Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2539-9946
Inborn Errors of Immunity und rheumatisch-entzündliche Autoimmunität
- Zusammenfassung
- ABKÜRZUNGEN
- Einleitung
- Mechanismen der Autoimmunität bei IEI
- Rheumatische Manifestationen bei IEI
- Diagnostische Ansätze
- Therapeutische Ansätze
- Konzepte und Herausforderungen
- Literatur
Zusammenfassung
Rheumatische Symptome wie Arthritis, Vaskulitis und Autoinflammation können (Erst)-Manifestation von IEI sein und sind meist assoziiert mit pathologischen Infektionen und weiteren autoimmun-autoinflammatorischen Komplikationen. Das Erkennen eines IEI hat entscheidende therapeutische Implikationen und ermöglicht teilweise gezielte Ansätze, die die zugrunde liegende Immunpathologie adressieren. Eine frühe Diagnosestellung soll systemische Komplikationen und Organschäden vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Gen-Varianten, die mit seltenen monogenen IEI assoziiert sind, findet man aber auch in Verbindung mit polygenen rheumatischen Erkrankungen. Einblicke in Kandidatengene und ein besseres Verständnis genetischer, molekularer sowie immunologischer Mechanismen sowie genetischer Netzwerke und epigenetischer und weiterer Einflussfaktoren auf diese Mechanismen und Immuneffektoren können helfen, zielgerichtete Therapien auch für polygene entzündlich-rheumatische Krankheitsbilder zu finden.
#
Schlüsselwörter
Inborn Errors of Immunity (IEI) - Primäre Immundefizienz (PID) - Immundysregulation - Autoimmunität - rheumatische ErkrankungABKÜRZUNGEN
#
Einleitung
Angeborene Störungen der Immunfunktion (Inborn Errors of Immunity, IEI) sind Erkrankungen, die meist auf Keimbahnmutationen in einzelnen Genen zurückzuführen sind. Diese Mutationen führen zu Fehlfunktionen des Immunsystems, die sich in pathologischer Infektionsanfälligkeit, aber auch Autoimmunität, Autoinflammation und Malignität äußern können [1]. Während man IEI bis vor Kurzem als Primäre Immundefizienzen (PID) bezeichnete und vor allem mit pathologischer Infektionsanfälligkeit assoziierte, zeigen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte, dass nicht-infektiöse Manifestationen, insbesondere Autoimmunität und Autoinflammation, einschließlich rheumatischer Erkrankungen, erste oder dominierende klinische Merkmale von IEI sein können [2], [3]. Daneben konnte aber auch gezeigt werden, dass die Gene, die für monogene IEI verantwortlich sind, auch mit polygenen Autoimmunerkrankungen in Verbindung sehen können. Dieses Wissen hat zum besseren Verständnis pathophysiologischer Mechanismen der Immundysregulation beigetragen, was auch für die Pathogenese multifaktorieller rheumatischer Erkrankungen von Bedeutung ist und neue therapeutische Möglichkeiten durch gezielte Ansätze, basierend auf diesen genetischen und molekularen Mechanismen, bietet [3], [4], [5].
#
Mechanismen der Autoimmunität bei IEI
Autoimmunität bei IEI entsteht durch eine Vielzahl genetischer, molekularer und immunologischer Störungen [3]. Die wichtigsten Mechanismen umfassen:
-
Störungen der zentralen und peripheren Immuntoleranz
-
Übermäßig aktivierte Typ-I-Interferon-Antwort
-
Hyperaktive innate Immunantwort
-
Fehlfunktion regulatorischer T-Zellen (Treg)
-
Apoptosedefekte
-
Dysfunktionale Zytokin-Signalgebung
Therapierefraktäre Psoriasis oder mehr?
