CC BY-NC-ND 4.0 · Z Orthop Unfall 2025; 163(03): 269-275
DOI: 10.1055/a-2420-8106
Case Report

Traumatischer vollständiger Verlust des Kniestreckapparats und dessen Rekonstruktion mittels eines Fresh Frozen Allografts mit anheftender Patella- und Quadrizepssehne

Article in several languages: English | deutsch
1   Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland (Ringgold ID: RIN39070)
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Maximilian Kerschbaum
1   Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland (Ringgold ID: RIN39070)
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Silvan Klein
2   Abteilung für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland (Ringgold ID: RIN39070)
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Florian Hitzenbichler
3   Krankenhaushygiene und Infektiologie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland (Ringgold ID: RIN39070)
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Markus Rupp
1   Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland (Ringgold ID: RIN39070)
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1   Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschland (Ringgold ID: RIN39070)
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Der vorliegende Case Report handelt von einer 18-jährigen Patientin, die infolge eines Motorradunfalls mit schwerem ventralen Weichteilschaden über dem linken Knie und anschließender Infektion einen kompletten Verlust des Streckapparats (Patella, Quadrizeps- und Patellarsehne) des linken Kniegelenks erlitt. Nach Infektsanierung und erfolgreicher Einheilung eines freien Latissimus-dorsi-Lappens erfolgte die Rekonstruktion des Streckapparats mittels eines Fresh Frozen Streckapparat-Allografts mit Patella, Quadrizeps- und Patellarsehne mit integriertem knöchernem Tuberositas-tibia-Fragment. Nach einer Beobachtungszeit von 24 Monaten zeigt sich eine infektfreie Einheilung des Transplantates bei einer aktiven Beweglichkeit von Extension/Flexion von 0–0–90° und schmerzfreiem, nahezu normalem Gangbild.


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Anamnese

Eine 18-jährige Patientin erlitt 2021 einen schweren Motorradunfall im Rahmen einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit außerorts. Im Rahmen des Unfalls erlitt die Motorradfahrerin insbesondere ein schweres drittgradiges Extremitätentrauma (Gustilo-Anderson Typ IIIB) links mit mehrfragmentärer Femurschaftfraktur, traumatischer Kniegelenkeröffnung mit Verlust des anteromedialen Weichteilmantels am Kniegelenk und subtotalem Verlust des Kniestreckapparats mit Substanzverlust der Quadrizeps- und Patellasehnen, der knöchernen Anteile der Patella sowie anteriorer Tibiakopffraktur. Nach Erstversorgung in einer auswärtigen Klinik mittels VAC-Anlage und Anlage eines kniegelenkübergreifenden Fixateur externe erfolgte bei im Second Look nachgewiesenem multibakteriellen Wundinfekt (Bacillus cereus, Enterococcus faecalis, Kluyvera intermedia) sowie notwendiger plastischer Rekonstruktion die Zuverlegung an unser Haus zur weiteren Therapie.


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Befund

Zum Übernahmezeitpunkt zeigt sich eine ausgeprägte ventrale Weichteildefektsituation von ca. 25 × 15 cm im Bereich der anteromedialen Oberschenkel- bzw. Knieregion mit einliegendem vakuumassistiertem Wundverschluss bei im Vorfeld nachgewiesener traumatisch bedingter Kniegelenkinfektsituation und einliegendem kniegelenkübergreifendem Fixateur externe (s. [Abb. 1]). Aus knöcherner Sicht können die o. g. Diagnosen bestätigt werden. Im Rahmen der gefäßchirurgischen Notfallvorstellung wurde duplexsonografisch und im Rahmen einer CT-Angiografie bis auf eine vollständige Thrombose der V. poplitea links kein weiterer unfallbedingter Gefäßschaden festgestellt. Die periphere Sensomotorik zeigte sich mit Ausnahme der durch die Defektsituation bedingten Ausfälle erhalten.

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Abb. 1 Klinisches (a, b) und radiologisches (c, d, e) Bild bei Übernahme der Patientin.

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Therapie und Verlauf

Im interdisziplinären Extremitätenboard wurde beschlossen, zunächst die Infekt- und die Weichteildefektsituation mittels einer freien Latissimus-dorsi-Lappen-Plastik in Verbindung mit einem Spalthauttransplantat zu sanieren. Im Anschluss sollte die temporäre Rekonstruktion des Streckapparats mittels Hamstring-Sehnen-Plastik durchgeführt werden.

