Schlüsselwörter
tiefe Atemanhaltetechnik - Protonentherapie - Kardiotoxizität - Teilbrustbestrahlung
- RT-Verzicht
Die Bestrahlung stellt bei der interdisziplinären Therapie von Mammakarzinomen einen
wesentlichen Baustein zum Erreichen einer effektiven onkologischen Kontrolle dar.
Durch den technologischen Fortschritt sowie die Optimierung und Individualisierung
von Therapieansätzen hat sich die Strahlentherapie in den letzten Jahrzehnten erheblich
weiterentwickelt. Ziel dieses Artikels ist es, einen Einblick in die modernen Entwicklungen
bei der adjuvanten Strahlentherapie des Mammakarzinoms zu geben und die Evidenz aus
aktuellen Studien zu erläutern.
Eine brusterhaltende Operation (BEO) mit adjuvanter Radiotherapie (RT) stellt aktuell
den Therapiestandard bei der onkologischen Therapie des Mammakarzinoms dar und bietet
eine gleichwertige Alternative zur Mastektomie. Das primäre Ziel der adjuvanten Bestrahlung
ist die Verbesserung der lokalen Kontrolle und einhergehend damit eine Verbesserung
des Gesamtüberlebens bzw. der brustkrebsspezifischen Mortalität [1].
Hierbei stellt die postoperative, perkutane Radiotherapie mit Photonen weiterhin die
Standardapplikationen dar, welche nach Computertomografie (CT)-basierter Planung und
Konturierung des Zielvolumens sowie der umliegenden Risikoorgane an einem konventionellen
Linearbeschleuniger erfolgt.
Kardiotoxizität
Insbesondere bei linksseitigen Tumoren besteht aufgrund der anatomischen Nähe zum
Herzen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Kardiotoxizität nach einer adjuvanten
RT.
In einer wegweisenden Studie von Darby et al. zum Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse
nach postoperativer Bestrahlung der Brust bei 2168 Frauen im Zeitraum von 1958 bis
2001 zeigte sich eine relative Risikoerhöhung für schwerwiegende koronare Ereignisse
linear ansteigend um 7,4% pro Gy mittlerer Herzdosisbelastung [2]. In dieser Studie betrug die mittlere Herzdosis 4,9 Gy (Spannweite: 0,03 – 27,72
Gy), wobei im Rahmen linksseitiger im Vergleich zu rechtsseitigen Bestrahlungen signifikant
höhere mittlere Herzdosen (6,6 bzw. 2,9 Gy) ermittelt wurden. Das Risiko für kardiovaskuläre
Ereignisse begann innerhalb der ersten 5 Jahre nach Radiotherapie zu steigen und hielt
mindestens 20 Jahre an. Beispielhaft erhöhte sich so bei einer 50-jährigen Frau ohne
vorbestehende kardiale Risikofaktoren, die im Rahmen ihrer adjuvanten Radiotherapie
eine mittlere Herzdosis von 3 Gy erhielt, das Risiko vor dem 80. Lebensjahr an einer
ischämischen Herzerkrankung zu versterben von 1,9 auf 2,4%, was einer absoluten Risikoerhöhung
von 0,5% entspricht. Bei einer gleichaltrigen Frau mit mindestens einem kardialen
Risikofaktor entspräche dies sogar einer Risikoerhöhung von 3,4 auf 4,1%, somit einer
absoluten Risikoerhöhung von 0,7%. In einer weiteren Analyse zur Kardiotoxizität mittels
SEER-Datenanalyse wurden knapp 27 000 Patientinnen untersucht, die im Zeitraum von
1973 – 1989 eine postoperative RT erhielten [3]. Dabei betrug für Frauen mit linksseitigen Tumoren 1979 die relative Risikoerhöhung
für die Sterblichkeit an ischämischen Herzkrankheiten gegenüber rechtsseitigen Befunden
das 1,5-fache. Aufgrund technischer Optimierungen der Strahlentherapietechniken reduzierte
sich für Frauen mit linksseitigen Befunden das relative Risiko an einer ischämischen
Herzkrankheit zu versterben mit jedem weiteren Jahr nach 1979 um 6% [3]. Im Laufe der Zeit haben weitere Entwicklungen dazu beigetragen, dass sich die Strahlendosis
am Herzen weiter verringert hat und nach Langzeit-Nachbeobachtungszeiträumen von bis
zu 15 Jahren keine signifikanten Unterschiede in der kardialen Morbidität nach Bestrahlung
von links- gegenüber rechtsseitigem Brustkrebs mehr bestehen [4]. Insbesondere die Anwendung einer atemgesteuerten Radiotherapie in tiefer Inspirations-Atemanhaltetechnik
(deep inspiration breath hold, DIBH) bewirkt eine Vergrößerung des Abstandes zwischen
Herz und Brust und somit eine weitere Reduktion der Dosis an kardialen Substrukturen.
[Abb. 1] zeigt exemplarisch die Fusion zweier Bestrahlungsplanungs-CTs einer Patientin in
Atemanhaltetechnik (DIBH, blau) bzw. Atemmittellage (AML, orange) in sagittaler (a)
und axialer (b) Schichtung sowie den resultierenden, vergrößerten Abstand zwischen
Thoraxwand und Herz in den koronaren Schichten von circa 4,7cm (DIBH, c) und 1,9 cm
(AML, e). In den resultierenden Vergleichsplänen für die linksseitige, hypofraktionierte
Ganzbrustbestrahlung konnte unter Verwendung der DIBH eine Dosisreduktion am Ramus
interventricularis anterior von 5,0 auf 2,9 Gy im Vergleich zur AML erreicht werden.
