Einleitung
Die Corona-Maßnahmen 2020 forderten aufgrund der massiven Einschränkungen von Präsenzveranstaltungen
eine rasche Umsetzung der vollständig digitalen Lehre, explizit im Hochschulalltag.
Mit den politischen Lockerungsmaßnahmen hat sich die Präsenzlehre an den Hochschulen
wieder zunehmend etabliert. Allerdings bevorzugen nur 14% der Studierenden eine uneingeschränkte
Präsenzlehre, während 86% für einen hybriden Lernalltag plädieren [1]. Denn gerade digitale Medien bieten neben ständiger Verfügbarkeit auch Flexibilität
und ein kooperatives und kommunikatives Lernarrangement für die studentische und berufliche
Weiterbildung [2]. Diese didaktisch anerkannten Vorteile eines hybriden Lehrkonzepts gilt es nun auch
in die Medizindidaktik zu integrieren, die im Zuge der Pandemie einen grundlegenden
Aufschwung erfahren hat [3].
Aufgrund ihrer vielfältigen bildgebenden Verfahren bietet sich die Radiologie für
eine solche digitale Integration an. Darüber hinaus sollte der Lernerfolg in diesem
Bereich aufgrund seiner Relevanz für alle Fachgebiete maximiert werden, um den Studierenden
die wichtigen Grundlagen der Bildgebung optimal zu vermitteln. Durch die starken Synergien
mit anderen Fachgebieten kommt der Radiologie eine wichtige Schlüsselrolle zu. Da
die Lerninhalte in der Kürze der studentischen Ausbildung nach unserer Erfahrung kaum
vollständig vermittelt werden können, besteht aus unserer Sicht ein Bedarf an neuen
und innovativen Lernmethoden. Miller et. al sprechen davon, dass die Hauptaufgabe
der Medizinstudierenden darin besteht, Medizin zu lernen [4]. Gerade deshalb sollte die Lehre ein möglichst bedürfnisorientiertes Lernen von
Medizin ermöglichen.
Wir haben daher die Online-Lernplattform Raditorium.com entwickelt, um eine hybride Lehre zu ermöglichen und für unsere radiologischen Kernkonzepte
zu nutzen [5].
Raditorium.com ist eine Website, die den Studierenden die digitale Vor- und Nachbereitung von radiologischen
Konzepten ermöglicht, u.a. durch die Bereitstellung von Handouts, Fallbeispielen,
Selbsttests und Vorlesungsfolien abgestimmt auf die jeweiligen Einzelveranstaltungen
(Supp. 1). Dieses Lehrkonzept lässt eine Analogie zum Trainingskonzept im Leistungssport erkennen.
Ein Sportler durchläuft im Zeitraum des Wettkampfes verschiedene Phasen der Vor- und
Nachbereitung, um zum Wettkampfzeitpunkt die optimale Leistung abrufen zu können und
langfristige Leistungssteigerungen zu generieren. Genau diese Vor- und Nachbereitung
kann als Schlüsselfaktor für den späteren Erfolg identifiziert werden und ermöglicht
am Beispiel der Lehre einen erfolgreichen Zugang zu abgestimmten Lerninhalten. Raditorium.com bietet den Studierenden einen flexiblen Zugang zu einer einfachen, aber elementaren
Vor- und Nachbereitung und erhöht damit die Motivation und Effektivität jeder einzelnen
Präsenzveranstaltung.
Reinmann unterscheidet dabei im digitalen Lernen zwischen E-Learning by distributing
(Distribution), E-Learning by interacting (Interaktion) und E-Learning by collobaration
(Kollaboration) und beschreibt den Erfolg einer Kombination bestimmter Bereiche im
Sinne von Blended Learning [6]. Die dargestellten Bereiche finden sich auch im Design von Raditorium.com wieder. In Anlehnung an die Einteilung von Kerres in Content, Communication und Construction
[7] legt sein 3–2-1-Modell, inspiriert von den behavioristischen Ansätzen von Gagnés
[8], spezifische Parameter fest, die eine didaktisch sinnvolle Strukturierung ermöglichen
[7]. Auf die Bereitstellung von Lernmaterial (Content) folgt die Kommunikation und die Kooperation (Communication) und schließlich die Überprüfung im Sinne einer Selbstkontrolle (Construction) [9].
