Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls
Blutdruckmanagement
Der Schlaganfall ist nach wie vor eine der wichtigsten Ursachen für Invalidität und Tod weltweit.
Patienten mit akutem Schlaganfall haben häufig erhöhte Blutdruckwerte unabhängig davon, ob zuvor bereits eine arterielle Hypertonie vorlag. Eine Reihe von randomisierten Studien zeigte aber keinen therapeutischen Nutzen einer raschen Blutdrucksenkung bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall nach der stationären Aufnahme. Die 2015 publizierte ENOS-Studie hatte gezeigt, dass eine Behandlung mit transdermalem Glyceroltrinitrat innerhalb von 48 Stunden nach Beginn des Schlaganfalls über einen Zeitraum von 7 Tagen zwar den Blutdruck senkt, aber keine Auswirkung auf den funktionellen Outcome hat [1]. Eine holländische Arbeitsgruppe versuchte jetzt, diese Therapie bereits im prähospitalen Bereich anzuwenden [2]. Aufgenommen wurden Patienten mit dem V. a. Schlaganfall, wobei die Diagnose von Rettungsassistenten gestellt wurde. Aufnahmekriterium war ein systolischer Blutdruck von über 140 mmHg. Die Patienten erhielten entweder transdermales Glyceroltrinitrat 5 mg für 24 Stunden oder Placebo. Die Studie war auf 830 Patienten angelegt, musste aber vorzeitig abgebrochen werden, da sich kein therapeutischer Nutzen fand und eine signifikant erhöhte Rate an intrazerebralen Blutungen unter Verum beobachtet wurde. Die chinesische INTERACT-4-Studie untersuchte 2404 Patienten mit Verdacht auf einen akuten Schlaganfall mit motorischem Defizit und erhöhtem systolischen Blutdruck (≥ 150 mmHg) innerhalb von 2 Stunden nach Symptombeginn [3]. Es erfolgte nach Randomisierung entweder eine sofortige Behandlung zur Senkung des systolischen Blutdrucks (Zielbereich, 130–140 mmHg) (Interventionsgruppe) mit einem Alphablocker im Krankenwagen oder die übliche Blutdruckbehandlung (Gruppe mit üblicher Behandlung). Die aggressive Blutdrucksenkung hatte keinen Effekt auf das funktionelle Ergebnis.
Die derzeitige Evidenz aus randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien zeigt, dass eine Senkung erhöhter Blutdruckwerte beim akuten ischämischen Insult prähospital, in der Notaufnahme oder auf der Stroke-Unit keine Auswirkungen auf den funktionellen Outcome hat. Das gilt natürlich nicht für Patienten mit hypertensiven Krisen.
Therapie von Begleitsymptomen und Erkrankungen
Eine Reihe von Begleitsymptomen und Krankheiten sind mit einer schlechteren Prognose bei Schlaganfällen assoziiert. Dazu gehören u. a. erhöhte Glucoseserumspiegel [4], Fieber und Infektionen [5], [6]. Bei 30–40 % der Patienten mit akutem Schlaganfall besteht eine Hyperglykämie, häufiger bei Patienten mit Diabetes mellitus. Erhöhte Glucosespiegel verschlechtern die Prognose, auch nach Thrombolyse [7] und Thrombektomie [8]. Randomisierte Studien mit Insulinbasierter Therapie wie GIST-UK [9] und SHINE [10] zeigten keinen therapeutischen Nutzen einer aggressiven Senkung der Blutglucosespiegel.
Ein anderer Ansatz ist eine Therapie mit einem GLP1-Agonisten. Eine Behandlung mit Exenatid führte bei 350 Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall in der TEXAIS-Studie im Vergleich zu Placebo nicht zu einer Verringerung der neurologischen Beeinträchtigung nach 7 Tagen. Exenatid reduzierte signifikant die Häufigkeit von hyperglykämischen Ereignissen, ohne Hypoglykämien auszulösen [11].
Thrombolyse
Eine systemische Thrombolyse im 4,5-Stunden Zeitfenster bei Patienten mit akutem ischämische, Insult wurde bisher in Europa mit Alteplase durchgeführt. In der Regel werden Patienten mit mittelschweren Schlaganfällen behandelt. Eine Metaanalyse von 20 randomisierten Placebo-kontrollierten Studien und Beobachtungsstudien mit 13 397 Patienten zeigte, dass die systemische Thrombolyse mit Alteplase bei leichten Schlaganfällen (NIHSS 0–5) keine Verbesserung des funktionellen Outcomes zeigt, sondern nur das Risiko intrakranieller Blutungen erhöht [12].
Die chinesische ARAMIS-Studie hat 760 Patienten mit akutem, nicht-behindernden Schlaganfall im Zeitfenster von 4,5 Stunden mit einem NIHSS von maximal 5 in einen Alteplase-Behandlungsarm oder einen Behandlungsarm mit dualer Thrombozytenfunktionshemmung (ASS + Clopidogrel inkl. initialer Loading-Dosis) für 12 Tage randomisiert [13]. ARAMIS ergab eine Nichtunterlegenheit der dualen Thrombozytenaggregationshemmung im Vergleich zur Thrombolyse zur Erzielung eines exzellenten funktionellen Outcomes entsprechend einer modifizierten Rankin-Skala von 0–1 nach 90 Tagen.