Eine Anfang 30-jährige kaukasische Patientin mit therapierefraktärer Psoriasis und V. a. Psoriasis-Arthritis wurde vom heimatnahen Dermatologen überwiesen. In der Familienanamnese gibt es keine Hinweise für Immundefizienz, jedoch berichtet die Patientin über Psoriasis und atopische Dermatitis. Die gesunden Eltern sind nicht-konsanguin, die Patientin hat gesunde Kinder. Bei der Patientin selbst besteht seit dem Kindesalter der Verdacht auf eine ekzematische Hauterkrankung und seit dem Jugendalter der Verdacht auf eine Psoriasis, die langjährig mit topischer Therapie versorgt wurde. Sie arbeitet oft im Feuchtbereich und ist seit über 5 Jahren arbeitsunfähig wegen einer massiven Verschlechterung der Haut, insbesondere der Hände und Füße. Seitdem besteht eine heimatnahe engmaschige dermatologische Anbindung mit PUVA-Therapie, jedoch ohne Besserung. Eine orale Glukokortikoidtherapie wurde begonnen, ebenfalls ohne Erfolg. Im Verlauf wurde die Therapie mit Biologika eskaliert: IL-23-Blockade (Tildrakizumab, Risankizumab), was wegen ausbleibender Besserung abgesetzt wurde und IL-17A-Blockade (Ixekizumab), was wegen einer Verschlechterung des Hautbefundes abgesetzt wurde. Zudem bestehen weißliche, z. T. fleckförmige Beläge auf der Zunge, die teilweise brennt oder schmerzt, was die Nahrungsaufnahme erschwert. Der Verdacht auf einen Lichen ruber mucosae wurde geäußert. Es erfolgten mehrere Abstriche der Hauteffloreszenzen; diese ergaben wiederholt Candida-Nachweise enoral sowie an Händen und Füßen. Man begann eine antimykotische Lokaltherapie sowie zuletzt Systemtherapie (ausschließlich oral auf Patientenwunsch), jedoch ohne Besserung. Im Verlauf traten Schmerzen an beiden Beinen auf und der Verdacht auf eine Psoriasis-Arthritis wurde geäußert. Aufgrund des schlechten Therapieansprechens erfolgte eine Überweisung in unsere Immundefektsprechstunde mit Vorstellungsgrund: „Beeinträchtigte Nahrungsaufnahme und V. a. Psoriasisarthritis bei Gelenk-/Knochenschmerzen“. Den Hautbefund der Hände bei Vorstellung zeigt [ Abb. 1 ].


Die immunologische Basisdiagnostik inklusive Immunphänotypisierung wies nicht auf eine gravierende zelluläre oder humorale Störung hin. Abstriche der Haut und Mundschleimhaut ergaben einen massiven Candida-Befall. Die Genetik erbrachte im Whole Exome Sequencing (WES) den Nachweis der compound-heterozygoten Varianten c.769 C > T p.
(Arg257*), pathogen und c.892 G > A p.(Glu298Lys) im AIRE-Gen (Chromosom 21) und es wurde die Diagnose Autoimmune Polyendocrinopathy-Candidiasis-Ectodermal Dystrophy (APECED), auch bekannt als Autoimmune Polyendocrine Syndrome Type 1 (APS-1) gestellt. Im MRT der Beine zeigten sich wolkig, unregelmäßig imponierende Knochenherde ([ Abb. 2 ]); der Befund ist vereinbar mit einer Candidamykose des Knochens.


Unter Beginn einer hochdosierten antimykotischen Therapie mit Fluconazol und intensiver Lokaltherapie der Haut und Nägel mit Ciclopirox-Lösung und der Mundschleimhaut mit Miconazol-Mundgel sowie Beendigung der Glukokortikoid-Therapie verbesserten sich bereits nach 2 Monaten die Hautbefunde an Händen und Füßen deutlich und die Schmerzen der Beine waren rückläufig.
