Schlüsselwörter Demenzversorgung - Demenzdiagnostik - Risikostratifizierung - Case Management - Krisenprävention
Keywords dementia care - dementia diagnostics - risk stratification - case management - crisis intervention
Einleitung
In hausärztlichen Praxen werden nur rund die Hälfte der Patient*innen mit relevanten
kognitiven Beeinträchtigungen und Demenzen erkannt [1 ]
[2 ]
[3 ]. Als Barrieren auf Seiten der Hausärzt*innen
werden ein Mangel an Schulungen, Selbstsicherheit und Zeit sowie die Annahme, dass
therapeutische Möglichkeiten und Unterstützungsangebote fehlen, diskutiert [4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ]. Neben einer ausreichend frühen Diagnostik
bedarf es bei chronischen Erkrankungen, v. a. bei Älteren und v. a. bei Demenz,
einer angemessenen psychosozialen Versorgung: also Integration unterschiedlicher,
sich ändernder Bedarfe, die erfasst und abgestimmt werden müssen (vernetzte
Versorgung, koordinierte Kooperation, Multiprofessionalität). Ein Fehlen
multiprofessioneller Strukturen zur ambulanten Krisenintervention bei Demenz, die
ärztliche, pflegerische und weitere Akteure verzahnen, führt vermehrt zu
krisenhaften Versorgungssituationen und komplikationsträchtigen
Krankenhauseinweisungen und Institutionalisierung [8 ]
[9 ].
Um den skizzierten Versorgungslücken entgegen zu wirken und dafür zu sorgen, dass
verfügbare Angebote bekannt sind und koordiniert in Anspruch genommen werden, wurden
Ansätze im Sinne eines Care- und Case Managements mit Assessments der individuellen
Bedürfnisse, Planung und Koordination individueller Maßnahmen sowie deren Evaluation
untersucht. Diese Ansätze konnten zeigten, dass sie signifikante Effekte auf einen
Anstieg der Verordnung von Antidementiva [10 ]
[11 ] und die Verlängerung bis
zur Heimeinweisung [12 ] haben. Die Ergebnisse
bzgl. einer Reduktion der Belastung pflegender Angehörigen [10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ] und einer Reduktion psychischer und
Verhaltenssymptome sind inkonsistent [10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[15 ]
[16 ].
Es bestehen zudem Hinweis darauf, dass ein Care- und Case Management bei Demenz die
Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen reduzieren könnte [11 ]
[12 ]
[17 ].
Um die hausärztliche Versorgung von Patient*innen mit Demenz multiprofessionell
aufzustellen, wurde das Modell DemStepCare konzipiert und im Rahmen eines
Innovationsfondsprojektes finanziert vom Gemeinsamen Bundesausschuss von 2019 bis
2022 erprobt. Die neue Versorgungsform entsprach einem stratified-stepped-care
Ansatz [18 ]
[19 ] und zielte darauf ab, durch bedarfsgerechte Involvierung eines
ambulanten Case Managements und einer multiprofessionellen Krisenambulanz effektive
Krisenprävention und -behandlung ohne Krankenhauseinweisungen zu ermöglichen [20 ]
[21 ].
Primäre Ziele betrafen die Reduktion stationärer Behandlungstage und der Belastung
pflegender Angehöriger sowie die Verbesserung der Lebensqualität der Patient*innen.
Sekundäre Ziele waren die Verbesserung der leitliniengerechten Demenzversorgung und
der Arzneimitteltherapiesicherheit, die Optimierung des Versorgungsnetzes und die
Vernetzung mittels elektronischer Fallakte. Die Resultate im Hinblick auf die
primären Endpunkte werden anderweitig publiziert. In der vorliegenden Arbeit steht
die Frage im Mittelpunkt, welche Akzeptanz die neue Versorgungsform bei
Hausärzt*innen erreicht. Dies stellt eine wichtige Voraussetzung der
Integrierbarkeit in die Routineversorgung dar. Im Sinne einer Prozessevaluation
werden explorativ Zufriedenheit und Nutzenbewertung der Versorgungsform durch
Befragungen von Hausärzt*innen ermittelt sowie Indikatoren der Demenzsensibilität
bestimmt.