Abb. 1 Fusion zweier Bestrahlungsplanungs-CTs mit tiefer Atemanhaltetechnik (blau) sowie
Atemmittellage (orange) in sagittalen (a), axialen (b) und koronaren Schichten (c und e) sowie resultierende Bestrahlungspläne einer linksseitigen, hypofraktionierten Ganzbrustbestrahlung
(d und f).
Besonders attraktiv ist diese Technik bei notwendigen Bestrahlungen des Mammaria interna
Lymphabflussgebietes sowie bei paralleler Gabe von kardiotoxischen Systemtherapeutika.
Da die mittlere Gesamtherzdosis allein möglicherweise nicht den besten Prädiktor für
verschiedene Formen strahlenbedingter Herzerkrankungen darstellt, erfolgen in der
modernen Strahlentherapieplanung die individuelle Konturierung und Festlegung von
Dosisgrenzwerten auf einzelne kardiale Substrukturen, die exemplarisch die koronaren
Herzkranzgefäße sowie den linken Ventrikel gesondert berücksichtigen [5].
Teilbrust-Radiatio
Die hypofraktionierte Ganzbrustbestrahlung (whole breast irradiation, WBI) über einen
Therapiezeitraum von etwa 3 Wochen in 15–16 Fraktionen stellt aktuell weiterhin den
Standard der adjuvanten Strahlentherapie dar. Eine Teilbrustbestrahlung (partial breast
irradiation, PBI) des Tumorbetts kann jedoch bei selektionierten, nodal-negativen
Niedrigrisikopatientinnen eine potenzielle Alternative darstellen.
Die Durchführung dieser kann mit unterschiedlichen Techniken wie der Multikatheter-Brachytherapie
[6]
[7] oder intensitäts-modulierter perkutaner Radiotherapie [8]
[9] (APBI-IMRT-Florence Trial) durchgeführt werden. Die jeweiligen 10-Jahres-Langzeitergebnisse
dieser randomisierten Studien bestätigten die Teilbrustbestrahlung in Niedrigrisikokollektiven
als Alternative zur WBI mit vergleichbaren Ergebnissen zur lokalen Kontrolle bei geringerer
Toxizität, insbesondere bezüglich kosmetisch und fibrotischer Brustveränderungen (IMPORT-LOW)
[10]. [Tab. 1] zeigt eine tabellarische Auflistung ausgewählter Studien zur Teilbrustbestrahlung.
Tab. 1 Tabellarische Auflistung ausgewählter Studien zur Teilbrustbestrahlung beim Mammakarzinom.
Studie
|
Technik
|
Details
|
Nachbeobachtungs-zeitraum
|
Ganzbrust (WBI)
|
Teilbrust (PBI)
|
p-Wert/Statistik
|
Toxizität
|
APBI: akzelerierte Teilbrustbestrahlung, HDR: high-dose-rate, IO(E)RT: intraoperative
(Elektronen) Radiotherapie, J: Jahre, LC: lokale Kontrolle, n= Patientenanzahl, OS:
Gesamtüberleben, PBI: partial breast irradiation/Teilbrustbestrahlung, PDR: pulsed
dose rate, RT: Radiotherapie, WBI: whole breast irradiation/Ganzbrustbestrahlung.
|
GEC-ESTRO
[6]
[7]
|
Interstitielle Brachytherapie
|
n=1184
2004–2009
50 Gy WBI + 10 Gy Boost
vs.
Brachytherapie (HDR: 8×4Gy in 4 Tagen, 7×4,3 Gy in 4 Tagen; PDR: 50Gy in 3–4 Tagen)
|
5J-LC
5J-OS
10J-LC
10J-OS
|
0,9%
95,6%
1,58%
89,5%
|
1,4%
97,3%
3,51%
90,5%
|
p=0,42
p=0,11
(nicht signifikant)
p=0,074
p=0,5
(nicht signifikant)
|
Geringere Grad 2–3 Hauttoxizität: 5,7% WBI vs. 3,2% APBI
Geringere Grad 3 Spättoxizität (v.a. Fibrose):
4% WBI vs. 1% PBI
|
TARGIT-A
[11]
|
Intraoperative Radiotherapie (kV-IORT)
|
n=3451
2000–2012
≥45 J, T1–2 (<3,5cm), cN0–1
WBI
vs.
50 kV-IORT 20Gy
|
5J (Update)
|
0,95%
|
2,11%
|
Nicht-Unterlegenheit
|
Signifikante Reduktion Grad 3–4 Hauttoxizität mit IORT
|
ELIOT
[12]
[13]
|
Intraoperative Radiotherapie
(IOERT)
|
n=1305
2000–2007
48–75 J, T1–2 (<2,5cm)
IOERT PBI 21Gy
vs.