Lern- und Motivationskonzepte bei Raditorium.com sind das kursorische und assoziative Lernen, sowie Gamification zur Steigerung der intrinsischen Motivation seitens der Studierenden. Das kursorische Lesen bzw. Lernen entspricht der Anwendung der SQ3R-Methode. Dabei werden durch das
„Überfliegen“ der zu lernenden Inhalte bereits in kurzer Zeit die wesentlichen Aussagen
erfasst und in der anschließenden intensiveren Auseinandersetzung – der Präsenzveranstaltung
– vertieft und gefestigt [10]. Gamification im Sinne einer spielerischen Darstellung neuer Lerninhalte verspricht eine höhere
Produktivität bei gleichzeitig steigender Nutzerzufriedenheit [11]. Bettina Baesler, Mitbegründerin der Online-Lernplattform LernRad, beschreibt einen
langfristig höheren Lernerfolg durch selbstständiges Arbeiten [12], woran sich auch Raditorium.com orientiert.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Evaluationsergebnisse der Studierenden an
unserem Standort vor und nach der Einführung der Online-Lernplattform Raditorium.com zu vergleichen, um den Nutzen der neuen Lernplattform zu quantifizieren.
Material und Methoden
Unser Lehrkonzept besteht aus drei wichtigen Komponenten: 1) Vorbereitung, 2) Präsenzveranstaltung
und 3) Nachbereitung. Raditorium.com stellt dabei insbesondere für die Vor- und Nachbereitung ein Schlüsselmedium dar.
Raditorium.com wurde als vorlesungsbegleitende Online-Lernplattform am hiesigen Campus für Studierende
der klinischen Semester etabliert und bietet den Studierenden einen kostenlosen Zugang
zu zusätzlichen Lernmaterialien und -methoden, um den Wert der Präsenzveranstaltungen
zu steigern und den Lernerfolg zu erhöhen.
Das positive Votum der hiesigen Ethikkommission liegt vor.
Die Vorbereitung auf die jeweiligen Präsenzveranstaltungen besteht für die Studierenden
aus einem Handout sowie einem auf die bevorstehende Veranstaltung abgestimmten Patientenfall
mit Bildmaterial, das mit den gängigen radiologischen Werkzeugen digital bearbeitet
werden kann. Hier werden sowohl Content vermittelt als auch Construction am Beispiel erster Lernaktivitäten im Sinne einer Vorstufe des Flipped Classroom angeboten [13]. Dabei wird das Prinzip des kursorischen Lesens angewandt. Unsere Erfahrungen in der Lehre haben gezeigt, dass Studierende
insbesondere bei komplexen Themen (z.B. Magnetresonanztomografie; MRT) und in Abhängigkeit
von ihrem Vorwissen Schwierigkeiten haben können, der Präsenzveranstaltung vollständig
zu folgen und damit den größtmöglichen Lernerfolg zu erzielen. Dies äußert sich u.a.
in mangelnder Beteiligung sowie in der Schwierigkeit, spezifische Verständnisfragen
zu artikulieren und grundsätzlich zu diskutieren.
Prinzip der Vorbereitung
Beim kursorischen oder orientierenden Lernen, d.h. beim Lesen oder Lernen von Fach- und Informationslektüre,
sollte der Leser/die Leserin mit einem vorbereitenden Durchblättern der Texte beginnen,
um erste Eindrücke über die anstehenden Inhalte zu gewinnen. Beim anschließenden intensiven
Lesen oder Lernen werden die detaillierten Inhalte mit den bereits erworbenen Vorinformationen
ergänzt und ein höherer Lernerfolg erzielt. Unser Lehrkonzept greift genau diese Strategie
auf und bietet den Studierenden die Möglichkeit, sich anhand von Handouts, Vorlesungsfolien
und vorlesungsorientierten Fallbeispielen erste Eindrücke zu verschaffen. Dabei ist
die Dosierung der Vorinformationen von großer Bedeutung, um eine Überforderung zu
vermeiden und die Motivation zu erhöhen, sich vorab mit den Inhalten auseinanderzusetzen.
