Onkologische Welt 2024; 15(04): 203
DOI: 10.1055/a-2268-4793
Editorial

NSCLC-Immuntherapie – neoadjuvant oder perioperativ?

Authors

  • Alexander Kretzschmar

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Dr. Alexander Kretzschmar

Vor rund 50 Jahren veränderte sich das Tätigkeitsfeld der operativ tätigen Gastroenterologen plötzlich und dramatisch. Die chirurgische Resektion war damals bei Magen-Darm-Geschwüren die einzige kausale Therapieoption. Wer sich als Operateur darauf spezialisiert hatte wurde fast arbeitslos. Möglich wurde dies durch die Zulassung von Cimetidin als erstem Wirkstoff aus der Gruppe der H2-Rezeptor-Antagonisten 1976 zur Therapie von Sodbrennen und Magen-Darm-Geschwüren. Cimetidin wurde zu einem der ersten Blockbuster auf dem Pharmamarkt. Mit den Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) kam später eine weitere medikamentöse Option als „Magenschutz“ hinzu.

Müssen wir angesichts der Fortschritte in der Immuntherapie des frühen, resezierbaren nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) jetzt auch in der operativen Pneumo-Onkologie umdenken? Diese Frage diskutieren auch Garrassino und Torri in ihrem begleitenden Editorial zur Phase-III-Studie CheckMate 816 im New England Journal of Medicine [1], [2]. Cascone et al. erzielten in CheckMate 816 durch die zusätzliche Gabe von Nivolumab zu einer Chemotherapie über 3 Zyklen vor der Resektion eine signifikante Reduktion der Wahrscheinlichkeit von Tod oder Krankheitsprogression (Hazard Ratio [HR] 0,68; 95 % Konfidenzintervall 0,48–0,93); der mediane Follow-up betrug 41,4 Monate. Inzwischen haben jetzt 5 Phase-III-Studien mit PD-1/PD-L1-Backbone einen Vorteil einer perioperativen Immuntherapie gezeigt. Die Studie Keynote 671 mit Pembrolizumab zeigte sogar eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens (Follow-up 36,6 Monate).

Garrassino und Torri weisen darauf hin, dass in diesen Studien rund 20 % der Operationen abgesagt werden mussten, vorwiegend wegen Tumorprogression. Welche Konsequenz ergibt sich daraus für die klinische Praxis? Sollen ab sofort alle NSCLC im Stadium II mit einer perioperativen Immuntherapie-haltigen Therapie behandelt werden – und sind alle Immuntherapeutika austauschbar? Eigentlich ja, meinen die beiden Diskutanten. Aber es ist eigentlich ein Jein: Es sind noch zu viele Fragen offen, geben sie zu.

Bis zu einem endgültigen Urteil scheint es mir besser, wenn beide Strategien individuell eingesetzt werden – frei nach dem Sprichwort „Teile und (be)herrsche“ das Lungenkarzinom.

Dr. Alexander Kretzschmar, München



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Article published online:
09 August 2024

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