Argatroban ist ein direkter Thrombininhibitor und bindet kompetitiv an das aktive Zentrum von Thrombin und verhindert dadurch die Ablagerung von Fibrin. Argatroban hat eine sofortige gerinnungshemmende Wirkung. Die bisherigen Studien zeigten widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich des Nutzens von Argatroban beim ischämischen Schlaganfall [14], [15], [16], [17].
Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptoren vermitteln den letzten Schritt der Thrombozytenaggregation. Eptifibatid wurde entwickelt, um eine schnelle Hemmung von Glykoprotein IIb/IIIa (15 Minuten), eine kurze Halbwertszeit (etwa 2 Stunden) und eine schnelle Dissoziation mit einer 50 %igen Wiederherstellung der Thrombozytenfunktion innerhalb 2–4 Stunden nach Absetzen des Medikaments zu erreichen [18], [19]. Bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall, die innerhalb von 3 Stunden nach Symptombeginn mit intravenöser Thrombolyse behandelt wurden, führte die zusätzliche Behandlung mit intravenösem Argatroban oder Eptifibatid nicht zu einer Reduktion der Behinderung nach dem Schlaganfall und war mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden [20].
Die aus der Kardiologie lang bekannte Tenecteplase ist eine weitere Option für die systemische Thrombolyse und wurde für diese Indikation Anfang 2024 in Deutschland zugelassen.
Tenecteplase weist eine längere Halbwertszeit als Alteplase auf, was zu dem Vorteil führt, dass sie als Bolus verabreicht wird und nicht wie Alteplase eine 1-stündige Infusion benötigt.
Die AcT-Studie aus Kanada rekrutierte 1600 Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall (NIHSS im Mittel 9–10) und randomisierte sie zu Tenecteplase als Bolus 0,25 mg/kg versus der Standarddosis von Alteplase [21]. Bezüglich des primären Endpunktes, mRS 0–1 nach 90–120 Tagen ergab sich kein Unterschied und die formalen Kriterien für Nichtunterlegenheit wurden erfüllt.
Die Sicherheit und Wirksamkeit einer in China hergestellten Variante von Tenecteplase wurde mit Alteplase in einer asiatischen Population in der TRACE Studie untersucht [22]. Die 240 Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall wurden in einem 3-Stunden-Zeitfenster mit 0,1, 0,25 oder 0,32 mg/kg Tenecteplase oder mit Alteplase behandelt. Es zeigten sich keine Unterschiede für die Schwere der neurologischen Ausfälle auf der NIHSS Skala am Tag 14 und keine Unterschiede bez. der Blutungskomplikationen.
Die deutlich größere TRACE-2-Studie fand ebenfalls in China statt [23]. Es waren 1035 Teilnehmer in einem Zeitfenster von 4,5 Stunden randomisiert, welche entweder 0,45 mg/kg Tenecteplase oder 0,9 mg/kg Alteplase erhielten. Der primäre Endpunkt war der Wert auf der modifizierten Rankin Skala von 0 oder 1 nach 90 Tagen. Der primäre Outcome war mit 62 % in der Tenecteplase-Gruppe und 58 % in der Alteplase-Gruppe nicht signifikant unterschiedlich. Auch die Häufigkeit symptomatischer intrakranieller Blutungen innerhalb von 36 Stunden war mit jeweils 2 % nicht unterschiedlich. Keine signifikanten Unterschiede zeigten sich auch für die Sterblichkeit innerhalb von 90 Tagen mit 7 versus 5 %.
Die norwegische Studie NOR-TEST 2 untersuchte Tenecteplase ebenfalls in der höheren Dosis von 0,4 mg/kg versus einer Alteplase-Standardtherapie bei Patienten mit mittelschweren und schweren Schlaganfällen [24]. Die Studie musste vorzeitig abgebrochen werden, weil sich eine signifikant höhere Rate an zerebralen Blutungen (16 %) in der Tenecteplase-Gruppe fand als in der Alteplase-Gruppe (4 %). Diese Studie zeigte damit, dass eine Dosis von Tenecteplase von 0,4 mg/kg zu hoch ist, woraufhin man die weiteren Studien überwiegend mit der nun üblichen Dosis von 0,25 mg/kg durchführte.
Die TASTE-Studie verglich Tenecteplase mit Alteplase bei 680 Patienten im Zeitfenster von 4,5 Stunden. Die Selektion der Patienten erfolgte mit Perfusionsbildgebung [25]. Es gab keine Unterschiede im funktionellen Outcome und bei den Blutungskomplikationen.
Bei leichten Schlaganfällen und intrakraniellem Gefäßverschluss in der TEMPO-Studie war Tenecteplase 0,25 mg/KG nicht wirksamer als Standard of Care [26].