Störungen der zentralen und peripheren Immuntoleranz
Eine gestörte zentrale Toleranz führt dazu, dass autoreaktive T-Zellen nicht effektiv eliminiert werden. Im Thymus, wo die zentrale Toleranz entsteht, laufen essenzielle Prozesse wie positive und negative Selektion ab. Positive Selektion sorgt für das Überleben von T-Zellen, die funktionelle T-Zell-Rezeptoren besitzen und damit in der Lage sind, körpereigene Major-Histocompatibility-Complex (MHC)-Moleküle zu erkennen. Negative Selektion hingegen eliminiert T-Zellen, die stark auf körpereigene Antigene reagieren. Genetische Defekte wie Mutationen in Autoimmune Regulator (AIRE) oder First Apoptosis Signal (FAS) können zu einer Störung dieser Prozesse führen, wodurch autoreaktive T-Zellen persistieren und systemische Autoimmunität bedingen. So sind Varianten im AIRE-Gen verantwortlich für Autoimmune Polyendocrinopathy-Candidiasis-Ectodermal Dystrophy (APECED), auch bekannt als Autoimmune Polyendocrine Syndrome Type 1 (APS-1), was sich klinisch durch autoimmune Endokrinopathien wie Hypoparathyreoidismus und Morbus Addison, chronische mukokutane Candidiasis (s. Fallbeispiel) sowie ektodermale Veränderungen wie Nageldystrophie und Hautpigmentstörungen manifestiert [3], [4], [5].
Die periphere Toleranz ergänzt die zentrale Toleranz, indem sie autoreaktive T- und B-Zellen, die dem Thymus entkommen sind, unterdrückt. Hierbei spielen Mechanismen wie die Kontrolle durch regulatorische T-Zellen (Tregs), Anergie und Apoptose eine Schlüsselrolle. Genetische Defekte in Forkhead Box Protein P3 (FOXP3) oder Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen 4 (CTLA-4) beeinträchtigen diese Mechanismen und führen zu einer unkontrollierten Aktivierung autoreaktiver Immunzellen, was zu Autoimmunität wie Arthritis oder systemischem Lupus erythematodes (SLE) führen kann [3], [4], [5].
#
Übermäßig aktivierte Typ-I-Interferon-Antwort
Eine übermäßige Typ-I-Interferon-Produktion führt bei IEI zu Autoimmunität, da diese Zytokine entzündliche Prozesse verstärken und die Immunhomöostase stören. Typ-I-Interferone (IFN) wie IFN-α und IFN-β spielen eine zentrale Rolle in der antiviralen Immunantwort, können jedoch bei Überproduktion pathogene Autoimmunreaktionen hervorrufen. Defekte in Genen wie Stimulator of IFN response cGAMP interactor 1 (STING) oder Three Prime Repair Exonuclease 1 (TREX1) fördern chronische Typ-I-Interferon-Antworten, die die Präsentation von Autoantigenen durch dendritische Zellen und die Aktivierung autoreaktiver T- und B-Zellen (mit Produktion von Autoantikörpern) fördern. Die Folge sind entzündliche Gewebeschäden, wie sie bei Interferonopathien, z. B. STING-associated vasculopathy with onset in infancy (SAVI) oder dem Aicardi-Goutières-Syndrom (AGS), beobachtet werden [3], [4], [5].
#
Hyperaktive innate Immunantwort
Eine hyperaktive angeborene (innate) Immunantwort kann Autoimmunität fördern, indem sie entzündliche Signalwege wie Interleukin (IL)-1β, IL-6 und Tumor Necrosis Factor-alpha (TNF-α) überaktiviert und die Präsentation von Autoantigenen durch dendritische Zellen und Makrophagen verstärkt. Mutationen in Toll-like Receptor 7 (TLR7) oder Dysregulationen im Cyclic GMP-AMP Synthase (cGAS)-STING-Weg führen zu chronischer Aktivierung dieser Signalwege, was die Differenzierung autoreaktiver T-Zellen und die Autoantikörperproduktion durch B-Zellen begünstigt. Zudem tragen freigesetzte damage-associated molecular patterns (DAMPs) und die verstärkte MHC-II-Expression auf dendritischen Zellen zur anhaltenden Aktivierung autoreaktiver Immunzellen bei, was die Entstehung systemischer Autoimmunerkrankungen wie SLE oder rheumatoide Arthritis begünstigt [3], [4], [5].
