Schlüsselwörter
sFlt-1/PlGF-Quotient - angiogene Marker - Präeklampsie
Einleitung
Der sFlt-1-Quotient (sFlt-1: (soluble fms-like tyrosine kinase 1)/PlGF [placental
growth factor]) hat sich für den diagnostischen Algorithmus hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen
(HES) in der klinischen Routine bewährt [1].
Die pathophysiologische Konsequenz einer angiogenen Imbalance (zugunsten von sFlt-1
und zulasten von PlGF – ausgedrückt durch einen erhöhten sFlt-1/PlGF-Quotienten) ist
die endotheliale Dysfunktion. Das dadurch bedingte Leakage der Gefäße mit konsekutivem
intravasalem Volumenmangel und Minderperfusion der Organe wie Niere, Leber oder Plazenta
führt zu den bekannten Präeklampsie-(PE-)Symptomen [2]. An dieser Stelle erscheint es wichtig zu betonen, dass sFlt-1 und/oder PlGF auch
außerhalb der Schwangerschaft bei Endothelerkrankungen erhöht bzw. erniedrigt sein
können [3]
[4]
[5]
[6]
[7]. Entsprechende Cut-off-Werte des sFlt-1/PlGF-Quotienten für die Risikoabschätzung
einer PE und den Grad der plazentaren Dysfunktion, aber auch für die Prädiktion eines
ungünstigen neonatalen bzw. maternalen Outcomes und assoziierten kurzen Intervalls
bis zur Entbindung sind mit hohem Evidenzgrad publiziert [8]
[9]
[10]
[11]
[12] ([Tab. 1]).
Tab. 1
Übersicht etablierter Cut-off-Werte [8]
[10] für die sFlt-1/PlGF-Ratio und deren Bestandteile in der Referenzkohorte sowie pathophysiologische
Besonderheiten bei spezifischen maternalen bzw. gestationsbedingten Komorbiditäten.
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Referenzkohorte [8]
[10]
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chronische Nierenerkrankung [13]
[14]
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Adipositas [15]
[16]
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Zwillingsschwangerschaften [17]
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AMO = adverses maternales Outcome; APO = adverses perinatales Outcome; GFR = glomeruläre
Filtrationsrate; MTUD = mittleres Zeitintervall bis zur Entbindung
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sFlt-1
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stabil in 1. und 2. Trimenon, Anstieg im 3. Trimenon
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sFlt-1-Verlauf wie in Referenzkohorte
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signifikant niedrigere sFlt-1-Werte bei BMI > 30
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sFlt-1-Anstieg im 3. Trimenon ausgeprägter im Vergleich zu Einlingsschwangerschaften
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PIGF
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kontinuierlicher Anstieg mit Abfall ab der 34. SSW
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grundsätzlich höhere PIGF-Werte
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ähnlicher PIGF-Verlauf
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ähnlicher PIGF-Verlauf
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sFlt-1/PIGF
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fallende Werte bis zum 3. Trimenon, dann Anstieg des Quotienten
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niedrige GFR korreliert mit reduzierter Aussagekraft des Quotienten
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Quotient signifikant niedriger im 3. Trimenon bei BMI > 30
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Quotient höher > 29+0 SSW
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mögliche Ursache für Veränderung
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–
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PIGF wird renal eliminiert, Akkumulation von PlGF bei reduzierter GFR
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erhöhtes Plasmavolumen
TNF-α hemmt die endogene sFlt-1-Produktion
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höhere plazentare Masse
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sFlt-1/PIGF
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< 38
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PE innerhalb der nächsten 4 Wochen unwahrscheinlich
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Ein Quotient < 38 kann eine PE nicht sicher ausschließen
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Datenlage unklar
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etablierte Cut-offs > 29+0 SSW nicht übertragbar
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38–85 bzw. 110
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Entwicklung einer PE im Verlauf möglich, Kontrolle innerhalb von 7 Tagen empfohlen
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–
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> 85 bzw. 110
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PE sehr wahrscheinlich
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PE sehr wahrscheinlich
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PIGF < 100
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plazentare Dysfunktion wahrscheinlich
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Wert > 100 schließt eine plazentare Dysfunktion nicht aus
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MTUD
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Quotient > 655: Entbindung innerhalb 48 h bzw. 7 Tagen wahrscheinlich
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PIGF > 150 schließt eine Entbindung innerhalb der nächsten 14 Tage mit hoher Wahrscheinlichkeit
aus
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Datenlage unklar
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Quotient < 38: Entbindung innerhalb von 2 Wochen unwahrscheinlich
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APO/AMO
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Quotient < 38: unwahrscheinlich
Quotient > 655: wahrscheinlich
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Datenlage unklar
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Quotient < 38 schließt ein APO nicht sicher aus
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Quotient < 38 schließt ein APO nicht sicher aus
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Übersicht
Im Folgenden soll der Einsatz des sFlt-1/PlGF-Quotienten und seiner Bestandteile in
speziellen Patientinnenkollektiven näher beleuchtet werden. Hier geht es insbesondere
um die PE-Diagnosestellung, aber auch den prädiktiven Wert der angiogenen Faktoren
hinsichtlich eines adversen perinatalen Outcomes (APO).
