
[231 ]
[232 ]
[233 ]. Die Definition der Deeskalation wurde in den Studien uneinheitlich angewandt. Am
besten untersucht ist die Deeskalation von einer Kombinations- auf eine Monotherapie
sowie von Breitspektrum auf eine gezielte Therapie nach mikrobiologischem Ergebnis.
Nicht in allen Studien werden die unterschiedlichen Deeskalationsmöglichkeiten getrennt.
In einer spanischen multizentrischen prospektiven Observationsstudie wurden 244 kritisch
kranke Patienten mit nosokomialer Pneumonie auf 24 Intensivstationen eingeschlossen
[212 ]. Bei 94 Patienten hätte aufgrund des nachgewiesenen Erregers eine Fokussierung der
Therapie durchgeführt werden können, bei 56 Patienten erfolgte diese. Im Vergleich
der Gruppen zeigte sich eine höhere Wirksamkeit auf die Letalität nach Fokussierung
der Therapie. In einer Sekundäruntersuchung aus Kanada und den USA ergab sich für
die fokussierte Therapie ein besseres Outcome mit einer geringeren Anwendungsdichte
von Breitspektrumantibiotika [232 ].
Bei einer VAP aufgrund von P. aeruginosa führte die Deeskalation auf eine Monotherapie nach Erhalt des Antibiogramms in einer
monozentrischen retrospektiven Studie nicht zu einer erhöhten Sterblichkeit [229 ]. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine prospektive Kohortenanalyse bei Patienten mit einer
Bakteriämie mit P. aeruginosa
[234 ]. Die Deeskalation auf eine wirksame Monotherapie war kein Nachteil im Vergleich
zu einer weiter verabreichten Kombination.
Ebenso konnte auf chirurgischen Intensivstationen gezeigt werden, dass eine Deeskalation
zu keiner erhöhten Letalität bei kritisch kranken Patienten geführt hat [228 ]. Hier ging es ebenfalls v. a. um die Deeskalation von einer Kombinations- auf eine
Monotherapie. In einer weiteren kleineren retrospektiven Untersuchung bei Patienten
mit VAP aus Malaysia gab es unter der Deeskalation von einer Breitspektrum- auf eine
schmalere Therapie keine erhöhte Sterblichkeit [230 ]. Eine ähnliche Arbeit mit ebenfalls retrospektivem Design zeigte eine Verkürzung
der Behandlungsdauer [231 ].
Somit zeigte sich sowohl für eine Deeskalation aufgrund des klinischen Ansprechens
als auch aufgrund vorliegender mikrobiologischer Befunde kein Unterschied in der Sterblichkeit.
Viele der Studien weisen Qualitätsmängel auf, weshalb die Evidenz nur moderat ist.
Für Beatmungsdauer, Verweildauer, Antibiotikatage und das Auftreten rekurrenter Infektionen
zeigte sich ebenfalls kein Unterschied. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Selektion
multiresistenter Erreger durch eine Deeskalation verhindert werden kann, fehlen methodisch
adäquate Studien.
7.6 Therapiedauer
Wie lange sollte eine nosokomiale Pneumonie mit Antibiotika behandelt werden?
Empfehlung 21
evidenzbasiert
Die Therapiedauer sollte bei gutem Ansprechen des Patienten 7–8 Tage betragen. Im Einzelfall sind längere
Therapiedauern erforderlich (z. B. S.-aureus -Bakteriämie, nicht sanierbares Empyem, Abszess).
schwache Empfehlung, Empfehlungsgrad B
hohe Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊕
hohe Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊕
hohe Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊕
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
[235 ]
[236 ]
[237 ]
[238 ]
[239 ]
[240 ]
[241 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Liegedauer
klinische Heilung
Selektion MR-Erreger
In den letzten 2 Jahrzehnten sind mehrere prospektive, randomisierte, kontrollierte
Studien bei Patienten mit Ventilator-assoziierter Pneumonie zum Vergleich einer kürzeren
(7–8 Tage) gegenüber einer längeren (10–15 Tage) Therapiedauer durchgeführt worden
[237 ]
[238 ]
[239 ]
[240 ]
[241 ]. In einer aktuellen Metaanalyse [235 ], die diese 5 Studien mit insgesamt 1069 Patienten mit beatmungsassoziierter Pneumonie
einschließt, unterschied sich eine kürzere gegenüber einer längeren Therapiedauer
hinsichtlich der Endpunkte Sterblichkeit, Liegedauer, Rückfallrate und dem Auftreten
multiresistenter Erreger bei der Behandlung der beatmungsassoziierten Pneumonie nicht.
Dies gilt auch für die Gruppe von Patienten mit einer HAP aufgrund von gramnegativen
Nonfermentern. In 3 der 5 eingeschlossenen Studien wurden anhand von Subgruppenanalysen
insgesamt 340 Patienten mit HAP bei gramnegativen Nonfermentern (davon überwiegend
mit Nachweis von P. aeruginosa ) untersucht. Hier fand sich ebenfalls kein signifikanter Unterschied hinsichtlich
der Rekurrenz bzw. der Rückfallrate zwischen der längeren und der kürzeren Therapiedauer
(Odds Ratio [OR] = 1,90; 95 %-KI 0,93–3,33; p = 0,05 und OR = 1,76; 95 %-KI 0,93–3,33,
p = 0,08), ebenso auch kein signifikanter Unterschied bei der Betrachtung der 28-Tage-Sterblichkeit
(OR = 1,24; 95 %-KI 0,92–1,67; p = 0,16). Zur Therapiedauer der nosokomialen Pneumonie
bei nicht beatmeten Patienten gibt es keine Studien.