WBI 50 Gy + 10 Gy Boost
|
5J-LC
10J-LC
15J-LC
5J-OS
10J-OS
15J-OS
|
0,5%
1,1%
2,4%
96,8%
92,7%
82,4%
|
4,2%
8,1%
12,6%
96,8%
90,7%
83,4%
|
Signifikant höheres Lokalrezidivrisiko
nicht signifikant
|
PBI geringere Hauttoxizität
|
IMPORT-LOW
[10]
|
Perkutane RT
|
n=2018
2007–2010
≥50J., T1–2 (≤3cm), pN0–1 (max. 3LK)
40 Gy WBI
vs.
40 Gy PBI
|
5J-LC
|
1,1%
|
0,5%
|
nicht signifikant
|
PBI besseres kosmetisches Outcome und weniger Brustverhärtungen
|
Florence-IMRT
[8]
[9]
|
Perkutane RT
|
n=520
2005–2013
WBI 50 Gy
+ 10Gy Boost
vs.
APBI: GD 30Gy in 5 Tagen
|
5J-LC
5J-OS
10J-LC
10J-OS
|
1,5%
96,6%
2,5%
96,7%
|
1,5%
99,4%
3,7%
97,8%
|
nicht signifikant
nicht signifikant
|
APBI bessere akute und Langzeittoxizität sowie besseres kosmetisches Outcome
|
Die intraoperative Bestrahlung (IORT) des Tumorbetts ist eine weitere Option der Teilbrust-RT,
die einmalig unmittelbar im Rahmen der BEO nach der Tumorresektion mit hoher Einzeldosis
kleinvolumig direkt am OP-Tisch in das Tumorbett appliziert wird. Diese gewährleistet
eine sichere Identifikation des Tumorbetts ohne geografischen Missmatch durch onkoplastische
Gewebsverschiebungen und ersetzt mehrwöchige werktägliche Behandlungssitzungen.
Zur Durchführung einer IORT existieren verschiedene Verfahren: Im Rahmen einer kV-IORT
werden meist kugelförmige Applikatoren in die Resektionshöhle eingesetzt, um mit in
der Regel 50 kV-Röntgenstrahlen eine hohe Behandlungsdosis in das Tumorbett zu applizieren.
Dies kann als alleinige Radiotherapie oder Boost-Dosisaufsättigung mit nachfolgender
perkutaner Bestrahlung durchgeführt werden. Höhere Eindringtiefen können im Rahmen
einer intraoperativen Radiotherapie mit Elektronen (IOERT) appliziert werden. Nach
Einbau eines starren Tubus kann das Tumorbett mit in der Regel 3–12 MeV-Elektronen
innerhalb von wenigen Minuten therapiert werden. Gegebenenfalls kann dabei durch Hinzunahme
von strahlenabsorbierenden Metallplatten oder Tamponaden zur Mobilisation von Risikoorganen
das Strahlenfeld patientenindividuell geformt werden.
Die Datenlage zur onkologischen Kontrolle der Verwendung der IORT zur Teilbrustbestrahlung
ist jedoch uneinheitlich. Die Langzeitergebnisse der randomisierten TARGIT IORT-Studie
[11] zeigten bei Frauen >45 Jahren mit invasiv-duktalen Karzinomen bis 3,5cm sowie cN0-N1
keinen signifikanten Unterschied zwischen einer intraoperativen kV-IORT PBI mit 1
× 20 Gy im Vergleich zu einer WBI.
Eine Teilbrust-Radiotherapie mittels IOERT des Tumorbetts zeigte in der randomisierten
prospektiven ELIOT-Studie [12] im Langzeitverlauf jedoch erhöhte Lokalrezidivraten. Die 5-, 10- und 15-Jahres-Inbrust-Rezidivraten
lagen nach alleiniger IOERT-Teilbrustbestrahlung bei 4,2, 8,1 und 12,6%, während diese
im Ganzbrust-RT-Kollektiv lediglich 0,5, 1,1 und 2,4% betrugen [13]. Auch wenn dies ohne Einfluss auf das Gesamtüberleben einherging, spiegeln diese
Ergebnisse die Notwendigkeit zur kritischen Patientenselektion wider, wobei insbesondere
Kriterien bezüglich des Alters und geeignete Tumorgrößen in den Empfehlungen der verschiedenen
Fachgesellschaften (DEGRO [14], GEC-ESTRO [15], ASTRO [16]) stark unterschiedlich diskutiert werden. Die Empfehlung, welcher Methode Vorrang
gegeben werden sollte, ist primär abhängig von der technischen Verfügbarkeit vor Ort,
Expertise der Anwender sowie anatomischer Gegebenheiten.
Fraktionierungsschemata
Die adjuvante WBI erfolgt heutzutage standardmäßig als moderate Hypofraktionierung
in 15 bis 16 werktäglichen Fraktionssitzungen [17]
[18]. Bei Vorliegen von biologischen Risikofaktoren und prämenopausalen Patientinnen
sollte das Auftreten von Rezidiven insbesondere im Bereich des Tumorbetts mittels
Dosisaufsättigung (Boost) ergänzt werden [19]. Essenziell hierfür ist die Sicherstellung der eindeutigen Identifikation der postoperativen
Lokalisation des Tumorbetts in der Bestrahlungsplanungs-Computertomografie unter Berücksichtigung
der initialen Tumorlage, Analyse präoperativer Bildgebungen, postoperativen narbigen
Veränderungen, Identifikation von Tumorbettclips sowie anatomischer Umformungen durch
onkoplastische, intramammäre Verschiebeplastiken anhand Operationsberichten. Die Dosiseskalation
bei postoperativ vorhandenem Resttumor wird weiterhin nicht als gleichwertig zur Nachresektion
bewertet, kann aber im Falle einer Inoperabilität eine Therapieoption darstellen [20].
