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DOI: 10.1055/a-2419-3510
Kopfschmerz News der DMKG
- Machine-Learning identifiziert Prädiktoren des Ansprechens auf eine prophylaktische Behandlung der Migräne
- Headache trajectories in children and adolescents with new onset continuous headache
- Literatur
Machine-Learning identifiziert Prädiktoren des Ansprechens auf eine prophylaktische Behandlung der Migräne
*** Chiang C-C, Schwedt TJ, Dumkrieger G, et al. Advancing toward precision migraine treatment: Predicting responses to preventive medications with machine learning models based on patient and migraine features. Headache 2024; 64(9): 1094–1108
Hintergrund
Die Auswahl prophylaktischer Pharmakotherapien der Migräne basiert auf persönlicher Erfahrung und Leitlinienempfehlungen, und gelingt initial oft nur mit einer Erfolgsquote von 30–50 %. Der häufige probatorische Wechsel wird teils als belastend und frustrierend empfunden. In dieser Studie untersuchten die Autoren, inwieweit maschinelle Lernmodelle eine Precision Medicine der Migräne ermöglichen, d. h. die Wirksamkeit verschiedener Medikamente für einzelne Patienten besser vorhersagen zu können.
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Zusammenfassung
Die Studie entwickelte mithilfe von maschinellem Lernen spezifische Vorhersagemodelle für häufig genutzte Medikamentenklassen zur Migräneprophylaxe. Die Modelle wurden auf Basis von Daten einer Kohorte von 4260 Patienten erstellt, die detaillierte Fragebögen zur Migräneanamnese und zu Merkmalen der Kopfschmerzen ausgefüllt hatten. Das Modell zur Vorhersage der Wirksamkeit von CGRP mAbs erzielte dabei die höchste Genauigkeit, gemessen an einem AUC-Wert von 0,825, was auf eine gute Unterscheidung zwischen Respondern und Nichtrespondern hindeutet. Die Modelle für die anderen Medikamente waren weniger präzise und erreichten AUC-Werte zwischen 0,581 und 0,673.
Weniger Kopfschmerztage vor der Behandlung erwiesen sich als positiver Prädiktor für die Wirksamkeit mehrerer Medikamente, insbesondere von CGRP mAbs. Ein niedrigerer BMI und geringeres Körpergewicht korrelierten ebenfalls positiv mit der Wirksamkeit von CGRP mAbs und Betablockern, während ein höherer BMI und ein höheres Gewicht positive Prädiktoren für Topiramat und OnabotulinumtoxinA waren. Auch das Alter spielte eine Rolle: Ältere Patienten hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine positive Reaktion auf CGRP mAbs, Betablocker und trizyklische Antidepressiva, während jüngere Patienten besser auf Topiramat und OnabotulinumtoxinA ansprachen. Eine längere Migräneanamnese sowie kürzere Episoden hoher Schmerzintensität trugen ebenfalls zu positiven Behandlungsergebnissen bei CGRP mAbs bei. Zusätzliche Merkmale wie das Auftreten einseitiger Kopfschmerzen und das Vorhandensein bestimmter Begleitsymptome wie verstopfte Nase während der Attacken unterstützten die Vorhersagegenauigkeit für verschiedene Medikamente.
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Kommentar
Die Ergebnisse zeigen, dass maschinelles Lernen das Potenzial hat, die Entscheidung für bestimmte Medikamentenklassen zu unterstützen. Vor allem das Modell für CGRP mAbs erwies sich als vielversprechend. Die Vorhersagemodelle für andere Medikamente blieben hingegen mäßig. Die Autoren diskutieren, dass die identifizierten Merkmale in der klinischen Praxis hilfreich sein könnten, um die Anzahl der Versuche zur Auswahl eines wirksamen Medikaments zu reduzieren.
Letztlich lassen die identifizierten Prädiktoren auf verschiedene Eigenschaften der zugrunde liegenden Krankheitsaktivität schließen. So ist ein höherer BMI mit einer Krankheitsprogression, inkl. Chronifizierung, assoziiert, was die identifizierte Wirksamkeit von Therapien der chronischen Migräne gut erklärt. Niedrig frequente, halbseitige Migräneattacken hingegen respondieren gut auf gezielte Therapien einer klassischen Migränepathophysiologie, z. B. CGRP mAbs. Die Studie unterstützt eine differenzierte personalisierte Migräneprophylaxe und objektiviert Prädiktoren, die in der klinischen Praxis zu beobachten sind.
Robert Fleischmann, Greifswald
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Headache trajectories in children and adolescents with new onset continuous headache
****Szperka CL, Evans M, Patterson Gentile C, et al. Headache trajectories in children and adolescents with new onset continuous headache. Cephalalgia 2024; 44(10). doi:10.1177/03331024241282803
Hintergrund
Der New Daily Persistent Headache (NDPH) gehört zu den primären Kopfschmerzformen und wird durch die International Classification of Headache Disorders (ICHD-3) [1] definiert. Die Pathophysiologie dieser Kopfschmerzform ist kaum verstanden. Es handelt sich um eine chronische Form von Kopfschmerzen und hat sowohl phänotypische Anteile einer Migräne als auch die eines Kopfschmerzes vom Spannungstyp [1], [2]. Dies macht die Differenzierung der Diagnose NDPH, von chronischer Migräne (cM) und chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp (cKST) bei einem schon länger bestehenden Verlauf schwierig. Aus klinischen Erfahrungen zeigt sich, dass der NDPH schwer zu therapieren ist [3]daily, and unremitting headache lasting for at least 3 months. Currently, there are limited studies in the pediatric population describing the characteristics of NDPH.Objective:The objective of the current study is to describe the characteristics of NDPH in pediatric patients presenting to a headache program at a tertiary referral center.Methods:The participants in the current study were pediatric patients who attended the Headache Clinic at Children’s National Hospital between 2016 and 2018. All patients seen in the Headache Clinic were enrolled in an institutional review board–approved patient registry.Results:Between 2016 and 2018, NDPH was diagnosed in 245 patients, representing 14% of the total headache population. NDPH patients were predominantly female (78%. Eine spezifische Therapie steht nicht zur Verfügung und die Studienlage mit placebo-kontrollierten Studien ist unzureichend.