Bei der Interpretation der Studien zur Therapiedauer der nosokomialen Pneumonie gilt
es zu berücksichtigen, dass die Anzahl der eingeschlossenen Patienten, die ein schweres
ARDS oder einen septischen Schock hatten, gering war. Patienten mit struktureller
Lungenerkrankung, wie z. B. Bronchiektasen, sowie Lungenabszessen und Empyemen sind
regelhaft ausgeschlossen worden [242 ]. In der iDIAPASON-Studie wurden Patienten mit bereits vor Beginn der HAP dokumentiertem
kulturellen Nachweis von P. aeruginosa in respiratorischen Materialien ausgeschlossen [237 ].
Zusammenfassend scheint eine Therapiedauer von 7–8 Tagen bei Patienten mit nosokomialer
Pneumonie und gutem klinischen Ansprechen ausreichend zu sein. Bei Patienten mit Nachweis
von P. aeruginosa als Erreger der HAP können ebenfalls 7–8 Tage als Therapiedauer erwogen werden. Ausgenommen
von dieser Empfehlung sind Patienten mit struktureller Lungenerkrankung (Bronchiektasen)
oder Lungenabszessen sowie Patienten mit schwerem ARDS und/oder septischem Schock.
Bei diesen Patienten sollte die Therapiedauer individuell festgelegt werden. Eine
weitere Ausnahme stellt die HAP durch S. aureus im Rahmen einer Bakteriämie dar. Diese wird als komplizierte S.-aureus -Bakteriämie eingestuft und i. d. R. 4 Wochen oder länger therapiert [243 ]
[244 ].
Sollte ein PCT-gestützter Algorithmus bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie eingesetzt
werden, um die Behandlungsdauer mit Antibiotika zu verkürzen?
Empfehlung 22
evidenzbasiert
Ein PCT-gestützter Algorithmus kann bei Patienten mit HAP/VAP eingesetzt werden, um die Behandlungsdauer mit Antibiotika
zu verkürzen.
Empfehlung offen, Empfehlungsgrad 0
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
[84 ]
[245 ]
[246 ]
[247 ]
[248 ]
[249 ]
[250 ]
mehrheitliche Zustimmung
Sterblichkeit
Antibiotikatage
Diese Fragestellung wurde in den letzten Jahren durch mehrere, prospektive, randomisierte
Studien und 2 aktuelle Metaanalysen untersucht [84 ]
[246 ]
[247 ]
[248 ]
[249 ]
[250 ]. Alle aufgeführten Primärstudien konnten im Rahmen eines definierten Protokolls
der PCT-Bestimmung und der Reaktionen auf die PCT-Werte (mit der Möglichkeit des „overrulings“
durch die Kliniker) eine Reduktion der Antibiotikatherapiedauer mithilfe von PCT-gestützten
Algorithmen demonstrieren. Mit Ausnahme von De Jong et al. (mediane Therapiedauer
5 Tage [3–9] in der PCT-gesteuerten Gruppe vs. 7 Tage [4–11] in der Kontrollgruppe)
konnte jedoch in keiner dieser Studien eine Reduktion der Therapiedauer auf unter
7 Tage in der Interventionsgruppe gezeigt werden.
De Jong et al. konnten in ihrer Studie mit 1575 eingeschlossenen, kritisch kranken
Patienten mit Sepsis und septischem Schock (davon zwei Drittel mit einem pulmonalen
Fokus) darüber hinaus eine signifikant geringere Sterblichkeit in der Interventionsgruppe
gegenüber der Kontrollgruppe (20 vs. 27 %; Differenz 6,6 %; 95 %-KI 1,3–11,9) zeigen
[248 ]. Auch nach einem Jahr war dieser Unterschied noch signifikant (36 vs. 43 %; Differenz
7,4 %; 95 %-KI 1,3–13,8). Dieses Ergebnis führen die Autoren der Studie auf eine möglicherweise
in der Interventionsgruppe frühzeitiger durchgeführte Diagnostik und Behandlung nicht-bakterieller
Ursachen bei Patienten mit primär niedrigen PCT-Werten zurück. Daneben spielt möglicherweise
auch eine Reduktion unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch eine kürzere Behandlungsdauer
eine Rolle. Eine wichtige Limitation der Studie ist, dass etwa die Hälfte der eingeschlossenen
Patienten eine ambulant erworbene Infektion aufwies, somit die Ergebnisse nicht uneingeschränkt
auf die nosokomiale Pneumonie zu übertragen sind.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Einsatz eines PCT-gestützten Algorithmus
die Therapiedauer mit Antibiotika zwar verkürzen kann, die moderate Evidenz hierfür
jedoch größtenteils aus älteren Studien mit deutlich längerer Therapiedauer als 7–8
Tage abgeleitet wird. Die Empfehlung zum Einsatz von PCT wurde daher in mehrheitlicher
Zustimmung der Leitliniengruppe von „sollte“ auf „kann“ herabgestuft. Wenn ein Behandler
ohnehin eine kurz dauernde Therapie durchführt, kann durch den PCT-gestützten Algorithmus
i. d. R. keine weitere relevante Verkürzung erreicht werden. In Kliniken, in denen
traditionell lange (> 8 Tage) behandelt wird, kann ein vordefinierter PCT-Algorithmus
zur Verkürzung der Therapiedauer hilfreich sein.
7.7 Gezielte Therapie bei speziellen Erregern
Welche ist die adäquate gezielte Therapie bei einem Nachweis von Infektionen mit:
ESBL- oder AmpC-bildenden Enterobacterales – Carbapenem-resistenten Enterobacterales
– Acinetobacter baumannii – Stenotrophomonas maltophilia ?