Die Durchführung eines Boosts kann sequenziell nach Komplettierung des WBI-Grundplans
oder simultan integriert erfolgen, letzteres ist bei konventionell fraktionierten
Bestrahlungen der aktuelle Therapiestandard. Die ersten Daten zur Sicherheit der Durchführung
eines simultan integrierten Boosts sind nun mit der randomisierten Phase-3-IMPORT
HIGH-Studie [21] (n=2617) auch bei hypofraktionierten Konzepten publiziert. Die Autoren bewerteten
die Applikation eines hypofraktionierten SIB-Konzeptes in 15 Fraktionen im Vergleich
zur sequenziellen Boostapplikation als gleichwertig sicher und onkologisch bezüglich
der lokalen Kontrolle mit 5-Jahres-Inbrustrezidivraten von jeweils unter 5% nicht
unterlegen. Die 5-Jahres-Inzidenz von moderaten bis ausgeprägten Brustverhärtungen
betrug vergleichbar 11,5% bei der sequenziellen Boostkohorte sowie 10,6% bei Integration
eines simultanen Boosts bis zu einer Gesamtdosis von 48 Gy in 15 Fraktionen. Eine
weitere Dosiseskalation im Tumorbett auf bis zu 53 Gy brachte keinen weiteren onkologischen
Vorteil, jedoch signifikant erhöhte Raten an Brustverhärtungen (15,5%). Daten der
Nicht-Unterlegenheitsstudien zur Integration des simultan integrierten Boosts in hypofraktionierte
Konzepte aus einer verblindeten Zwischenanalyse der HYPOSIB- sowie NRG/RTOG 1005-Studien
zeigen ebenfalls in vorläufig auf dem DEGRO-2024- sowie dem ASTRO-2022-Kongress vorgestellten
Ergebnissen eine sichere Durchführung und onkologische Gleichwertigkeit. Die Integration
dieser Konzepte in den klinischen Alltag mit deutlicher Verkürzung des Therapiezeitraums
erscheinen sicher durchführbar, auch wenn die endgültigen Vollpublikationen von HYPOSIB
und NRG/RTOG1005 weiterhin ausstehen.
Aktuell bleibt bei der Bestrahlung von Lymphabflusswegen national [17] die konventionelle Fraktionierung in 25 bis 30 Sitzungen der Standard, während die
Alternative der Hypofraktionierung von nodalen Volumina in europäischen ESTRO-Empfehlungen
(ESTRO: European Society for Radiotherapy and Oncology) bereits den Standard darstellt
[22]. Die Datenlage hierzu ist jedoch aktuell weiterhin begrenzt.
Wang et al. beschrieben eine Nicht-Unterlegenheit der Hypofraktionierung bezüglich
der Akut- und Spättoxizität bei der postoperativen Bestrahlung der Lymphabflusswegen
im Vergleich zur konventionellen Fraktionierung [23]. Protokollgemäß erhielt hier jedoch keine der Patientinnen eine Bestrahlung der
axillären Lymphabflusswege, die Bestrahlung erfolgte zudem in ca. 98% der Fälle mittels
2-dimensionaler Bestrahlung, eine tangentiale 3D-Bestrahlung bzw. IMRT erfolgte nur
in ca. 3 bzw. 2% der Fälle.
Im Rahmen einer retrospektiven Auswertung der prospektiven START-Studien [24] ergab sich eine statistisch signifikante erhöhte Rate an Schultersteifigkeit bei
der 42,9 Gy hypofraktionierten START-Pilot-Gruppe im Vergleich zur 50Gy-Gruppe. Dieser
Effekt bestätigte sich für die START-A- und -B-Gruppen nicht mehr, dort zeigte sich
kein Hinweis auf einen Unterschied bei den von Patienten berichteten Einschränkungen
im Arm- und Schulterbereich zwischen den hypofraktionierten Schemata und der konventionell
fraktionierten Kontrollgruppe. Eine Bestrahlung der Mammaria-interna-Region war im
Rahmen der START-Protokolle ausgeschlossen.
Weiter präsentierten auf den ESTRO-2022- bzw. -2023-Kongressen Offersen et al. [25] eine Analyse der Danish Breast Cancer Group (DBCG) (NCT02384733) zu 2879 nodal-positiven
Patientinnen bzw. Rivera et al. [26] Ergebnisse der HypoG01:UNICANCER-Studie (NCT03127995), die beide bei mäßiger Hypofraktionierung
(40 Gy) der Lymphabflusswege im Vergleich zur konventionellen Fraktionierung (50 Gy)
im 3-Jahresverlauf eine Nicht-Unterlegenheit der Hypofraktionierung bezüglich Arm-Lymphödemen
zeigten. Ebenfalls als Abstract auf dem ESTRO-2022-Kongress veröffentlichten Wheatley
et al. [27] Ergebnisse aus einer 3-Jahres-Interimsanalyse der nodalen Subgruppe der FAST-FORWARD-Studie
und zeigten bezüglich Nebenwirkungen im Arm- und Schulterbereich eine Nichtunterlegenheit
einer stärkeren Hypofraktionierung von Lymphabflusswegen mit 26 Gy in 5 Fraktionen
im Vergleich zur moderaten Hypofraktionierung von 40 Gy in 15 Fraktionen. Die Vollpublikationen
der 3 letztgenannten randomisierten Studien stehen jedoch weiter aus, Langzeitauswirkungen
(>5 Jahren) aus randomisierten prospektiven Studien zur radiogenen Plexopathie oder
kardialen Toxizität fehlen ebenfalls weiterhin.
