Schlüsselwörter SARS-CoV-2-Infektionen - Chronisch-entzündliche Darmerkrankung - CED - Morbus crohn
- Colitis ulcerosa
Tabellenverzeichnis
[Tab. 1 ]: Oxford Centre for Evidence-Based Medicine 2011 Levels of Evidence
521
[Tab. 2 ]: Schema zur Graduierung von Empfehlungen
522
[Tab. 3 ]: Einteilung der Konsensstärke
522
[Tab. 4 ]: Auswirkung der medikamentösen Therapie auf den Erkrankungsverlauf von CED-Patienten
mit COVID-19
524
[Tab. 5 ]: Schutzausrüstung in der Endoskopie modifiziert nach den Empfehlungen der ESGE
527
Abbildungsverzeichnis
[Abb. 1 ]: Schwere COVID-19-Erkrankungsverläufe bei CED-Patienten unter verschiedenen Therapeutika.
528
[Abb. 2 ]: Schematische Darstellung der Erkrankungsphasen von COVID-19
530
Zusammenfassung
In Deutschland haben sich nach Angaben des RKI seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie
ca. 38,5 Mio. Menschen mit dem Virus infiziert, über 176 000 Meschen sind an COVID-19
verstorben. Auch nach dem Ende des von der WHO ausgerufenen Gesundheitsnotstandes
und dem Übergang in eine endemische Phase besteht trotz einer durch stattgehabte Infektionen
und Impfungen vebesserten Immunität ein relevantes gesundheitliches Risiko durch eine
SARS-CoV-2-Infektion. In Deutschland leiden ca. 450 000 Patienten an einer chronisch-entzündlichen
Darmerkrankung (CED), die in der Regel einer kontinuierlichen und kompetenten Betreuung
bedürfen. Vor dem Hintergrund des erheblichen Wissenszuwachses seit der Publikation
des ersten Addendums zu den CED-Leitlinien haben 75 Experten, die die aktuell gültigen
Leitlinien der DGVS zum Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa erstellten, aktualisierten
und praxisnahe Empfehlungen für die Versorgung von CED-Patienten in Bezug auf eine
Exposition ggü. bzw. eine Infektion mit SARS-CoV-2 formulierten. Diese adressieren
das Infektionsrisiko, die (insbesondere endoskopische) Diagnostik, mögliche Konsequenzen
für die Therapie der CED, Empfehlungen für eine Behandlung von COVID-19 sowie die
aktualisierten RKI-Impfempfehlungen.
1 Informationen zur Leitlinie
1 Informationen zur Leitlinie
1.1 Herausgeber
1.2 Federführende Fachgesellschaft
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS)
1.3 Geltungsbereich und Zweck
Die Infektion mit dem neuen SARS-CoV-2-Virus (bezeichnet als COVID-19 (CO rona VI rus D isease-2019 )), die erstmalig Anfang 2020 in Deutschland aufgetreten ist, stellt laut der Risikobewertung
des Robert-Koch-Instituts (RKI) keine große Gefahr mehr für die Gesundheit der Bevölkerung
in Deutschland dar. Für Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED)
besteht jedoch durch die Grunderkrankung und/oder durch die Therapie ein erhöhtes
Risiko für einen schweren Verlauf [1 ].
In Deutschland sind etwa 450 000 Einwohner an einer CED erkrankt. Für die meisten
Patienten beginnt die Erkrankung während der Schulzeit oder der Berufsausbildung und
dauert während des gesamten Lebens an. Neben dem persönlichen Leiden verursacht die
Erkrankung beträchtliche Kosten für die Gesellschaft. Für Patienten mit Morbus Crohn
bzw. Colitis ulcerosa, die insgesamt zu 33–66 % bzw. 11–29 % mit immunsuppressiv wirkenden
Medikamenten einschließlich der Biologika behandelt werden [2 ]
[3 ], aber auch die in die Behandlung eingebunden Personen des Gesundheitssystems, stellen
sich viele Fragen.
Diese Fragen sollten mit der neuverfassten Leitlinie (Juli 2020) beantwortet werden.
Da die Publikation bereits drei Jahre zurückliegt, wurden die Empfehlungen überprüft
und entsprechend aktualisiert.