Empfehlung 23
Expertenkonsens
ESBL-bildende Stämme: Bei ESBL-positiven Enterobacterales sollen Carbapeneme eingesetzt werden.
starke Empfehlung
AmpC-bildende Stämme: Bei Enterobacterales mit einem relevanten Risiko für eine AmpC-Überexpression (Enterobacter cloacae, Klebsiella aerogenes, Citrobacter freundii ) sollte auch bei nachgewiesener In-vitro-Sensibilität gegenüber Cephalosporinen und/oder
Piperacillin/Tazobactam eine gezielte Therapie mit Carbapenemen oder Fluorchinolonen
durchgeführt werden. Wurde eine Cefepim-Empfindlichkeit nachgewiesen, kann auch dieses
eingesetzt werden.
schwache Empfehlung
CRE-Stämme: Bei Resistenz gegenüber allen Standardsubstanzen sollte – möglichst in Rücksprache mit einem Infektiologen/Mikrobiologen – eine Therapie
mit einem sensibel getesteten Reserve-Betalaktam (s. [
Tab. 19
]) erfolgen.
schwache Empfehlung
Acinetobacter baumannii:
Bei Carbapenem-sensiblen Acinetobacter baumannii
sollen Carbapeneme als Therapie der Wahl gegeben werden.
starke Empfehlung
Stenotrophomonas maltophilia:
Zunächst soll die klinische Relevanz des Nachweises geprüft werden. Bei In-vitro-Empfindlichkeit
sollte Cotrimoxazol (in hoher Dosierung 8–12 mg/kgKG, bezogen auf Trimethoprim-Komponente),
alternativ Levofloxacin oder Moxifloxacin, eingesetzt werden. Bei Resistenz gegenüber
Cotrimoxazol sollte eine ergänzende Empfindlichkeitsprüfung auf weitere Therapieoptionen nach Rücksprache
mit einem Mikrobiologen/Infektiologen erfolgen.
schwache Empfehlung
Wird bei der Empfindlichkeitsprüfung für die genannten Standardsubstanzen ein „I“
(sensibel bei erhöhter Exposition) ausgewiesen, muss die Dosis entsprechend angepasst
werden (s. [
Tab. 19
]). Bei Resistenz gegenüber allen Standardsubstanzen soll in Rücksprache mit einem Infektiologen oder Mikrobiologen, eine Therapie mit einem
sensibel getesteten Reserve-Betalaktam (s. [
Tab. 19
]) erfolgen.
starke Empfehlung
starker Konsens
Pneumonien durch multiresistente Bakterien gehen häufiger als bei anderen Erregern
mit einem Therapieversagen einher, v. a. bei inadäquater Therapie [214 ] oder verzögertem Therapiebeginn [251 ].
MRSA: Für MRSA konnte gezeigt werden, dass bei angemessener Therapie die Letalität im Vergleich
zu MSSA nicht erhöht ist [252 ]. Eine Metaanalyse basierend auf 7 RCT mit insgesamt 1239 Patienten mit gesicherter
MRSA-Pneumonie zeigte ein signifikant besseres klinisches Ansprechen (RR = 0,81; 95 %-KI = 0,71–0,92)
und eine signifikant häufigere MRSA-Eradikation (RR = 0,71; 95 %-KI = 0,62–0,81) bei
Therapie mit Linezolid gegenüber Vancomycin. Bei Nebenwirkungen und Letalität gab
es keine signifikanten Unterschiede [253 ]. Da die Wirksamkeit von Linezolid als bakteriostatisches Antibiotikum bei einer
pneumogenen MRSA-Blutstrominfektion kaum untersucht ist, sollte bei MRSA HAP mit positiver
Blutkultur Vancomycin (alternativ Ceftobiprol s. u.) für die gezielte initiale Therapie
erwogen werden.
Im Hinblick auf die Pharmakokinetik und -dynamik von Vancomycin wurden Patienten mit
Bakteriämie oder Pneumonie durch MRSA in 2 Dosierungsmodi untersucht. Die kontinuierliche
Infusion mit einem Zielspiegel von 20–25 mg/l ergab im Vergleich zur Intervallgabe
alle 12 Stunden mit einem angestrebten Talspiegel von 10–15 mg/l gleiche klinische
und mikrobiologische Erfolgsraten [254 ]. Das frühere Erreichen des Zielspiegels, geringere Schwankung in der Serumkinetik
und die geringeren Kosten für Serumspiegelkontrollen und Medikamente können Argumente
für die kontinuierliche Applikation sein.
Ceftobiprol ist eine Alternative für die Monotherapie von Pneumonien, wenn MRSA nachgewiesen
wurde und gleichzeitig kalkuliert unter Einschluss gramnegativer Erreger behandelt
werden soll [255 ]. Es ist auch eine Alternative zu Vancomycin bei gleichzeitig vorliegender MRSA-Bakteriämie
[256 ]. Es besitzt die Zulassung für die Therapie von nosokomialen Pneumonien ohne invasive
Beatmung.
Die bevorzugte Therapie von nosokomialen MRSA-Pneumonien bleibt dem Ermessen des Klinikers
und seiner Einschätzung der Studienlage überlassen.