Ebenso spielt die Präsentation der Inhalte eine wichtige Rolle, da visuell ansprechende
Lernmaterialien ein größeres Interesse versprechen [13]. Somit wird der Bereich des E-learning by distributing durch die Bereitstellung von wichtigen Materialien gewährleistet. Das Lernen erfolgt
somit unterstützend, aber in der Regel selbstständig, wie es auch Bettina Baesler
empfiehlt [14].
Prinzip der Nachbereitung
Kern der Nachbereitung ist ein Quiz, dessen Fragen auf der zuvor gehaltenen Vorlesung
basieren und auf Raditorium.com beantwortet werden. Die Antworten auf die Fragen werden bis zur nächsten Vorlesung
ausgewertet und zu Beginn der nächsten Vorlesung kurz besprochen. So können mögliche
Lernfehler und Unklarheiten zeitnah beseitigt werden und zusätzlich zielt die kurze
Rekapitulation auf einen langfristigen Lernerfolg ab. Die digitalen Lerninhalte werden
im Sinne eines hybriden Lehrkonzepts optimal mit der Präsenzlehre verknüpft. Durch
den zeitlichen Bezug zur Präsenzveranstaltung entsteht ein deutlicher Mehrwert, da
die Lerninhalte noch präsent sind. Dies ist ein Vorteil gegenüber anderen Lernmethoden,
deren Bewertung und fachliche Verständnisschwierigkeiten häufig erst am Ende des Semesters
bekannt werden. Um die Motivation der Studierenden zu fördern, haben wir das Quiz
mit einem Punktesystem versehen und das Motivationsprinzip der Gamification aufgegriffen. Die Integration von Spielen in den Lernprozess, wie z.B. das Sammeln
von Punkten und die Möglichkeit, am Ende des Semesters als Gewinner hervorzugehen,
kann in diesem etablierten Prinzip das Lernen spannender und motivierender gestalten.
Am Ende des Semesters erhält der/die Studierende mit den meisten Punkten einen Preis.
Laut Reinmann wird hier E-learning by interacting mit E-learning by distributing kombiniert. Gleichzeitig erhalten die Lehrenden wichtige Informationen über den Wissens-
und Verständnisstand der Studierenden und können anstehende Lehrveranstaltungen anpassen.
In Analogie zum Leistungssport werden so die Präsenzveranstaltungen während des gesamten
Semesters noch individueller abgestimmt, um am Ende den bestmöglichen Lernerfolg für
die Studierenden zu erzielen.
Erhebung der Evaluationsergebnisse
Die Analyse des Konzepts und der Wirkung von Raditorium.com erfolgte durch die Auswertung der Ranglisten (Platzierungen) aus den Semesterevaluationen
der Studierenden ab dem Wintersemester 2018/19 (WS 18/19), also insgesamt über sieben
Semester vor der Einführung von Raditorium.com und 3 Semester danach. Die langfristige Einbeziehung der Evaluationsergebnisse ab
dem WS 18/19 soll einen zu erwartenden Einfluss der Corona-Pandemie zeigen und die
Ergebnisse nach der Pandemie zusätzlich mit denen vor der Pandemie vergleichen.
Die Beurteilung der numerischen Bewertung erfolgt erst ab dem Sommersemester 2020
(SS 20), da es seither eine Änderung in den Evaluationsbögen der hiesigen Fakultät
gab. Diese erfolgte nach den Schulnoten 1–5, wobei 1 voll und ganz zutrifft und 5
überhaupt nicht zutrifft.
Ergebnisse
Die vorliegenden Ergebnisse sind anonymisiert und wurden aus den Semesterevaluationen
der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erhoben. Bei
den TeilnehmerInnen der Evaluationen handelt es sich um Medizinstudierende des 1.
klinischen Studienjahres.
