Einleitung
In Deutschland leben derzeit ca. 11 Millionen Menschen mit Diabetes, davon 8,7 Millionen
mit diagnostiziertem Typ-2-Diabetes [11]. Mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes werden mit Insulin behandelt,
entweder mit einer Basalinsulin-unterstützen oralen antidiabetischen Therapie (BOT),
mit einer konventionellen Insulintherapie (CT), einer supplementären Insulintherapie
(SIT), oder einer intensivierten Insulintherapie (ICT) [11]. Gemäß einem Qualitätsbericht zu strukturierten Versorgungsprogrammen (Disease Management
Programm, DMP) erreichen in Deutschland trotz evidenzbasierter Behandlungsstrategien
nur etwa 57% der Menschen mit Typ-2-Diabetes die empfohlenen HbA1c-Zielwerte [22]. Faktoren, die zum unzureichenden Erreichen der HbA1c-Zielwerte bei Typ-2-Diabetes beitragen, sind mangelnde Therapieadhärenz [33] und therapeutische Trägheit, definiert als das Versäumnis, die Therapie rechtzeitig
zu beginnen, anzupassen oder zu intensivieren [44]
[55]. Im Hinblick auf die gesundheitlichen Folgen ist eine solche Verzögerung der Therapieintensivierung
mit einer erhöhten Inzidenz mikro- und makrovaskulärer Erkrankungen assoziiert [66]
[77]. Eine rechtzeitige bedarfsgerechte Intensivierung der Glukosekontrolle bei Menschen
mit Typ-2-Diabetes sollte daher im Fokus der therapeutischen Strategie stehen.
Kontinuierliche Glukosemessung (CGM) wird von immer mehr Menschen mit Diabetes mellitus
zur Überwachung im Rahmen des Selbstmonitorings eingesetzt. Sie ermöglicht nicht nur
eine kontinuierliche Kontrolle des Glukosespiegels, sondern auch eine unmittelbare
Darstellung des Einflusses der medikamentösen Therapie sowie z.B. von Mahlzeiten und
körperlicher Aktivität auf den Glukosespiegel [88]. Therapieziele können durch den Einsatz von CGM-Systemen aufgrund der verbesserten
Informationsqualität und -quantität (kontinuierliche Anzeige des aktuellen Glukosewertes,
Trendanzeige und Alarme bei Erreichen voreingestellter Grenzwerte, prädiktive Alarme,
systematische Datenanalyse) mit höherer Wahrscheinlichkeit erreicht werden [99].
Zu den derzeit verfügbaren CGM-Systemen gehören Echtzeit-CGM-Systeme (Real-Time-CGM,
rtCGM), welche kontinuierlich aktuelle und vorhergesagte Glukosewerte liefern, und
ein System, bei dem ein Scannen des Glukosesensors zur Darstellung der Glukosewerte
nötig ist (Intermittent Scanning CGM, isCGM), das in Deutschland zurzeit nicht mehr
oder nur noch begrenzt genutzt wird [1010]. Mit der herstellerspezifischen CGM-Software können CGM-abgeleitete Parameter wie
der mittlere Glukosewert, der Glukose-Management-Indikator (GMI), die glykämische
Variabilität (GV) oder die Zeit bzw. der prozentuale Anteil im, über oder unter dem
Zielbereich (TIR, TAR, TBR) berechnet werden [1111]. Empfehlungen für die Zielwerte verschiedener etablierter CGM-Parameter wurden 2019
in einem internationalen Konsens festgelegt [1212]. Sowohl die Zeit über/unter und im Zielbereich als auch die GV können wichtige Informationen
über Schwankungen der Glukosekonzentration liefern, und der GMI kann als Näherungswert
für den HbA1c-Wert verwendet werden. Für zusätzliche Sicherheit sind diese Geräte
mit Alarmen und Warnungen ausgestattet, die den Anwendenden auf aktuelle und/oder
drohende schwere Hypoglykämien (SH) und Hyperglykämien aufmerksam machen. Dies ist
besonders wichtig für Personen mit wiederkehrenden nächtlichen Hypoglykämien. Für
Menschen mit Typ-1-Diabetes ist CGM inzwischen zum Standard geworden. Bei Kindern
und Jugendlichen (bis 16 Jahre) nutzen laut DPV-Register 2021 bereits ca. 90% ein
CGM-System [1313]. Die Befragung von 340 Diabetologen in Deutschland für den dt-Report ergab eine
CGM-Nutzungsrate von 83,5% bei Menschen mit Typ-1-Diabetes [1414].
Kontinuierliche Glukosemessung (CGM) bei Typ-2-Diabetes
Der Einsatz bei Typ-2-Diabetes im Rahmen verschiedener Behandlungsstrategien ist derzeit
zum Teil aufgrund unzureichender Evidenz noch nicht ausreichend klar, jedoch wird
der Stellenwert dieser Technologie auch bei der Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes
umfassend erforscht. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die mit einer intensivierten
Insulintherapie behandelt werden, ist die Sicherheit und Wirksamkeit von CGM durch
klinische Studien, Beobachtungsstudien und prospektive Studien [2020]
[2121]
[2222]
[2323] sehr gut belegt. Laut Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 2016
ist ein rtCGM-System bei allen Menschen mit Diabetes, also auch bei Typ-2-Diabetes,
mit intensivierter Insulintherapie indiziert und damit erstattungsfähig. Voraussetzung
für die Erstattungsfähigkeit bei Typ-2-Diabetes ist, dass die PatientInnen, die eine
intensivierte Insulintherapie benötigen, in dieser geschult sind und diese bereits
anwenden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die festgelegten individuellen Therapieziele
zur Stoffwechseleinstellung auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation
nicht erreicht werden können.
Auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die nur mit Basalinsulin, mit Basalinsulin plus
nicht-insulinotropen Antidiabetika und ohne Insulin behandelt wurden, gibt es inzwischen
eine beträchtliche Anzahl von randomisierten und prospektiven/retrospektiven Studien,
die eine signifikante Verbesserung der Glukosewerte ([Tab. 1Tab. 1]) und eine Reduktion von diabetesbezogenen Ereignissen und Krankenhauseinweisungen
unter Anwendung von CGM zeigen ([Tab. 2Tab. 2]). Die aktuelle Studienlage basiert auf sowohl derzeit in der Versorgung eingesetzten
als auch auf nicht mehr erhältlichen CGM-Systemen. Ziel dieser Publikation ist die
Darstellung der aktuellen Studienlage zum Einsatz von CGM bei Typ-2-Diabetes mit besonderem
Fokus auf die nicht intensivierte Insulintherapie.
Tab. 1
Tab. 1 Studien zum Einsatz von CGM bei Typ-2-Diabetes mit dem primärem Ziel HbA1c.
Autor (Jahr)
|
Behandlung
|
Studienart
|
Teilnehmer
|
CGM
|
Intervall
|
Schlüsselergebnisse der CGM-Nutzung
|
OAD=Orale Antidiabetika; RCT=Randomisierte Kontrollstudie; RWE=Real-World Evidence
Studie; CGM=kontinuierliche Glukosemessung; SMBG=konventionelle Blutzuckerselbstmessung;
TIR=Time in Range; TAR=Time above Range
|
Yoo HJ, et al
(2008) [2424]
|
Basalinsulin/
OAD
|
RCT
|
Erwachsene 20–80 Jahre (n=65), HbA1c 8–10%
|
Guardian RT
|
3 Monate
|
Signifikante Senkung des HbA1c mit CGM (1,1%) im Vergleich zu SMBG (0,4%) (P < 0,01)
|
Martens T, et al (2021) [2525]
|
Basalinsulin
|
RCT
|
Erwachsene ≥30 Jahre (n=175), HbA1c 7,8–12%
|
Dexcom G6
|
8 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 0,4% (P = 0,022).
Anstieg der TIR um 27% (P < 0,001)
|
Bao S, et al
(2022) [2626]
(Subgruppe)
|
Erwachsene ≥65 Jahre alt (n=42) und Erwachsene <65 Jahre alt (n=133)
|
Dexcom G6
|
8 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 1,08% und 19% Anstieg der TIR bei ≥65 Jahre
Mittlere Senkung des HbA1c um 1,08% und 12% Anstieg der TIR bei <65 Jahre
|
Davis G, et al (2022) [2727]
(Post-hoc)
|
Erwachsene ≥30 Jahre (n=175), HbA1c 7,8–12%
|
Dexcom G6
|
8 Monate
|
Vergleich von CGM und SMBG:
Bei HbA1c ≥9,0%: 14% höherer Anstieg der TIR mit CGM
Bei HbA1c ≥9,5%: 22% höherer Anstieg der TIR mit CGM
Bei HbA1c ≥10%: 32% höherer Anstieg der TIR mit CGM (P = 0,27)
|
Aleppo G, et al (2021) [2828]
(Follow-up)
|
Erwachsene ≥18 Jahre (n=108)
|
Dexcom G6
|
6 Monate
|
Bei CGM-Absetzung: TIR-Absenkung um 12% (P=0,01)
Bei CGM-Fortsetzung: TIR-Anstieg um 13% (P=0,89)
|
Vigersky RA, et al (2012) [2929]
|
Basalinsulin/
ohne Insulin
|
RCT
|
Erwachsene ≥18 Jahre (n=100), HbA1c 7–12%
|
Dexcom SEVEN
|
52 Wochen
|
Mittlere Senkung des HbA1c-Wertes um 0,8%
|
Ajjan RA, et al (2019) [3030]
|
Basalinsulin/
Bolus
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre (n=148), HbA1c 7,5–12%
|
FreeStyle Libre
|
6 Monate
|
In der Gruppe, die nur Basalinsulin verwendete, war die Veränderung des HbA1c (0,41%
± 0,39%) nicht signifikant (P = 0,3011)
|
Lameijer A, et al (2023) [3131]
|
Basalinsulin/
Bolus
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=1813)
|
|
|
Basalinsulin-Gruppe:
Mittlere Senkung des HbA1c-Wertes um 0,6% (P = 0,007),
Anstieg der TIR um 12% (P < 0,001)
Reduktion der TAR um 12% (P < 0,001)
|
Grace T, et al (2022) [3232]
|
Basalinsulin/
ohne Insulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=38), HbA1c >7, %
|
Dexcom G6
|
6 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 3% (P=0,001)
Anstieg der TIR um 15,2% (P=0,001)
|
Wright JR, et al (2021) [3333]
|
Basalinsulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=306), HbA1c 10,1%
|
FreeStyle Libre
|
6 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 1,1% (P<0,001)
|
Elliot T, et al (2021) [3434]
|
Basalinsulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=91), HbA1c >9,4%
|
FreeStyle Libre
|
3–6 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 0,8% (P<0,0001)
Senkung des BMI um 0,53
|
Carlson AL, et al (2022) [3535]
|
Basalinsulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=100), HbA1c 8–12%
|
FreeStyle Libre
|
12 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 1,4% (P<0,0001)
|
Allen NA, et al (2008) [3636]
|
Ohne Insulin
|
RCT
|
Erwachsene ≥18 Jahre (n=52), HbA1c 8,6%
|
Nicht spezifiziert
|
8 Wochen
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 1,16%,
Senkung des BMI um 0,53
|
Wada E, et al (2020) [3737]
|
Ohne Insulin
|
RCT
|
Erwachsene <70 Jahre (n=93), HbA1c ≥7,5–8,4%
|
FreeStyle Libre
|
12 Wochen
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 0,29% (P=0,022)
Signifikante Reduktion der glykämischen Variabilität
|
Cox DJ, et al
(2020) [3838]
|
Ohne Insulin
|
RCT
|
Erwachsene 30–80 Jahre (n=30), HbA1c ≥7,0%
|
Dexcom G4/G5
|
5 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 1,11%
|
Aronson R, et al
(2023) [3939]
|
Ohne Insulin
|
RCT
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=116), HbA1c 8,6%
|
FreeStyle Libre
|
4 Monate
|
Mittlere Senkung des HbA1c um 0,3%
Anstieg der TIR um 9%
|
Polonsky WH, et al (2022) [4040]
|
Ohne Insulin
|
RWE
|
Erwachsene 21–75 Jahre
(n=198), Hba1c ≥ 8,0%
|
FreeStyle Libre
|
3 Monate
|
Anstieg der TIR um 19%
Reduktion der TAR um 19%
|
Tab. 2
Tab. 2 Studien zum Einsatz von CGM bei Typ-2-Diabetes mit dem primären Ziel Lebensqualität.
Autor (Jahr)
|
Behandlung
|
Studienart
|
Teilnehmer
|
CGM
|
Intervall
|
Schlüsselergebnisse der CGM-Nutzung
|
RCT=Randomisierte Kontrollstudie; RWE=Real-World Evidence Studie; CGM=Kontinuierliche
Glukosemessung; SMBG=konventionelle Blutzuckerselbstmessung; DKA=diabetische Ketoazidose;
SH=Schwere Hypoglykämie
|
Simonson GD, et al (2021) [4141]
|
Beliebig
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=68), HbA1c 8,8%
|
FreeStyle Libre
|
12 Monate
|
Verbesserung der glykämischen Kontrolle wurde durch Kombination aus Lebensstilberatung
und Intensivierung der Medikation erreicht.
|
Roussel R, et al (2021) [4242]
|
Beliebig
|
RWE
|
Erwachsene 18–99 Jahre
(n=10 282)
|
FreeStyle Libre
|
12 Monate
|
39,2% weniger Krankenhauseinweisungen wegen akuter Diabetesereignisse,
52,1% weniger Einweisungen wegen DKA,
10,8% weniger Einweisungen wegen Hypoglykämie
|
Riveline JP, et al (2022) [4343]
|
Beliebig
|
RWE
|
Erwachsene 18–99 Jahre
(n=41 027)
|
FreeStyle Libre
|
24 Monate
|
48% weniger Krankenhauseinweisungen wegen akuter Diabetesereignisse,
47% weniger Krankenhauseinweisungen wegen DKA,
43% weniger Hypoglykämien
|
Haak T, et al
(2017) [2323]
|
Insulin
|
RCT
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=224)
|
FreeStyle Libre
|
6 Monate
|
43% weniger Hypoglykämien <70 mg/dL (3,9 mmol/L)
54% weniger nächtliche Hypoglykämie <70 mg/dl (3,9 mmol/L)
64% weniger Hypoglykämien <45 mg/dL (2,5 mmol/L).
|
Karter AJ, et al (2021) [4444]
|
Insulin
|
RWE
|
Erwachsene 59,3 Jahre
(n=36 080)
|
Beliebig
|
12 Monate
|
4,0% weniger Krankenhauseinweisungen aufgrund schwerer Hypoglykämie
|
Manfredo J, et al (2023) [4545]
|
Insulin
|
RWE
|
Jugendliche 16,2 Jahre
(n=41)
|
Dexcom G6
|
10 Tage
|
Berichtete Verhaltensänderungen, einschließlich Einhaltung der Insulinempfehlungen,
Auswahl der Lebensmittel und körperliche Aktivität.
|
Bergenstal RM, et al (2021) [4646]
|
Beliebig
|
RWE
|
Erwachsene 53 Jahre
(n=594)
|
Dexcom G5 or G6
|
10 Monate
|
Die meisten Befragten (94,7%) stimmten zu/stark zu, dass die Verwendung von CGM ihr
Verständnis für die Auswirkungen von CGM auf die Ernährung verbessert (97,0%) und
ihr Wissen über Diabetes erweitert hat (95,7%).