Methoden
Es nahmen 62 Hausärzt*innen in 40 Praxen teil (39 Hausärzt*innen bzw. 23 Praxen in
der Interventionsgruppe [IG], 23 Hausärzt*innen bzw. 17 Praxen in der Kontrollgruppe
[KG]). Zu Projektbeginn wurde ursprünglich der Einschluss von 120 Hausärzt*innen
angestrebt. Die teilnehmenden Hausärzt*innen wurden über Qualitätszirkel,
Hausarztnetze, Anschreiben und gezielte Ansprache rekrutiert. Einschlusskriterien
waren eine hausärztliche Tätigkeit und ein Praxissitz im Projektgebiet um Alzey,
Worms, Bad Kreuznach und Umgebung herum. Auf Basis der ermittelten Indikatoren zur
Demenzsensibilität (s.u.) erfolgte eine allgemeine Stratifizierung der Ärzt*innen in
drei Gruppen (hoch ausgeprägte, mittel ausgeprägte und gering ausgeprägte
Demenzsensibilität). Es war geplant, diese Gruppen zu gleichen Teilen auf die IG und
KG zu randomisieren. Dies war jedoch u. a. aufgrund von zeitversetzten Einschlüssen
der Hausärzt*innen in drei Wellen und beispielsweise der häufigen Zugehörigkeit in
Praxisgemeinschaften nicht konsequent machbar. So gab es einzelne Ärzt*innen, welche
schon vor Einschluss ins Projekt wussten, in welche Gruppe sie kommen werden, da
beispielsweise ihre Praxis bereits durch die Teilnahme von Praxiskolleg*innen
zugeteilt war. Insgesamt ist daher strenggenommen von einer kontrollierten Studie,
statt einer randomisiert-kontrollierten Studie auszugehen.
Die Studie wurde von der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
genehmigt (Referenznummer: 2019–14427) und beim Deutschen Register Klinischer
Studien registriert (DRKS00023560). Alle Teilnehmenden (Patient*innen,
Pflegefachkräfte, Hausärzt*innen, Case Manager*innen) gaben eine schriftliche
Einwilligung nach Aufklärung, bevor Daten für die Studie erhoben wurden. Sämtliche
Daten wurden pseudonymisiert.
Die neue Versorgungsform DemStepCare wird ausführlich an anderer Stelle
dargestellt [20 ]
[21 ] ([Abb.
1 ]). Zusammenfassend erhielten Hausärzt*innen bzw. Patient*innen der IG
zum einen eine quartalsweise Medikationsanalyse durch klinische Pharmazeut*innen,
zum anderen bestand die Intervention in der Einschaltung eines Case Managements,
durch welches eine Klassifikation der Versorgungsbedarfe und des Versorgungsrisikos
anhand eines Ampelsystems erfolgte. Bei einer als stabil klassifizierten
Versorgungssituation erhielten Patient*innen und Angehörige eine einmalige Beratung
über Hilfs- und Versorgungsoptionen. Wurde ein erhöhtes Versorgungsrisiko
festgestellt, nahmen die Case Manager*innen Aufgaben bei der Organisation
zusätzlicher Versorgungsangebote wahr. Sollten Versorgungskrisen drohen oder sich
manifestieren, bestand für Hausärzt*innen und Case Manager*innen die Möglichkeit,
die Dienste einer aufsuchenden multiprofessionellen Krisenambulanz zu nutzen. Die
Patient*innen der KG erhielten eine einmalige Beratung über Hilfs- und
Versorgungsoptionen sowie den zuständigen Pflegestützpunkt.
Abb. 1 Aufbau des Projekts DemStepCare [Quelle: Landeskrankenhaus
(AöR), Mainz].