1.4 Zielorientierung der Leitlinie
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der Leitlinie, Empfehlungen auszusprechen und
Handlungskorridore zu beschreiben. Dabei soll diese Leitlinie in der hausärztlichen,
internistischen, chirurgischen, pädiatrischen und gastroenterologischen Praxis einfach
anwendbar sein. Die Behandlung besonders schwerer oder komplizierter Fälle kann durch
diese Leitlinie nicht abgebildet werden. Betrachtet werden in der Leitlinie Patienten
jeden Alters mit einer CED.
1.5 Versorgungsbereich
Ambulant und stationär: hausärztlich, pädiatrisch, internistisch, chirurgisch und
gastroenterologisch.
1.6 Anwenderzielgruppe/Adressaten
Die Leitlinie richtet sich an alle an der Diagnostik und Therapie von Patienten mit
CED beteiligten Berufsgruppen (Internisten, Allgemein- und Viszeralchirurgen, Gastroenterologen,
Pathologen, Fachassistenz CED), zudem Betroffene und Angehörige. Sie dient zur Information
für Allgemeinmediziner, Kinder- und Jugendmediziner und Leistungserbringer (Krankenkassen,
Rentenversicherungsträger). Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
(DEGAM) wurde bei den Leitlinienaktualisierungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
zur Mitarbeit an den Leitlinien eingeladen, konnte das Leitlinienvorhaben aber aufgrund
personeller Engpässe nicht unterstützen. Daher wurde die DEGAM bei dem vorliegenden
Addendum nicht beteiligt. Dennoch halten wir die Leitlinie auch für Allgemeinmediziner
relevant.
1.7 Zusammensetzung der Leitliniengruppe: Beteiligung von Interessensgruppen
Die Leitung des Projektes erfolgte durch Herrn C. Schmidt (Fulda) und Frau I. Blumenstein
(Frankfurt am Main). Zur Erstellung des Addendums der bestehenden Leitlinien zum Morbus
Crohn [4 ] und zur Colitis ulcerosa [5 ] wurden universitäre und nichtuniversitäre Ärzte, Klinikärzte und niedergelassene
Ärzte aus dem Kreis aller Teilnehmenden der beiden Leitlinien eingeladen.
1.8 Repräsentativität der Leitliniengruppe: Beteiligte Fachgesellschaften
Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP)/Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP) F. Autschbach (Heilbronn), M. Anlauf (Limburg an der Lahn), G. B. Baretton (Dresden)
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) A. Kroesen (Köln), S. Fichtner-Feigl (Freiburg), C.-T. Germer (Würzburg), K. Horisberger
(Mainz), P. Kienle (Mannheim), E. Rijcken (Münster)
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) A. Kroesen (Köln), S. Fichtner-Feigl (Freiburg), C.-T. Germer (Würzburg)
Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) A. Kroesen (Köln), S. Fichtner-Feigl (Freiburg), K. Horisberger (Mainz), P. Kienle
(Mannheim), E. Rijcken (Münster)
Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) J. Ockenga (Bremen)
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) A. Stallmach (Jena)
Kompetenznetz Darmerkrankungen (KN-CED) B. Bokemeyer (Minden), S. Schreiber (Kiel)
Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) M. Juchems (Konstanz), E. Schnoy (Augsburg), A. Schreyer (Brandenburg an der Havel)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) C. Posovszky (Ulm)
Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE) S. Buderus (Bonn), P. Bufler (Berlin), J. de Laffolie (Gießen), K. Keller (Wiesbaden),
S. Koletzko (München)
Fachgesellschaft für Assistenzpersonal im Bereich chronisch entzündliche Darmerkrankungen
(FACED) P. Hartmann (Minden), J. Zemke (Herne)
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankrankheiten
(DGVS) T. Brechmann (Bochum), A. Stallmach (Jena), B. Bokemeyer (Minden), K. Aden (Kiel),
T. Andus (Stuttgart), R. Atreya (Erlangen), O. Bachmann (Pforzheim), D. C. Baumgart
(Edmonton), D. Bettenworth (Münster), M. Bläker (Hamburg), I. Blumenstein (Frankfurt
am Main), U. Böcker (Berlin), J. Büning (Lübeck), A. Dignaß (Frankfurt), R. Ehehalt
(Heidelberg), P. Esters (Frankfurt), K. Fellermann (Freudenstadt), M. Götz (Böblingen),
W. Häuser (Saarbrücken), F. Hartmann (Frankfurt), U. Helwig (Oldenburg), K. Herrlinger
(Hamburg), J. Hoffmann (Ludwigshafen), K. Kannengießer (Lüneburg), J. Klaus (Ulm),