Neben der erwähnten Teilbrust-Bestrahlung stellen ultra-hypofraktionierte Bestrahlungen
moderne Fraktionierungskonzepte dar, die die Therapiedauer auf wenige Tage bis Wochen
reduzieren können.
Da die Änderung der Gesamt- und Einzeldosis potenziell biologische Auswirkungen auf
die unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit und Reparaturfähigkeit der Normalgewebe
sowie Tumorzellen haben kann, müssen moderne Fraktionierungseffekte zunächst auf onkologische
Gleichwertigkeit und Sicherheit überprüft werden. Die randomisierte, multizentrische
Phase-3-FAST-Studie [28] zeigte im 10-Jahresverlauf die Gleichwertigkeit der adjuvanten WBI in lediglich
5 sich wöchentlich wiederholenden Sitzungen. Ebenso zeigte sich das Konzept der randomisierten
Phase-3-FAST-FORWARD-Studie [29], die eine 26 Gy-Gesamtdosis in 5 Fraktionen innerhalb einer Woche applizierte, im
bisherigen 5-Jahres-Outcome mit onkologischer Nicht-Unterlegenheit zur moderaten Hypofraktionierung
in 15 Fraktionen ohne Nachweis einer erhöhten Akuttoxzität.
RT-Verzicht
Der Verzicht auf eine postoperative Radiotherapie nach brusterhaltender Operation
wird zuletzt wieder häufiger bei ausgewählten Patientenkollektiven diskutiert. Die
prospektive einarmige IDEA-Studie [30] untersuchte als primären Endpunkt die 5-Jahres-Lokalrezidivraten bei postmenopausalen
Frauen ab 50 Jahren, bei denen nach BEO auf eine adjuvante Radiotherapie verzichtet
wurde. Die Patientinnen wiesen nicht nur biologisch klinisch Niedrigrisikofaktoren
mit pT1 pN0, Hormonrezeptor-positiven, Her2neu-negativen Tumoren auf, sondern zudem
ein geringes genomisches Risiko mit einem Oncotype-DX21-Rezidivscore von ≤18 auf.
Die ipsilateralen Inbrust-Rezidivraten lagen bei 3,3% (50–59 Jahren) sowie 3,6% (60–69
Jahren). Trotz dieser erzielten niedrigen Rezidivraten beurteilen die Autoren selbst
das kurze Follow-up von 5 Jahren zur Bewertung des RT-Verzichtes als kritisch.
Die PRIME-2-Studie von Kunkler et al. [31] untersuchte ebenfalls den Verzicht auf eine postoperative Bestrahlung bei R0-resezierten,
nodal-negativen, Hormonrezeptor-positiven Frauen ≥65 Jahren mit einer Tumorgröße bis
zu 3 cm. Nach der BEO erfolgte eine adjuvante endokrine Hormontherapie. Die Patientinnen
wurden randomisiert einer postoperativen RT mit 40–50 Gy (n=658) in 15 bis 25 Fraktionen
zugeführt oder keiner Bestrahlung (n=668). Die primären 5-Jahres-Inbrust-Rezidivraten
der Erstpublikation zeigten ein deutlich erhöhtes Risiko (Hazard Ratio 5,19) bei Verzicht
auf eine RT, und waren mit 4,1% signifikant höher in der Gruppe ohne weitere strahlentherapeutische
Therapie im Vergleich zu 1,3% nach erfolgter WBI. In der 10-Jahres-Aktualisierung
der Daten [31] zeigte sich eine weitere deutliche Erhöhung des lokalen Rezidivrisikos für die Gesamtkohorte
auf 9,5% nach Verzicht auf und lediglich 0,9% nach erfolgter RT. Bemerkenswerterweise
betrug die lokale Rezidivrate nach 10 Jahren in einer Subgruppenanalyse bei Tumoren
mit nur geringer Expression von Östrogenrezeptoren sogar 19,1% bei Verzicht auf eine
RT im Vergleich zu 0% nach postoperativer RT. Einen Effekt auf das Gesamtüberleben
konnte jedoch mit jeweils 93,9% nach 5-Jahren sowie 80,8% (ohne RT) sowie 80,7% (mit
RT) nach 10-Jahren nicht nachgewiesen werden. Ebenso zeigte sich die distante Kontrolle
in beiden Gruppen vergleichbar. Weitere randomisierte Studien zum Vergleich einer
adjuvanten RT vs. keiner weiteren Bestrahlung von Hughes et al. (CALGB 9343) [32], Fyles et al. [33] sowie Pötter et al. [34] beschreiben ebenso deutlich einen Effekt einer adjuvanten RT zur signifikanten Reduktion
des lokalen und regionären axillären Rezidivrisikos. Eine retrospektive SEER-Datenbank-Analyse
von knapp 12 000 Patientinnen [35] zeigte ergänzend bei frühen Mammakarzinomen (70–79 Jahre, T1mic-T1c, N0, ER+) im
Falle eines biologischen Nachweises eines dedifferenzierten Gradings (G3) einen deutlichen
Vorteil der adjuvanten RT auch auf das 10-Jahres-Gesamtüberleben im Vergleich zum
RT-Verzicht (mit RT mit 92 vs. 87% ohne RT, p = 0,02).