|
Polonsky WH, et al (2020) [4747]
|
Beliebig
|
RWE
|
Erwachsene 51 Jahre
(n=228)
|
Dexcom G5 or G6
|
6 Monate
|
Berichtete signifikant stärkere Verringerung der Diabetesbelastung (P = 0,012) und
des therapiebedingten Leidensdrucks (P < 0,001) mit CGM
|
Miller E, et al (2021) [4848]
|
Basalinsulin/
ohne Insulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=10 282)
|
FreeStyle Libre
|
6 Monate
|
Reduktion von unerwünschten Ereignissen von 0,076 auf 0,052, Reduktion der Krankenhausaufenthalte
aller Ursachen/Patientenjahr von 0,177 auf 0,151
|
Porter M, et al (2021) [4949]
|
Basalinsulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
(n=37)
|
Dexcom G6
|
24 Wochen
|
Berichtete Verhaltensänderungen, einschließlich Gewichtsabnahme, erhöhter körperlicher
Aktivität, Ernährungsumstellung und verbesserter Selbstfürsorge
|
Guerci B, et al
(2023) [5050]
|
Basalinsulin/
ohne Insulin
|
RWE
|
Erwachsene 18–99 Jahre
(n=5933)
|
FreeStyle Libre
|
24 Monate
|
Rückgang der DKA-Einweisungen um 75%
SH-Einweisungen um 44% zurückzuführen
|
Nathanson D, et al (2023) [5151]
|
Basalinsulin und MDI
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
|
FreeStyle Libre
|
24 Monate
|
Signifikant geringeres Risiko einer Krankenhauseinweisung jeglicher Art mit CGM im
Vergleich zu SMBG; 37% weniger Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz mit
CGM im Vergleich zu SMBG
|
Dowd R, et al (2023) [5252]
|
Ohne Insulin
|
RWE
|
Erwachsene ≥18 Jahre
T1D(n=26 706)
T2D(n=6979)
|
Dexcom G6
|
6 Monate
|
Hohes Engagement in Bezug auf die Aktivierung von Warnhinweisen und Warnmeldungen
bei niedrigen und hohen Glukosewerten sowie eine hohe Anzahl von Bildschirmansichten.
|
Polonsky WH, et al (2022) [4040]
|
Ohne Insulin
|
RWE
|
Erwachsene 21–75 Jahre
(n=198)
|
FreeStyle Libre
|
3 Monate
|
Verbessertes Vertrauen in Hypoglykämie (75,9%), allgemeines Wohlbefinden (50,0%),
geringere Belastung durch Diabetes (59,3%–74,1%), weniger Probleme mit Hypoglykämie
(61,8%) und chronischer Hyperglykämie (73,1%).
|
Einsatz von CGM bei basalunterstützter oraler Therapie (BOT)
6 RCTs [2424]
[2525]
[2626]
[2727]
[2828]
[2929], darunter eine Subgruppenanalyse [2626], eine Post-hoc-Analyse [2727] und eine Follow-up-Studie [2828] zu [2525] sowie 10 RWE-Studien [3030]
[3131]
[3232]
[3333]
[3434]
[3535]
[3636]
[3737]
[3838]
[3939] ([Tab. 1Tab. 1] und [Tab. 2Tab. 2]) untersuchten den Einsatz von CGM bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die nur mit Basalinsulin
behandelt wurden. Einige dieser Studien werden im Folgenden näher beschrieben.
Eine frühe prospektive, randomisierte Studie aus dem Jahr 2008 [2929] untersuchte die möglichen Auswirkungen der intermittierenden Anwendung von rtCGM
im Vergleich zur konventionellen Blutzuckerselbstmessung (SMBG) auf die Glukosekontrolle,
das Gewicht und das Selbstmanagement bei einer Kohorte von 65 Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes,
die mit Basalinsulin und/oder oralen Antidiabetika schlecht eingestellt waren (HbA1c
zwischen 8,0 % und 10 % zu Studienbeginn). Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip
rtCGM oder SMBG zugeteilt und 3 Monate lang beobachtet. Die rtCGM-Gruppe benutzten
das Gerät einmal im Monat für 3 Tage (wegen der Tragedauer des Sensors). In der SMBG-Gruppe
wurde der Blutzucker weiterhin ≥4 Mal pro Woche über 3 Monate gemessen. Die Medikamentendosis
sollte während des Studienzeitraums nicht verändert werden. Die Forscher berichteten
über signifikante HbA1c-Reduktionen mit rtCGM im Vergleich zu SMBG (–1,1% bzw. –0,4%,
P < 0,01) [2929].
In der 2021 durchgeführten randomisierten MOBILE-Studie wurden 175 Erwachsene im Verhältnis
2:1 mit rtCGM (n = 116) oder SMBG (n = 59) randomisiert und 8 Monate lang beobachtet
[2525]. Die HbA1c-Basiswerte in der rtCGM- und der SMBG-Gruppe betrugen 9,1% bzw. 9,0%.
Am Ende der Studie betrug die mittlere Veränderung des HbA1c-Wertes in der rtCGM-Gruppe
–1,1% gegenüber –0,5% in der SMBG-Gruppe (P = 0,02), mit einer signifikanten Zunahme
des prozentualen Anteils an TIR (%TIR) in der rtCGM-Gruppe (von 40% auf 56%) gegenüber
einer Abnahme in der SMBG-Gruppe (von 59% auf 43%, P < 0,001) und signifikante prozentuale
Abnahmen der TAR in der rtCGM-Gruppe (%TAR >250 mg/dL) im Vergleich zur Zunahmen in
der SMBG-Gruppe (–15 vs. 2, P < 0,001) [2525].