#
Fehlfunktion regulatorischer T-Zellen
Regulatorische T-Zellen (Treg) unterdrücken autoreaktive Immunantworten und fördern die Immuntoleranz. Mutationen in Genen wie FOXP3 (verantwortlich für das Immune dysregulation, polyendocrinopathy, enteropathy X-linked (IPEX)-Syndrom) oder CTLA-4 beeinträchtigen die Fähigkeit von Tregs, autoreaktive T-Zellen und proinflammatorische Zytokine zu kontrollieren. Dies führt zu einer unkontrollierten Aktivierung von Immunzellen, der Produktion von Autoantikörpern und chronischen Entzündungen. Die gestörte Treg-Funktion kann auch mit systemischen Autoimmunerkrankungen wie SLE, Typ-1-Diabetes oder rheumatoider Arthritis assoziiert sein [3], [4], [5].
#
Apoptosedefekte
Eine gestörte Apoptose verhindert die Beseitigung autoreaktiver Immunzellen, die während der negativen Selektion im Thymus oder nach Immunreaktionen im peripheren System entstehen. Defekte im FAS/FAS-Ligand-Signalweg oder in molekularen Mechanismen wie der mitochondrialen Apoptose (z. B. durch B-cell lymphoma 2 (BCL2)-Mutationen) führen zu einer Akkumulation autoreaktiver T- und B-Zellen. Diese produzieren Autoantikörper und proinflammatorische Zytokine, die Gewebeschäden fördern. Krankheitsbilder wie Autoimmune Lymphoproliferative Syndrome (ALPS) zeigen deutlich, wie Apoptosedefekte chronische Entzündungen und systemische Autoimmunität verursachen können [3], [4], [5].
#
Dysfunktionale Zytokin-Signalgebung
Überaktive Zytokinwege wie Janus kinase (JAK)-signal transducer and activator of transcription (STAT) fördern die Aktivierung autoreaktiver Immunzellen und verstärken proinflammatorische Prozesse. Gain-of-Function (GOF)-Mutationen in STAT3 oder Dysregulationen von Zytokin-Signalwegen wie IL-6 und IL-1β führen zur Differenzierung entzündungsfördernder T-Helfer-Zellen und zur Hemmung regulatorischer T-Zellen. Dies führt zu chronischen Entzündungen und Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, systemischem Lupus erythematodes und autoinflammatorischen Krankheitsbildern. Zielgerichtete Therapien mit hemmender Zytokinwirkung (z. B. Tocilizumab oder Anakinra) haben sich daher in der Therapie auch von chronisch entzündlich-rheumatischen Krankheitsbildern als effektiv erwiesen [3], [4], [5].
#
#
Rheumatische Manifestationen bei IEI
Rheumatische Erkrankungen sind eine Manifestation von IEI und umfassen ein breites Spektrum an klinischen Erscheinungen. Arthritis zählt dabei zu den häufigsten Symptomen und tritt beispielsweise bei CTLA-4-Insuffizienz, STAT3-GOF oder TLR7-Mutationen auf. Bei ALPS treten Arthritis, aber auch Sjögren-Syndrom auf, bei IgG-Subklassendefekten rheumatoide Arthritis und bei XLA inflammatorische Myopathie und Arthritis als rheumatische Manifestationen. Diese IEI-assoziierte Form der Arthritis kann klinisch rheumatoider Arthritis (RA) oder juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) ähneln, unterscheidet sich jedoch oft durch zusätzliche Merkmale wie pathologische Infektionsanfälligkeit oder andere Symptome als Ausdruck einer gestörten Immunregulation und kann mit einem ungünstigen Therapieansprechen assoziiert sein [3], [4], [5].
Vaskulitiden sind ein weiteres charakteristisches Merkmal von Autoimmunität bzw. Autoinflammation im Zusammenhang mit IEI, insbesondere bei Typ-I-Interferonopathien wie dem STING-assoziierten Syndrom. Dabei treten entzündliche Prozesse in kleinen Gefäßen auf, die systemische Komplikationen wie Hautulzerationen oder Nierenschäden verursachen können [3].