Die vollständige Erweiterung der studentischen Lehre mit der Online-Plattform Raditorium.com in der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,
Campus Kiel erfolgte zum SS 22. Im WS 21/22 wurden die ersten Lerninhalte als Testphase
online angeboten. Bereits hier konnte ein positiver Trend in den Ergebnissen der studentischen
Evaluation der Medizinischen Fakultät – im Vergleich zur Corona-Pandemie – mit Platz
16 festgestellt werden, der sich im SS 22 mit Platz 2 weiter ausbaute und bis zum
SS 23 festigte ([Abb. 1]). In den vier Evaluationen vor der vollständigen Einführung von Raditorium.com lag die durchschnittliche Platzierung unserer Klinik unter den klinischen Fächern
bei 25, seit der Einführung bei 1,6. Obwohl die Bedingungen während der Corona-Pandemie
für die Lehrenden in den klinischen Fächern gleich waren, können die Evaluationsergebnisse
in den drei Semestern vor der Einführung von Raditorium.com teilweise auf die Corona-Pandemie zurückgeführt werden. Die durchschnittlichen Evaluationsergebnisse
mit Raditorium.com sind aber deutlich besser als vor der Pandemie, als sie im Durchschnitt bei 13 lagen.
Die beste Platzierung in der Lehrevaluation vor der Einführung von Raditorium.com lag bei 10, nach der Einführung bei 1.
Abb. 1 Platzierung der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein, Campus Kiel, zwischen dem Wintersemester (WS) 2018/19 und dem
Sommersemester (SS) 2023.
Die numerische Bewertung der Evaluationsfragen sowie die Anzahl der Fragen zu den
Lehrinhalten (Note 1–5; 1: trifft voll zu, 5: trifft nicht zu) wurde an diesem Standort
seit der Corona-Pandemie erweitert und als solche erst seitdem durchgeführt. Diese
zeigt seither in allen Punkten ([Tab. 1]) eine deutliche Verbesserung. Der Mittelwert aller Evaluationsfragen vom WS 20/21
bis zum SS 23 verbesserte sich sogar von 3,14 auf 1,2. Die evaluierte Endnote der
gesamten Lehrveranstaltung verbesserte sich von 3,5 auf 1,2. Als zentrale Veränderung,
die kausal auf diese Verbesserung eingewirkt hat, kann insbesondere Raditorium.com genannt werden.
Tab. 1 Fragen und Ergebnisse zu den Lehrinhalten im Rahmen der studentischen Lehrevaluation
über die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Es sind
die Ergebnisse aus dem Sommersemester (SS) 2020, dem Wintersemester (WS) 2020/21 und
dem Sommersemester (SS) 2023 gegenübergestellt. Die Mittelwerte variieren zwischen
1,0 (trifft voll zu) und 5,0 (trifft nicht zu).
|
Fragen zu Lehrinhalten
|
Mittelwerte
|
|
SS 20
|
WS 20/21
|
SS 23
|
|
1
|
Ich hatte rechtzeitig alle notwendigen Informationen, die für die Lehrveranstaltung
wichtig waren.
|
2
|
3,5
|
1,2
|
|
2
|
Die Lehrveranstaltung war inhaltlich klar strukturiert.
|
2,1
|
3,7
|
1,3
|
|
3
|
Die Lernziele der Lehrveranstaltung wurden klar kommuniziert.
|
2
|
3,7
|
1,2
|
|
4
|
Die Lehrveranstaltung förderte mein Interesse an den Lehrinhalten.
|
1,6
|
2,9
|
1,2
|
|
5
|
Gemessen an meinen Vorkenntnissen habe ich in der Lehrveranstaltung viel dazu gelernt.
|
1,9
|
2,8
|
1,4
|
|
6
|
Die zur Verfügung gestellten Materialien ermöglichten mir eine gute Prüfungsvorbereitung.
|
2,1
|
3,5
|
1,1
|
|
7
|
Das Tempo der Lehrveranstaltung war für mich angemessen.