P. aeruginosa: Während in der kalkulierten Initialtherapie die Kombination eines pseudomonaswirksamen
Betalaktams mit einem Aminoglykosid oder einem Fluorchinolon höhere Erfolgsraten durch
Erfassung von MRE ergibt, zeigen sich in der gezielten Behandlung von Erkrankungen
durch P. aeruginosa keine sicheren Vorteile der Kombination. In einer großen nichtinterventionellen Kohortenstudie
war die Monotherapie mit einem pseudomonaswirksamen Betalaktam oder Fluorchinolon
der Kombinationstherapie (Betalaktam + Aminoglykosid oder Fluorchinolon) nicht unterlegen
[214 ]. Allerdings ging Meropenem gegenüber der Kombination von Ceftazidim und Tobramycin
in einer anderen Studie häufiger mit einem Therapieversagen einher, während zugleich
die klinische und mikrobiologische Heilungsrate bei Vorliegen anderer Erreger durch
Meropenem höher war [257 ]. Subgruppenanalysen von Studien bei Patienten mit Nachweis von P. aeruginosa ergaben für Imipenem eine höhere Rate von Therapieversagen gegenüber Ceftazidim oder
Piperacillin/Tazobactam [258 ]
[259 ]
[260 ]. Im Vergleich zwischen Imipenem und Ciprofloxacin fanden sich keine Unterschiede
in der Eradikation von P. aeruginosa
[261 ]. In einer weiteren Studie zeigten sich Imipenem, Meropenem und Doripenem äquipotent
bezüglich der Rezidivrate und der Letalität [262 ]. Bei Nachweis einer Multiresistenz gegenüber pseudomonaswirksamen Antibiotika war
Colistin bislang Mittel der Wahl. Kohortenstudien und daraus abgeleitete Metaanalysen
belegen, dass Colistin den neuen Betalaktamen bzw. Betalaktam/Betalaktamase-Inhibitoren
(Ceftolozan/Tazobactam, Ceftazidim/Avibactam, Cefiderocol, Imipenem/Relebactam, Meropenem/Vaborbactam)
aufgrund der höheren Nephrotoxizität und des häufigeren Therapieversagens unterlegen
war [263 ].
In der Leitlinie der IDSA zur gezielten Therapie multiresistenter Erreger werden daher
die neuen Betalaktame in Abhängigkeit von der Resistenztestung gegenüber Colistin
favorisiert [264 ]. Welches der neuen Betalaktame eingesetzt werden sollte, hängt u. a. davon ab, ob
eine Carbapenem-Resistenz durch eine Kombination von Resistenzmechanismen wie Porinverlust
und Effluxpumpen oder durch Carbapenemase(n) bedingt ist und welche Carbapenemasen
nachgewiesen wurden.
ESBL-bildende Stämme: Pneumonien durch ESBL-bildende Enterobacterales (v. a. Klebsiella spp . und E. coli ) sind der Behandlung mit einem Carbapenem zugänglich [265 ]. Andere in vitro wirksam getestete Antiinfektiva sollten wegen ungenügender klinischer
Wirksamkeit nur nach Rücksprache mit einem Infektiologen/Mikrobiologen eingesetzt
werden [266 ]. Einige ESBL-Varianten werden in vitro durch Tazobactam gehemmt. Retrospektive Studien
legten nahe, dass bei nachgewiesener In-vitro-Sensitivität ESBL-Bildner-Infektionen
auch durch Piperacillin/Tazobactam behandelt werden könnten. In einer großen randomisierten
Studie bei Blutstrominfektionen durch ESBL-Bildner zeigte sich aber eine deutlich
erhöhte Sterblichkeit unter Piperacillin/Tazobactam versus Meropenem (12,3 vs. 3,7 %),
sodass geschlossen wurde, schwere ESBL-Bildner-Infektionen auch bei nachgewiesener
Piperacillin/Tazobactam Sensibilität mit einem Carbapenem zu therapieren [194 ]. Die Studie hatte allerdings gravierende Probleme bei der Empfindlichkeitstestung
von Piperacillin/Tazobactam, sodass auch Patienten mit diesem Antibiotikum therapiert
wurden, bei denen ein Stamm mit einer MHK im resistenten Bereich vorlag. Zudem war
die Letalität fast ausschließlich durch die Grunderkrankungen bedingt. Wenn nur Patienten
eingeschlossen wurden, bei denen die Isolate MHK-Werte unter 8 mg/l hatten und die
hohe Dosierung von Piperacillin/Tazobactam verwendet wurde, war die Differenz wesentlich
weniger ausgeprägt [267 ]. Eine Therapie mit Piperacillin/Tazobactam kann deshalb vertreten werden, wenn die
Empfindlichkeit des Isolates verlässlich bestimmt wurde und eine ausreichende Dosierung
sichergestellt ist.
AmpC-bildende Stämme: Bestimmte Spezies produzieren eine AmpC-Betalaktamase, deren Produktion erst bei
Kontakt mit einem Betalaktam hoch reguliert wird. Enterobacter cloacae, Klebsiella aerogenes, Citrobacter freundii und Hafnia alvei (bei Hafnia alvei bislang nur In-vitro-Daten) haben ein mittleres bis hohes Risiko für eine klinisch
relevante AmpC-Produktion, Serratia marcescens und Morganella morganii ein niedriges. Eine AmpC-Aktivierung kann allerdings auch bei weiteren Spezies auftreten
[264 ]. AmpC, die ähnlich ESBL eine Resistenz gegen Cephalosporine und BL/BLI vermittelt,
wird in der mikrobiologischen Resistenztestung oftmals nicht nachgewiesen, kann aber
bei einer hohen Erregerlast im Patienten zu einem Therapieversagen führen. Lediglich
Cefepim zeigt eine gewisse Stabilität gegenüber AmpC. Die EUCAST [192 ] und die IDSA-Leitlinie [264 ] empfiehlt daher bei folgenden o. g. Spezies keine gezielte Therapie mit einem BL/BLI
oder Cephalosporin (Ausnahme: Cefepim bis zu einer MHK ≤ 2 mg/l). Die klinische Datenlage
beschränkt sich auf retrospektive Beobachtungen [268 ]
[269 ].