Tenecteplase wurde auch im Zeitfenster von 4,5 bis 24 Stunden untersucht. In der TIMELESS-Studie mit 458 Patienten, von denen 77 % eine Thrombektomie erhielten, war Tenecteplase nicht wirksamer als Placebo, erhöhte aber das Blutungsrisiko, welches mit 3,2 % aber absolut gesehen gering war [27]. Ferner ist anzumerken, dass das Zeitintervall zwischen Thrombolyse-Start und Thrombektomie in TIMELESS gering war, sodass der Effekt der medikamentösen Behandlung hierdurch mutmaßlich verdeckt wurde.
Eine von mehreren Metaanalysen hat 10 Studien mit insgesamt 5123 Patienten ausgewertet [28]. Insgesamt ließ sich kein signifikanter Unterschied zwischen Tenecteplase und Alteplase hinsichtlich des funktionellen Ergebnisses nach 90 Tagen (OR 1,08 (95 %KI 0,93–1,26)) und des Risikos einer symptomatischen intrakraniellen Blutung (OR 1,12, 95 %KI 0,79–1,59) feststellen. Subgruppenanalysen zeigen entsprechend der oben aufgeführten Studien, dass die 0,25 mg/kg-Dosis Tenecteplase eine potenziell höhere Wirksamkeit und ein geringeres Risiko für symptomatische intrazerebrale Blutungen aufweist als die 0,4 mg/kg-Dosis Tenecteplase.
Mit der Zulassung von Tenecteplase zur Behandlung von Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall stehen nun 2 Thrombolytika für die spezifische Therapie des Schlaganfalls zur Verfügung.
Die meisten Studien zeigen keinen relevanten Unterschied bez. der Wirksamkeit zwischen Alteplase und Tenecteplase. Dies gilt sowohl für die systemische Thrombolyse allein wie die Kombination der Thrombolyse mit einer mechanischen Thrombektomie. Tenecteplase wird allerdings als einmaliger Bolus gegeben, was gegenüber Alteplase, die nach einem initialen Bolus eine Infusion über eine Stunde erfordert, in bestimmten Situationen von Vorteil sein kann. Dies betrifft insbesondere Patienten die vom initial aufnehmenden Krankenhaus in ein Thrombektomiezentrum verlegt werden.
Eine effektive Antikoagulation ist gegenwärtig eine Kontraindikation zur systemischen Thrombolyse, da angenommen wird, dass das Blutungsrisiko hierbei besonders erhöht ist. Da immer mehr Patienten aufgrund von Vorhofflimmern, Thrombosen oder Thromboembolien mit Antikoagulanzien behandelt werden, ist dies eine relevante Gruppe von Schlaganfallpatienten, denen diese Akuttherapie vorenthalten wird. Eine 2023 publizierte multizentrische Beobachtungsstudie hat 832 Fälle, bei denen trotz NOAK-Behandlung eine Thrombolyse durchgeführt wurde, verglichen mit 32 000 Kontrollen, die thrombolysiert wurden, aber keine Antikoagulation hatten [29]. Interessanterweise war die Rate bei den mit NOAK therapierten Patienten nicht nur gleich, sondern geringer als in der Kontrollkohorte (adjustierte OR: 0,57 95 %-KI 0,36–0,92). Das geringste Risiko wiesen Patienten auf, die bei Dabigatrantherapie eine Antagonisierung mittels Idarucizumab vor Thrombolyse erhielten.
Akuttherapie
Ein 78-jähriger Mann brach am Nachmittag gegen 16:30 Uhr beim Einkaufen plötzlich mit einer hochgradigen Halbseitenlähmung rechts zusammen, weiterhin fiel eine schwere Sprachstörung auf. Der Rettungsdienst brachte den Patienten mit stabilen Vitalparametern ins nahegelegene Krankenhaus mit Stroke-Unit. Hier zeigte er 35 Minuten nach Symptombeginn eine hochgradige Hemiparese rechts, eine globale Aphasie sowie eine überwindbare Blickwendung (NIHSS 14). Der Blutdruck lag bei 185/100 mmHg, das EKG zeigte einen Sinusrhythmus mit einer Herzfrequenz von 84/min. Informationen zu Vorerkrankungen und Vormedikation lagen nicht vor. Blut für Laboruntersuchungen wurde abgenommen und der Patient unmittelbar ins CT verbracht. Im Naiv-CT zeigten sich dezente Frühinfarktzeichen im Bereich der Inselrinde und der Stammganglien links, der Alberta Stroke Programme Early CT Score (ASPECTS) wurde auf 8 eingeschätzt. Die CT-Angiografie zeigte einen Verschluss der A. cerebri media links im Bereich der Trifurkation. In interdisziplinärer Diskussion stellten der diensthabende Neurologe und Neuroradiologe die Indikation zur intravenösen Thrombolyse und nachfolgenden Thrombektomie. Die erneute Blutdruckmessung nach Abschluss der CT-Untersuchung erbrachte einen Wert von 195/105 mmHg, sodass einmalig 10 mg Ebrantil intravenös gegeben wurden. Parallel wurde das Angiografie-Team informiert und die Angiografie vorbereitet. In der nächsten Messung lag der Blutdruck bei 160/90 mmHg, sodass bei geschätztem Körpergewicht von 80 kg die intravenöse Thrombolyse mit einer Gesamtdosis von 72 mg gestartet wurde. Der Bolus von 7 mg wurde nach einer Door-to-Needle-Zeit von 25 Minuten verabreicht und die Infusion der verbleibenden restlichen 65 mg gelöst in 65 ml über einen Perfusor mit einer Laufrate von 65 ml/h gestartet. Mit laufender Infusion wurde der Patient in die Angiografie verbracht. Wiederholte Blutdruckmessungen zeigten kontinuierlich Werte unter 185 mmHg systolisch.