Auch wenn die resultierenden lokalen und regionären Rezidivraten dieser Studien auch
bei Verzicht auf eine Radiotherapie insgesamt gering erscheinen, zeigt sich durch
eine adjuvante RT eine deutliche onkologische Verbesserung des Outcomes auch in diesen
Niedrigrisiko-Kollektiven, jedoch ohne Verbesserung des krankheitsfreien oder Gesamtüberlebens.
Der vollständige Verzicht auf eine RT sollte daher nur nach kritischer Diskussion
im interdisziplinären Tumorboard und insbesondere unter Abwägung möglicher strahlentherapeutischer
De-Eskalationsstrategien mittels Teilbrust-Bestrahlung oder Ultrahypofraktionierung
diskutiert werden. Neben der rein statistischen, prozentualen Beschreibung des Lokalrezidivrisikos
dürfen hierbei die emotionale Belastung bei Auftreten eines Rezidivs, eine potenziell
einhergehende Notwendigkeit zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und mögliche
Einschränkungen der Lebensqualität nicht unberücksichtigt bleiben. Im klinischen Alltag
sollte die Patientin hierbei aktiv in einen partizipativen Entscheidungsprozess zur
individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung miteinbezogen werden, um die therapeutischen
Optionen nach Darlegung onkologischer Empfehlungen und potenzieller Nebenwirkungen
transparent abwägen zu können.
Weiter wird der Benefit von Multigensignaturen zur personalisierten Therapiefindung
und Risikoabschätzung im Rahmen eines möglichen RT-Verzichtes untersucht. Aktuell
finden diese genomischen Testergebnisse noch keine Umsetzung in individualisierte
klinische strahlentherapeutische Therapieempfehlungen. Analysen zum lokoregionären
Rezidivrisiko anhand von 16 Gen-Signaturen (POLAR, Profile for Omission of Local Adjuvant
Radiation) [36] in Trainings- und Validierungskohorten geben jedoch Hinweise, welche Patientinnen
möglicherweise stärker von einer postoperativen Strahlentherapie profitieren könnten.
Die Überlappung der untersuchten Genexpressionsprofilen in nur einem Gen mit klinisch
gängigen Multigensignaturen wie Prosigna, Onctoype DX und Mammaprint, erschwert jedoch
aktuell noch die Interpretation und Übertragbarkeit auf die klinische Praxis.
Lymphabflusswege – chirurgische Deeskalation
Lymphabflusswege – chirurgische Deeskalation
Zur Bestimmung der regionalen Tumorausdehnung und prognostisch spielt das axilläre
Lymphknotenstaging klinisch und operativ eine tragende Rolle zur Festlegung der optimalen
Therapie. Die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie stellt weiterhin den Therapiestandard beim
nodalen Staging dar, die Notwendigkeit der Durchführung und der onkologische Benefit
in sehr frühen Stadien wird durch aktuelle Studien jedoch in Frage gestellt.
Die multizentrische Phase-3-SOUND-Studie (Sentinel Node vs. Observation After Axillary
Ultrasound) von Gentilini et al [37] randomisierte 1405 klinisch nodal-negative Frauen mit Tumoren bis zu 2 cm Größe
in eine Sentinel- oder keine axilläre Interventions-Gruppe. Das krankheitsfreie 5-Jahres-Überleben
zeigte sich in der Gruppe ohne axilläre Operation mit 98,0% nicht unterlegen zur SLN-Gruppe
mit 97,7%. Bezüglich der strahlentherapeutischen adjuvanten Therapie listen die Autoren
nur wenige Angaben zur durchgeführten Bestrahlungstechnik sowie applizierten Dosis
in regionären Lymphabflusswegen auf. Knapp 98% der Patientinnen erhielten in beiden
Gruppen eine adjuvante RT (SLN-Gruppe: 98,0% bzw. keine axilläre OP: 97,6%), wobei
10,7 bzw. 10,8% eine IOERT-Teilbrustbestrahlung analog ELIOT mit 21 Gy erhielten,
während bei 83,8 bzw. 81,1% eine konventionelle WBI über 3 bis 5 Wochen durchgeführt
wurde.