Um die Erfahrungen und den Nutzen der Projektteilnahme auf Seiten der involvierten
Hausärzt*innen zu eruieren, wurde eine Panelbefragung mit qualitativen Interviews
kombiniert. Die quantitative Befragung fand auf schriftlich-postalischem Weg zu drei
Projektzeitpunkten statt ([Tab. 1 ]). Die
t0-Befragung erfolgte nach Einschreibung der Ärzt*innen, die t1- bzw. t2-Befragung
12 Monate nach Abschluss der zu Beginn erfolgten Schulungen der Ärzt*innen bzw. am
Ende der Interventionsphase, welche insgesamt 39 Monate dauerte. Zu t1 waren zehn
qualitative leitfadengestützte Interviews mit Ärzt*innen aus der IG geplant, jedoch
aufgrund mangelnder Teilnahmebereitschaft nur bei vier Ärzt*innen möglich.
Tab. 1 Quantitative hausärztliche Befragung, Zeitpunkte und
Komponenten.
Messzeitpunkt
Abschnitt im Projekt
Ermitteltes Konstrukt
t0
vor Beginn der Schulung der Ärzt*innen und vor der
Intervention
Motivation und Gründe der Projektteilnahme; Demenzsensibilität
(auch zwecks Stratifizierung in IG und KG)
t1
12 Monate nach Abschluss der Schulung der Ärzt*innen
Zufriedenheit und Nutzenbewertung bzgl. der Intervention sowie
Projekterfahrung; Demenzsensibilität
t2
am Ende der Interventionsphase (nach 39 Monaten Intervention)
Zufriedenheit und Nutzenbewertung bzgl. der Intervention sowie
Projekterfahrung; Demenzsensibilität
Erhebungsinstrumente
Die quantitative Befragung (s. Online-Anhang I a/b ) setzte sich aus
zwei Komponenten zusammen:
Prozessevaluation: Zu t1 und t2 wurden die Akzeptanz und Nutzenbewertung
der Versorgungsform ermittelt. Dies umfasste die Zufriedenheit bzw. Bilanzierung
in Bezug auf das Gesamtprojekt, die Erfassung positiver und negativer
Erfahrungen im Studienkontext sowie die Zufriedenheit hinsichtlich der
Zusammenarbeit mit den Case Manager*innen und erlebte Auswirkungen auf die
Demenzversorgung.
Demenzsensibilität: Die zu allen Zeitpunkten durchgeführte Erfassung der
Demenzsensibilität bündelt Einstellungs- und Kompetenzindikatoren zur
Demenzdiagnostik bzw. -versorgung. Aufbauend auf Vorstudien im hausärztlichen
Kontext und unter Zuhilfenahme weiterer Studien wurde Demenzsensibilität als
Konstrukt operationalisiert, bei dem Schwerpunkte u. a. auf der Erfassung von
Einstellungen zum Krankheitsbild Demenz, hausärztlichen
Selbstwirksamkeitsannahmen, Indikatoren zu Diagnostik, Management und
Leitlinienadhärenz, Versorgungsbereitschaft sowie wahrgenommenen
Herausforderungen lagen [5 ]
[6 ]
[7 ]
[10 ]
[22 ]
[23 ].
Die qualitative Evaluation baut auf einem leitfragengestützten Instrument
auf (s. Online-Anhang II ), das die Versorgungssituationen, die
Kooperation mit den Case Manager*innen sowie eine Beurteilung der Intervention
ermittelte.
Datenanalyse
Die Daten wurden mittels SPSS 23.0 ausgewertet. Aufgrund begrenzter Fallzahl lag
der Schwerpunkt der Auswertung auf einer deskriptiven Analyse. In den Tab.n
werden Mittelwert (X̄) und Median (̴x) abgebildet. Die Spalte t0.K weist nur
diejenigen Ärzt*innen aus, die auch zu t1 den Fragebogen ausgefüllt haben.