|
2,9
|
2,3
|
1,1
|
|
8
|
Der Stoffumfang der Lehrveranstaltung war für mich angemessen.
|
2,9
|
2,4
|
1,1
|
|
9
|
Insgesamt bin ich mit der Lehrveranstaltung sehr zufrieden.
|
2,1
|
3,5
|
1,2
|
In der Lehrevaluation des SS 23 bewerteten 91,3% der Studierenden die Lehrveranstaltungen
als sehr positiv. Die Auswertung der offenen Kommentare zeigt dabei einen deutlichen
Bezug zur Online-Lernplattform Raditorium.com. Die Studierenden befürworten die Möglichkeiten der selbstständigen Erarbeitung von
Lerninhalten und beschreiben in diesem Zusammenhang den Vorteil der subjektiven Anpassung
an das eigene Lerntempo.
[Abb. 2] zeigt grafisch die Unterschiede in der Durchschnittsbewertung zwischen dem WS 20/21
und dem SS 23. Die deutlichsten Verbesserungen zeigen sich bei den Punkten: 1) Ich
hatte rechtzeitig alle notwendigen Informationen, die für die Lehrveranstaltung wichtig
waren, 2) Die Lehrveranstaltung war inhaltlich klar strukturiert, 3) Die Lernziele
der Lehrveranstaltung wurden klar kommuniziert, 6) Die zur Verfügung gestellten Materialien
ermöglichten mir eine gute Prüfungsvorbereitung und 9) Insgesamt bin ich mit der Lehrveranstaltung
sehr zufrieden.
Abb. 2 Grafische Darstellung der Mittelwerte aus den numerischen Bewertungen in der studentischen
Lehrevaluation vom Wintersemester (WS) 2020/21 und dem Sommersemester (SS) 2023, basierend
auf den Fragen (1–9) der Medizinischen Fakultät aus [Tab. 1].
Wichtig ist auch die vertiefte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten, zu der sich
86,4% der Studierenden angeregt fühlten. Auch hier wird im offenen Teil der Lehrevaluation
die spielerische Darstellung der Lerninhalte, z.B. durch Quizzes, als besonders anregend hervorgehoben. Gerade deshalb gaben 95,2% der Studierenden
an, sich gut auf die Prüfung vorbereitet zu fühlen. Besonders hervorgehoben werden
die vier Kernbereiche von Raditorium.com: 1) die einheitlichen Vorlesungsfolien, 2) die Handouts, 3) die vorlesungsbasierten
Fallbeispiele und 4) die Selbsttests. Der digitale Zugang zu den Vorlesungsfolien
wird als besonders hilfreich für die spätere Nachbereitung hervorgehoben. Die Studierenden
können den Vorlesungen folgen, ohne parallel alle notwendigen Informationen mitschreiben
zu müssen. Ihre Aufmerksamkeit kann sich so ganz auf das gesprochene Wort konzentrieren.
Zudem lädt die frühzeitige Verfügbarkeit der Lerninhalte dazu ein, Themen bereits
vor der Vorlesung vorzubereiten. Die Studierenden betonten in diesem Zusammenhang,
dass sie dadurch den Inhalten besser folgen und sich aktiver an Fragen und Anwendungsbeispielen
beteiligen können.
Die auf die Lehrveranstaltungen abgestimmten digitalen Handouts bieten bereits einen
gebündelten Überblick über prüfungsrelevante Inhalte und wirken sich damit positiv
auf die individuelle Kurs- und Prüfungsvorbereitung aus. Die Studierenden heben die
Vorteile des flexiblen Zugriffs auf solche Zusammenfassungen in den Freitextkommentaren
hervor, da die Inhalte auf beliebigen Endgeräten gelesen und gelernt werden können.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Evaluation somit eine enorme Verbesserung der
Zufriedenheit der Studierenden, insbesondere durch die Etablierung von Raditorium.com als Medium eines hybriden Lehrkonzepts. Diese Ergebnisse bestätigen unseren innovativen
Lehransatz und sind die Grundvoraussetzung für ein zeitgemäßes radiologisches Lehrkonzept.