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Zusammenfassung
Es handelt sich um eine retrospektive, fragebogenbasierte Studie aus dem „Children`s Hospital of Philadelphia“. Die Studie beschäftigt sich mit den Diagnosekriterien vom NDPH und der Frage, ob es im Verlauf der Kopfschmerztage Unterschiede zwischen dem NDPH und dem New Onset Headache (NOH) gibt. Insgesamt wurden 172 (84 NOH, 88 NDPH) Kinder und Jugendliche im Alter von 5–17 Jahren in die Analyse eingeschlossen. Sowohl in der NDPH und in der NOH-Gruppe zeigten über 95 % einen Migränephänotyp.
Es wurden Daten bis 12 Monate nach Erstvorstellung in der Klinik analysiert. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen keinen Unterschied in der Kopfschmerzentwicklung zwischen den beiden Gruppen zum letzten Folgetermin und nach 12 Monaten. Nur 5 % der Kinder und Jugendlichen mit NDPH und 7 % derer mit NOH hatten nach einem Jahr keine Kopfschmerzen mehr. Bei 29 % der Teilnehmenden mit NDHP und 10 % mit NOH zeigte sich keine Änderung der Kopfschmerzen. Bei 34 % der Teilnehmenden mit NDPH und 47 % mit NOH zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Kopfschmerzen. Kinder und Jugendliche mit weiteren chronischen Schmerzerkrankungen und vorangegangenem Therapieversagen zeigten ein schlechteres Ergebnis. Bestand eine Familienhistorie von Kopfschmerzen oder Migräne oder Angststörungen, so erhöhte sich die Chance auf eine Besserung der Kopfschmerzen. Depressionen hatten keinen Einfluss.
Wenn es zu einer Unterbrechung der kontinuierlichen Kopfschmerzen kam, passierte dies vornehmlich in den ersten 6 Monaten nach Erstvorstellung. Sowohl Patienten aus der NOH als auch aus der NDPH-Gruppe zeigen schwer zu therapierende Kopfschmerzen. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Faktor, welcher dazu führt von Beginn an besteht.
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Kommentar
Die Studie zeigt, dass wir zu wenig über den NDPH und den NOH wissen. Auch ist kaum etwas dazu bekannt wie die Diagnosekriterien der ICHD-3 auf Kinder und Jugendliche hinsichtlich des NDPH anzuwenden sind. Bisher beschäftigten sich wenige Studien mit der Diagnosestellung von NDPH, hier zeigte sich eine hohe Variabilität [4], [5]. Trotz der retrospektiven Gestaltung der Studie gibt sie uns aufschlussreiche Einblicke in die klinische Darbietung von NDPH und NOH. Es scheint keine Unterschiede im Verlauf der beiden Kopfschmerzformen zu geben. Die Einschränkungen der Lebensqualität (PedMIDAS) ist in beiden Gruppen enorm (Starke Einschränkungen: NDPH 48 %, NOH 54 %). Es ergibt sich die Frage, ob ein frühzeitigeres Stellen der Diagnose NDPH sinnvoll ist, besonders mit Blick auf die Therapie und der Schwierigkeit cM und cKST bei Langzeitverläufen zu unterscheiden. Hier benötigt es weitere prospektive, multizentrische Studien.
Berit Höfer, Dresden
***** |
Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet |
**** |
Gute experimentelle oder klinische Studie |
*** |
Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter |
** |
Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen Mängeln |
* |
Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln |
Die Kopfschmerz-News werden betreut von der Jungen DMKG, vertreten durch Dr. Robert Fleischmann, Greifswald, Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Trigemino-autonomer Kopfschmerz & Clusterkopfschmerz), Dr. Laura Zaranek, Dresden (Bereich Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie und Kopfschmerz).
Ansprechpartner ist Dr. Robert Fleischmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Unimedizin Greifswald, Ferdinand-Sauerbruch-Str. 1, 17475 Greifswald, Tel. 03834/86-6815, robert.fleischmann@uni-greifswald.de
Die Besprechungen und Bewertungen der Artikel stellen die Einschätzung des jeweiligen Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.
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Literatur
- 1 Gobel H. The International Classification of Headache Disorders. In: ICHD-3. Accessed December 11, 2024 at: https://ichd-3.org/de/
- 2 Li D, Rozen TD. Cephalalgia 2002; 22: 66-69
- 3 Strong E, Pierce EL, Langdon R. et al. J Child Neurol 2021; 36: 888-893
- 4 Gelfand AA, Szperka CL. Headache 2022; 62: 1429-1431
- 5 Reidy BL, Riddle EJ, Powers SW. et al. Cephalalgia 2020; 40: 1063-1069
Publication History
Article published online:
13 February 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
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Literatur
- 1 Gobel H. The International Classification of Headache Disorders. In: ICHD-3. Accessed December 11, 2024 at: https://ichd-3.org/de/
- 2 Li D, Rozen TD. Cephalalgia 2002; 22: 66-69
- 3 Strong E, Pierce EL, Langdon R. et al. J Child Neurol 2021; 36: 888-893
- 4 Gelfand AA, Szperka CL. Headache 2022; 62: 1429-1431
- 5 Reidy BL, Riddle EJ, Powers SW. et al. Cephalalgia 2020; 40: 1063-1069