Einleitung
Die Diagnosestellung eines atrioventrikulären Septumdefekts (AVSD) erfolgt in der
Regel post-partum. Unser Fallbericht beschreibt eine sehr seltene späte adulte Diagnose
eines AVSD, welcher als Zufallsbefund im Rahmen einer computertomografischen Angiografie
(CTA) zur präoperativen Abklärung vor operativer Sanierung eines Mitralklappenvitiums
diagnostiziert wurde.
Fallbeispiel
Ein 44-jähriger männlicher Patient mit Trisomie 21, arterieller Hypertonie und hochgradiger
Mitralklappeninsuffizienz (MI) wurde aufgrund progredienter klinischer Symptomatik
(Dyspnoe und Leistungsschwäche) zur chirurgischen Sanierung des Mitralklappenvitiums
an unser Zentrum überwiesen. Die Diagnose der hochgradigen MI wurde mittels transthorakaler
Echokardiografie (TTE) in einem externen Klinikum gestellt. Zur präoperativen Evaluierung
der Zugangswege und zum Ausschluss vaskulärer Anomalien vor Herz-Lungen-Maschine wurde
eine aorto-iliakale CTA mittels 128-Zeilen Dual-Source-CT (prospektive EKG-Triggerung
im High-Pitch-Modus, Pitch-Faktor 3.2, jodhaltiges Kontrastmittel, Bolustriggerung:
arterielle Phase, Bildrekonstruktion: 1 mm Schichtdicke, 0,7 mm Inkrement, iterativ)
und eine transösophageale Echokardiografie (TEE) durchgeführt.
Die TEE bestätigte die hochgradige MI Grad III mit einem dysplastischen vorderen Segel
(Typ 2 Carpentier, A1-Segment) und einem Spalt („Cleft“). Darüber hinaus wurde ein
Riss von zwei anterioren Chordae tendinae festgestellt. Eine kontrastmittelunterstützte
TEE ergab jedoch initial keinen sicheren Nachweis eines intrakardialen Shunts.
Die CTA zeigte einen Defekt im membranösen Ventrikelseptum, der den aorto-mitralen
fibrösen Ring und das atriale Septum involvierte und somit als atrioventrikulärer
Septumdefekt (AVSD) Typ A nach Rastelli klassifiziert wurde ([Abb. 1]A und [Abb. 1]B). Die Planung der chirurgischen Operationstechnik wurde entsprechend den CTA-Ergebnissen
modifiziert und ein Verschluss des AVSD zusätzlich zur Mitralklappenrekonstruktion
geplant.
Abb. 1
A Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD): Die 4-Kammer-Ansicht (1A) zeigt den Defekt (gelbe Pfeile), der sowohl das ventrikuläre als auch das atriale
Septum betrifft, dargestellt durch dünnschichtige 3D-VRT (links) und MPR (rechts).
Die entsprechende Kurzachse (1B) des AV-Kanals (gelber und roter Pfeil): Shunts auf atrialer als auch ventrikulärer
Ebene mit Links-Rechts-Shunt (roter Pfeil). LV = linker Ventrikel. RV = rechter Ventrikel.
Multiplanare Reformation (MPR) (rechts) und 3D VRT Darstellung (Dünnschicht) (links)
zur Visualisierung für operative Planung.
Präoperativ erfolgte eine Röntgenuntersuchung, die eine Vergrößerung des linken Herzohrs
und des gesamten linken Herzrandes zeigte ([Abb. 2]A und [Abb. 2]B), passend zu einer hochgradigen Mitralinsuffizienz.
Abb. 2
A In der p.-a.-Aufnahme (2A) erkennt man eine Vorwölbung des linken Herzohrs (weiße Pfeile) und des gesamten
linken Herzrandes. Die rechte Herzkontur imponiert gedoppelt (Vorhofkernschatten).
B In der seitlichen Aufnahme (2B) wölbt sich der Herzhinterrand in den Retrokardialraum vor (rote Pfeile) – als Hinweis
auf eine Vergrößerung des linken Vorhofs und Ventrikels. Somit weist das Röntgenbild
indirekt auf das Vorliegen einer hochgradigen Mitralinsuffizienz hin.
