Rofo 2024; 196(06): 627
DOI: 10.1055/a-2291-2870
DRG-Mitteilungen

Poolarzt und Vertragsarzt im Bereitschaftsdienst – sozialversicherungspflichtig Beschäftigte?!

 

    Die Entscheidung des 12. Senats des BSG, wonach Poolärzte in bestimmten Fällen der Sozialversicherungspflicht unterliegen können, hat für erheblichen Wirbel gesorgt und einige KVen dazu veranlasst den Betrieb von durch sie organisierten Bereitschaftsdienstpraxen sofort einzustellen. Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor – viel Neues zeigen sie aber nicht.

    Zur Erinnerung: geklagt hatte ein Zahnarzt, der nach Verkauf seiner Praxis und Eintritt ins Rentenalter als sogenannter Poolarzt Dienste im kassen(zahn)ärztlichen Notdienst übernommen hatte. Dieser erfolgte in einem Notdienstzentrum, für das die KZV Räume angemietet und auch mit Geräten, Material und Personal ausgestatteten hatte. Dienste wurden dem Zahnarzt zugewiesen, aber nur, soweit er sich vorher hierfür angeboten hatte. Als Vergütung war ein fester Stundensatz von 34,00 bis 50,00 Euro je Stunde vereinbart. Anders als die Vorinstanzen hat das BSG für diese Konstellation sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angenommen – wie dies von dem Zahnarzt beantragt war.

    Inhaltlich kann die Entscheidung kaum überraschen, das BSG stützt sich allein auf § 7 Abs. 1 SGB IV und prüft in einer Gesamtschau, ob der Arzt eine Tätigkeit nach Weisungen erfüllt und in welchem Maße er in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert ist. Wie schon bei den Entscheidungen zu Vertretertätigkeit bleibt das BSG dabei konsequent: Ohne Eingliederung in das Notdienstzentrum, das von der KZV betrieben wurde, wäre die Tätigkeit des Zahnarztes nicht möglich gewesen. Auch wenn er die Übernahme von Diensten selbst entscheiden konnte war er dann nicht in der Gestaltung nach Ort, Zeit und Umfang frei – und unternehmerisches Risiko hatte der Arzt so auch nicht zu tragen.

    Nach diesen Maßstäben ist jeder Teilnehmer am ärztlichen Bereitschaftsdienst dann sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wenn die K(Z)V den Dienst in eigenen Notdienstpraxen organisiert. Das wird dann wohl auch für noch aktive Vertragsärzte gelten – solange sie ebenfalls den Dienst nicht in ihrer eigenen Praxis ableisten. Und das wird auch bei den zukünftig geplanten integrierten Notfallzentren in Krankenhäusern gelten.

    Schnell haben Ärzteverbände, KVen und die KBV gefordert, dass auch für den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst eine Ausnahme gesetzlich definiert wird, wie sie für Notärzte mit § 23c Abs 2 SGB IV besteht. Danach sind Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt im Rettungsdienst keine beitragspflichtigen Einnahmen. Weder das Gesundheitsministerium noch das Arbeitsministerium haben bisher durchblicken lassen, dass sie diesen Weg umsetzen möchten und ich halte dies angesichts der „knappen Kassen“ auch für unwahrscheinlich.

    Die KVen werden deshalb versuchen Modelle zu entwickeln, um rechtlich und tatsächlich die Sozialversicherungspflicht im Bereitschaftsdienst zu vermeiden, oder Wege finden, wie man damit praktikabel umgehen muss. Ob tatsächlich die Sozialversicherungspflicht zu spürbaren Abgaben führt, ist letztlich immer im Einzelfall zu prüfen. Weit überwiegend dürfte aber die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für Vertragsärzte auch für den Bereitschaftsdienst greifen und eine Krankenversicherungspflicht (und damit auch für die Pflegeversicherung) nach § 6 Abs. 3a SGB V zumindest für Vertragsärzte ab 55 Jahren entfallen, wenn sie in den letzten 5 Jahren vor Beginn der Tätigkeit nicht gesetzlich versichert waren. In Zweifelsfällen können die Voraussetzungen in einem Statusfeststellungsverfahren verbindlich geprüft werden.

    Die praktischen Auswirkungen der Entscheidung dürften deshalb zum Glück weit weniger gravierend sein, als zunächst befürchtet und führt hoffentlich nicht dazu, dass nun in größerem Umfang pensionierte oder Ärzte aus dem stationären Sektor ihre Tätigkeit im Bereitschaftsdienst beenden, denn dann würde es sicher schwieriger, den ungeliebten Bereitschaftsdienst „wegzutauschen“.

    RA Markus Henkel
    München


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    Publication History

    Article published online:
    22 May 2024

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