Analog gilt dies bei t0.K IG für die IG.
Zur Feststellung von signifikanten Unterschieden zwischen IG und KG wurde zu den
jeweiligen Zeitpunkten ein t-Test für unabhängige Stichproben durchgeführt
(Mittelwert-Differenz auf dem Niveau p<0,01).
Die Auswertung der aufgezeichneten und transkribierten Interviews erfolgte
mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring [24 ]. Die Interviews wurden durch zwei
wissenschaftliche Mitarbeitende analysiert und die Aussagen der Hausärzt*innen
in Oberkategorien zusammengefasst. Folgende Oberkategorien wurden gebildet:
Schwierige Versorgungssituationen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen;
Veränderung der Versorgungssituation durch DemStepCare ; Zusammenarbeit
mit den Case Manager*innen; Entlastungen durch das Projekt DemStepCare ;
Belastungen durch das Projekt DemStepCare ; Kritikpunkte;
Verbesserungswünsche. Da es sich lediglich um vier Interviews handelte, werden
Aussagen aus den Interviews nur beispielhaft präsentiert.
Ergebnisse
Die 62 zu t0 befragten Hausärzt*innen waren zu 47% weiblich, im Mittel 53 Jahre alt,
arbeiteten zu 40% in Orten mit<5.000 Einwohnenden und zu 53% in
Gemeinschaftspraxen. Obwohl die Befragungsteilnahme als fester Bestandteil an der
Studie konzipiert worden war, hatten zum Zeitpunkt t1 bzw. t2 jeweils nur 34
Ärzt*innen den quantitativen Fragebogen zurückgesendet (vgl. Online-Anhang
III,
[Tab. 1 ]).
Zufriedenheit und Nutzenbewertung
In der quantitativen Befragung waren die Ärzt*innen der IG zu t1 bzw. t2 zu 94%
bzw. 85% (sehr) zufrieden mit der Projektteilnahme; in der KG betrug dieser Wert
44% (t1) bzw. 36% (t2).
83% (t1) bzw. 75% (t2) der Befragten der IG befanden, die Kooperation mit den
Case Manager*innen als (sehr) gut erlebt zu haben. 72% (t1) bzw. 70% (t2) der IG
waren der Auffassung, dass sich die praxisinterne Demenzversorgung aufgrund der
Teilnahme an DemStepCare (deutlich) verbessert habe. In der KG sprachen
38% (t1) bzw. 21% (t2) von einer (deutlichen) Verbesserung.
39% (t1) bzw. 65% (t2) der Befragten der IG brachten die Projektteilnahme mit
einer (deutlichen) Entlastung bei der Demenzversorgung in Verbindung. In der KG
lag dieser Wert bei 31% (t1) bzw. 21% (t2).
Bei der Frage, wie viel die bisherige Teilnahme an DemStepCare gebracht
habe, gaben die Ärzt*innen der IG zu t1 und t2 signifikant höhere Werte an als
die Ärzt*innen der KG bei den Antwortmöglichkeiten „Erhöhung der
Versorgungsstabilität“, „Vermeidung stationärer Aufnahmen“, „Verbesserung der
Lebensqualität von Demenzpatient*innen“ und „Reduktion der Belastung pflegender
Angehöriger“ und zu t2 höhere Werte bei „verstärkte Nutzung ambulanter
Unterstützungsangebote“ ([Tab. 2 ]).
Tab. 2 Durch Hausärzt*innen angegebener Nutzen durch
Projektteilnahme nach Anwendungsbereichen.