Der AVSD wurde intraoperativ durch chirurgische Inspektion bestätigt. Folglich wurde
eine Korrektur des kompletten AV-Kanals durch direkte Naht des Septum primum durchgeführt,
und eine Patchaugmentation mittels Perikardpatch des anterioren Segels. Zusätzlich
wurde die Mitralklappe rekonstruiert, drei künstliche Chordae zur Rekonstruktion des
vorderen Segels implantiert und ein Annuloplastiering eingesetzt. Der Patient wurde
ohne Komplikationen entlassen.
Diskussion
Atrioventrikulärer Septumdefekt, auch AV-Kanal und Endokardkissendefekt genannt, ist
eine seltene embryonale kardiovaskuläre Fehlbildung, die etwa 4% bis 5% aller angeborenen
Herzfehler ausmacht (Rao PS et al. F1000Research 2018; Rev-498). AVSD betreffen beide
Geschlechter gleichermaßen und können das atriale, ventrikuläre oder atrioventrikuläre
Septum betreffen. Chromosomenanomalien sind häufig mit AVSD assoziiert, wobei über
40% der Kinder mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) betroffen sind (Craig B et al. Heart.
2006; 92(12):1879–85).
Typischerweise ist ein AVSD durch eine inkomplette Fusion der superioren und inferioren
Endokardkissen während der 4. bis 5. Schwangerschaftswoche gekennzeichnet. AVSD werden
primär in komplette und partiale Defekte unterteilt. Ein kompletter ASVD ist durch
eine vollständig fehlende Fusion des superioren und inferioren endokardialen Kissens
gekennzeichnet, welche zur Formation einer singulären AV-Klappe führt. Ein partieller
Defekt weist häufig einen Spalt im anterioren Segel der Mitralklappe („Cleft“) auf.
Die Rastelli-Klassifikation unterteilt den AVSD in drei Typen (Rastelli G et al. Mayo
Clin Proc. 1966; 41(5):296–308) basierend auf den Anhaftungen der Chordae tendinae:
Bei Typ A (am häufigsten) sind die oberen Verbindungssegmente an dem linken Ventrikel
angeheftet, bei Typ B an den rechten Ventrikel, und Typ C ist durch obere Brückensegmente
ohne jegliche Chorda-Anhaftung gekennzeichnet.
Patienten mit AVSD zeigen typischerweise bereits umgehend oder einige Monate post-partum
Symptome wie Dyspnoe, exzessives Schwitzen und eine fehlende Gewichtszunahme, aufgrund
der kongestiven Herzinsuffizienz.
Die Diagnose eines AVSD, insbesondere bei Säuglingen, erfolgt typischerweise durch
Echokardiogramme (Baumgartner H et al. Eur Heart J. 2020; 2(6):563–645). Ein Röntgenbild
des Brustkorbs kann eine Vergrößerung des rechten Herzens mit möglicherweise akzentuierten
pulmonalen Gefäßstrukturen zeigen. Ein MRT oder eine CTA können als zusätzliche diagnostische
Modalitäten eingesetzt werden, insbesondere bei unklarer Diagnose durch Echokardiografie,
einschließlich 3D-Bildnachverarbeitung, und zum Ausschluss zusätzlicher vaskulärer
Anomalien. In unserem Fall war die Visualisierung des AVSD im Rahmen der TEE aufgrund
eines dysplastischen prolabierenden Segels erschwert. Der AVSD konnte eindeutiger
mittels CTA veranschaulicht werden.
Eine frühzeitige Erkennung und Intervention sind entscheidend für das optimale Management
von Personen mit AV-Kanaldefekten, angesichts der damit verbundenen Komplikationen
und der potenziellen Auswirkungen auf die gesamte Herzfunktion. Die Behandlung eines
AVSD umfasst normalerweise die chirurgische Korrektur des Defekts mittels eines einzelnen
oder doppelten Patches. Die Operationstechnik kann je nach verschiedenen Faktoren,
wie der Art des Defekts und anderen assoziierten kongenitalen Malformationen variieren.
Schlussfolgerung
Unser Fall hebt den Vorteil der multimodalen Bildgebung bei komplexen angeborenen
Vitien wie AVSD und den additiven Wert der CTA hervor. Eine späte Diagnose im Erwachsenenalter
als Zufallsbefund im Rahmen einer CTA ist sehr selten, jedoch entscheidend für das
weitere Procedere. Grundkenntnisse über die Darstellung eines AVSD in der CTA sind
daher für alle praktizierenden Radiologen von großer Bedeutung.