In der Zwischenzeit war die Ehefrau des Patienten erreicht worden und berichtete, dass ihr Mann in der Vorgeschichte vor einigen Jahren bereits einen kleinen Schlaganfall ohne bleibende Folgen und einen Herzinfarkt mit kardialem Stenting erlitten habe. Dauermedikation: ASS 100 mg, Candesartan 16 mg, Atorvastatin 40 mg, Tamsulosin.
Da sich der Patient trotz globaler Aphasie weitgehend ruhig verhielt, erfolgte die Angiografie ohne Narkose in Stand-by durch die Anästhesie. Die Leistenpunktion gelang problemlos (Door-to-Groin-Zeit von 48 Minuten). In der Angiografie zeigte sich weiterhin ein Verschluss der A. cerebri media links im Bereich der Trifurkation, die Rekanalisation gelang unter Einsatz eines Stent-Retrievers mit dem zweiten Retrieval vollständig (TICI 3). Breits unmittelbar nach Rekanalisation besserte sich die Hemiparese und der Patient konnte den Arm heben, während die Aphasie persistierte. Die weitere Überwachung erfolgte in der Stroke-Unit, wo sich auch die klinische Symptomatik im Verlauf der nächsten 24 Stunden weiter verbesserte. Am Folgetag zeigte sich im Kontroll-CT ein kleiner demarkierter Infarkt im Bereich der vorderen Insel und des vorderen Operkulums bei leichter verbleibender Aphasie, leichter Dysarthrie und fazialer Parese lag der NIHSS bei 4. Am Monitor zeigte sich in der Nacht intermittierendes Vorhofflimmern.
Ob auch Patienten mit FXa-Hemmern gefahrlos thrombolysiert werden können, wird durch prospektive Studien gezeigt werden müssen. Solche Studien befinden sich aktuell in Vorbereitung.
Thrombektomie
Eine Vielzahl von Studien belegt, dass die mechanische Thrombektomie bei Patienten mit Verschlüssen der distalen Arteria carotis interna und der proximalen Arteria cerebri media in einem Zeitfenster von bis zu 24 Stunden einer rein konservativen Therapie deutlich überlegen ist [30], [31]. Dies gilt auch für Verschlüsse der Arteria basilaris (siehe unten).
Thrombektomie beim leichten Schlaganfall
Zu der Fragestellung, ob die die Thrombektomie bei leichten Schlaganfällen wirksam ist, gibt es überwiegend Beobachtungsstudien. Eine Metaanalyse von 11 Beobachtungsstudien und Registerstudien bei Patienten mit leichtem Schlaganfall, definiert als ein NIHSS ≤ 5, fand für den primären Endpunkt mRS 0–1 nach 90 Tagen, dass die Thrombektomie einer rein konservativen Therapie nicht überlegen war [32]. Die Studie umfasste 2019 Patienten, die thrombektomiert wurden, und 3171 Patienten mit rein konservativer Behandlung. Die Thrombektomie ging mit einem signifikant erhöhten Blutungsrisiko einher.
Thrombektomie bei großen Schlaganfällen
Mehrere randomisierte Studien haben die Wirksamkeit und Sicherheit der endovaskulären Thrombektomie bei Patienten mit schweren ischämischen Schlaganfällen gezeigt [33], [34], [35]. Die SELECT-Studie hatte für ein 90-Tage-Intervall gezeigt, dass bei Patienten mit großen ischämischen Schlaganfällen die endovaskuläre Thrombektomie zu besseren funktionellen Ergebnissen als die medizinische Versorgung führte, jedoch mit vaskulären Komplikationen verbunden war. Zerebrale Blutungen traten in beiden Gruppen nur selten auf [34]. Eine Nachuntersuchung der Patienten in der SELECT2-Studie nach einem Jahr zeigte bei Patienten mit großem ischämischem Schlaganfall aufgrund eines proximalen Verschlusses einer hirnversorgenden Arterie, dass die Thrombektomie plus medizinische Behandlung einen signifikanten Vorteil für das funktionelle Ergebnis im Vergleich zur alleinigen medizinischen Behandlung hat [36].
Die TENSION-Studie war eine weitere Studie, die bei 253 Patienten mit großen ischämischen Schlaganfällen in der vorderen Zirkulation die Thrombektomie mit Best medical Care verglich [37]. Die Studie wurde wegen Überlegenheit der Thrombektomie bezogen auf den primären Endpunkt nach 90 Tagen wegen Überlegenheit der Thrombektomie abgebrochen. Es ergab sich auch eine signifikante Reduktion der Mortalität.