Schlussfolgerung
Die Ausbildung in bildgebenden Verfahren ist aufgrund ihrer interdisziplinären Schlüsselrolle
und der starken Synergien mit anderen Fachgebieten von großer Bedeutung. Nicht zuletzt
aufgrund der Vielzahl an bildgebenden und interventionellen Verfahren stellt die Radiologie
somit eine Kerndisziplin dar. Durch Lern- und Motivationsprinzipien wie z.B. kursorisches Lernen und Gamification können auch komplexe Lerninhalte möglichst effektiv erarbeitet werden, woraus sich
zwangsläufig ein langfristiger Lernerfolg ableiten lässt. Raditorium.com verbindet die Bedürfnisse der Studierenden und effektive Lernstrategien mit dem Fokus
auf die Vor- und Nachbereitung von Präsenzveranstaltungen und bietet somit als Online-Lernplattform
eine grundlegende Basis in der hybriden Lehre. Dieses Konzept ist ein Ansatz für weitere
Bereiche der Medizindidaktik, um den Studierenden die Lerninhalte praxisnah und damit
langfristig erfolgreich zu vermitteln.
Diskussion
Im Zuge der Digitalisierung ist der Wunsch nach einem hybriden Lernkonzept an den
medizinischen Fakultäten für die Studierenden besonders zentral. Digitale Lernplattformen,
wie das Beispiel Raditorium.com exemplarisch zeigt, ermöglichen einen flexiblen Zugriff auf Lerninhalte zur Vor-
und Nachbereitung von Lerninhalten. Benötigt wird lediglich ein digitales Endgerät.
Spielerisch gestaltete Webseiten, z.B. durch integrierte Selbsttests mit Ranglisten,
sorgen im Sinne der Gamification für eine erhöhte intrinsische Motivation und damit kausal für einen höheren Lernerfolg.
Die Bereitstellung relevanter Inhalte ermöglicht zudem eine bessere Fokussierung und
Beteiligung der Studierenden während der Präsenzlehre, da die Studierenden diese nicht
mitschreiben müssen und sich in der zur Verfügung stehenden Zeit aktiv beteiligen
können. Insbesondere die Lehrevaluationen zeigen auf, dass sich die Mehrheit der befragten
Studierenden durch diese unterstützende Funktion der Vor- und Nachbereitung sehr gut
auf die Präsenzveranstaltungen vorbereitet fühlt und die Motivation zur weiteren inhaltlichen
Auseinandersetzung mit den Themen gesteigert wurde.
Die Online-Lernplattform Raditorium.com ist der Kernpunkt unseres Konzepts und bietet den Studierenden einen einfachen Zugang
zu allen relevanten Materialien, um das Prinzip der Vor- und Nachbereitung umzusetzen.
Bisherige Studien belegen den positiven Einsatz von E-Learning-Sites auf den Lernerfolg,
so zum Beispiel eine Studie von Scott et. al aus dem Jahr 2017. In dieser Studie gaben
76% der befragten Medizinstudierenden an, selbst E-Learning-Ressourcen anderer Universitäten
oder Institutionen zu nutzen [15]. Dieser Bedarf der Studierenden sollte aus unserer Sicht idealerweise von jeder
Medizinischen Fakultät selbst gedeckt werden, da die Inhalte somit optimal auf die
fakultätseigenen Lehrveranstaltungen, Inhalte, Prüfungen und Lehrkonzepte abgestimmt
werden können.