Frage: Wie viel hat Ihnen die bisherige Teilnahme an
DemStepCare gebracht in Bezug auf… (0=„Nichts
gebracht“ bis 10=„Sehr viel gebracht“); dargestellte
Ergebnisse: Mittelwert (Median)
Zeitpunkt Anzahl Probanden (n)
t1 IG (n=18)
t1 KG (n=16)
t2 IG (n=20)
t2 KG (n=14)
Erhöhung der Versorgungsstabilität
7,5 (8,0)*
3,5 (3,0)*
6,9 (8,0)*
3,3 (2,5)*
Vermeidung stationärer Aufnahmen
6,8 (8,0)*
2,2 (1,0)*
6,5 (8,0)*
3,0 (3,0)*
Verbesserung der Lebensqualität von Demenzpatient*innen
6,8 (8,0)*
2,9 (3,0)*
7,2 (8,0)*
3,4 (2,5)*
Reduktion der Belastung pflegender Angehöriger
7,1 (8,0)*
3,2 (3,0)*
6,9 (8,0)*
3,8 (4,0)*
Verbesserung der Kenntnis der S3-Leitlinie
5,6 (5,0)
3,5 (5,0)
5,7 (7,0)
3,1 (1,5)
Verstärkte Orientierung entlang der S3-Leitlinie
5,6 (6,0)
3,7 (5,0)
5,5 (6,0)
3,3 (2,0)
Verstärkte Nutzung ambulanter Unterstützungsangebote
6,0 (6,0)
3,7 (4,0)
7,3 (7,0)*
3,9 (3,5)*
t1=12 Monate nach Abschluss der Schulung der Ärzt*innen; t2=am Ende der
Interventionsphase nach 39 Monaten; IG=Interventionsgruppe;
KG=Kontrollgruppe;*signifikanter Unterschied zwischen IG und KG zum
jeweiligen Zeitpunkt (p<0,01)
Auf die Fragen „Was beurteilen Sie an DemStepCare positiv?“ und „In
welcher Hinsicht fühlen Sie sich entlastet?“ (vgl. Online-Anhang III,
[Tab. 2 ]) wurde sowohl zu t1 als auch zu
t2 v. a. eine verbesserte Betreuung, Begleitung und Entlastung der
Patient*innen, effektive Krisenintervention sowie eine gelingende Stabilisierung
häuslicher Pflegesituationen genannt. Ebenfalls verbreitet genannt wurde eine
verbesserte Begleitung bzw. Entlastung der pflegenden Angehörigen. Weiter
führten die Ärzt*innen Kompetenzgewinne u. a. bei Diagnosestellung, Management
und Gesprächsführung an. Ein Teil der Hausärzt*innen nahm eine Entlastung
aufgrund der interprofessionellen Unterstützung (Mitbetreuung von Patient*innen
und Angehörigen durch Case Manager*innen) wahr.
Auf die Fragen „Was beurteilen Sie an DemStepCare weniger gut bzw. sollte
verbessert werden?“, „Gab es spezielle Situationen oder Abläufe im Kontext Ihrer
Teilnahme an DemStepCare , die Sie als problematisch erlebt haben?“ und
„In welcher Hinsicht fühlen Sie sich belastet?“ wurden v. a. negative
Erfahrungen bezüglich eines hohen Dokumentationsaufwands, einer aufwendigen
Bedienung der elektronischen Fallakte, die Kommunikation im Projekt (Zeit,
Zuwendung) und Pandemie-bedingte Schwierigkeiten genannt (vgl. Online-Anhang
III , [Tab. 3 ]).
Tab. 3 Subjektive Kompetenzeinschätzung bei diagnostischem
und therapeutischem Vorgehen; Antwortmöglichkeiten: 0=„Gar nicht
gut“ bis 10=„Sehr gut“; dargestellte Ergebnisse: Mittelwert
(Median).
Erhebungszeitpunkt
t0
t0.K
t0.K IG
t1 IG
t1 KG
t2 IG
t2 KG
Stichprobengröße (n)
62
34
18
18
16
20
14
Wie würden Sie Ihr Wissen bzw. Ihre Kompetenz bezüglich
des diagnostischen Vorgehens bei Demenzerkrankungen
grundsätzlich beurteilen?