In einer Subanalyse der MOBILE-Studie wurden die Auswirkungen des Einsatzes von rtCGM
bei älteren Erwachsenen ≥65 Jahre (n = 42) im Vergleich zu jüngeren PatientInnen (n
= 133) untersucht [2626]. Die mittlere Veränderung des HbA1c in der Altersgruppe ≥65 Jahre betrug –1,08%
in der CGM-Gruppe und –0,38% in der SMBG-Gruppe (adjustierte mittlere Differenz =
–0,65% [95% Konfidenzintervall (CI) –1,49 bis 0,19]). Im Gegensatz dazu betrug in
der Altersgruppe <65 Jahre die adjustierte mittlere Differenz des HbA1c zwischen den
Behandlungsgruppen –0,35% [95% CI –0,77 bis 0,07]. Für die Zeit im Zielbereich von
70 bis 180 mg/dl (TIR) betrug die adjustierte Differenz zwischen den Behandlungsgruppen
19% (95% CI 4 bis 35, p = 0,01) bei ≥65 Jahren und 12% (95% CI 4 bis 19, p = 0,003)
bei <65 Jahren. Sowohl in der Altersgruppe ≥65 als auch in der Altersgruppe <65 Jahren
zeigten sich vergleichbare Unterschiede zugunsten der CGM-Gruppe für die mittlere
Glukose und die kürzere Zeit >180, 250 und 300 mg/dl [2626].
In einer Post-hoc-Analyse der MOBILE-Studie wurde untersucht, ob Menschen mit schlechter
Glukosekontrolle vom Einsatz mit rtCGM im Vergleich zu SMBG profitieren [2727]. Die Teilnehmenden wurden anhand ihres Ausgangs-HbA1c-Wertes in vier Untergruppen
eingeteilt: ≥8,5%–9,0%, ≥9,0%–9,5%, ≥9,5%–10% und ≥10,0%. In den Subgruppen, die auf
dem HbA1c-Ausgangswert basierten, hatte die CGM-Gruppe im Vergleich zur SMBG-Gruppe
einen um 14% stärkeren Anstieg der TIR bei Teilnehmenden mit einem HbA1c-Ausgangswert
von ≥8,5%, einen um 14% stärkeren Anstieg bei einem HbA1c-Ausgangswert von ≥8,5%,
einen um 14% stärkeren Anstieg bei einem HbA1c-Ausgangswert von ≥9,0%, einen um 22%
stärkeren Anstieg bei einem HbA1c-Ausgangswert von ≥9,5%, und einen um 32% stärkeren
Anstieg bei einem HbA1c-Ausgangswert von ≥10,0% [2727].
In einer Nachbeobachtungsstudie der MOBILE-Studie [2828] wurden die Teilnehmer in der SMBG-Gruppe (n = 57) nach Studienende (8 Monate) für
weitere 6 Monate mit CGM weiterbehandelt. Die CGM-Gruppe wurde nach dem Zufallsprinzip
in zwei Gruppen aufgeteilt, die entweder CGM weiter nutzten (n = 53) oder CGM absetzten
(n = 53) und fortan ihren Blutzucker selbst bestimmten. In der Gruppe, die CGM absetzte,
sank die mittlere TIR von 6% nach 8 Monaten CGM auf 50 % nach 14 Monaten [95% CI –21%
bis –3%], p = 0,01). In der Gruppe, die die CGM-Anwendung fortsetzte, kam es nach
8 bis 14 Monaten zu einer leichten Verbesserung der TIR (8 Monate 56%, 14 Monate 57%,
[95% CI –11% bis 12%], p = 0,89). Beim Vergleich der beiden Gruppen nach 14 Monaten
betrug die adjustierte Differenz der mittleren TIR in der Behandlungsgruppe –6% (95%
CI –16% bis 4%, p = 0,20) [2828].
Bemerkenswert ist, dass die Anwendung von CGM bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die
mit Basalinsulin behandelt werden, über eine Verbesserung der Glukosekontrolle hinaus
auch mit einer signifikanten Reduktion von Endpunkten wie Krankenhauseinweisungen
aufgrund von diabetischer Ketoazidose (DKA) oder schwerer Hypoglykämie (SH) verbunden
ist [3636]
[3737]
[3838]
[4040]
[4141] ([Tab. 2Tab. 2]).
Eine DKA ist gekennzeichnet durch unkontrollierte Hyperglykämie, metabolische Azidose
und erhöhte Ketonkonzentration im Körper. Sie tritt bei Menschen mit Typ-2-Diabetes
deutlich seltener auf als bei Menschen mit Typ-1-Diabetes, kann sich jedoch bei extremer
körperlicher Belastung oder akuter Erkrankung auch bei niedrigen oder sogar normalen
Glukosewerten durchaus entwickeln. Eine retrospektive Analyse der französischen Datenbank
für Erstattungsansprüche (Système National des Données de Santé) identifizierte 5933
Menschen mit Typ-2-Diabetes, die zwischen dem 1. August 2017 und dem 31. Dezember
2018 eine Therapie mit isCGM begonnen hatten [3737]. 78,9% der Teilnehmenden wurden mit Basalinsulin und anderen antihyperglykämischen
Medikamenten behandelt. Leistungsdaten für die 12 Monate vor und bis zu 24 Monate
nach Beginn der isCGM-Anwendung wurden analysiert, um Krankenhauseinweisungen aufgrund
von unerwünschten Diabetesereignissen, einschließlich SH-Ereignissen, DKA, Koma und
hyperglykämiebedingten Krankenhauseinweisungen zu identifizieren. 2,01% der ProbandInnen
hatten im Jahr vor Beginn des isCGM-Einsatzes mindestens einen Krankenhausaufenthalt
aufgrund eines unerwünschten Ereignisses, verglichen mit 0,75% nach einem Jahr und
0,60% nach zweijährigem Einsatz isCGM. Im ersten Behandlungsjahr wurden 75% weniger
DKA-Einweisungen und 44% weniger Einweisungen auf Grund von SH verzeichnet. Diese
Verbesserungen hielten auch nach 2 Jahren an, wobei die DKA-Raten um weitere 43% zurückgingen
[3737].