W. Kruis (Freimersdorf/Pulheim), T. Kucharzik (Lüneburg), T. Kühbacher (Nürtingen),
J. Langhorst (Bamberg), A. Lügering (Münster), C. Maaser (Lüneburg), H. Matthes (Berlin),
G. Moog (Kassel), J. Niess (Basel), C. Ott (Regensburg), A. Pace (Neumünster), J.
Preiß (Berlin), M. Reinshagen (Braunschweig), C. Schmidt (Fulda), B. Siegmund (Berlin),
J. Stein (Frankfurt), A. Sturm (Berlin), N. Teich (Leipzig), A. Thomann (Mannheim),
C. Treese (Berlin), C. Veltkamp (Heidelberg), J. Walldorf (Halle), S. Zeißig (Dresden)
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) wurde bei
den Leitlinienaktualisierungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zur Mitarbeit an
den Leitlinien eingeladen, konnte das Leitlinienvorhaben aber aufgrund personeller
Engpässe nicht unterstützen. Daher wurde die DEGAM bei dem vorliegenden Addendum nicht
beteiligt.
1.9 Repräsentativität der Leitliniengruppe: Beteiligung von Patient*innen
Die Erstellung des Addendums erfolgte unter direkter Mitarbeit mehrerer Vertreter
der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e. V.: C. Groß, S. In
der Smitten, B. Kaltz, I. Kanbach
2 Methodologisches Vorgehen
2 Methodologisches Vorgehen
2.1 Grundlagen der Methodik
Das Leitlinienaddendum enthält insgesamt nur noch 12 Empfehlungen und basiert auf
einem Konsensus einer interdisziplinären Expertengruppe. Die Empfehlungen wurden durch
ein festgelegtes Autorenteam geprüft und überarbeitet.
Da für das Management von CED-Patienten mit COVID keine randomisierten Studien gemäß
der Evidenzlevel 1 oder 2 existieren (s. Evidenzklassifizierung des Oxford Centre
for Evidence-based Medicine 2011, [Tab. 1 ]), besteht insgesamt nur eine schwache Evidenz für alle Empfehlungen. Zu vielen Themenbereichen
stehen nur Beobachtungsstudien (mit häufig jedoch hohen Fallzahlen) und zum Teil kurzen
Beobachtungszeiträumen zur Verfügung, ergänzt um Fallberichte, Expertenmeinungen oder
Erfahrungen mit verwandten viralen Erregern. Die Datenbasis ist trotz der o. g. Limitationen
im Vergleich zum ersten Addendum zu den Leitlinien jedoch deutlich erweitert, und
ist somit robuster geworden, was eine Neuauflage der Empfehlungen für Behandelnde,
Patientinnen und Patienten sinnvoll und notwendig erschienen ließ.
Tab. 1
Oxford Centre for Evidence-Based Medicine 2011 Levels of Evidence [1 ].
Question
Step 1
(Level 1[* ])
Step 2
(Level 2[* ])
Step 3
(Level 3[* ])
Step 4
(Level 4[* ])
Step 5
(Level 5)
How common is the problem?
Local and current random sample surveys (or censuses)
Systematic review of surveys that allow matching to local circumstances[** ]
Local non-random sample[** ]
Case-series[** ]
n/a
Is this diagnostic or monitoring test accurate? (Diagnosis)
Systematic review of cross sectional studies with consistently applied reference standard
and blinding
Individual cross sectional studies with consistently applied reference standard and
blinding
Non-consecutive studies, or studies without consistently applied reference standards[** ]
Case-control studies, or “poor or non-independent reference standard”[** ]
Mechanism-based reasoning
What will happen if we do not add a therapy? (Prognosis)
Systematic review of inception cohort studies
Inception cohort studies
Cohort study or control arm of randomized trial[* ]
Case-series or casecontrol studies, or poor quality prognostic cohort study[** ]
n/a
Does this intervention help? (Treatment Benefits)
Systematic review of randomized trials or n -of-1 trials
Randomized trial or observational study with dramatic effect
Non-randomized controlled cohort/follow-up study[** ]
Case-series, case-control studies, or historically controlled studies[** ]
Mechanism-based reasoning
What are the COMMON harms?