5,5 (6,0)
5,3 (6,0)
6,7 (7,0)
7,7 (8,0)*
5,2 (5,0)*
7,0 (7,0)
5,9 (6,0)
Wie würden Sie Ihr Wissen bzw. Ihre Kompetenz bezüglich
des therapeutischen Vorgehens und dem Management von
Demenzerkrankungen grundsätzlich beurteilen?
5,3 (5,0)
5,1 (6,00)
6,3 (6,5)
7,2 (8,0)*
4,6 (4,0)*
6,6 (7,0)
6,3 (6,5)
Was würden Sie sagen: Wie gut sind Sie mit der
S3-Leitlinie zur Demenzdiagnostik und -therapie
vertraut?
4,1 (4,0)
4,2 (4,0)
5,3 (5,0)
6,2 (6,5)
4,4 (5,0)
4,9 (5,0)
5,3 (5,0)
Wie sicher fühlen Sie sich, wenn es darum geht, eine
leitliniengerechte Demenzdiagnose zu stellen?
(Gemeint ist die S3-Leitlinie.)
3,9 (4,0)
3,9 (4,0)
5,1 (5,0)
6,2 (6,5)*
3,9 (3,5)*
5,7 (6,0)
4,0 (4,0)
Wie sicher fühlen Sie sich, wenn es darum geht, eine
Demenzerkrankung leitliniengerecht zu managen, also mit
therapeutischen und medikamentösen Maßnahmen zu
begleiten? (Gemeint ist die S3-Leitlinie.)
4,2 (4,0)
4,3 (4,5)
5,3 (6,0)
6,1 (6,0)
4,3 (4,0)
5,5 (6,0)
4,0 (4,0)
t0=vor Schulung der Ärzt*innen bzw. Intervention; t1=12 Monate nach
Abschluss der Schulung der Ärzt*innen; t2=am Ende der Interventionsphase
nach 39 Monaten; IG=Interventionsgruppe; KG=Kontrollgruppe; t0.K weist
nur diejenigen Ärzt*innen aus, die auch zum Zeitpunkt t1 den Fragebogen
ausgefüllt haben.*signifikanter Unterschied zwischen IG und KG zum
jeweiligen Zeitpunkt (p<0,01)
In den qualitativen Befunden der Interviews wurden positive Effekte wie z. B. das
„Schließen einer Versorgungslücke“ und „erleichterte Kommunikation mit
Patient*innen, da man direkt auch Unterstützungsangebote nennen kann“
(H1). Auch in den Interviews wurde die Zusammenarbeit mit den Case Manager*innen
positiv bewertet. „Wenn die Diagnose im Raum steht, entsteht so eine
Sprachlosigkeit. […] DemStepCare ist für uns eine große Entlastung,
weil wir es gezielt weiterleiten können“ (H1).
Kritische Einlassungen in den Interviews betrafen den erhöhten Aufwand in Bezug
auf die Einschreibung (H1, H2), Dokumentation (H4) und elektronische Fallakte
(Herausforderungen durch digitale Elemente bei weniger affinen Ärzt*innen; H3)
oder Schwierigkeiten bei der auf gute Abstimmung angewiesenen Kommunikation mit
einzelnen Case Manager*innen (H3).
Indikatoren zur Demenzsensibilität
Ein Block des quantitativen Fragebogens befasste sich mit der subjektiven
Kompetenzeinschätzung der teilnehmenden Ärzt*innen ([Tab. 3 ]). Es zeigte sich, dass das
subjektive Wissen bzw. die eigene Kompetenz in der IG gegenüber der KG zu t1
signifikant höher war bezüglich des diagnostischen Vorgehens bei
Demenzerkrankungen, des therapeutischen Vorgehens und dem Management von
Demenzerkrankungen sowie der Sicherheit, wenn es darum ging, eine
leitliniengerechte Demenzdiagnose zu stellen.