Chronische Nierenerkrankung
Chronische Nierenerkrankung
Die Prävalenz der PE bei Frauen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) kann bis zu
40 % betragen [18]
[19], bei Frauen mit fortgeschrittenen CKD-Stadien sogar bis zu 70 % [19]
[20]
[21]. Das überlappende klinische Erscheinungsbild beider Pathologien mit meist vorbestehender
Hypertonie und Proteinurie im CKD-Kollektiv kann eine kausale Differenzierung erschweren
[22]. Darüber hinaus können Erkrankungen mit renaler Dysfunktion wie ein systemischer
Lupus erythematodes (SLE), die thrombozytopenische Purpura (TTP) oder das atypische
hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) erstmals in der Schwangerschaft auftreten bzw.
exazerbieren, was die Unterscheidung plazentabedingter Komplikationen ebenso schwierig
macht wie die Vorhersage des Schwangerschaftsoutcomes [23]
[24]. Rolfo et al. konnten zeigen, dass trotz überlappender Merkmale (Hypertonie und
Proteinurie) eine gute Differenzierung zwischen PE und CKD mittels sFlt-1/PlGF-Quotienten
möglich ist. In ihrer prospektiven Kohortenstudie wiesen Patientinnen mit CKD (n = 23)
im Vergleich zu Patientinnen ohne CKD (n = 34), aber mit PE (basierend auf den Diagnosekriterien
Hypertonie und Proteinurie > 20+0 SSW) signifikant niedrigere sFlt-1/PlGF-Werte auf
(4,00 [Interquartilbereich {IQR}, 0,51–136,59] vs. 435,79 [IQR, 160,90–1153,53]; p < 0,001)
[13]. Auch ließ sich kürzlich – korrelierend zum Grad der antiangiogenen Dysbalance auf
Basis des sFlt-1/PlGF-Quotienten – eine höhere APO-Rate sowie ein kürzeres mittleres
Zeitintervall bis zur Entbindung im CKD-Kollektiv (n = 171) beobachten [25]. Der Nutzen des sFlt-1/PlGF-Quotienten zur PE-Diagnostik im CKD-Kollektiv wird entsprechend
in der S2k-Leitlinie „Nierenerkrankungen und Schwangerschaft“ betont [26]: „PlGF und sFlt-1 sollten als zusätzliche diagnostische Parameter herangezogen werden,
wenn bei Patientinnen mit CKD eine Präeklampsie vermutet wird.“ Pathophysiologische
Besonderheiten im Umsatz von PlGF bei CKD-Patientinnen sollten beachtet werden, da
sich hier Fallstricke ergeben können. Außerhalb der Schwangerschaft konnten eine erhöhte
PlGF-Produktion und eine erniedrigte sFlt- 1-Konzentration im CKD-Kollektiv nachgewiesen
werden [27]
[28]. PlGF wird renal filtriert und über den Urin ausgeschieden [29]. Eine progrediente Einschränkung der Nierenfunktion im Schwangerschaftsverlauf kann
somit zu höheren PlGF-Spiegeln durch die reduzierte renale Clearance führen. In der
„Normalpopulation“ ist ein PlGF < 100 pg/ml suspekt bzw. mit einem höheren Risiko
für eine plazentagebundene Komplikation assoziiert. Um die gleiche Sensitivität und
Spezifität zu erreichen, wird empfohlen, diesen Schwellenwert bei Frauen mit CKD höher
zu setzen [14]. Wiles et al. empfehlen daher eine intensivierte Überwachung bei CKD-Patientinnen
mit einem PlGF-Serumwert < 150 pg/ml in > 20+0 SSW, wobei zu beachten ist, dass der
PE-Vorhersagewert mit zunehmender Nierenfunktionseinschränkung abnimmt [14].