Systemische Autoimmunität, die Lupus-ähnliche Erkrankungen umfasst, ist bei Mutationen in Typ-I-Interferon-regulierenden Genen beschrieben. Solche Erkrankungen betreffen typischerweise mehrere Organe, darunter Haut, Nieren und das zentrale Nervensystem, und zeichnen sich durch chronische Entzündungen und Autoantikörperproduktion aus [3].
Zusätzlich zu den rheumatischen Hauptmanifestationen können auch bei IEI extraartikuläre Symptome auftreten, wie interstitielle Lungenerkrankungen, entzündliche Darmerkrankungen und endokrine Dysfunktionen, darunter Thyreoiditis und Typ-1-Diabetes [3], [4], [5].
#
Diagnostische Ansätze
Die Diagnose von IEI bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen erfordert einen systematischen und multidisziplinären Ansatz. Klinische Zeichen wie wiederholte Infektionen, ungewöhnliche Entzündungsmuster oder ungünstiges Therapieansprechen sollte man als Hinweise auf möglicherweise zugrunde liegende IEI erkannen. Eine gründliche Familienanamnese ist ebenfalls wichtig, um genetisch bedingte Autoimmunität im Zusammenhang mit IEI zu erfassen [3], [4], [5].
Laboruntersuchungen spielen eine zentrale Rolle in der Diagnostik. Ein großes Blutbild mit Differenzierung und immunologische Tests, darunter die Bestimmung von Immunglobulinen, die Immunphänotypisierung von T-, B- und NK-Zellen sowie funktionelle Analysen und Zytokinprofile helfen, immunologische Störungen zu identifizieren. Genetische Analysen, insbesondere Next-Generation-Sequencing (NGS), ermöglichen die Identifikation spezifischer Varianten zur Klassifikation von IEI und sind hilfreich bei der konkreten Diagnosefindung und einer zielgerichteten Therapieplanung [3], [4], [5].
#
Therapeutische Ansätze
Das Verständnis der genetischen und folglich pathophysiologischen Mechanismen von IEI hat zu gezielten therapeutischen Ansätzen, insbesondere in der Behandlung der Immundysregulation geführt, z. B. der Einsatz von Abatacept (CTLA-4-Ig) bei CTLA-4-Insuffizienz oder Lipopolysaccharide (LPS)-responsive and beige-like anchor protein (LRBA)-Defizienz.
Selektive Phosphoinositid-3-Kinase δ (PI3Kδ)-Inhibitoren sind eine wirksame therapeutische Option für Patienten mit aktiviertem PI-3-Kinase δ (APDS)-Syndrom und JAK-Inhibitoren zeigen eine gute Wirksamkeit bei Typ-I-Interferonopathien und STAT3-GOF, während IL-1-Hemmung bei autoinflammatorischen Erkrankungen mit Überaktivierung des Inflammasoms erfolgreich eingesetzt wird. Diese Präzisionsmedizin bietet die Möglichkeit, Therapien individuell an genetische und molekulare Mechanismen anzupassen [3], [4], [5].
Prophylaktische Maßnahmen wie Immunglobulin-Substitution und antimikrobielle Therapien oder Prophylaxen sind zudem in der Therapie von IEI essenziell, um infektiösen Komplikationen vorzubeugen [3], [4], [5].
Eine suffiziente und multidisziplinäre Langzeitbetreuung ist bei Patienten mit IEI unverzichtbar. Regelmäßige Kontrollen bezüglich aufgetretener Infektionen aufgrund des IEI bzw. der immunmodulierenden Therapie, des Fortschreitens der Autoimmunität oder des Auftretens von Malignomen sind notwendig, um den Krankheitsverlauf zu überwachen und frühzeitig therapeutisch einzugreifen [3], [4], [5].