Eine weitere Studie zur Thrombektomie bei bereits ausgedehntem Infarkt war die französische LASTE-Studie [38]. Diese Studie hat insofern noch einmal neue Aspekte zum Thema beigetragen, da es für den Einschluss keine Obergrenze für die Größe der akuten Schlaganfallläsion gab; es wurden also Patienten mit ASPECTS 0–5 im Zeitfenster bis 6 Stunden eingeschlossen. Insgesamt waren 333 Patienten randomisiert, und es zeigte sich wie in den vorangegangenen Studien ein signifikant besseres funktionelles Outcome in der Thrombektomie-Gruppe – und wie in der TENSION Studie auch eine Reduktion der Mortalität. Der Nutzen der Thrombektomie war dabei sowohl bei Patienten mit ASPECTS 3–5 als auch in der Gruppe der Patienten mit ASPECTS 0–2 nachweisbar.
Eine erste Metaanalyse von 6 Studien zur Thrombektomie bei Patienten mit großen Schlaganfällen mit insgesamt 922 Patienten, die eine Thrombektomie erhielten, und 924 Patienten mit rein medizinischer Behandlung bestätigte diese Ergebnisse [39]. Die meisten Patienten hatten ASPECT-Scores von 3 bis 5 und einen intrakraniellen Verschluss in der Arteria carotis interna (ICA) oder im ersten Segment der A. cerebri media (M1). Die Thrombektomie war der medizinischen Behandlung signifikant überlegen, was die Wahrscheinlichkeit eines besseren mRS-Scores, einer funktionellen Unabhängigkeit (mRS-Score 0–2) nach 90 Tagen anbelangt. Die Number needed to treat war 4,7 (95 % KI 3,7–6,6) Die Thrombektomie war nicht-signifikant mit einem höheren Risiko für symptomatische intrakranielle Blutungen verbunden (1,7 % (95 % KI –0,32–3,72 %), P = 0,10).
Zusammengefasst hat eine Vielzahl von prospektiven randomisierten Studien, aber auch von Beobachtungsstudien gezeigt, dass die Thrombektomie bei großen ischämischen Schlaganfällen wirksam ist und nur mit einem gering erhöhten Risiko für intrakranielle Blutungen einhergeht. Dabei sollte in der Gesamtbeurteilung nicht vergessen werden, dass auch in den Thrombektomie-Armen der Studien Mortalität und Anteil von Patienten mit schlechtem klinischem Ergebnis hoch waren.
Thrombektomie plus Thrombolyse?
Es gibt neue Studien zu der Frage, ob bei Patienten mit ischämischem Insult, die innerhalb eines Zeitfensters von 4,5 Stunden behandelt werden können, vor einer mechanischen Thrombektomie eine systemische Thrombolyse erfolgen sollte. Rein theoretisch sollte die Thrombolyse zu einer höheren Rekanalisierungsrate führen. Nachteil einer zuvor durchgeführten Thrombolyse ist möglicherweise ein Zeitverlust bis zur Rekanalisation.
Die Studie MR-CLEAN NO IV war eine offene multizentrische randomisierte Studie in Europa, die 539 Patienten mit akutem ischämischen Insult entweder mit einer Kombination einer Thrombolyse und einer endovaskulären Therapie behandelte oder nur mit einer Thrombektomie [40]. Der mittlere mRS nach 90 Tagen war 3 mit einer alleinigen Thrombektomie und 2 mit einer Thrombolyse plus Thrombektomie. Die Risikoreduktion betrug 16 % und war weder überlegen noch nichtunterlegen.
Die Studie SWIFT-DIRECT randomisierte 408 Patienten zu einer alleinigen Thrombektomie oder der Kombination von systemischer Thrombolyse plus Thrombektomie [41]. Den primären Endpunkt (mRS von 0–2 nach 90 Tagen) erreichten 57 % in der Gruppe, die nur thrombektomiert wurde, und 65 % bei der Kombinationstherapie. Damit konnte eine Nichtunterlegenheit nicht nachgewiesen werden.
Die DIRECT-SAFE-Studie randomisierte 148 Patienten zu einer alleinigen Thrombektomie und 147 zu der Kombinationstherapie [42]. Einen mRS von 0–2 erreichten 55 % in der direkten Thrombektomie-Gruppe und 61 % in der Kombinationstherapie. Dieser Trend war ebenfalls nicht signifikant.
Nimmt man alle bisherigen Studien zusammen, ergibt sich doch ein sehr starker Trend zugunsten einer systemischen Thrombolyse vor einer Thrombektomie.
Eine Metaanalyse von 6 Studien, in denen Thrombektomie plus Thrombolyse mit einer Thrombolyse allein verglichen wurden, fand bei 2313 Patienten, dass ein eindeutiger therapeutischer Nutzen nur erzielt werden kann, wenn nicht mehr als 2 Stunden und 20 Minuten zwischen Beginn der Symptomatik und Beginn der Thrombolyse vergehen [43].
Thrombektomie plus Zusatztherapie
Eine weitere Studie hat untersucht, ob Tirofiban das Ergebnis der endovaskulären Thrombektomie verbessert, wenn es vor der Thrombektomie gegeben wird [44].
Tirofiban, ist ein hochselektiver, nichtpeptidischer Thrombozyten-Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitor mit einer relativ kurzen Halbwertszeit, der die Thrombozytenaggregation reversibel verhindern kann. Tirofiban reduziert nachweislich das Risiko thrombotischer Komplikationen bei perkutanen Koronarinterventionen [45].