Adipositas
Die Adipositas ist ähnlich wie der präexistente Diabetes mellitus ein Risikofaktor
für die Entwicklung einer PE und, wie die PE selbst, durch ein proinflammatorisches
Mikromilieu gekennzeichnet [30]
[31]. Die PROGNOSIS-Studie, die gestationsalterspezifische Cut-off-Werte für die sFlt-1/PlGF-Ratio
evaluierte und etablierte, unterschied nicht zwischen adipösen (BMI > 30 kg/m2) und normgewichtigen (BMI < 25 kg/m2) Frauen auf Basis des BMI [32] und untersuchte daher auch nicht, inwieweit unterschiedliche Grenzwerte für adipöse
Schwangere notwendig sind oder nicht [8]. Zera et al. konnten eine inverse Korrelation von sFlt-1 und dem mütterlichen BMI
beobachten, d. h. je höher der BMI, desto niedriger sFlt-1 [15]. In einer kürzlich publizierten prospektiven Observationsstudie (n = 1450 PE vs.
n = 1065 Kontrollen) konnte gezeigt werden, dass Frauen mit PE und bestehender Adipositas
im 2. und 3. Trimenon signifikant niedrigere sFlt-1-Konzentrationen im Vergleich zu
übergewichtigen (BMI 25–30 kg/m2) und normgewichtigen PE-Patientinnen aufwiesen. Der sFlt-1/PlGF-Quotient wies hingegen
keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen auf [16]. Mögliche Erklärungsansätze der erniedrigten sFlt-1-Level bei adipösen PE-Patientinnen
sind das generell erhöhte Plasmavolumen sowie eine höhere Masse an extrazellulärer
Matrix mit Heparinsulfat-Proteoglykanen, die sFlt-1 zersetzen können [33]
[34]. Auch TNF-α (TNF-α: Tumornekrosefaktor α) kann eine Rolle spielen, ein proinflammatorischer
Faktor, der bei adipösen Frauen erhöht ist und die endogene sFlt-1-Expression im Fettgewebe
reduziert [35]. Zwar scheint der BMI sFlt-1 zu beeinflussen, allerdings existieren bis dato keine
Studien, die alternative Grenzwerte mit ausreichender Evidenz erarbeitet haben. Der
sFlt-1/PlGF-Quotient sollte und kann auch bei adipösen Schwangeren im Rahmen der PE-Diagnostik
angewandt werden. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn es um die Einschätzung eines möglichen
APO auf Basis der Ratio geht. Hier konnte in einer retrospektiven Analyse gezeigt
werden, dass trotz eines sFlt-1/PlGF-Quotienten < 38 im adipösen PE-Kollektiv mit
einem APO gerechnet werden muss [36].
Zwillingsschwangerschaften
Zwillingsschwangerschaften
Die PE-Inzidenz ist bei Zwillingsschwangerschaften 2-mal höher als bei Einlingsschwangerschaften
[37]. Bei Zwillingsschwangerschaften liefert der sFlt-1/PlGF-Quotient nachweislich prognostische
und diagnostische Informationen [38]
[39], wenngleich die Rolle der Chorionizität für die Testgenauigkeit noch nicht abschließend
geklärt ist [1]. Dröge et al. konnten zeigen, dass Konzentrationsunterschiede von sFlt-1 und PlGF
zwischen Einlings- und Zwillingsschwangerschaften vorliegen, wobei höhere Werte für
sFlt-1 und PlGF im Zwillingskollektiv beobachtet werden konnten [40]. Kürzlich wurden gestationsalterabhängige Referenzwerte für unauffällige Zwillingsschwangerschaften
(n = 269) veröffentlicht [17]: Die Daten zeigen, dass der sFlt-1/PlGF-Quotient bei Frauen mit Zwillings- und Einlingsschwangerschaften
bis zur 29+0 SSW ähnlich sind. Nach 29+0 SSW konnten jedoch bei Zwillingsschwangerschaften
deutlich höhere sFlt-1/PlGF-Levels (bedingt durch einen signifikanten Anstieg von
sFlt-1) beobachtet werden, weswegen die Anwendung der Ratio > 29+0 SSW weniger diskriminierend
für die PE bei Zwillingsschwangerschaften zu sein scheint und die Ergebnisse entsprechend
mit Vorsicht interpretiert werden sollten [1]. Als möglicher Erklärungsansatz der höheren sFlt-1/PlGF-Konzentrationen bei Zwillingen
wird die größere plazentare Masse diskutiert [41]. Retrospektive Studien mit kleinen Fallzahlen zeigten zwar eine klare Korrelation
der Höhe der Ratio mit einem verkürzten Intervall bis zur Entbindung [39]
[42], lieferten jedoch keinen diagnostischen Mehrwert der sFlt-1/PlGF-Ratio bezogen auf
die APO-Prädiktion [39]
[42]
[43].