CRE-Stämme: In den letzten Jahren wurden verschiedene neue Betalaktam-Antibiotika mit einer Wirkung
gegen CRE für die Behandlung der nosokomialen Pneumonie zugelassen [270 ]
[271 ]
[272 ]. Dabei gilt es zu beachten, dass einige dieser neuen Antibiotika keine ausreichende
Wirkung gegen grampositive Erreger haben. Des Weiteren wirken die meisten dieser neuen
Antibiotika nur gegen CRE mit einem bestimmten Resistenzmechanismus und meist nur
eingeschränkt bei CR-A. baumannii . Gegen Erreger mit sog. Metallo-Betalaktamasen (z. B. VIM und NDM) haben die neuen
Betalaktam-Antibiotika mit Ausnahme von Cefiderocol keine Wirksamkeit. Diese neuen
Antibiotika haben den vom Robert Koch-Institut neu eingeführten Status „Reserveantibiotikum“
erhalten. Der gemeinsame Bundesausschuss hat Anforderungen an die qualitätsgesicherte
Anwendung dieser Reserveantibiotika definiert: Die Substanzen sollen nur zur gezielten
Therapie nach Vorlage eines Antibiogrammes und nach Rücksprache mit einem Infektiologen
oder Mikrobiologen eingesetzt werden. Eine kalkulierte Therapie ohne Erregernachweis
soll nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen. In aktuellen Leitlinien der Infectious
Diseases Society of America (IDSA) und der European Society for Clinical Microbiology
and Infectious Diseases (ESCMID) wird der priorisierte Einsatz entsprechend der Spezies
und des zugrunde liegenden Mechanismus der Carbapenem-Resistenz beschrieben [264 ]
[273 ]
[274 ]. Beide Leitlinien heben hervor, dass die neuen Betalaktam-Antibiotika gegenüber
Colistin bevorzugt werden sollten, da dies eine deutlich höhere Nephrotoxizität aufweist.
In einem der wenigen RCTs, die das neue Betalaktam Meropenem-Vaborbactam mit einer
Colistin-basierten Kombinationstherapie bei Infektionen durch Carbapenem-resistente
gramnegative Erreger (CR-GN) mit unterschiedlichem Focus vergleicht, trat der kombinierte
Endpunkt (Therapieversagen und/oder akutes Nierenversagen) signifikant seltener in
der Meropenem-Vaborbactam-Gruppe auf [275 ].
Acinetobacter baumannii: A. baumannii weist sehr unterschiedliche Resistenzmuster auf und wird entsprechend dem Antibiogramm
behandelt. Die Isolate sind oft gegen Ampicillin/Sulbactam, Carbapeneme oder Tigecyclin
sensibel [276 ]. Sulbactam hat gegenüber A. baumannii eine Ampicillin-unabhängige, eigenständige Wirksamkeit. Die Testung auf Ampicillin/Sulbactam
in der Routinediagnostik ist allerdings nicht zuverlässig, sodass diese Option von
der Leitliniengruppe nicht empfohlen wird.
Die Datenlage zur gezielten Therapie bei CR-A. baumannii ist kontrovers. Dies reflektieren auch die unterschiedlichen Empfehlungen. Cefiderocol
ist das einzige der neuen Betalaktame, das häufig eine In-vitro-Wirksamkeit bei CR-A. baumannii aufweist. Allerdings zeigte die randomisierte CREDIBLE-Studie (n = 152), die Cefiderocol
mit Colistin-basierter Kombinationstherapie bei CR-GN-Infektionen mit unterschiedlichem
Fokus verglich, eine tendenziell erhöhte Sterblichkeit unter Cefiderocol (34 vs. 18 %),
deren Ursache unklar blieb [272 ]. Da in der CREDIBLE-Studie v. a. Patienten mit A.-baumannii -Infektionen (46 %) eingeschlossen wurden, hat die IDSA in o. g. Leitlinie die Cefiderocol-Monotherapie
bei A. baumannii nur als Alternativsubstanz aufgeführt, die ESCMID spricht sogar eine moderate Empfehlung
gegen eine Cefiderocol-Monotherapie aus. Die IDSA empfiehlt eine Colistin-basierte
Kombinationstherapie, wobei die optimalen Kombinationspartner unklar sind. Eine kürzlich
durchgeführte Netzwerk-Metaanalyse zeigte, dass die Kombination von Colistin, Sulbactam
und Tigecyclin mit einem besseren klinischen Ansprechen und einer höheren Eradikationsrate
verbunden ist. Allerdings hatten die zugrunde liegenden klinischen Studien kleine
Stichprobengrößen und eine erhebliche Heterogenität. Die ESCMID verweist auf RCTs,
die keinen Vorteil für eine Kombination von Colistin/Meropenem bzw. Colistin/Rifampicin
gegenüber einer Colistin-Monotherapie gezeigt haben [201 ]
[277 ]
[278 ] und empfiehlt bei In-vitro-Sensibilität Ampicillin/Sulbactam mit Dosen zwischen
9–48 g/Tag und bei einer Meropenem-MHK < 8 mg/l eine hochdosierte prolongierte Meropenem-Therapie.
Wenn diese Optionen nicht möglich sind, werden Colistin oder eine hoch dosierte Tigecyclin-Therapie
(doppelte Dosis) empfohlen.
S. maltophilia: Der Nachweis von S. maltophilia in respiratorischen Isolaten ist häufig die Folge einer prolongierten Therapie mit
einem Carbapenem. Die klinische Bedeutung ist oft zweifelhaft und sollte immer kritisch
geprüft werden [279 ]. Bei Therapiebedürftigkeit wurden Cotrimoxazol (Trimethoprim als entscheidender
wirkstoffhöchster Dosierung) und Tigecyclin eingesetzt [280 ]. Für Cefiderocol liegen wenige Fallberichte vor, die eine Einsetzbarkeit nahelegen.