Einsatz von CGM ohne Insulintherapie
5 RCTs [2424]
[4242]
[4343]
[4444]
[4545] und 5 RWE-Studien [3333]
[3636]
[3737]
[4646]
[4747] ([Tab. 1Tab. 1] und [Tab. 2Tab. 2]) untersuchten den Einsatz von CGM bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die ohne Insulin
behandelt wurden. Eine Auswahl dieser Studien wird im Folgenden näher beschrieben.
Eine frühe randomisierte Pilotstudie aus dem Jahr 2008 [4242] untersuchte die Auswirkungen einer Beratungsintervention unter Verwendung eines
CGM-Systems bei 52 Erwachsenen mit nicht insulinbehandeltem Typ-2-Diabetes. Nach 8
Wochen zeigte die Interventionsgruppe höhere Selbstwirksamkeitswerte in Bezug auf
die Aufrechterhaltung des körperlichen Aktivitätsniveaus (p<0,05). Darüber hinaus
sank der HbA1c-Wert in der Interventionsgruppe signifikant um 1,16% und der BMI um
0,53 (p<0,05) [4242].
In einer 24-wöchigen, multizentrischen, offenen, randomisierten Parallelgruppenstudie
[4343] wurden 93 Erwachsene mit nicht insulinbehandeltem Typ-2-Diabetes nach dem Zufallsprinzip
(1:1) entweder isCGM (n = 49) oder SMBG (n = 51) zugeteilt. Die Veränderung des HbA1c-Wertes
in jeder Gruppe wurde bewertet. Die HbA1c-Ausgangswerte waren in der isCGM- und der
SMBG-Gruppe ähnlich (7,83% bzw. 7,84%). Nach 24 Wochen war der HbA1c-Wert in der isCGM-Gruppe
signifikant um 0,46% (P < 0,001) gesunken, während er in der SMBG-Gruppe um 0,17%
(P = 0,124) nicht signifikant gesunken war. Auch zwischen den Gruppen wurde ein signifikanter
Unterschied von 0,29% (P = 0,022) festgestellt. Die Werte für die Behandlungszufriedenheit,
die mit dem Fragebogen zur Zufriedenheit mit der Diabetesbehandlung ermittelt wurden,
verbesserten sich ebenfalls signifikant im Vergleich zur SMBG-Gruppe. Gleiches gilt
für die mittleren Glukosewerte, die glykämische Variabilität und die Zeit in Hyperglykämie
[4343].
In einer offenen, randomisierten, kontrollierten, multizentrischen Studie [4545] wurden 116 erwachsene Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes, die mindestens eine nicht-insulinbasierte
Therapie erhielten und einen HbA1c-Wert von 7,5% oder höher aufwiesen, im Verhältnis
1:1 randomisiert und erhielten entweder isCGM plus Diabetes-Selbstmanagement-Schulung
(isCGM + DSME) oder DSME allein. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 16 Wochen hatte
sich die mittlere TIR im isCGM- und DSME-Arm um 9,9% (2,4 Stunden) ehöht (95% CI,
–17,3% bis –2,5%; P < 0). Die Zeit oberhalb des Zielbereichs (TAR) war signifikant
um 8,1% (1,9 Stunden) höher (95% CI, 0,5% bis 15,7%; P = 0,037) und der mittlere HbA1c-Wert
war um 0,3% (95% CI, 0% bis 0,7%; P = 0,048) stärker reduziert als im DSME-Arm. Die
Dauer der Unterschreitung des Messbereichs war gering und unterschied sich nicht signifikant
zwischen den Gruppen, und in beiden Gruppen traten nur wenige Hypoglykämie-Ereignisse
auf. Die Zufriedenheit mit der Blutzuckermessung war bei den isCGM-Anwendern höher
(adjustierte Differenz –0,5 [95% CI, –0,7 bis –0,3], P < 0,01) [4545].
In einer weiteren RCT-Studie wurde bei 30 Erwachsenen mit nicht insulinbehandeltem
Typ-2-Diabetes die konventionelle medikamentöse Therapie mit einer medikamentösen
Therapie in Kombination mit einer Lebensstilintervention mittels CGM verglichen. Zu
Beginn der Studie hatten die Teilnehmenden einen durchschnittlichen HbA1c-Wert von
8,8% [4444]. Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip (im Verhältnis 1:2) entweder der
Routineversorgung oder der Anwendung von rtCGM mit vier Sitzungen zur Minimierung
der glykämischen Variabilität zugeteilt. Nach 5 Monaten zeigte die rtCGM-Gruppe eine
signifikante Verbesserung des HbA1c-Wertes im Vergleich zur Routineversorgung (von
8,9% auf 7,6% bzw. von 8,8% auf 8,7%, p=0,03) [4444].
Einsatz von CGM zur Verbesserung der Lebensqualität
Neben der Glukosekontrolle zeigen Studien, dass CGM zu einer Verbesserung der Lebensqualität
und der Gesundheit beiträgt ([Tab. 2Tab. 2]), insbesondere dann, wenn sich die Betroffenen dazu entschließen, ihre Werte aktiv
zu kontrollieren und mit dem Gesundheitspersonal zu teilen [4646]
[4747]. Darüber hinaus erhöht ein Zuwachs an persönlichem Wissen das Selbstmanagement und
damit das Engagement und die Motivation, klinische Ziele zu erreichen [3939]
[4848]
[4949]
[5050]. Dies spiegelt sich in einer größeren Sicherheit im Umgang mit Hypoglykämien, einer
geringeren subjektiven Belastung durch den Diabetes, einer verbesserten psychischen
Verfassung [5151] und einem höheren Grad an Eigenverantwortung [3434], verbunden mit einer größeren Zufriedenheit mit der Diabetesbehandlung [4343], wider.