Insbesondere Angaben zur Anzahl an durchgeführten 3D-tangentialen Bestrahlungen mit
potenziell hohen therapeutischen Dosen in der Axilla werden nicht genannt. Gemäß Daten
zur Qualitätssicherung der Strahlentherapie im Rahmen der INSEMA-Studie [38], die ebenfalls den operativen Verzicht auf eine SLN-Intervention bei klinisch nodal-negativen
Patientinnen mit frühem Mammakarzinom untersucht, wurde eine 3D-konformale Bestrahlung
bei der Mehrheit (76,1%) der Patientinnen mit meist konventioneller Fraktionierung
(83,8%) angewandt. Durch diese tangentiale Bestrahlung erhielten die axillären Lymphknoten
in Level I und II unbeabsichtigt noch eine relative mittlere Dosis von 85,4 bzw. 14,9%
der verschriebenen Dosis. Ob eine solch niedrige strahlentherapeutische Dosis zu einem
onkologischen Effekt bei subklinischem Nodalbefall beiträgt oder als strahlentherapeutische
Konsequenz eine Eskalation in Form einer Erweiterung des Bestrahlungsvolumens der
Lymphabflusswege in Betracht gezogen werden sollte, bleibt weiter unklar.
Während bei Patientinnen ohne vorangegangene neoadjuvante Chemotherapie im Falle eines
negativen Sentinel-Lymphknotens oder einer Mikrometastasierung auf eine weitere operative
Therapie verzichtet werden kann, ist bei ihnen der Nachweis einer axillären nodalen
Makrometastasierung mit der Indikation zur weiteren aktiven Therapie mittels Operation
oder Strahlentherapie verbunden. Eine chirurgische Deeskalation kann bei Vorliegen
von positiven Sentinel-Lymphknoten mit alleiniger Durchführung einer Sentinel-Lymphonodektomie
und Verzicht auf die axilläre Lymphknotendissektion seit Publikation der AMAROS- und
ACOSOG-Z0011-Studien onkologisch dann als gleichwertig bewertet werden, wenn im Anschluss
eine postoperative Radiotherapie der regionären Lymphabflusswege durchgeführt wird
[39]
[40]. Dieses Konzept hat bereits seit einigen Jahren Einzug in die leitliniengerechte
Standardtherapie gefunden [17]. Mit diesem Vorgehen wurde gleichzeitig eine vermehrte Einsparung an Toxizität beschrieben.
Im 10-Jahres-Update der AMAROS-Studie wurde die Raten an Morbidität im Armbereich
sogar noch heraufgestuft [41]. Insbesondere das Auftreten von Lymphödeme konnte durch eine Bestrahlung im Vergleich
zur axillären Dissektion signifikant reduziert werden (5-Jahres Lymphödem-Risiko nach
RT 11,9 vs. 24,5% nach Operation).
Auch die kürzlich publizierten Ergebnisse der multizentrischen, prospektiven SENOMAC-Studie
mit 1 bis 2 positiven Sentinel-Lymphknoten bestätigen dieses Vorgehen [42]. Hier erhielten 1335 Patientinnen lediglich eine Sentinel-Lymphonodektomie, bei
1205 Frauen wurde gemäß Randomisierung eine vollständige axilläre Lymphknoten-Dissektion
durchgeführt. Im Anschluss erfolgte eine lokale Radiatio einschließlich der Lymphabflusswege
bei 89,9% der Sentinel-Gruppe sowie 88,4% der ALNE-Gruppe. In beiden Gruppen zeigte
sich ein vergleichbares rezidiv-freies 5-Jahres-Überleben von 89,7% (SLN) bzw. 88,7%
(ALNE) und somit die Bestätigung der onkologischen Nicht-Unterlegenheit der operativen
Deeskalation.
Durch die Anwendung moderner Strahlentherapietechniken und Einschluss der Lymphabflusswege
kann somit in individualisierten Therapiekonzepten deutlich an Toxizität eingespart
und die Lebensqualität besser erhalten werden.
Der Stellenwert der Radiotherapie der Lymphabflusswege im multimodalen Therapiekonzept
konnte zuletzt in der Metaanalyse der „Early Breast Cancer Trialists‘ Collaborative
Group“ (EBCTCG) bestätigt werden [43]. Die Durchführung einer postoperativen Radiotherapie der Lymphabflusswege ging hier
mit einer signifikant niedrigeren Mortalität einher. Dieser Effekt zeigte sich jedoch
nur für Patientinnen aus 8 moderneren Studien im Zeitraum von 1989 – 2008, die vor
allem die Mammaria-interna-Region (n=4 Studien, 5420 Frauen), Mammaria-interna- und
supraclaviculäre Region (n=1, 4004 Frauen), Mammaria-interna- und supraclaviculäre
sowie axilläre Region (n=1, 1832 Frauen), nur die supraclaviculäre Region (n=1, 476
Frauen) sowie nur die Axilla (n=1, 435 Frauen) bestrahlten. Die geschätzte absolute
15-Jahres-Reduktion des Brustkrebsrezidivs stieg mit der Anzahl der positiv nachgewiesenen
Lymphknotenmetastasen: Bei nodal-negativen Patientinnen wurde durch eine Bestrahlung
der regionalen Lymphabflusswege eine Reduktion um 2,3%, bei Frauen mit 1 bis 3 positiven
LK um 2,9% sowie bei ≥4 positiven Lymphknotenmetastasen eine Reduktion von 4,3% nachgewiesen.
Die entsprechenden absoluten 15-Jahres-Raten zur Reduktion der Brustkrebssterblichkeit
lagen in Abhängigkeit der oben genannten positiven Lymphknotenanzahl bei 1,6%, 2,7%
und 4,5%.