Im Rahmen einer Third-Look-Operation (s. [Abb. 2]) konnten noch einliegende Fremdkörper vollständig geborgen werden, zudem erfolgte nach erneutem Débridement, knöcherner und weichteiliger Probennahme die lokale Einlage von Antibiotikum. Unter resistenzgerechter Antibiotikatherapie mit Piperacillin/Tazobactam und erneuter zwischenzeitlicher Anlage eines vakuumassistierten Wundverschlusses konnte daher 9 Tage nach Übernahme der Patientin die o. g. Lappenrekonstruktion, die Schraubenosteosynthese des Tibiakopfes und die Rekonstruktion des Streckapparats mittels Semitendinosussehne bei makroskopisch infektfreier Situation und erhaltenem kranialem Patellaoberpol erfolgen. Dieser wies in der Folge einen regelrechten Einheilungsprozess auf, sodass verbliebene oberflächliche Hautdefekte mit Spalthaut gedeckt und die Femurfraktur mittels Verfahrenswechsel von Fixateur externe auf antegrade Femurverriegelungsmarknagel-Osteosynthese operativ versorgt werden konnte. Bei weiterhin regelhaftem Heilungsprozess und unter Teilbelastung der linken unteren Extremität wurde die Patientin an Unterarmgehstützen mit auf Amoxicillin/Clavulansäure oralisierter Antibiotikatherapie 5 Wochen nach deren Aufnahme ins häusliche Umfeld entlassen.

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Abb. 2 Klinisches (a) und radiologisches (b, c) Bild im Rahmen der Third-Look-Operation nach Osteosynthese einer begleitenden Femurfraktur.

Im weiteren Verlauf kam es zur Ausbildung einer Wundheilungsstörung im lappengedeckten Kniegelenkbereich mit prolongierter Wundsekretion, weswegen 3 Wochen nach Entlassung eine erneute Revisionsoperation erforderlich wurde. Hierbei zeigte sich nach Lappenhebung eine massive Re-Infektion des Kniegelenks im Sinne einer frakturassoziierten Infektion des Tibiakopfes mit begleitender septischer Arthritis des Kniegelenks. Dies machte ein ausgedehntes Débridement des Kniegelenks mit kompletter Resektion der knöchernen Restpatella sowie der Sehnenreste der Quadrizeps- und Patellarsehne inkl. der Semitendinosusplastik sowie Entfernung der beiden Schrauben am Tibiakopf notwendig (s. [Abb. 2]). Zusätzlich erfolgte die Einlage von resistenzgerecht antibiotikabeladenem keramischem Knochenersatzmaterial. Ein Keimnachweis bei noch eingenommener und im Verlauf erneut intravenös verabreichter Antibiose gelang nicht. Der nun vollständige Verlust des Streckapparats samt Patella und der angrenzenden Quadrizeps- und Patellarsehne machten Überlegungen hinsichtlich der Weiterbehandlung des Kniegelenks bei der jungen Patientin notwendig. Hierbei entschied man sich wiederum im Rahmen der interdisziplinären Extremitätenkonferenz in Rücksprache mit der Patientin für die Implantation eines Fresh Frozen Streckapparat-Allografts mit Patella und anhaftender Quadrizeps- und Patellarsehne inkl. eines belassenen Tuberositas-Tibia-Knochenblocks nach Infektionskontrolle.

Nach Umstellung der Antibiotikatherapie auf Ampicillin/Sulbactam wurde diese im Verlauf erneut auf Amoxicillin/Clavulansäure oralisiert. Unter weiterer Teilbelastung und Ruhigstellung des Kniegelenks in einer Oberschenkelschiene gelang schließlich eine Ausheilung der Infektsituation nach insgesamt 14-wöchiger Antibiotikatherapie.