In einer prospektiven Pilotstudie wurden die Auswirkungen der Verwendung von rtCGM
auf Glukosemessungen, Gewichtsverlust, Lebensstil und Patientenwahrnehmung bei 37
Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes untersucht, die nicht mit Basalinsulin (prandial) behandelt
wurden [3939]. Die Teilnehmenden wurden randomisiert und erhielten entweder eine Lebensstilberatung
mit zwei 10-tägigen Sitzungen unter Verwendung von rtCGM im verblindeten Modus (n
= 22) oder vier 10-tägige Sitzungen unter Verwendung von rtCGM im unverblindeten Modus,
jedoch ohne Beratung (n = 15); 13 Teilnehmende mit rtCGM beendeten die Studie. Nach
24 Wochen berichteten 6 (46,0%) über einen Gewichtsverlust von ≥4,5 kg, 11 (84,6%)
gaben an, dass die Anwendung von rtCGM sie zu mehr körperlicher Aktivität motiviert
habe und dass sie bestimmte Nahrungsmittel ausgeschlossen oder weggelassen hätten.
Darüber hinaus gaben 12 (92,3%) an, rtCGM regelmäßig zu tragen, und 13 (100%) gaben
an, dass die Verwendung von rtCGM zu ihrer Selbstfürsorge beiträgt [3939].
In einer retrospektiven Analyse [5252] wurde die Zufriedenheit von 594 Teilnehmern der Onduo/Virtual Diabetes Clinic (VDC)
mit der CGM-Nutzung anhand des CGM-Zufriedenheitsfragebogens erhoben. Der berichtete
CGM-Zufriedenheitswert lag bei 4,5 von 5. Die meisten Befragten stimmten zu, dass
die CGM-Nutzung ihr Verständnis für die Auswirkungen auf die Ernährung verbessert
(97,0%), ihr Wissen über Diabetes erweitert (95,7%) und die Diabeteseinstellung verbessert
hat. Der HbA1c-Wert sank von 7,7% ± 1,6% auf 7,1% ± 1,2% (P < 0,001; 10,2 Monate).
Darüber hinaus zeigte eine Subgruppenanalyse eine signifikante Senkung des HbA1c-Wertes
sowohl bei Insulin- als auch bei Nichtinsulin-Anwendern mit einem Ausgangs-HbA1c-Wert
von ≥8,0%, –1,5% ± 2,1% bzw. –2,0% ± 1,7% (jeweils P < 0,001) [5252].
In einer RWE-Studie wurde die 17-teilige Diabetes Distress Scale (DDS17) verwendet
[5353], um die Veränderung der Diabetesbelastung bei 228 Onduo/VDC-Teilnehmenden zu erfassen,
die bei Studieneinschluss eine mäßige (Wert 2,0–2,9) oder starke Belastung (Wert ≥3,0)
angegeben hatten. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 6 Monaten berichteten
die Teilnehmenden über eine signifikante Reduktion der Gesamtbelastung von 3,0 ± 0,8
zu Studienbeginn auf 2,5 ± 0,9 bei Studienende (P < 0,001). Teilnehmende, die die
intermittierende rtCGM anwandten (n = 77), berichteten von einer signifikant stärkeren
Reduktion der Gesamtbelastung (P = 0,012) und der therapiebedingten Belastung (P <
0,001) im Vergleich zu Nichtanwendenden (n = 151) [5353].
Einsatz von CGM bei älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes
Die Inzidenz schwerer Hypoglykämien ist mit 7,8% pro Patienten und Jahr in Pflegeheimen
sehr hoch und eine häufige Ursache für Notarzteinsätze [5454]. Schwere und häufigere Hypoglykämien sind dabei mit einer erhöhten Inzidenz von
kardiovaskulären Ereignissen, Demenz und Mortalität assoziiert [5555]. Da insbesondere ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes nur eingeschränkt oder gar nicht
auf Hypoglykämien reagieren und die auftretenden Symptome oft unspezifisch sind (Schwindel,
Schwäche, Verwirrtheit, Stürze), wurde vorgeschlagen, der Vermeidung von Hypoglykämien
Vorrang vor der Senkung des HbA1c-Wertes einzuräumen [5656]. Dies wiederum wirft die Frage nach einer De-Intensivierung der Therapie auf, um
ein Gleichgewicht zwischen Symptomkontrolle und Lebensqualität zu erreichen [5757], was eine sorgfältige klinische Beurteilung erfordert, die durch den Einsatz von
CGM erleichtert werden könnte.
Diskussion
Eine beträchtliche Anzahl von Studien liefert starke Evidenz dafür, dass CGM denjenigen
Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne intensivierte Insulintherapie zugänglich gemacht
werden sollte, die davon profitieren würden und in der Lage sind, sie sicher und effektiv
anzuwenden. Die Entscheidung, ob der Einsatz von CGM sinnvoll ist, sollte auf den
individuellen Bedürfnissen der einzelnen PatientInnen basieren und angepasst werden,
wenn sich diese Bedürfnisse ändern, z.B. in Abhängigkeit von den individuellen Therapiezielen.