(Treatment Harms)
Systematic review of randomized trials, systematic review of nested case-control studies,
n of-1 trial with the patient you are raising the question about, or observational study
with dramatic effect
Individual randomized trial or (exceptionally) observational study with dramatic effect
Non-randomized controlled cohort/follow-up study (post-marketing surveillance) provided
there are sufficient numbers to rule out a common harm. (For long-term harms the duration
of follow-up must be sufficient.)[** ]
Case-series, case-control, or historically controlled studies[** ]
Mechanism-based reasoning
What are the RARE harms?
(Treatment Harms)
Systematic review of randomized trials or n -of-1 trial
Randomized trial or (exceptionally) observational study with dramatic effect
Is this (early detection) test worthwhile?
(Screening)
Systematic review of randomized trials
Randomized trial
Non -randomized controlled cohort/follow-up study[** ]
Case-series, case-control, or historically controlled studies[** ]
Mechanism-based reasoning
OCEBM Levels of Evidence Working Group*. “The Oxford 2011 Levels of Evidence”. Oxford
Centre for Evidence-Based Medicine. http://www.cebm.net/index.aspx?o=5653
* OCEBM Table of Evidence Working Group = Jeremy Howick, Iain Chalmers (James Lind
Library), Paul Glasziou, Trish Greenhalgh, Carl Heneghan, Alessandro Liberati, Ivan
Moschetti, Bob Phillips, Hazel Thornton, Olive Goddard and Mary Hodgkinson.
* Level may be graded down on the basis of study quality, imprecision, indirectness
(study PICO does not match questions PICO), because of inconsistency between studies,
or because the absolute effect size is very small; Level may be graded up if there
is a large or very large effect size.
** As always, a systematic review is generally better than an individual study.
Im Anschluss an die Überarbeitung wurden alle Empfehlungen in einem Delphiverfahren
von allen Leitlinienmitarbeitern mithilfe einer 3-stufigen Entscheidungsskala abgestimmt
(ja, Enthaltung, nein). Zu Empfehlungen, die nicht mit „ja“ abgestimmt wurden, musste
ein begründender Kommentar hinterlegt werden. 11 der 12 Empfehlungen wurden mit einem
starken Konsens verabschiedet (über 95 % mit „ja“ abgestimmt), die Empfehlung 2.2
erreichte einen Konsens (93,55 % mit „ja“ abgestimmmt). Nach Sichtung der Kommentare,
hielten die Koordinierenden eine erneute Überarbeitung der Empfehlungen nicht für
erforderlich.
Die Stärke der Empfehlung ergibt sich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann)
entsprechend der Abstufung in [Tab. 2 ].
Tab. 2
Schema zur Graduierung von Empfehlungen.
Beschreibung
Syntax
starke Empfehlung
soll
Empfehlung
sollte
offen
kann
Die Konsensstärke wurde gemäß [Tab. 3 ] festgelegt.
Tab. 3
Einteilung der Konsensstärke.
Konsens
% Zustimmung
Starker Konsens
> 95
Konsens
> 75–95
Mehrheitliche Zustimmung
> 50–75
Kein Konsens
≤ 50
Im Anschluss an die Delphi-Abstimmung erfolgte die finale Überarbeitung der Kommentare
sowie die redaktionelle Zusammenstellung der Leitlinie durch das Autorenteam.
2.2 Externe Begutachtung und Verabschiedung
2.2.1 Verabschiedung durch die Vorstände der herausgebenden Fachgesellschaften/Organisationen
Die vollständige Leitlinie wurde von den Vorständen aller beteiligten Fachgesellschaften
begutachtet und konsentiert und stand als Konsultationsfassung für zwei Wochen vom
15. November 2023 bis 29. November 2023 der Fachöffentlichkeit zur Kommentierung auf
der DGVS Website zur Verfügung. Über den DGVS Newsletter wurde um Kommentierung gebeten.
Es gab keine inhaltlichen Änderungsvorschläge.
2.3 Redaktionelle Unabhängigkeit und Finanzierung der Leitlinie
Die Nutzung der CGS Plattform wurde durch die DGVS finanziert. Eine finanzielle Beteiligung
Dritter erfolgte nicht. Alle Mandatsträger und Experten arbeiteten ausschließlich
ehrenamtlich.