In die Studie wurden 463 Patienten aufgenommen, die vor der Thrombektomie einen Bolus von 10 μg/kg Tirofiban erhielten, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion mit 0,15 μg/kg/min. 485 Patienten erhielten Placebo. Bezüglich des medianen mRS nach 90 Tagen bestand zwischen den beiden Therapiegruppen kein Unterschied. Das galt auch für die Shift-Analyse. Daher sollten GP-IIb/IIIa-Antagonisten in der Behandlung des akuten ischämischen Insults inklusive der Thrombektomie nicht verwendet werden.
Ein potenzielles Problem bei der mechanischen Thrombektomie ist ein möglicherweise erneuter Gefäßverschluss nach erfolgreicher Rekanalisation. Hier hat man mehrere therapeutische Ansätze diskutiert und angewandt. Eine holländische Studie untersuchte in einem offenen 2 × 3-faktoriellen Design bei 628 Patienten mit Thrombektomie unterschiedliche periprozedurale Zusatztherapien [46]. Im Einzelnen waren dies Aspirin 300 mg i. v. versus kein Aspirin, Heparin 5000 IU + 1 250 IU pro Stunde oder Heparin 5000 IU + 500 IU pro Stunde. Endpunkte waren die mRS nach 90 Tagen und symptomatische intrakranielle Blutung. Die periprozeduralen Zusatztherapien hatten keinen Einfluss auf den funktionellen Outcome, erhöhten aber das Risiko von symptomatischen intrakraniellen Blutungen um im Mittel den Faktor 2.
Thrombektomie bei Basilarisverschluss
Initial gab es 2 kleinere Studien, die BEST-Studie [47] und die BASICS Studie [48], die einen Trend zugunsten der Thrombektomie bei Verschlüssen der Arteria basilaris fanden, aber keinen statistisch signifikanten Unterschied zu einer rein konservativen Therapie für den funktionellen Outcome. Die ATTENTION-Studie war eine randomisierte Studie in China bei 340 Patienten mit akuten Basilarisverschluss [49]. Diese wurden im Verhältnis 2:1 zu einer Thrombektomie plus bestmögliche Behandlung oder bestmöglicher Behandlung allein randomisiert. Das Zeitfenster betrug 12 Stunden und der NIHSS bei Studieneinschluss war 24. Der primäre Endpunkt war ein mRS von 0–3 nach 90 Tagen. Dieser wurde bei 46 % in der Thrombektomiegruppe und bei 23 % in der Kontrollgruppe erreicht. Das entspricht einem relativen Risiko (RR) von 2,06, was hochsignifikant war. Die Sterblichkeit nach 90 Tagen betrug 37 % in der Thrombektomiegruppe und 55 % in der Kontrollgruppe.
Die zweite Studie in China war die BAOCHE-Studie [50]. Sie verglich bei 217 Patienten mit Basilarisverschluss im Zeitfenster von 6 bis 24 Stunden die Thrombektomie plus bestmögliche Therapie versus bestmöglicher Therapie allein. Den primären Endpunkt von mRS 0–3 erreichten 46 % in der Thrombektomiegruppe und 24 % in der Kontrollgruppe. Dies entspricht einem signifikanten RR von 1,81. Die Sterblichkeit nach 90 Tagen lag bei 31 % in der Thrombektomiegruppe und 42 % in der Kontrollgruppe.
Eine Metaanalyse der Studiendaten von BASICS, BEST, ATTENTION und BAOCHE ergab, dass die mechanische Thrombektomie bei Patienten mit akutem Verschluss der A. basilaris die Prognose signifikant verbesserte. Das gepoolte RR für einen mRS von 0–3 nach 90 Tagen betrug 1,54 (95 % KI 1,16–2,04). Obwohl es ein höheres Risiko für intrakranielle Blutungen gab (RR 7,77, 95 % KI 2,36–25,59) senkte die Thrombektomie das Risiko der 90-Tage-Mortalität signifikant (RR 0,76, 95 % KI 0,65–0,89) [51].
Studien aus China und den Niederlanden belegen aktuell die therapeutischen Optionen bei Basilarisverschlüssen im Zeitfenster von bis zu 24 Stunden.
Thrombolyse nach mechanischer Thrombektomie
Die CHOICE-Studie untersuchte die Hypothese, dass eine intrarterielle Thrombolyse nach einer mechanischen Thrombektomie die Prognose verbessert [52]. Die Thrombolyse soll Mikrothromben, die nach der Thrombektomie entstanden sind, lysieren. An der Studie nahmen 113 Patienten mit Verschluss einer großen hirnversorgenden Arterie teil, die innerhalb von 24 Stunden thrombektomiert wurden. 61 Patienten erhielten nach der Thrombektomie 0,225 mg/kg Körpergewicht Alteplase intraarteriell (maximal 22,5 mg) und 52 Patienten Placebo. Den primären Endpunkt mRS 0–1 erreichten 59 % in der Alteplasegruppe und 40 % in der Placebogruppe. Dieser Unterschied war signifikant, wobei die Ergebnisse schon überraschend gut wirken und auf jeden Fall der Reproduktion in einer weiteren Studie bedürfen. Auch angesichts der kleinen Patientenzahl wird man die Ergebnisse weiterer Studien abwarten müssen, ehe man über die Wirksamkeit der intrarteriellen Thrombolyse nach mechanischer Thrombektomie uteilen kann.