Sowohl SMBG- als auch CGM haben ihren Platz in der Selbstüberwachung und liefern wichtige
Daten für die Selbstversorgung und Behandlung. Die Aufmerksamkeit muss sich nun darauf
richten, welche Patientengruppen am meisten von der Verwendung von CGM im Vergleich
zu SMBG profitieren.
Da der Zugang zu CGM für die große Gruppe der Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne intensivierte
Insulintherapie aus ökonomischen Gründen eine Herausforderung darstellt, könnte die
intermittierende Anwendung von CGM-Systemen eine realistische Alternative zur kontinuierlichen
Anwendung von CGM im Hinblick auf Kosteneffekte darstellen. Die intermittierende Anwendung
von CGM in regelmäßigen Abständen oder während einer Therapieumstellung ermöglicht
potenziell: (1) die aktive Einbeziehung von Menschen mit Typ-2-Diabetes, (2) die unmittelbare
Reflektion der Auswirkung von Ernährung, Aktivität und Verhalten auf den Glukosestoffwechsel,
(3) eine Verbesserung der Effekte einer Schulung und des Selbstmanagements, (4) eine
präzisere Beurteilung des Therapieansprechens und der Wahrscheinlichkeit das Therapieziel
zu erreichen, (5) die zeitnahe Anpassung der Therapie und (6) möglicherweise in der
Zukunft eine genauere Einschätzung des individuellen Risikos für mikrovaskuläre und
kardiometabolische Komplikationen. Ob die dauerhafte oder intermittierende Anwendung
sinnvoller ist, muss in weiteren Studien untersucht werden.
Typ-2-Diabetes ist eine heterogene Erkrankung, die durch zahlreiche pathophysiologische
Veränderungen der Glukosehomöostase verursacht werden kann. Eine Analyse der Glukoseprofile
von Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigt, dass ein Teil dieser Heterogenität in Glukotypen
abgebildet werden kann, die auf Patientencharakteristika und CGM-definierten glykämischen
Parametern basieren [5858]
[5959]. Da einige dieser Glukotypen zukünftige Komplikationen vorhersagen können, kann
es sinnvoll sein, so viel wie möglich über das glykämische Ausgangsprofil einer Person
mit Typ-2-Diabetes zu erfahren. Anhand der Ausgangsglukoseparameter und -profile können
spätere Behandlungsentscheidungen und der Krankheitsverlauf verglichen werden, um
Verzögerungen bei der Intensivierung der Behandlung zu vermeiden. Diese frühe Phase,
in der die neu diagnostizierte Person mit Typ-2-Diabetes wahrscheinlich eine signifikante
Hyperglykämie aufweist, ist eine entscheidende Gelegenheit, CGM einzusetzen, um zu
zeigen, wie Änderungen der Ernährung und der körperlichen Aktivität den Blutzuckerspiegel
unmittelbar beeinflussen, und um die anfängliche Aufklärung über die Notwendigkeit
von Verhaltensänderungen bei Typ-2-Diabetes zu verstärken. Um Langzeitkomplikationen
vorzubeugen und ein individuelles Diabetesmanagement zu ermöglichen, kann bereits
kurz nach Diagnosestellung eines Typ-2-Diabetes der intermittierende kurzzeitige Einsatz
von CGM zur Bestimmung der Basisglukoseparameter sinnvoll sein. Nach einem Beschluss
des G‑BA erhalten Teilnehmende an Diabetesschulungen im Rahmen eines Disease Management
Programms (DMP) Teststreifen für SMBG zur Verbesserung des Glukosemanagements erstattet.
Bei regelmäßiger und strukturierter Anwendung von Teststreifen viermal täglich ist
die Verbesserung des HbA1c mit CGM vergleichbar [6060], allerdings ist die Anzahl der Messungen in der Regel geringer. Da Studien bei nicht
insulinpflichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigen, dass mit CGM bessere Ergebnisse
zu erwarten sind als mit konventioneller SMBG, könnte der Einsatz von CGM bei neu
diagnostiziertem Typ-2-Diabetes zu Schulungszwecken in Zukunft denkbar sein, sofern
weitere positive Evidenz für den Einsatz generiert werden kann.
Obwohl eine Therapieintensivierung bei Typ-2-Diabetes indiziert ist, wenn die individuellen
Therapieziele nach 3–6 Monaten unter der aktuellen Therapie nicht erreicht werden
[1616], sind die berichteten Latenzzeiten bis zu einer notwendigen Therapieintensivierung
deutlich länger [6161]. Die mittlere Zeit bis zur Intensivierung der Therapie nach einem HbA1c-Testwert
über dem Zielwert wird dabei eher in Jahren als in Monaten gemessen. Darüber hinaus
kann sich diese therapeutische Trägheit zusätzlich erheblich verlängern, wenn die
Anzahl der im Behandlungsplan verwendeten Medikamente zunimmt [6161]. Obwohl die therapeutische Trägheit das Ergebnis mehrerer Faktoren darstellt [6161]
[6262]
[6363]
[6464], ist bekannt, dass insbesondere die Angst vor Hypoglykämien die Therapieeskalation
verlangsamt [6565]
[6666]
[6767]. Die Verringerung der Hypoglykämiehäufigkeit und die zeitnahe Alarmierung im Notfall
durch CGM könnten potenziell dazu beitragen, die Akzeptanz für eine Therapieeskalation
zu erhöhen und damit das Erreichen der gewünschten HbA1c-Ziele zu unterstützen [1212].