#
Konzepte und Herausforderungen
Das Multilayer-Konzept: ein neues Modell zum Verständnis von Autoimmunmechanismen und Manifestationen bei IEI
Das Multilayer-Konzept von Markus Seidel und Fabian Hauck beschreibt Autoimmunität bei IEI als ein mehrschichtiges Netzwerk, das genetische, molekulare, immunologische und klinische Ebenen integriert [6]. Das Konzept erweitert die historische anatomische Unterscheidung zwischen zentraler und peripherer Toleranz hin zu mehreren miteinander verbundenen Mechanismen der Immuntoleranz. Es erklärt die Mechanismen, die den vielfältigen klinischen Manifestationen zugrunde liegen, und weist auf die am besten geeigneten präzisen Therapieansätze für Autoimmunität bei IEI hin.
Auf der genetischen Ebene wurden in der Arbeit 101 Gene identifiziert, die direkt mit Autoimmunität in Verbindung stehen, darunter CTLA-4, STAT3 GOF-Mutationen, FOXP3 und AIRE. Die Auswirkungen der genetischen Defekte variieren je nach Art der Mutation, etwa Loss-of-Function- oder Gain-of-Function-Veränderungen, Haploinsuffizienz und deren spezifische Lokalisation.
Die molekulare Ebene zeigt 47 Signalwege, darunter die Typ-I-Interferon-Signalgebung, Zytokin-Regulation und apoptotische Mechanismen, die entscheidend für die Balance zwischen Immuntoleranz und -aktivierung sind.
Auf der immunologischen Ebene wurden in der Arbeit 22 Immun-Effektor-Mechanismen beispielsweise von Treg, B-Zellen und verschiedenen Zytokinen analysiert.
Die klinische Ebene spiegelt diese komplexen Mechanismen in einer Vielzahl von Manifestationen wider, darunter Zytopenien, Endokrinopathien, Arthritis und andere autoimmun-entzündliche Erkrankungen, die oft mehreren dieser Ebenen gleichzeitig zugeordnet werden können.
Dieses „multilayer connectome“ möchte kausale Zusammenhänge von Genen zu Mechanismen und Manifestationen aufzeigen. Es könnte nicht nur bei den seltenen monogenen IEI, sondern auch bei multifaktorieller Autoimmunität in der allgemeinen Bevölkerung angewendet werden, indem die verfügbaren Informationen eines Falls genutzt und mit dem am besten passenden IEI-Modell abgeglichen werden. Aus Forscherperspektive könnte dies Einblicke in Kandidatengene, genetische Netzwerke, molekulare Mechanismen und Immuneffektoren geben und Klinikern könnte es helfen, die am besten geeignete zielgerichtete Therapie zu finden [6].
#
Herausforderungen in Diagnostik, Klassifikation und Therapie von Immundysregulation bei IEI und multifaktorieller Autoimmunität bei rheumatischen Erkrankungen
Das monofaktorielle Konzept monogener IEI wird herausgefordert durch ihre variable Ausprägung und unvollständige Penetranz, insbesondere bei Immundysregulation. Dies weist auf zusätzliche genetische, epigenetische und Umweltfaktoren hin, die die Pathogenese beeinflussen, jedoch noch nicht ausreichend untersucht sind. Die Identifikation solcher Faktoren könnte neue Erkenntnisse auch zur Pathogenese rheumatischer Erkrankungen und zu zielgerichteten Therapien liefern. Obwohl solche Therapien auch bei IEI-assoziierter Immundysregulation erfolgversprechend sind, fehlen kontrollierte Studien zu deren Sicherheit und Wirksamkeit, und für viele IEI müssen noch spezifische Wirkstoffe entwickelt werden. Da einige Patienten mit rheumatischen Erkrankungen IEI-verursachende Varianten aufweisen, könnte deren Identifikation gezielte Therapien ermöglichen. Unvoreingenommene Sequenzierungsstudien sind notwendig, um Hinweise zugrunde liegender IEI zu definieren und die Rolle genetischer Tests bei rheumatischen Erkrankungen neu zu bewerten [3].