Bei laborchemisch blanden Infektionsparametern, regelrechten Wund- und Hautverhältnissen, stabil eingeheilter Lappenplastik sowie nach Gelenkpunktion ohne Infektionsverdacht bei zuvor abgesetzter Antibiotikatherapie kam es schließlich 5 Monate nach stattgehabtem Unfall zur geplanten Rekonstruktion des Streckapparats mit einem zuvor ausgemessenen Fresh Frozen Streckapparat-Allograft (Fa. Cells + Tissuebank Austria, CTBA, Krems an der Donau, Österreich; s. [Abb. 3]). Bei diesem Eingriff erfolgten zunächst eine erneute Lappenhebung und eine Inspektion des Kniegelenks. Es wurde eine infektfreie Situation konstatiert, woraufhin die Implantation des Streckapparat-Allografts erfolgte. Das Allograft wurde zur Infektionsprophylaxe, ähnlich wie bei allogenen Sehnenplastiken empfohlen, mit Vancomycin-Lösung versetzt. Dann wurde zunächst die Patella unter Röntgenkontrolle im Vergleich zur Gegenseite auf eine korrekte Höhe passend zum Insall-Salvati-Index der Gegenseite eingestellt und danach ein knöchernes Bett an der Tuberositas-Tibia zur Press-Fit-Implantation des Tuberositasknochenspans am Transplantat mittels oszillierender Säge geschaffen. Der Span wurde in anatomisch korrekter Position eingebracht und zusätzlich mit 2 parallel verlaufenden 3,5-mm-Kortikalisschrauben in Zugschraubentechnik fixiert. Anschließend erfolgte die Feinausrichtung der Patella in Relation zum femoropatellaren Gleitlager des Femurs und das flächenförmige Einnähen der Quadrizepssehnenanteile in den verbliebenen Quadrizepssehnenstumpf bzw. in die distalen muskulären Anteile des M. quadriceps in Streckstellung des Kniegelenks in Onlay-Technik mit langsam resorbierbarem Fadenmaterial. Die Operation wurde durch primären Wundverschluss unter Einbeziehung der gehobenen Lappenränder beendigt. Das Kniegelenk wurde erneut mittels dorsaler Gipsschiene immobilisiert. Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigte korrekte Stellungsverhältnisse des Patellofemoralgelenks mit anatomischer Reposition des tibialen Knochenspans in die Tuberositasregion mittels Schraubenosteosynthese.

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Abb. 3 Allograft vor (a nach additivem Coating mit Vancomycin-Pulver), während (b, c) bzw. in konventionellen Röntgenaufnahmen nach dessen Transplantation (d, e).

Nach regelrechtem stationärem Verlauf (s. [Abb. 4]) unter 14-tägiger prophylaktischer i. v. antibiotischer Abdeckung mit Ampicillin/Sulbactam erfolgte zunächst nach Oralisierung der prophylaktischen Antibiose auf Amoxicillin/Clavulansäure bei intraoperativ negativen Proben die Entlassung der Patientin ins häusliche Umfeld und eine 4-wöchige Ruhigstellung der operierten Extremität unter Teilbelastung von 20 kg.

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Abb. 4 Klinisches Bild (a, b) 14 Tage nach durchgeführter Latissimus-dorsi-Lappen-Plastik.

Im Rahmen regelmäßiger Verlaufskontrollen erfolgte eine graduelle Belastungs- und Bewegungsfreigabe, die nach insgesamt 6 Wochen zunächst passiv und nach weiteren 4 Wochen aktiv erfolgten. Nach insgesamt 12-wöchiger prophylaktischer Antibiotikatherapie nach Allograft-Transplantation wurde die Antibiotikatherapie abgesetzt. Die aktive Bewegungsfähigkeit des linken Kniegelenks lag hier bereits bei Extension/Flexion 0–5–45°.

Nach erfolgter Rückkehr in den Beruf als Bankkauffrau und unter dauerhafter physiotherapeutischer Beübung konnte die Beweglichkeit auf Extension/Flexion 0–0–65° weiter gesteigert werden, und die Patientin war unter Vollbelastung und ohne Zuhilfenahme von Unterarmgehstützen bei noch leicht hinkendem Gangbild voll mobil. Die Röntgenkontrollen nach 4 Monaten zeigten weiterhin korrekte Stellungsverhältnisse des Patellofemoralgelenks mit dem eingebrachten Streckapparat-Allograft mit guter Zentrierung der Patella in der axialen Patellaaufnahme bei 30° Beugung bei bereits guter knöcherner Integration des tibialen Knochenblocks in die proximale Tibiametaphyse (s. [Abb. 5]).