Zerebrale Blutungen
Intraventrikuläre Blutungen
Patienten mit intrazerebralen Blutungen und Einbruch in das Ventrikelsystem oder Patienten mit primär intraventrikulären Blutungen haben eine schlechte Prognose. Mithilfe einer intraventrikulären Lyse ist es möglich, das geronnene Blut partiell oder ganz zu lysieren und dann über den intraventrikulären Katheter abzusaugen. Die große CLEAR-III-Studie zeigte eine reduzierte Sterblichkeit für dieses Vorgehen, verpasste aber den primären Endpunkt, d. h. eine Verbesserung des funktionellen Outcomes [53]. Eine Arbeitsgruppe aus Erlangen führte eine Metaanalyse von individuellen Patientendaten aus randomisierten kontrollierten Studien und Beobachtungsstudien durch, bei der sie die intraventrikuläre Lyse mit Alteplase mit Standard of Care oder Placebo verglich [54]. Insgesamt handelt es sich um 1501 Patienten. Der primäre Endpunkt war ein Wert auf der mRS von 0–3 versus 4–6. Für die Verbesserung des funktionellen Outcomes ergab sich eine Odds Ratio von 1,75 zugunsten der intraventrikulären Lyse und die Mortalität war mit einer Odds Ratio von 0,47 um 53 % reduziert. Die Zahl von intrakraniellen Blutungen, erneuten intraventrikulären Blutungen und parenchymatösen Hirnblutungen unterschied sich nicht.
Zusammengefasst zeigt die Metaanalyse, dass bei Patienten mit akutem Hydrocephalus, bedingt durch eine intrazerebrale oder intraventrikuläre Blutung, eine intraventrikuläre Lyse den funktionellen Outcome nach 6 Monaten verbessert. Dies gilt allerdings nur wenn die Behandlung innerhalb von 48 Stunden erfolgt.
Intrazerebrale Blutungen
Die Leitlinien zur Therapie spontaner intrazerebraler Blutungen befürworten die chirurgische Entfernung des Hämatoms mittels konventioneller Kraniotomie nur als lebensrettende Behandlung [55]. Die bisherigen randomisierten Studien zeigten keine Verbesserung der funktionellen Ergebnisse durch die neurochirurgische Entfernung der Blutung – mit Ausnahme der Ergebnisse einiger Studien bei Patienten mit oberflächlich gelegenen lobären Blutungen [56], [57]. Es gibt mehrere minimalinvasive neurochirurgische Optionen als Alternativen zur konventionellen Kraniotomie. Dazu gehören die minimalinvasive, kathetergestützte Evakuierung mit Thrombolyse, die in den MISTIE-Studien untersucht wurde [58], [59], [60]. Eine neue minimalinvasive chirurgische Technik basiert auf einem kommerziell erhältlichen „single use“ Port-System. Dieses System, das navigiert transsulcal in die Blutung eingeführt wird, erlaubt ein bimanuelles Vorgehen unter optischer Kontrolle, weshalb eine gewisse Blutstillung in der Resektionshöhle möglich ist. Die erste Studie zum Einsatz dieses neuen operativen Zugangs untersuchte 330 Patienten mit Basalganglien- oder lobärer Blutung mit einem Volumen von 30 bis 80 ml [61]. Die Operation war bez. der Mortalität mit 9,3 versus 18 % signifikant besser. Der therapeutische Nutzen zeigte sich allerdings nur bei Patienten mit lobären Blutungen.
Therapie bei intrazerebralen Blutungen unter Apixaban und Rivaroxaban
Eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation der oralen Antikoagulation, einschließlich DOAKs bei Patienten mit Vorhofflimmern, ist das Auftreten einer intrakraniellen Blutung (ICH) mit einer Sterblichkeit von 30–50 % innerhalb von 90 Tagen [62]. Der wichtigste Prädiktor für eine schlechte Prognose bei ICH-Patienten ist die Hämatomausdehnung, definiert als relatives Hämatomwachstum von > 33 % zwischen der Ausgangsuntersuchung und der Nachuntersuchung, mit einer Inzidenz von etwa 30 % bei Patienten ohne Antikoagulation und 40 % bei Patienten mit Antikoagulation [63].
Andexanet alfa ist ein rekombinantes modifiziertes humanes FXa-Decoy-Protein, das eine minimale intrinsische prokoagulierende Aktivität aufweist. Andexanet alfa hat die Fähigkeit, FXa-Inhibitoren zu binden und zu sequestrieren und dadurch die Hemmung von nativem FXa aufzuheben. ANNEXA-4 war eine Ein-Gruppen-Kohortenstudie zu Andexanet alfa bei Patienten mit akuten schweren Blutungen an verschiedenen Stellen [64], [65]. Die Ergebnisse zeigten bei fast 80 % der Patienten eine hämostatische Wirksamkeit. In der randomisierten ANNEXA-I-Studie mit Patienten mit intrakraniellen Blutungen, die mit FXa-Inhibitoren behandelt wurden, führte Andexanet alfa zu einer besseren Kontrolle der Hämatomausdehnung als die übliche Behandlung (76,7 gegenüber 64,6 %), war jedoch mit thrombotischen Ereignissen verbunden (10,3 % in der Gruppe mit Andexanet alfa gegenüber 5,6 % in der Gruppe mit der üblichen Behandlung), einschließlich ischämischer Schlaganfälle [66].