Chronische und Gestationshypertonie
Chronische und Gestationshypertonie
Patientinnen mit PE haben im Vergleich zu Patientinnen mit chronischer oder Gestationshypertonie
einen signifikant erhöhten sFlt-1/PlGF-Quotienten [44]. Dabei spricht man allgemein von einer „angiogenen PE“, wenn der sFlt-1/PlGF-Quotient
> 85 in < 34+0 SSW bzw. > 110 in ≥ 34+0 SSW ist [45]. Die chronische Hypertonie (und Gestationshypertonie) sind per se nicht mit erhöhten
sFlt-1/PlGF-Leveln verbunden und die sichere Abgrenzung zur Pfropf-PE ist damit gegeben
[46]. Binder et al. konnten zeigen, dass bei Schwangeren mit chronischer Hypertonie und
Verdacht auf Pfropf-PE die Hinzunahme des sFlt-1/PlGF-Quotienten zu den herkömmlichen
Diagnosekriterien, die von der International Society for the Study of Hypertension
in Pregnancy (ISSHP) vorgeschlagen werden [47], die Detektionsrate eines adversen perinatalen und maternalen Outcomes (AMO) signifikant
verbessert [48]. Angiogene Marker können demnach auch bei der chronischen Hypertonie in der Schwangerschaft
und Gestationshypertonie routinemäßig zum Einsatz kommen.
Schwangerschaftsassoziierte Leberkomplikationen
Schwangerschaftsassoziierte Leberkomplikationen
Die akute Schwangerschaftsfettleber (AFLP) und das HELLP-Syndrom stellen seltene Leberkomplikationen
in der Schwangerschaft dar mit assoziierter hoher maternofetaler Morbidität und Mortalität.
Abgesehen von den klinischen Merkmalen zeigen sich häufig ähnliche Laborkonstellationen
wie Thrombozytopenie, Hämolyse und insbesondere erhöhte Leberenzyme [49]. Allerdings ist die Abgrenzung des HELLP-Syndroms vom AFLP mitunter schwierig, insbesondere
dann, wenn keine zusätzliche Hypertension bzw. PE vorliegt. Bei der AFLP ist der Serumspiegel
von sFlt-1 (im Vergleich zum HELLP-Syndrom) drastisch erhöht [50]
[51]
[52]
[53]. Ein sFlt-1-Wert > 31100 pg/ml scheint ein zusätzlicher Parameter neben den Swansea-Kriterien
zu sein, um die Aufmerksamkeit auf die AFLP zu lenken. Im Gegensatz dazu erscheinen
die PlGF-Serumspiegel nur beim HELLP-Syndrom erniedrigt. Dies passt zur charakteristischen
plazentaren Dysfunktion beim HELLP-Syndrom (und der normalen Plazentafunktion bei
der AFLP) und unterstreicht damit die unterschiedlichen Entitäten beider Pathologien
[53]. Erhöhte sFlt-1-Serumspiegel wurden auch außerhalb der Schwangerschaft bei chronischen
Lebererkrankungen beobachtet [54]. Untersuchungen am Mausmodell zur Rolle von sFlt-1 bei Leberfunktionseinschränkungen
[55]
[56] legen nahe, dass hohe sFlt-1-Serumspiegel bei Patienten mit AFLP nicht nur ein Epiphänomen,
sondern ein wesentlicher Auslöser dieser Erkrankung sind [53]. Bezogen auf das HELLP-Syndrom erscheint der sFlt-1/PlGF-Quotient in der seltenen
Konstellation eines isolierten HELLP-Syndroms (ohne PE) deutlich niedriger zu sein
[57].