Die Empfindlichkeitstestung ist nach EUCAST (European Committee on Antimicrobial Susceptibility
Testing) sowie CLSI (Clinical & Laboratory Standards Institute) möglich.
7.8 Therapieversagen
Welches Vorgehen sollte bei einem Therapieversagen gewählt werden?
Empfehlung 24
Expertenkonsens
Bei Therapieversagen sollte eine erneute Diagnostik (z. B. Bronchoskopie mit BAL und erweiterter Erregerdiagnostik,
Bildgebung mittels CT-Thorax) zur Klärung der Ätiologie erfolgen.
schwache Empfehlung
starker Konsens
Ein Therapieversagen bei HAP kann eine vital bedrohliche Situation darstellen. Bei
effektiver Therapie sollte sich, analog zur CAP, innerhalb von 72 h eine klinische
Stabilisierung einstellen. Mögliche Anzeichen für das Nichtansprechen der Therapie
sind:
fehlende klinische Besserung,
radiologische Progression,
fehlende Besserung des SOFA-Scores (Sequential Organ Failure Assessment) [226 ],
keine Abnahme des CRPs an Tag 4 [281 ],
Isolierung eines neuen Erregers an Tag 3 [282 ].
Eine allgemein anerkannte Definition des Therapieversagens ist demgegenüber nicht
verfügbar.
Die multivariate Post-hoc-Analyse eines RCT mit 740 Patienten fand eine fehlende Verbesserung
von PaO2 /FiO2 an Tag 3 als unabhängigen Prädiktor für ein Therapieversagen [283 ]. In einer prospektiven Analyse an 335 Patienten konnte zusätzlich eine ausbleibende
Besserung des SOFA-Scores an den Tagen 1–5 als unabhängiger Prädiktor für Therapieversagen
gefunden werden [226 ]. Ein Therapieversagen kann bei definierten Komorbiditäten ([
Tab. 24
]) zuweilen schwer von einem verzögerten Ansprechen der Therapie unterschieden werden.
Tab. 24
Komorbiditäten, die ein Therapieansprechen verzögern können.
Erkrankung
Folge
COPD
Abhusten und mukozilliäre Clearance gestört
Tumorerkrankung
Kachexie, Immunfunktion gestört, Immunsuppression durch Chemotherapie, verändertes
Mikrobiom/Besiedlung
Alkoholerkrankung
Aspiration, Mangelernährung, eingeschränkte Neutrophilenfunktion
neurologische Erkrankungen
Aspiration, gestörte Clearance von Sekreten
Herzinsuffizienz
Ödem, gestörte Lymphdrainage
Niereninsuffizienz, chronisch
gestörte Makrophagen- und Neutrophilenfunktion, verminderte humorale Immunität
Diabetes mellitus
Neutrophilenfunktion gestört, zellvermittelte Immunität vermindert
poststenotische Pneumonie
bronchiale Obstruktion, gestörte mukozilläre Clearance mit Gefahr des sekundären Lungenabszesses
Die Ursachen eines Therapieversagens bei HAP sind vielfältig ([
Tab. 25
] und [
Tab. 26
]).
Tab. 25
Gründe für Therapieversagen trotz korrekter Diagnose einer HAP [282 ].
Grund für Therapieversagen
mögliche Behandlungsstrategien
inadäquate Antibiotikatherapie
Eskalation der Behandlung je nach Kulturergebnissen, Gramfärbung, Risikofaktoren für
MDR-Erreger oder Überwachungskulturen
unzureichende Antibiotikadosierung
Gabe von prolongierten Antibiotikainfusionen, TDM, ggf. Wechsel der antimikrobiellen
Therapie, wenn keine ausreichenden Wirkspiegel erreicht werden
nicht von der Therapie erfasste Erreger (HSV, Aspergillus spp )
Eskalation der antimikrobiellen Behandlung ggf. Erweiterung der Therapie um Virostatika,
Antimykotika
dekompensierte Komorbiditäten oder Grunderkrankungen
Behandlung der Grunderkrankung
fehlende Fokussanierung
Sanierung des Fokus, z. B. Drainage eines Pleuraempyems
schwere Pneumonie mit der Folge eines diffusen Alveolarschadens (DAD)
keine kausale Therapie bekannt
Tab. 26
Nicht-infektiöse Ursachen für Therapieversagen.
Erkrankungen
häufig
kardiale Ursachen
Linksherzinsuffizienz, Hypertonieherz, Pleuraergüsse
Lungenarterienembolie
Lungenarterienembolie
Rechtsherzinsuffizienz, Pleuraergüsse
pulmonale Ursachen
Atelektase
organisierende Pneumonie
diffuser Alveolarschaden (DAD)
selten
immunologische Erkrankungen
Vaskulitis
Sarkoidose
eosinophile Pneumonie
diffuse alveoläre Hämorrhagie
Arzneimitteltoxizität
Amiodaron, Methotrexat, Bleomycin, Checkpoint-Inhibitoren u. a.