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Abb. 5 Röntgenkontrolle 4 Monate nach Transplantation mit adäquater Integration des tibialen Spans (a, b) und guter Patellazentrierung (c).

Die Patientin nahm 14 Tage nach der letzten ambulanten Vorstellung als Beifahrerin an einem Autorennen auf einer Rennstrecke teil, insgesamt 15 Wochen nach Streckapparat-Allograft-Transplantation. Bei einer Kollision zog sie sich eine proximale Unterschenkelfraktur im Bereich des knöchernen Bettes des eingebrachten Tibiaknochenblocks zu. Diese wurde mittels geschossener Reposition und LISS-Plattenosteosynthese in minimalinvasiver Technik unter prophylaktischer Antibiotikatherapie operativ versorgt (s. [Abb. 6]).

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Abb. 6 Konventionell-radiologische Aufnahmen vor (a, b) und nach (c, d) operativer Versorgung einer traumatischen peritransplantären proximalen Tibiafraktur.

Bereits nach 3 Monaten nach erfolgter Osteosynthese zeigte sich eine achsgerechte knöcherne Konsolidierung der Fraktur. Die aktive Beweglichkeit im linken Kniegelenk lag zum damaligen Zeitpunkt bereits wieder bei Extension/Flexion 0–0–60°.

24 bzw. 19 Monate nach Streckapparat-Allograft-Implantation bzw. Osteosynthese der proximalen Tibiafraktur findet zeigt sich eine aktive Beweglichkeit von Extension/Flexion 0–0–80°. Eine zu diesem Zeitpunkt 2 Jahre nach Streckapparattransplantation durchgeführte Kontrastmittelsonografie wies eine periostale Perfusion der knöchernen Bestandteile des Allografts nach (s. [Abb. 7]). Aktuell ist die Patientin beschwerdearm und sehr zufrieden mit dem funktionellen und klinischen Ergebnis (s. [Abb. 4], []). Der KOOS-Symptomscore (KOOS: Knee Osteoarthritis Outcome Score) liegt bei 68, der KOOS-Schmerz bei 83, der KOOS-ADL (Activities of Daily Living) bei 91. Die EQ-5D-Lebensqualitätsscore beträgt 0,788, der IKDC-Score 56,3% (IKDC: International Knee Documentation Committee). Der Patientin wurde zudem angeraten, sich bei zahnärztlichen und anderen chirurgischen Eingriffen einer erweiterten Antibiotikaprophylaxe zu unterziehen.

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Abb. 7 Klinisches Bild (a, b) sowie Nachweis der sonografischen Integration (c) des tibialen Spans 24 Monate nach Transplantation. Im seitlichen Röntgenbild zeigt sich kein Hinweis auf eine Patellanekrose (d).
Gangbild der Patientin 24 Monate nach Streckapparattransplantation.Video


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Diskussion

Die geschilderte Kasuistik zeigt ein besonderes Rekonstruktionsverfahren bei vollständigem Verlust des Streckapparats nach initialem schwerem Weichteiltrauma und nachfolgender Infektsituation. Zunächst war eine Deckung des Weichteildefekts und eine Kontrolle des Infektionsgeschehens notwendig. Für solche komplexen Fälle hat sich, wie auch für andere Knochen- und Gelenkinfektionen sowie knöcherne Defektsituationen, ein interdisziplinäres „Extremitätenboard“ in unserem Hause etabliert, in dem sowohl periprothetische [1] als auch frakturassoziierte Infektionen [2] besprochen werden.

Nach erfolgreicher Weichteildeckung und Infektsanierung stellte sich die Frage hinsichtlich weiterer Behandlungsoptionen aufgrund des Streckapparatverlusts. Ein Belassen der Situation ohne weitere chirurgische Intervention im Sinne einer „klassischen“ Patellektomiesituation war hier nicht sinnvoll, da aufgrund der zusätzlich fehlenden Quadrizeps- und Patellarsehne keinerlei Reststreckfunktion und sogar eine Instabilitätssituation zu erwarten war. Alternativ kam eine Arthrodese des Kniegelenks oder die Implantation eines Streckapparat-Allografts infrage. Aufgrund des jungen Patientenalters von erst 18 Jahren, der hohen Compliance der Patientin und des Wunsches nach Bewegungsfähigkeit des Kniegelenks entschieden wir uns im Rahmen eines individuellen Heilversuchs zur Durchführung der Streckapparat-Allograft-Operation mit einem Fresh Frozen Transplantat.