ASTRO-DE in Deutschland war die erste prospektive Beobachtungsstudie, in der man systematisch standardisierte klinische Routinedaten über die Behandlung mit Andexanet alfa bei Patienten mit intrakraniellen Blutungen während der Behandlung mit Apixaban oder Rivaroxaban sammelte und die eine ausgezeichnete oder gute Hämostase mit Andexanet alfa und keine Zunahme des Hämatomvolumens zeigte. Bei der Mehrzahl der Patienten mit thrombotischen Ereignissen traten diese vor der Wiederaufnahme der Antikoagulation auf.
Zusammengefasst ist die Behandlung von intrakraniellen Blutungen, die unter einer Antikoagulation mit Faktor-Xa-Hemmern auftreten, mit Andexanet alfa wirksam, geht allerdings mit einem gering erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien einher.
Erneute Antikoagulation nach intrazerebraler Blutung (ICB)
Eine weitere ungelöste Frage ist, ob Patienten mit Vorhofflimmern, die unter einer Antikoagulation eine spontane intrazerebrale Blutung erleiden, erneut antikoaguliert werden können. Diese Frage untersucht die SoSTART-Studie in UK [67]. In diese Studie wurden 203 Patienten aufgenommen, die unter einer Antikoagulation eine intrakranielle Blutung erlitten hatten: 101 Patienten wurden erneut antikoaguliert und 102 erhielten keine weitere Antikoagulation. Es vergingen im Schnitt 115 Tage zwischen dem Blutungsereignis und dem Beginn der Studientherapie. Die Patienten wurden im Mittel über 1,2 Jahre verfolgt. Es ergab sich statistisch kein Unterschied für erneute intrakranielle Blutungen mit 8/101 in der Antikoagulationsgruppe und 4/102 in der Gruppe, die nicht erneut antikoaguliert wurde. Es gab aber deutliche Unterschiede in der Zahl erneuter ischämischer Schlaganfälle mit 19 in der Gruppe, die nicht erneut antikoaguliert wurde, verglichen mit 3 Schlaganfällen bei den Patienten, die erneut antikoaguliert wurden.
Dieselbe Fragestellung untersuchte die niederländische APACHE-AF-Studie [68]. Hier erhielten 50 Patienten mit Vorhofflimmern, die unter einer Antikoagulation eine intrazerebrale Blutung erlitten hatten, Apixaban und 51 Patienten keine weitere Antikoagulation. Für den primären Endpunkt nicht-tödlicher Schlaganfall und vaskulärer Tod ergab sich kein Unterschied. Erneute intrazerebrale Blutungen waren mit 8 vs. 2 % in der Apixaban Gruppe häufiger; bezüglich ischämischer Schlaganfälle ergab sich mit jeweils 12 % kein signifikanter Unterschied.
Zusammengefasst deuten die beiden Studien darauf hin, dass es sehr wahrscheinlich sicher ist, bei Patienten, die unter einer oralen Antikoagulation eine intrazerebrale Blutung erlitten haben, erneut zu antikoagulieren, wenn nicht gravierende Kontraindikationen bestehen. Der ideale Zeitraum, zu dem die Antikoagulation wieder begonnen wird, ist allerdings durch Studien bisher nicht geklärt.
Thrombozytenfunktionshemmer nach ICB
Die RESTART-Studie untersuchte bei 537 Patienten, die unter einer Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern eine intrazerebrale Blutung erlitten hatten und bei denen eine vaskuläre Erkrankung vorlag, ob eine erneute antithrombotische Therapie mit Thrombozytenfunktionshemmern durchgeführt werden kann [69]. Die Patienten erhielten randomisiert entweder eine erneute antithrombotische Therapie oder nicht. Der primäre Endpunkt der Studie war eine erneute intrazerebrale Blutung. Diese trat bei 22/268 Teilnehmern (8,2 %) auf unter erneuter Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern, verglichen mit 25/268 Teilnehmern (9,3 %), bei denen Thrombozytenfunktionshemmer vermieden wurden. Schwerwiegende vaskuläre Ereignisse waren allerdings mit 26,8 versus 32,5 % seltener, wenn eine Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern erneut begonnen wurde. Die Risikodifferenz war allerdings nicht statistisch signifikant. Diese Studie würde darauf hindeuten, dass eine erneute Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern bei Patienten, die unter Thrombozytenfunktionshemmern eine intrazerebrale Blutung erlitten haben, wahrscheinlich nur bei den Patienten notwendig ist bei den ein sehr hohes Risiko für ein schwerwiegendes vaskuläres Ereignis wie einen akuten Myokardinfarkt oder einen ischämischen Schlaganfall besteht.