Bei Therapieversagen sollte eine erneute mikrobiologische Diagnostik erfolgen. Eine
hohe Rate von Sekundärinfektionen wurde bei Patienten mit Schock, Hypothermie und
bei Nachweis von S. aureus zum Zeitpunkt der Diagnosestellung gefunden. Ob es sich allerdings tatsächlich um
eine Sekundärinfektion handelt oder der Erreger bei der Primärinfektion nicht nachgewiesen
wurde, kann nicht immer eindeutig geklärt werden [282 ]. Ca. 16 % aller VAP sind polymikrobiell [25 ]. Die erneute Diagnostik kann zudem Erreger mit primärer oder sekundär erworbener
Resistenz gegenüber der initialen Antibiotikatherapie finden. Hierbei handelt es sich
häufig um schwer zu eradizierende Erreger wie P. aeruginosa oder MDR-Pathogene.
Die in vielen Studien gefundene leicht überlegene Sensitivität einer invasiven Diagnostik
kann in dieser Situation eine bronchoskopische Diagnostik begründen [284 ]
[285 ]. Es bestehen jedoch grundsätzlich dieselben Limitationen der quantitativen Kultur
wie bei primärer Evaluation [284 ]
[286 ]. Die erneute Diagnostik soll vor der Gabe neuer Antibiotika erfolgen [108 ]. Eine Therapiepause („diagnostisches Fenster“) ist nicht indiziert. Zur Klärung
der dem Therapieversagen zugrunde liegenden Ursache kann eine erweiterte Bildgebung
mit Thorax-CT, Echokardiografie oder Thorax-Sonografie indiziert sein, insbesondere
um nicht-infektiöse Ursachen ([
Tab. 26
]) und unsanierte Foci zu detektieren.
Eine Virusdiagnostik, insbesondere für Influenza und SARS-CoV-2, kann hierbei sinnvoll
sein. Bei therapierefraktärer HAP kann auch eine quantitative PCR auf Herpes-simplex-Virus
(HSV) und Zytomegalievirus (CMV) erwogen werden.
Welches Vorgehen sollte bei einem Therapieversagen und positivem HSV-Nachweis gewählt
werden?
Empfehlung 25
evidenzbasiert
Bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie und molekulargenetischem Herpes-Simplex-Nachweis
mit einer hohen Viruslast in der BAL, die auf eine Antibiotikatherapie nicht ansprechen,
kann bei passendem klinischem Bild (Bildgebung, Ausschluss anderer Pathogene) eine Therapie
mit Aciclovir erwogen werden.
Empfehlung offen, Empfehlungsgrad 0
hohe Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊕
niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊖⊖
[287 ]
[288 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Liegezeit
Bei Vorliegen eines positiven HSV-Befundes in der BAL (Viruslast > 105 Genomkopien/ml) zeigt sowohl eine systematische Übersicht von 8 Studien [287 ] als auch eine randomisierte Studie [288 ] eine Reduktion der Sterblichkeit durch eine Aciclovir-Therapie. In der randomisierten
Studie von Luyt et al. zeigte sich eine Hazard Ratio für Tod innerhalb von 60 Tagen
nach der Randomisierung von 0,61 (95 %-KI 0,37–0,99; p = 0,047) in der Aciclovir-Gruppe
im Vergleich zur Kontrollgruppe. Demgegenüber konnte in der systematischen Übersicht
von Hagel et al. eine reduzierte Krankenhaussterblichkeit bei beatmeten Patienten
mit Herpes-simplex-Viren in den Atemwegen unter Aciclovir-Therapie gezeigt werden
(RR 0,74; 95 %-KI 0,64–0,85) [287 ].
Da alle Ergebnisse eine Reduktion der Sterblichkeit anzeigen, wurde die Evidenz für
eine reduzierte Sterblichkeit unter Aciclovir als moderat bewertet.
In einer randomisierten Studie mit insgesamt 238 Patienten wurden die Beatmungs- und
Liegezeit auf der Intensivstation untersucht [288 ]. Der HSV-Nachweis erfolgte hierbei im oropharyngealen Abstrich, was die Übertragbarkeit
auf die nosokomiale Pneumonie deutlich eingeschränkt. Die Liegezeit auf der Intensivstation
konnte in dieser Arbeit von medianen 20 (IQR 12–41) um 3 auf 17 Tage (IQR 7–23) und
die Beatmungszeit von medianen 17 (IQR 7–30) um 4 auf 13 Tage (IQR 7–23) gesenkt werden.
Ein signifikanter Unterschied zwischen den Ergebnissen lag nicht vor: Die Evidenz
für eine Aciclovir-Therapie bei HSV-Nachweis zur Senkung der Liegedauer wird als niedrig
bewertet.
Zusammenfassend kann aufgrund der aktuell vorliegenden geringen Evidenz bei Therapieversagen
unter Antibiotikatherapie und gleichzeitigem Nachweis von HSV in der BAL mit hoher
Viruslast eine Therapie mit Aciclovir erwogen werden. Die Dosierung beträgt 3-mal
täglich intravenös mit 5 mg/kg über 10–14 Tage und muss bei eingeschränkter Nierenfunktion
und unter Nierenersatzverfahren angepasst werden.
Eine CMV-Reaktivierung kann ebenfalls mit einem verzögerten Therapieansprechen bei
HAP einhergehen. Eine präemptive Therapie zeigt aber keinen Vorteil und sollte deshalb
nicht durchgeführt werden [289 ].
Bei Intensivpatienten sollte bei Therapieversagen eine Aspergillose in Betracht gezogen
werden. In einer prospektiven multizentrischen Studie wurde bei 12 % aller nicht neutropenen
Patienten mit Verdacht auf VAP eine mögliche Aspergillose beschrieben [127 ].
8 Antibiotic Stewardship
Sollen ABS-Maßnahmen bei der nosokomialen Pneumonie angewendet werden?
Empfehlung 26
evidenzbasiert
Zum Management der nosokomialen Pneumonie sollen die Voraussetzungen zur Implementierung von ABS-Programmen gegeben sein.