Protonenstrahltherapie
Neben technischen Optimierungen der konventionellen Bestrahlungstechniken mittels
Photonen, stellt die Anwendung einer Partikeltherapie mittels Protonen eine weitere
innovative strahlentherapeutische Technik dar. Physikalisch hat sich das dosimetrische
Profil einer Protonenstrahl-Therapie (PBT, proton beam therapy) im Vergleich zu photonenbasierten
3D-konformalen und intensitätsmodulierten Techniken als überlegen erwiesen, was die
Dosisreduktion an umliegenden Risikoorganen sowie die Zielvolumenabdeckung betrifft
[44]
[45]
[46]
[47]
[48].
Durch die Modulation des für Protonen charakteristischen Bragg-Peaks mit einer maximalen
Dosisdeposition im Zielvolumen und einem steilen Dosisabfall dahinter bietet die PBT
vorteilhafte physikalische Eigenschaften. Darüber hinaus ermöglicht der Einsatz dieser
Technik Behandlungen mit geringeren integralen Dosen im Gesamtkörper des Patienten
([Abb. 2]) sowie potenziell höhere radiobiologische Wirkungen und Tumorreaktionen [48].
Abb. 2 Bestrahlungsplanungs-Computertomografie einer Patientin mit Vergleichsplänen in jeweils
2 repräsentativen axialen Schichten für eine linksseitigen, hypofraktionierten Teilbrustbestrahlung
mit Protonen (1a und 1b) sowie Photonen (2a und 2b). Konturen: Zielstrukturen: PTV (planning target volume) (rot), CTV (clinical target
volume) (orange). Risikoorgane: ipsilaterale Lunge (rosa), kontralaterale Lunge (grün),
Ramus interventricularis anterior (rot), Herzmuskel (orange), kontralaterale Mamma
(grün), Rückenmark (lila), Ösophagus (gelb).
Die PBT hat sich in der Behandlung von Brustkrebspatientinnen stark weiterentwickelt,
wobei ihr gesamtes Potenzial und ihre Umsetzung in einen klinischen höheren Nutzen
im Vergleich zur konventionellen Photonentherapie noch validiert werden müssen [49].
Galland-Girodet et al. präsentierten kosmetische 7-Jahres-Langzeitergebnisse einer
Phase-1-Machbarkeitsstudie mit 19 Patientinnen, die mittels Teilbrust-PBT oder 3D-konformaler
Photonen-RT behandelt wurden [44]. Das patientenbezogene subjektive kosmetische Ergebnis nach PBT war mit 92% vergleichbar
mit Photonen-Patientinnen mit 96%, während die ärztliche Bewertung der Gesamtkosmese
für PBT signifikant schlechter ausfiel (Protonen 62% vs. Photonen 94%). Hinsichtlich
Brustschmerzen, Ödemen, Fibrosen, Fettgewebsnekrosen, Epitheliolysen, Rippenschmerzen
oder Frakturen konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden, allerdings
wurde nach der PBT eine höhere Rate an langfristigen Hauttoxizitäten und Teleangiektasien
berichtet. Die 7-Jahres-Lokalrezidivraten war bei der PBT und der 3D-Photonen-Teilbrust-Bestrahlungen
mit 6% nach PBT und 4% nach Photonen onkologisch vergleichbar.
Bush et al. veröffentlichten 5-Jahres-Ergebnisse von 100 Patientinnen, die mit PBT
mit 40 GyRBE in 10 täglichen Fraktionen mit einem hautsparenden Ansatz behandelt wurden
[46]. Das kosmetische Ergebnis dieser Behandlungen wies für alle Brustgrößen nur leichte
bis mäßige akute Strahlendermatitiden (62% Grad 1 oder 2) ohne höhergradige (≥3) Hauttoxizität
auf. Zu den langfristigen Hauttoxizitäten gehörten Grad-1-Teleangiektasien bei 7%
und Fettnekrosen bei 1% der Patientinnen.
Die PBT hat das Potenzial, die Dosis im Bereich von Normalgeweben deutlich zu senken
und gleichzeitig die Zielvolumenabdeckung zu maximieren, welche bei der intensitätsmodulierten
RT mit Photonen insbesondere im Bereich der Mammaria-interna-Lymphabflussregionen
nach wie vor eine Herausforderung darstellt. Grad-1- und -2-Evidenz bei der Behandlung
von Brustkrebspatientinnen mit PBT fehlt jedoch weiterhin [49]. Aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit der Protonenstrahl-Therapiezentren in
Deutschland sowie aufwendigeren Verfahren mit hohen Anforderungen an robuste Bestrahlungen,
technisch komplexe Planungen und Herausforderungen der bildgebenden Lagekontrollen,
stellt dieses in Unterhalt und Durchführung teurere Verfahren aktuell weiterhin keine
Standardleistung der deutschen Krankenkassen bei der postoperativen Behandlung von
Mammakarzinomen dar.
Schlussfolgerung
Die Modernisierung der strahlentherapeutischen Techniken ermöglicht den Einsatz nebenwirkungsarmer
Bestrahlungen mit effektiver Verbesserung der onkologischen Kontrolle. Aktuelle Studien
zeigen weiter eine solide Evidenz für die Strahlentherapie als wichtige Therapiesäule
und ermöglichen die Umsetzung individualisierter multimodaler Therapiekonzepte.