Rofo 2024; 196(07): 745-746
DOI: 10.1055/a-2309-4323
DRG-Mitteilungen

Interview – Nachhaltig kommunizieren!

 

    Das Thema „nachhaltige Entwicklung“ im Gesundheitswesen ist so facettenreich wie viel diskutiert. Im Fokus stehen häufig Themen wie Energiesparen, Müllvermeiden und Kostensenken. „Wenn wir die Versorgung der Patientinnen und Patienten nachhaltiger gestalten wollen, müssen wir auch besser kommunizieren!“ Diesem Ansatz gehen wir mit Dr. Susanne Engelbrecht-Schnür vom Netzwerk Nachhaltigkeit der DRG nach.


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    Frau Dr. Englebrecht-Schnür, Sie engagieren sich im Netzwerk Nachhaltigkeit der DRG. Was treibt Sie an?

    Nachhaltigkeit war schon immer ein Anliegen für mich. Daher war ich erfreut, dass sich bei der DRG das Netzwerk Nachhaltigkeit gebildet hat, in das ich mich gerne einbringe. Zusammen organisieren wird z. B. Vorträge zu Nachhaltigkeitsthemen beim RÖKO DIGITAL und auch beim RÖKO WIESBADEN. Dabei legen wir das Augenmerk nicht nur auf die klassischen Nachhaltigkeitsthemen, wie Energie sparen und Müll vermeiden. In Kooperation mit der AGIT werden wir zum Beispiel auch Vorträge zum Thema „nachhaltige Kommunikation“ anbieten. Das hat für mich viel miteinander zu tun, also Nachhaltigkeit und Kommunikation, weil ich der Ansicht bin und die Erfahrung gemacht habe, dass wir sehr viel klarer kommunizieren müssen in der Radiologie.

    Würden Sie das bitte erklären?

    Beginnen wir mit den radiologischen Kolleginnen und Kollegen: Beim Verfassen von Befunden ist nicht garantiert, dass wir uns untereinander verstehen, zumindest ist das meine Erfahrung. Was geschieht dann? Wer einen Befund nicht vollständig versteht, führt möglicherweise Follow-up-Untersuchungen durch, ohne genau zu wissen, was mit den vorherigen Befunden gemeint war. Dies führt zu unnötigen Wiederholungen aus Unsicherheit und Sicherheitsbedenken. Der Patient könnte dadurch beunruhigt werden und möglicherweise weitere Ärzte aufsuchen, was die Situation weiter verkompliziert.

    Schwierig wird es auch, wenn z. B. der Facharzt für Neurologie, der mir einen Patienten zugewiesen hat, meinen Befund nicht versteht. Dann gibt es zwei Möglichkeiten für ihn, zu reagieren: Er greift zum Telefon, um mich zu erreichen und die Angelegenheit zu klären. Obwohl dies wohl die beste Lösung wäre, kommt es selten vor, dass er Zeit hat, nachzufragen. Stattdessen führt er oft weitere Untersuchungen durch oder gibt dem Patienten oberflächliche Antworten, die zu Unzufriedenheit und dazu führen, dass der Patient einen anderen Arzt aufsucht. Es gibt viele unnötige Untersuchungen, nur weil ich möglicherweise unklar formuliert habe oder nicht deutlich gemacht habe, dass weitere Untersuchungen nicht erforderlich sind.

    Orientiert sich die Wortwahl bei der Befundung nicht an einem Standard, einem Glossar?

    In der Radiologie wird nur selten ein festes Glossar verwendet. Es gibt eigentlich nur eines, das „Glossar thoraxradiologischer Begriffe entsprechend der Terminologie der Fleischner Society“. Zu oft verlassen wir uns stattdessen auf prosaische Beschreibungen. Dies ist bereits ein Grund dafür, dass selbst unter Kolleginnen und Kollegen, die Deutsch als Muttersprache sprechen, möglicherweise Missverständnisse auftreten. Und für Nichtmuttersprachler wird es noch schwieriger.