Die Strategien zur Optimierung des Verordnungsverhaltens und zur Therapieoptimierung
sollen angewandt werden.
starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A
moderate Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊕⊖
niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊖⊖
niedrige Evidenzqualität/GRADE ⊕⊕⊖⊖
[76 ]
[290 ]
[291 ]
[292 ]
[293 ]
[294 ]
[295 ]
[296 ]
[297 ]
starker Konsens
Sterblichkeit
Liegezeit
Therapiedauer
Antibiotic Stewardship (ABS)-Interventionen sollen analog der S3-Leitlinie („Strategien
zur Sicherung zur Verbesserung rationaler Antibiotikaanwendung im Krankenhaus“) bei
Patienten mit nosokomialer Pneumonie durch ein multidisziplinäres ABS-Team durchgeführt
werden [298 ]. Wichtige Strategien zur Optimierung des Verordnungsverhaltens bezogen auf die nosokomiale
Pneumonie sind lokale Behandlungsleitlinien/-pfade, Freigaberegelungen, Fortbildungen
und ABS-Visiten. Behandlungsleitlinien sollten auf der Basis von nationalen Leitlinien
erstellt, an lokale Resistenzstatistiken angepasst und geschult werden. Im Rahmen
von ABS-Visiten werden antimikrobielle Therapien hinsichtlich Indikation, Substanzwahl,
Dosierung, Applikationsart und der Therapiedauer evaluiert. Empfehlungen zur Optimierung
können als direktes Feedback erfolgen. Fortbildungen sollten aktiv durchgeführt werden
und eine Rückmeldung zur Verschreibungspraxis beinhalten. Strategien zur Therapieoptimierung
sollen beim Management von nosokomialen Pneumonien angewandt werden. Dieses betrifft
v. a. die Dosisoptimierung sowie das TDM für ausgewählte Antiinfektiva (Kapitel 7.1.1.1),
Deeskalation und Fokussierung der Therapie (Kapitel 7.5) und Einhaltung der empfohlenen
Therapiedauer (Kapitel 7.6). Eine zentrale Rolle spielt die Reevaluation der Therapie
[292 ]. Eine kalkuliert begonnene Therapie soll bei jedem Patienten erneut geprüft und
wenn nötig umgestellt oder beendet werden.
Eine Evidenz für die Vorteile eines ABS bezogen auf nosokomiale Pneumonien gibt es
nicht. In einem systematischen Review von Davey et al. konnte für ABS-Interventionen
gezeigt werden, dass durch eine erhöhte Compliance die Antibiotikaverordnungen zurückgingen.
Die Behandlungsdauer von Infektionen und somit auch die Liegedauer wurden verkürzt,
ohne eine erhöhte Letalität oder andere unerwünschte Effekte [291 ]. Ein weiteres Review beschäftigte sich mit dem Einsatz von klinischen Pharmazeuten
innerhalb eines ABS-Teams. Hierbei konnte eine Verbesserung des Outcomes in den meisten
eingeschlossenen Studien, v. a. was die Therapiedauer mit Antibiotika und Behandlungsdauer
betraf, gezeigt werden [293 ].
Eine Metaanalyse untersuchte einzelne ABS-Interventionen in Bezug auf die Endpunkte
klinisches Outcome, Nebenwirkungen, Resistenzentwicklung und Kosten [295 ]. Es konnte eine Verringerung der Letalität v. a. durch eine leitliniengerechte Behandlung
gezeigt werden. Die meisten Studien bezogen sich auf die CAP, einige auf die HAP.
Die Interventionen wurden hierbei einzeln untersucht, die Autoren wiesen jedoch darauf
hin, dass der Effekt bei Implementierung eines Maßnahmenbündels möglicherweise größer
wäre.
Die Umsetzung dieser Strategien sollte durch Anwendung von geeigneten Qualitätsindikatoren
regelmäßig überprüft werden. Für die nosokomiale Pneumonie gibt es bislang keine ausreichende
Evidenz, für die CAP und die Exazerbation der COPD sind Qualitätsindikatoren beschrieben
und untersucht [299 ]
[300 ].
Best Practice Statement 2
Bei Hinweisen auf eine Betalaktam-Unverträglichkeit/-Allergie soll diese überprüft
und klassifiziert werden (Delabeling).
Betalaktame sind die am häufigsten verschriebenen und gleichzeitig wirksamsten Antibiotika
zur Behandlung der nosokomialen Pneumonie. Bei vermuteter Allergie/Unverträglichkeit
kommen häufig andere weniger effektive Antibiotika zum Einsatz, obwohl bei den meisten
Patienten keine Allergie vorliegt. In einer Untersuchung von Shenoy et al. gab jeder
10. Patient Nebenwirkungen wie bspw. gastrointestinale Störungen oder Pruritus als
Grund für die Allergievermutung an [301 ]. Allergologische Tests zeigten, dass bei 95 % der Betroffenen keine Allergie vorlag
[301 ]. Eine Risikobewertung der Therapiemöglichkeiten bei fraglicher Betalaktam-Unverträglichkeit/-Allergie
sollte anhand beschriebener Scoringsysteme wie z. B. dem PEN-FAST-Score (https://www.mdcalc.com/calc/10422/penicillin-allergy-decision-rule-pen-fast ) durchgeführt werden. Dadurch kann der Einsatz von alternativen Antiinfektiva mit
erhöhtem Risiko von Kollateralschäden bzw. schlechterem klinischen Outcome vermindert
werden. Ein Delabeling (Entziehung der Diagnose Betalaktam-Allergie) sollte bei milderen
Allergieformen mittels Anamnese durch ein geschultes ABS-Team erfolgen [302 ].