In der Verlaufsbetrachtung zeigt tendenziell sich in der IG für bestimmte
Indikatoren zur Demenzsensibilität eine positive Entwicklung (vgl. Anhang
III, Tab. 4 ). So wird in der IG tendenziell häufiger angegeben, dass
grundsätzlich ein Demenztest durchgeführt werde, wenn ein Verdacht auf eine
Demenz bestehe, dass eine gute Kenntnis über Hilfs- und Unterstützungsangebote
für Demenzpatient*innen und Angehörige bestehe und man gut weiterhelfen könne,
„wenn pflegende Angehörige von Demenzpatient*innen mit Fragen zur Organisation
der Pflege“ kommen und dass es einfach sei, „einzuschätzen, welche
therapeutischen Maßnahmen bei Demenzpatient*innen angemessen sind“.
Eine Abfrage zu allen Zeitpunkten betraf auch die Erhebung von erlebten
Herausforderungen (vgl. Anhang III, Tab. 5 ). In der Verlaufsbetrachtung
zeigte sich, dass sich solche subjektiv erfahrenen Problematiken aus Sicht der
Ärzt*innen in der IG tendenziell verringerten. Die Hausärzt*innen gaben
tendenziell weniger Herausforderungen an bei den Themen Anwendung der
Demenz-Leitlinie (S3), Schritte hin zum Demenzverdacht und weiteres Vorgehen,
Sicherstellung der Akzeptanz und Kooperation des Patient*innen bei der
Durchführung von Demenztests, Aufklärung des Patient*innen über die Diagnose und
Sicherstellung der Compliance, erfolgreiche therapeutische Begleitung von
Demenzerkrankten, Gesprächsführung mit Demenzerkrankten, Kommunikation mit
pflegenden Angehörigen und Beratung von Demenzpatienten und Angehörigen zu
Hilfs- und Unterstützungsangeboten.
Auch in den qualitativen Interviews ergaben sich hierfür Hinweise: „Ich habe
gelernt, dass es Patienten gibt, die am Anfang oder in der Mitte der
Erkrankung stehen, wo einfach noch anderes Fachwissen […] nötig ist. Für
diese Fälle ist es großartig, dass es das Projekt gibt“ (H3).
Diskussion
Zusammenfassung und Befunde anderer Studien
Der Beitrag stellt die quantitativ und qualitativ erfassten Erfahrungen,
Eindrücke und Nutzenbewertungen der im Innovationsfondsprojekt
DemStepCare eingeschriebenen Hausärzt*innen vor.
Zusammenfassend bekundeten die Hausärzt*innen v. a. in der IG ein hohes Maß an
Zufriedenheit mit DemStepCare . Dabei werden Mehrwerte und
Entlastungsfaktoren genannt. Die Befragten konstatierten eine Verbesserung und
Entlastung bei der Demenzversorgung. Ärzt*innen in der IG nahmen aufgrund der
Projektteilnahme ein höheres Maß an Versorgungsstabilität wahr. Es fiel ihnen
leichter, Versorgungsbedarfe abzuschätzen und Hilfsangebote aufzuzeigen. Nicht
zuletzt ist eine gestiegene subjektive Kompetenz bei Diagnostik und
Krankheitsmanagement anzuführen. Somit kann angenommen werden, dass
DemStepCare Hausärzt*innen Orientierungs- und Sicherheitsgewinne
verschafft hat. Dennoch bestanden auch Schwierigkeiten aufgrund des empfundenen
Mehraufwands, insbesondere mit Blick auf die Einschreibung,
Dokumentationserfordernisse und den Umgang mit der elektronischen Fallakte. Die
Projektkommunikation wurde gelegentlich kritisiert.
Unsere Ergebnisse stimmen mit denen anderer Studien überein. So zeigten auch
andere Studien, dass Case Management bei Demenz von Hausärzt*innen sehr
geschätzt wurde und als machbar angesehen wurde [25 ] und dass Ärzt*innen, die mit der S3-Leitlinie vertraut sind und
interprofessionell arbeiten, die Demenzdiagnostik konsequenter einsetzen [2 ]
[7 ]
[28 ].