    Uns fehlen die Möglichkeiten für eine einfache eins-zu-eins-Übersetzung von Befunden. Die ideale Lösung wäre, dass wir ein Glossar verwenden und eine strukturierte Befundung praktizieren könnten, die übersetzbar ist. Das bedeutet, dass der Befund zunächst z. B. auf Englisch verfasst wird und dann ins Polnische, ins Deutsche oder in eine andere Sprache übersetzt wird. Entweder durch den Befunder selbst oder automatisch. Dies wäre besonders wünschenswert, auch angesichts unserer derzeitigen Personalsituation.

    Denken Sie, dass sich strukturierte Befundung durchsetzen wird, oder sind digitale Formulare in verschiedenen Sprachen mit einer klaren Struktur sinnvoller?

    Bisher wurden sowohl die traditionellen Formulare von Smart Radiology und Smart Reporting als auch neuere Ansätze wie Radio Report von deutschen Radiologinnen und Radiologen nicht gut angenommen. Die traditionellen Formulare werden kritisiert, weil sie wenig Flexibilität für Nebenbefunde bieten und bei komplexen Fällen unzureichend sind. Neuere Ansätze wie Radio Report werden aufgrund ihrer ungewohnten Struktur und des einfachen Textformats ebenfalls kritisiert. Radiologen bevorzugen oft ihre etablierten Kommunikationsmethoden und befürchten, dass die Verwendung solcher Tools ihre Kommunikation mit Zuweisern beeinträchtigen könnte. Es gibt noch keine Patentrezepte für diese Herausforderungen.

    Ein Blick in die Zukunft: Was wäre aus Ihrer Sicht eine mögliche Entwicklung für die strukturierte Befundung?

    Da ich keine Expertise in IT habe, kann ich lediglich eine Vision vorstellen. Es wäre ideal, wenn eine KI meinen Text analysiert und ihn in strukturierte Daten umwandelt, die als Befunde genutzt werden können. Dieser Ansatz wird als vielversprechend betrachtet, während andere Methoden auf Ablehnung stoßen. Die Weiterentwicklung dieser Technologie könnte eine Lösung bieten, erfordert jedoch eine gewisse Standardisierung der Sprache, womit wir wieder beim Glossar sind.

    Mein Anliegen ist, dass zunächst alle verstehen, was strukturierte Befundung bedeutet. Es geht nicht nur darum, eine Checkliste abzuarbeiten oder einen Standardbefund zu erstellen. Vielmehr sollen unsere Bildeindrücke und Befunde direkt für Big Data codierbar sein. Alles andere wäre Verschwendung von Papier oder Datenspeicherplatz. Unser einziges Ziel sollte es sein, dies zu erreichen. Deshalb müssen wir uns langfristig von freien Texten verabschieden. Doch aufgrund der starken Bindung meiner Generation an diese Texte wird die Transformation herausfordernd sein. Wir benötigen entweder eine radikale Lösung oder müssen den Weg einschlagen, den ich als Vision betrachte: die Analyse unserer Sprache, um sie auf einen digitalen Befund herunterzubrechen.

    Sehr geehrte Frau Dr. Engelbrecht-Schnür, haben Sie Dank für das Gespräch.

    Zur Person

    Dr. Susanne Engelbrecht-Schnür hat bis zum Vordiplom Chemie an der Universität in Münster studiert und ist dann zum Medizinstudium nach Erlangen gegangen. Nach dem Studium arbeitete sie mehrere Jahre als Anatomin und hatte dabei zunächst wenig Berührung mit der Radiologie. Nach einer längeren familiär bedingten Pause wurde sie Radiologin, absolvierte ihre Facharztausbildung in einem großen MVZ in Niedersachsen und zog dann nach Brandenburg. Dort arbeitete sie im Potsdamer Ernst von Bergmann Krankenhaus in der ambulanten Radiologie und war an dem Projekt „ Mobiles MRT für Brandenburg!“ beteiligt. Diese Tätigkeit hat sie im November beendet und arbeitet seitdem ausschließlich in hybrider Tätigkeit in Luckenwalde im KMG Klinikum und im MVZ.


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    24. Juni 2024

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