Nervenheilkunde 2025; 43(04): 249
DOI: 10.1055/a-2503-2889
Gesellschaftsnachrichten

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

 

Die Krankenhausreform kommt: Warum, wie, Bedeutung für Neurologie und Psychiatrie?

Die Krankenhausreform ist, wie von Beginn an geplant, Ende 2024 in Kraft getreten. Sie basiert auf den Empfehlungen der vom Verfasser geleiteten Regierungskommission (insb. 3. Stellungnahme). Auch der politische und gesetzgeberische Umsetzungsprozess wurde von der Kommission begleitet. Die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser haben sich drastisch verändert. Die Reform zielt darauf ab, dass die Umgestaltung zukünftig strukturiert verläuft und eine hochqualitative und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherstellt. Zu nennen sind (1) der demografisch bedingte Fachkräftemangel – den 60-Jährigen stehen nur 60 % so viele 16-Jährige gegenüber –, (2) die das System bedrohenden Kostensteigerungen – der Anteil für Gesundheitsversorgung am Bruttoinlandsprodukt ist in den letzten 25 Jahren kontinuierlich gestiegen und der höchste in Europa ([ Abb. 1 ]) –, (3) eine weit überdurchschnittlichen Bettenzahl – nur Bulgarien (und Zypern) haben innerhalb Europas mehr Betten und mehr vollstationäre Behandlungen pro Bevölkerung; knapp 30 % der somatischen Betten stehen in Deutschland seit der Corona-Pandemie leer –, (4) eine in Teilen aus dem Ruder gelaufene Ausweitung medizinischer Behandlungen – kein EU-Land führt so viele Knie-, Hüftgelenks- und Transkatheter-Aortenklappen-Ersatzoperationen durch wie Deutschland – und (5) die dennoch nur mittelmäßige Gesundheit der deutschen Bevölkerung – die Lebenserwartung liegt inzwischen unter dem EU-Durchschnitt.

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Abb. 1 Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (2022 oder nächstgelegenes Jahr). (Quelle: OCD Health Statistics 2024; eigene Grafik)

Die Kernelemente der Krankenhausreform sind: (1) 65 Leistungsgruppen (LG), die die bisherige grobe Planung nach Fachabteilungen ablösen und den Bundesländern eine differenzierte Planung nach dem Bevölkerungsbedarf ermöglichen. (2) Einheitliche Vorgaben zum Mindeststandard für eine LG, etwa bzgl. Zahl der Fachärzte, bestimmter Großgeräte oder Intensivstation. (3) Eine Vorhaltevergütung, die ca. 60 % des bisherigen DRG-Volumens umfasst und bei Nutzung sog. Planvorhaltezahlen diese Vergütung unabhängig von tatsächlich erbrachten Behandlungen macht. Wenn die Bundesländer – insb. zur Qualitätsverbesserung – bestimmte Angebote an größeren Zentren konzentrieren, geht die Vorhaltevergütung der Kliniken, die diese LG nicht mehr anbieten, an die verbleibenden Krankenhäuser über. (4) Mit den Level Ii-Kliniken (sektorübergreifende Versorger) wird ein entscheidender Schritt zur Überwindung der Sektortrennung gegangen, in dem diese grundsätzlich ambulant und stationär behandeln. (5) Ein eigens entwickeltes Folgenabschätzungstool, das am 11.12.2024 in der Mittwochsveranstaltung der BGPN demonstriert wurde (nicht frei zugänglich), ermöglicht es den Ländern, minutengenau abzuschätzen, inwieweit sich die Erreichbarkeit für die Bevölkerung verändert. In Berlin sind keine nennenswerten Verschlechterungen zu erwarten.

Die Psych-Fächer sind nicht Teil der Reform, weil sie in vielen Bereichen bereits Vorreiter sind, etwa bei der Unabhängigkeit von Fallpauschalen, der bevölkerungsbezogenen Planung (Pflichtversorgung) oder der settingübergreifenden Behandlung (voll-/teilstationär, Institutsambulanz, StäB = aufsuchend). Für die Neurologie wird sich mit lediglich 3 LG (Allg. Neurol., Stroke-Unit, Frühreha) an der Leistungserbringung wenig ändern. Mit einem jährlichen Zuschlag von 35 Mio. Euro für die Stroke-Units profitiert sie von der zusätzlichen Förderung besonders wichtiger Bereiche (daneben Pädiatrie, Geburtshilfe, ITS, Notfall, spezielle Traumatologie, Unikliniken). Wie allen Abteilungen hilft ihr, dass rückwirkend zum 1.1.2024 alle Tariflohnsteigerungen vollständig refinanziert werden.

Tom Bschor


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IMPRESSUM

Prof. Dr. Tom Bschor

Redaktion: Dr. Anja M. Bauer

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie

Heubnerweg 2, 14059 Berlin

info@bgpn.de, www.bgpn.de


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Publication History

Article published online:
03 April 2025

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Abb. 1 Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (2022 oder nächstgelegenes Jahr). (Quelle: OCD Health Statistics 2024; eigene Grafik)