Stärken und Schwächen
Insgesamt gestaltete sich die Gewinnung von Hausärzt*innen als herausfordernd
[6 ]
[21 ]. Ursächlich kann neben Zeitknappheit eine teils nicht immer
reibungslose Vereinbarkeit der Intervention mit Praxisroutinen sein [26 ]
[27 ]
[29 ]. Besagte
Rekrutierungsproblematiken spiegeln sich im Rücklauf der quantitativen
Befragungswellen und der Bereitschaft zum Führen qualitativer Interviews wider.
Zu den Zeitpunkten t1 und t2 gab es gegenüber der t0-Erhebung einen merklichen
Dropout trotz Erinnerungen per E-Mail, Telefon und persönlich in der Praxis.
Dieser Dropout ging nicht auf einen nennenswerten Ausstieg von Ärzt*innen aus
dem Projekt zurück (n=1), sondern hatte nach Beobachtung der
Projektverantwortlichen seine Gründe v. a. im eng getakteten Praxisalltag der
Ärzt*innen. Auch bei anderen Studien hat sich gezeigt, dass die Rekrutierung
einer ausreichenden Zahl von Hausärzt*innen für (cluster-)randomisierte Studien
mit Schwierigkeiten verbunden ist [26 ].
Künftige Studien, die hausarztbasierte Interventionen im Bereich der
Demenzversorgung erproben, sollten verstärkte Anstrengungen unternehmen, die von
Hausärzt*innen wahrgenommenen Hürden bei der Projektteilnahme einzuebnen.
Über die Rekrutierungs- bzw. Dropout-Problematik hinaus ist anzumerken, dass
DemStepCar e vorrangig jene Hausärzt*innen angesprochen haben dürfte,
die ein ohnehin ausgeprägteres Interesse an der Demenzversorgung hatten.
Schlussfolgerung
Die Intervention von DemStepCare mittels Case Management,
Versorgungsbedarfsanalyse und Krisenambulanz wurde von den eingeschriebenen
Allgemeinmediziner*innen als effektiver Beitrag erlebt, um die hausarztbasierte
Demenzversorgung zu verbessern und unnötige Krankenhauseinweisungen zu
vermeiden. Somit lässt sich ableiten, dass die hausärztliche Versorgung von
einer Einbettung in multiprofessionelle Strukturen profitiert.
Konsequenzen für Klinik und Praxis
Konsequenzen für Klinik und Praxis
In Deutschland bedarf es in der hausarztbasierten Demenzversorgung
angemessener bedarfsgerechter multiprofessioneller und koordinierter
Strukturen. Um diese Problematik zu adressieren, wurde das Projekt
DemStepCare konzipiert. Mittels Verzahnung von Hausärzt*innen und
pflegerischem Case Management in einem stratified-stepped-care Ansatz
sollten Versorgungskrisen antizipiert und Hospitalisierungen abgewendet
werden.
Die Hausärzt*innen zeigten ein hohes Maß an Zufriedenheit mit dem
Gesamtprojekt. Sie nahmen Mehrwerte und Entlastungsfaktoren der Intervention
wahr. Die Kooperation mit den Case Manager*innen wurde als Beitrag zu einer
effektiveren Demenzversorgung erlebt. Ärzt*innen in der Interventionsgruppe
nahmen ein höheres Maß an Versorgungsstabilität wahr. Es fiel ihnen
leichter, Versorgungsbedarfe abzuschätzen und Hilfsangebote aufzuzeigen.
Zudem ist eine merklich gestiegene subjektive Kompetenz bei Diagnostik und
Krankheitsmanagement anzuführen.
Die Befunde bestätigen demnach aus hausärztlicher Sicht Nutzen und
Effektivität des multiprofessionellen Interventionsansatzes von
DemStepCare .