Rheumatische Erkrankungen
Rheumatische Erkrankungen
Patientinnen mit rheumatoiden Erkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes
(SLE), dem Sjögren-Syndrom, der systemischen Sklerose, der Dermatomyositis oder rheumatoiden
Arthritis haben ein erhöhtes Risiko für eine PE [58]. Die Differenzialdiagnosen PE und HELLP-Syndrom zu Schüben einer Lupusnephritis,
einer Vaskulitis oder einer renalen Krise im Rahmen einer Systemsklerose können oftmals
schwierig sein. Zur Differenzialdiagnose der PE kann mithilfe des sFlt1/PlGF-Quotienten
ein sicherer Hinweis auf eine plazentare Beteiligung gewonnen werden [59]. In einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie konnte bei Patientinnen
mit SLE und/oder Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom gezeigt werden, dass der sFlt1/PlGF-Quotient
im 2. Trimenon (neben anderen Faktoren wie bspw. der Notwendigkeit von Antihypertensiva)
einer der stärksten Prädiktoren für ein APO ist [60]. Die Sektion „Maternale Erkrankungen in der Schwangerschaft“ der Arbeitsgemeinschaft
für Geburtshilfe und Pränatalmedizin (AGG) betont deshalb in ihrem Positionspapier
zum „Management von rheumatischen Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit“:
„Mittels […] Bestimmung des sFlt1/PlGF- Quotienten im 2. und 3. Trimenon kann man
differenzialdiagnostisch eine plazentare Beteiligung prognostisch umschreiben“ [59].
Differenzialdiagnose bei thrombotischer Mikroangiopathie/thrombotisch-thrombozytopenischer
Purpura
Differenzialdiagnose bei thrombotischer Mikroangiopathie/thrombotisch-thrombozytopenischer
Purpura
Erkrankungen aus dem Formenkreis der thrombotischen Mikroangiopathie wie das aHUS
und die TTP können sich in Schwangerschaft und Wochenbett manifestieren und ein klinisches
Bild entwickeln, das sich mit geburtsmedizinischen Erkrankungen wie schwerer PE und
(postpartalem) HELLP-Syndrom überschneidet. Da die möglichen therapeutischen Optionen
sehr unterschiedlich sind, sind Biomarker wünschenswert, die differenzieren oder anzeigen
können, ob das primäre pathogenetische Problem eine plazentare Dysfunktion ist. In
einer Arbeit aus dem Jahr 2023 wurde untersucht, inwieweit bei Patienten mit TTP der
sFlt1/PlGF-Quotient verändert ist. Es konnte gezeigt werden, dass sowohl bei angeborener
als auch erworbener Form der TTP der sFlt1/PlGF-Quotient bei einem relevanten Anteil
der Patientinnen, aber nicht bei allen erhöht war (27,3%–52,2%). Bezüglich des Outcomes
dieser Schwangerschaften (mütterliches und fetales Überleben) zeigte sich bei TTP
kein Unterschied zwischen den Fällen mit
normalem und pathologischem angiogenen Status. In Anerkennung der Tatsache, dass sich
TMA und plazentare Dysfunktion auch in Kombination bzw. sich gegenseitig beeinflussend
entwickeln können, lassen hier die angiogenen Marker keine eindeutige Differenzierung
bezüglich des „Primums“ zu und haben keinen prognostischen Aussagewert bezüglich des
Outcomes bei TTP [61].
Schlussfolgerung
Mütterliche und gestationsbedingte Komorbiditäten können potenzielle Störfaktoren
der klinischen Interpretier- und Anwendbarkeit des sFlt-1/PlGF-Quotienten und ihrer
Bestandteile sein. Aktuelle Arbeiten deuten darauf hin, dass Schwangere mit Komorbiditäten
möglicherweise generell eine PE mit milderem Anstieg des sFlt-1/PlGF-Quotienten entwickeln
als Schwangere ohne Komorbiditäten. Eine mögliche Begründung hierfür ist eine präexistente
endotheliale Dysfunktion, die unter Umständen die Schwelle für eine antiangiogene
Imbalance senken kann [62]. Prospektive Studien mit großer Fallzahl sollten klären, inwieweit eine Anpassung
etablierter Cut-off-Werte sowohl was die PE-Diagnosestellung als auch die APO-Prädiktion
betrifft, in bestimmten Kollektiven sinnvoll erscheint.