Zur Streckapparat-Allograft-Implantation existieren bislang nur wenige Falldarstellungen zumeist im Rahmen von Case Reports bzw. vereinzelten Fall-Kontroll-Studien [3] [4] [5] [6] [7]. Die Transplantation eines gesamten Streckapparats ist hierbei vor allem ein aus der Kniegelenkendoprothetik im Rahmen des Komplikationsmanagements bekanntes Verfahren [3] [4] [5], das im Falle ausgeschöpfter oder anderweitig nicht mehr möglicher Rekonstruktionsverfahren als Ultima Ratio herangezogen wird. Im Bereich der Tumororthopädie sind ebenfalls kleine, stark ortsabhängige Fallserien bekannt [6].

Auch wenn adäquate Zufriedenheitsraten beschrieben werden, sind Bewegungsdefizite, muskuläre Schwäche und Alltagseinschränkungen auch im Falle eines regelhaften Heilungsverlaufs häufig apparent. Innerhalb der beschriebenen Nachbeobachtungszeiträume, die in Einzelfällen sogar über 5 Jahre hinausgehen, sind Komplikationsraten von bis zu 50% beschrieben [3] [6]. Häufig fallen kombinierte Streck- und Beugedefizite mit einem eingeschränkten Gesamtbewegungsausmaß von um 80° auf, wobei im klinischen Umfeld der Kniegelenkendoprothetik bessere Ergebnisse beobachtet wurden [3] [4]. Zu Lebensqualitätsscores können aufgrund mangelhafter Datenlage keine Daten angeführt werden.

In unserem Falle zeigte sich bislang mit einer 24-monatigen Nachbeobachtungszeit ein sehr zufriedenstellendes klinisches Ergebnis für die Patientin, trotz einer weiteren Fraktur der proximalen Tibia nach adäquatem Trauma nach Transplantation bei einem Autounfall auf einer Rennstrecke. Insgesamt war zum einen das infektionsfreie Einheilen des Transplantates unter den entsprechenden Maßnahmen wie Ausschluss einer persistierenden Infektion durch Gelenkpunktion kurz vor Implantation des Streckapparat-Allografts und einer erneuten mehrwöchigen postoperativen Antibiotikagabe bemerkenswert. Zum anderen konnte nur innerhalb von 3 Monaten eine gute knöcherne Integration des knöchernen Tibiaspans des Allografts in die metaphysäre Tibiaregion beobachtet werden. Die anschließende Fraktur war bei direktem Anpralltrauma unter adäquater Gewalteinwirkung entstanden und sollte daher nicht als „pathologische“ Fraktur oder als typische Allograft-Komplikation gewertet werden. Zu dem bislang sehr positiven Behandlungsergebnis hat sicherlich auch das relativ junge Alter der Patientin bei gutem Gesundheitszustand beigetragen. Dennoch können im weiteren Verlauf eine potenzielle Re-Infektion des Grafts, eine Nekrose des Grafts sowie Knorpelläsionen im femoropatellaren Gleitlager mit nachfolgender Arthrose auftreten. Eine Immunsuppression wie bei klassischen Organspenden war und ist aufgrund der unter der Herstellungsweise des Fresh Frozen Allografts nicht beschriebenen HLA-Sensitivierung mit verschiedenen chemischen Waschschritten zum Auswaschen des spongiösen Knochens und mechanischer Aufbereitung der sehnigen Transplantatanteile zu deren Befreiung von extratendinösen Bestandteilen vor Kryokonservierung, wie es bei der Patientin verwendet wurde, nicht erforderlich.