Die vorherige Auseinandersetzung mit dem Kernbereich des E-Learning war für die Entwicklung
von Raditorium.com unerlässlich, um die Online-Lernplattform didaktisch sinnvoll in die Fakultätsstruktur
zu integrieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass E-Learning weit mehr bedeutet, als
die Bereitstellung von Texten und multimedialen Medien auf Plattformen im Internet
[16]. Die Ergebnisse von Raditorium.com geben neue Einblicke in die adäquate Nutzung einer digitalen Lernplattform, nach
dem Konzept Content, Communication und Construction. Dennoch ist es wichtig, sich vor der Konzeption einer solchen Online-Lernplattform
konkret mit der sinnvollen Darstellung dieser Teilbereiche auseinanderzusetzen. Denn
nur das bloße Vorhandensein einer digitalen Lernplattform reicht noch nicht aus, um
ein didaktisch sinnvolles Lehrkonzept zu präsentieren. Nicht zuletzt durch das zunehmende
Angebot an digitalen Möglichkeiten in der Online-Lehre gibt es bereits eine Reihe
von digitalen Lernressourcen im Bereich der Medizin und Radiologie, die die eigene
Erstellung einer Website durch eine erste Orientierung erleichtern können [17].
Bei der Entwicklung von Raditorium.com war neben der Aufbereitung der Lerninhalte insbesondere die Erstellung der Website
sehr zeitintensiv. Die Ersteinrichtung einer digitalen Lernplattform erfordert vielfältige
Kompetenzen im Bereich der Informatik und Digitalisierung [18] und kann durchaus sehr kostenintensiv sein. Als fakultätseigene Lösung ermöglicht
Raditorium.com jedoch eine hohe Flexibilität in der Bereitstellung von Lerninhalten. Neue Inhalte
können somit einfach und auch kurzfristig in eine gut strukturierte Website eingepflegt
werden. Daraus ergibt sich neben einem erhöhten Lernerfolg für die Studierenden auch
eine Zeitersparnis für die Lehrenden. Die Verlinkung von externen Lerninhalten (Drittanbieter)
ist in einigen Punkten vorteilhaft, kann aber Defizite in der Abstimmung mit dem eigenen
Lehrkonzept haben, wie z.B. im Hinblick auf unnötige Redundanzen und nicht semesteradäquate
Inhalte.
Ein weiterer Vorteil von Raditorium.com ist die vorlesungsbegleitende Auswertung der Selbsttests der Studierenden, sozusagen
„just-in-time“. Dies ermöglicht das frühzeitige Erkennen von Lerndefiziten bei den
Studierenden, die sofort über Raditorium.com mit Zusatzinformationen oder in der nächsten Präsenzveranstaltung behoben werden
können. Außerdem können anstehende Lehrveranstaltungen angepasst werden.
Ein wesentlicher Aspekt einer Online-Lernplattform ist der Datenschutz. Es ist wichtig,
den Studierenden auch online einen sicheren Zugang zu den Lerninhalten zu ermöglichen.
Raditorium.com ist daher nur passwortgeschützt zugänglich und entspricht – u.a. durch die Anonymisierung
von Daten – den Anforderungen einer sicheren Webseite [19].
Es ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegenden Evaluationsdaten nur die Entwicklung
innerhalb eines Jahres zeigen. Da die Online-Lernplattform Raditorium.com erst im SS 22 vollständig implementiert wurde, können noch keine langfristigen Ergebnisse
in Bezug auf die akademischen Leistungen oder langfristige Verbesserungen in der Zufriedenheit
der Studierenden dargestellt werden. Die bisherigen Ergebnisse deuten jedoch auf einen
kausalen Zusammenhang der Evaluationsergebnisse mit Raditorium.com hin. Die Online-Lernplattform hat sich zwischen den Evaluationszeitpunkten vom SS
22 und SS 23 vollständig als Schlüsselmedium etabliert, das Flexibilität und Individualität
verbindet und den Anforderungen einer hybriden Lehre gerecht wird. Da es sich bei
der Einführung von Raditorium.com um das Hauptprojekt in diesem Zeitraum handelt, können andere Drittvariablen weitestgehend
ausgeschlossen werden. Um dennoch den Zusammenhang zwischen Raditorium.com und dem individuellen Lernerfolg einzelner Studierender vergleichen zu können, bedarf
es zukünftig weiterer Langzeitbeobachtungen. Dennoch zeigen die Ergebnisse deutlich
den Nutzen digitaler Lernplattformen.