-
Inborn Errors of Immunity (IEI) sind angeborene Störungen der Immunfunktion.
-
Sie sind meist auf Keimbahnmutationen in einzelnen Genen zurückzuführen, stehen jedoch auch mit polygenen Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang.
-
Autoimmunität und Autoinflammation, einschließlich rheumatischer Erkrankungen, können erste oder dominierende Symptome von IEI sein.
-
Die Kenntnis der pathophysiologischen Mechanismen bei der Immundysregulation ermöglicht neue gezielte Ansätze in der Prophylaxe und Therapie von IEI und multifaktoriellen rheumatischen Erkrankungen.
-
Das Multilayer-Konzept integriert genetische, molekulare, immunologische und klinische Ebenen bei IEI und ermöglicht es, den am besten geeigneten zielgerichteten Therapieansatz bei Autoimmunintät auszuwählen.
#
#
#
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
Literatur
- 1 Poli MC, Bousfiha A, Cunningham-Rundles C. et al. Human inborn errors of immunity: 2024 Update on the classification from the International Union of Immunological Societies Expert Committee. 2024 Im Internet: Accessed March 27, 2025 at: https://wp-iuis.s3.eu-west-1.amazonaws.com/app/uploads/2025/01/08170257/IEI-Final-Update-of-2024-Report-Jan-2025.pdf
- 2 Thalhammer J, Kindle G, Nieters A. et al. Initial presenting manifestations in 16,486 patients with inborn errors of immunity include infections and non-infectious manifestations. J Allergy Clin Immunol 2021; 148: 1332 1341.e.5
- 3 Sogkas G, Witte T. The link between rheumatic disorders and inborn errors of immunity. www.thelancet.com. eBioMedicine 2023; 90: 104501
- 4 Sogkas G, Atschekzei F, Adriawan IR. et al. Cellular and molecular mechanisms breaking immune tolerance in inborn errors of immunity. Cell Mol Immunol 2021; 18: 1122-1140
- 5 Grimbacher B, Warnatz K, Yong PFK. et al. The crossroads of autoimmunity and immunodeficiency: lessons from polygenic traits and monogenic defects. J Allergy Clin Immunol 2016; 137: 3-17
- 6 Seidel MG, Hauck F. Multilayer concept of autoimmune mechanisms and manifestations in inborn errors of immunity: Relevance for precision therapy. J Allergy Clin Immunol 2024; 153: 615 628.e4
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
02 June 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Poli MC, Bousfiha A, Cunningham-Rundles C. et al. Human inborn errors of immunity: 2024 Update on the classification from the International Union of Immunological Societies Expert Committee. 2024 Im Internet: Accessed March 27, 2025 at: https://wp-iuis.s3.eu-west-1.amazonaws.com/app/uploads/2025/01/08170257/IEI-Final-Update-of-2024-Report-Jan-2025.pdf
- 2 Thalhammer J, Kindle G, Nieters A. et al. Initial presenting manifestations in 16,486 patients with inborn errors of immunity include infections and non-infectious manifestations. J Allergy Clin Immunol 2021; 148: 1332 1341.e.5
- 3 Sogkas G, Witte T. The link between rheumatic disorders and inborn errors of immunity. www.thelancet.com. eBioMedicine 2023; 90: 104501
- 4 Sogkas G, Atschekzei F, Adriawan IR. et al. Cellular and molecular mechanisms breaking immune tolerance in inborn errors of immunity. Cell Mol Immunol 2021; 18: 1122-1140
- 5 Grimbacher B, Warnatz K, Yong PFK. et al. The crossroads of autoimmunity and immunodeficiency: lessons from polygenic traits and monogenic defects. J Allergy Clin Immunol 2016; 137: 3-17
- 6 Seidel MG, Hauck F. Multilayer concept of autoimmune mechanisms and manifestations in inborn errors of immunity: Relevance for precision therapy. J Allergy Clin Immunol 2024; 153: 615 628.e4