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Interessenskonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Sain A, Bansal H, Pattabiraman K. et al. Extensor Mechanism Reconstruction Using Allograft Following Total Knee Arthroplasty: A Review of Current Practice. Cureus 2021; 13: e12803
  • 2 Rupp M, Walter N, Popp D. et al. Multidisciplinary Treatment of Fracture-Related Infection Has a Positive Impact on Clinical Outcome-A Retrospective Case Control Study at a Tertiary Referral Center. Antibiotics (Basel) 2023; 12: 230
  • 3 Bürde C, Sweeney P. Die Behandlung der Streckapparatinsuffizienz nach Knieprothetik durch allogene Transplantation. Orthopade 2007; 36: 372-378
  • 4 Burnett RS, Berger RA, Della Valle CJ. et al. Extensor mechanism allograft reconstruction after total knee arthroplasty. J Bone Joint Surg Am 2005; 87 (Suppl. 1) 175-194
  • 5 Krocker D, Matziolis G, Pruss A. et al. Rekonstruktion des Streckapparats mittels freiem, allogenem, gefriergetrocknetem Patellatransplantat. Unfallchirurg 2007; 110: 563-566
  • 6 Müller DA, Beltrami G, Scoccianti G. et al. Allograft Reconstruction of the Extensor Mechanism after Resection of Soft Tissue Sarcoma. Adv Orthop 2018; 2018: 6275861
  • 7 Walter N, Rupp M, Baertl S. et al. Periprosthetic joint infection: patients benefit from a multidisciplinary team approach. Bone Joint Res 2022; 11: 8-9

Correspondence

Dr. Johannes Weber
Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93053 Regensburg
Deutschland   

Publication History

Received: 13 November 2023

Accepted after revision: 28 August 2024

Article published online:
07 November 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Sain A, Bansal H, Pattabiraman K. et al. Extensor Mechanism Reconstruction Using Allograft Following Total Knee Arthroplasty: A Review of Current Practice. Cureus 2021; 13: e12803
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  • 3 Bürde C, Sweeney P. Die Behandlung der Streckapparatinsuffizienz nach Knieprothetik durch allogene Transplantation. Orthopade 2007; 36: 372-378
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  • 6 Müller DA, Beltrami G, Scoccianti G. et al. Allograft Reconstruction of the Extensor Mechanism after Resection of Soft Tissue Sarcoma. Adv Orthop 2018; 2018: 6275861
  • 7 Walter N, Rupp M, Baertl S. et al. Periprosthetic joint infection: patients benefit from a multidisciplinary team approach. Bone Joint Res 2022; 11: 8-9

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Abb. 1 Klinisches (a, b) und radiologisches (c, d, e) Bild bei Übernahme der Patientin.
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Abb. 2 Klinisches (a) und radiologisches (b, c) Bild im Rahmen der Third-Look-Operation nach Osteosynthese einer begleitenden Femurfraktur.
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Abb. 3 Allograft vor (a nach additivem Coating mit Vancomycin-Pulver), während (b, c) bzw. in konventionellen Röntgenaufnahmen nach dessen Transplantation (d, e).
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Abb. 4 Klinisches Bild (a, b) 14 Tage nach durchgeführter Latissimus-dorsi-Lappen-Plastik.
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Abb. 5 Röntgenkontrolle 4 Monate nach Transplantation mit adäquater Integration des tibialen Spans (a, b) und guter Patellazentrierung (c).
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Abb. 6 Konventionell-radiologische Aufnahmen vor (a, b) und nach (c, d) operativer Versorgung einer traumatischen peritransplantären proximalen Tibiafraktur.
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Abb. 7 Klinisches Bild (a, b) sowie Nachweis der sonografischen Integration (c) des tibialen Spans 24 Monate nach Transplantation. Im seitlichen Röntgenbild zeigt sich kein Hinweis auf eine Patellanekrose (d).
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Fig. 1 Clinical (a, b) and radiological (c, d, e) images following transfer of the patient to our department.
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Fig. 2 Clinical (a) and radiological (b, c) images taken during third-look surgery following osteosynthesis of the accompanying femoral fracture.
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Fig. 3 Standard X-ray images of the allograft before (a after additional coating with vancomycin powder), during (b, c) and after transplantation (d, e).
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Fig. 4 Clinical image (a, b) 14 days after latissimus dorsi flap-plasty.
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Fig. 5 Control X-ray imaging carried out 4 months after transplantation with adequate integration of the tibial bone graft (a, b) and good centering of the patella (c).
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Fig. 6 Conventional X-ray imaging before (a, b) and after (c, d) surgical treatment of a traumatic peri-implant proximal tibial fracture.
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Fig. 7 Clinical imaging (a, b) and sonographic confirmation of the integration (c) of the tibial implant 24 months after transplantation. Lateral X-ray shows no signs of patellar necrosis (d).