2.4 Darlegung von und Umgang mit Interessenkonflikten
Im Einklang mit dem AWMF-Regelwerk zum Umgang mit Interessenskonflikten gaben alle
Teilnehmenden ihre Erklärungen auf dem entsprechenden AWMF-Formular (Formblatt 2018)
ab, die im September 2023 aktualisiert wurden. Die Interessenkonflikte wurden von
den Koordinierenden der Leitlinie und von Frau P. Lynen gesichtet und gemäß den AWMF-Kriterien
als gering, moderat oder hoch kategorisiert.
Bezahlte Vortrags-/oder Schulungstätigkeit und bezahlte Autoren-/oder Co-Autorenschaft
wurden als geringe Interessenkonflikte gewertet.
Als moderat wurden nachfolgende Interessenkonflikte eingestuft:
Berater- bzw. Gutachtertätigkeit oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen
Beirat eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie,
Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer
Versicherung
Mitarbeit in einem Wissenschaftlichen Beirat (advisory board)
Forschungsvorhaben/Durchführung klinischer Studien: finanzielle Zuwendungen (Drittmittel)
für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung von Mitarbeitern der Einrichtung
vonseiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten
Auftragsinstituts oder einer Versicherung
Als hohe Interessenkonflikte wurden Eigentümerinteressen (Patent, Urheberrecht, Besitz
von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft)
eingestuft. Hohe Interessenkonflikte wurden nicht identifiziert.
Ein Themenbezug zu den Empfehlungen wurde bei den vorliegenden Interessenkonflikten
nicht festgestellt. Die Therapie der CED ist in den AWMF Leitlinien CU und MC festgelegt.
Bei den Empfehlungen dieser Leitlinie handelt es sich ausschließlich um die Fragestellung,
ob eine Therapie unter einer SARS-CoV-2-Infektion weitergeführt werden kann und ob
in die in den genannten Leitlinien empfohlenen Impfungen durchgeführt werden können.
Als schützender Faktor vor Verzerrung wird darüber hinaus die interdisziplinäre, repräsentative
Zusammensetzung der Leitliniengruppe eingeschätzt.
2.5 Verbreitung und Implementierung
2.5.1 Konzept zur Verbreitung und Implementierung
Das Addendum wird neben der Zeitschrift für Gastroenterologie im AWMF-Leitlinienportal
(www.awmf.de ) und auf der Homepage der DGVS (www.dgvs.de ) veröffentlicht. Für die Information von Laien oder Patienten wird auf die Homepage
der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung – DCCV – e. V. (https://www.dccv.de/betroffene-angehoerige/leben-mit-einer-ced/infektionskrankheitenimpfen/coronavirus/ ) verwiesen.
2.5.2 Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren
Die Gültigkeit des Addendums beträgt etwa 3 Jahre (Oktober 2026). Eine Überarbeitung
wird durch den Leitlinienbeauftragten der DGVS initiiert werden. Als Ansprechpartner
steht Ihnen die DGVS Geschäftsstelle (leitlinien@dgvs.de ) zur Verfügung. Sollte es zwischenzeitlich wichtige Neuerungen in der Therapie der
COVID-19-Erkrankung geben, die eine kurzfristige Aktualisierung notwendig erscheinen
lassen, entscheiden die Koordinierenden (C. Schmidt, I. Blumenstein) gemeinsam mit
der Leitlinienbeauftragten der DGVS (U. Denzer) über die Notwendigkeit und die evtl.
Inhalte einer Aktualisierung. Diese sollen dann online im Leitlinienportal der AWMF
und auf der Homepage der DGVS veröffentlicht werden.
Perspektivisch soll die Leitlinie als Kapitel in die Leitlinie Colitis ulcerosa integriert
und im selben Rhythmus aktualisiert werden.
3 Redaktioneller Hinweis
Geschlechtsneutrale Formulierung
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsspezifische
Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Dokument sind
somit geschlechtsneutral zu verstehen.
Partizipative Entscheidungsfindung
Alle Empfehlungen der Leitlinie sind als Empfehlungen zu verstehen, die im Sinne einer
partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient und ggf. den Angehörigen
getroffen werden und umzusetzen sind.
Besonderer Hinweis
Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, so dass alle Angaben,
insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand
zurzeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen
Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die
größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die
Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und
im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollen
bitte im allgemeinen Interesse der DGVS Redaktion mitgeteilt werden. Der Benutzer
selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation,
Medikation und Dosierung.
In dieser Leitlinie sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders
kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht
geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb
der Bestimmung des Urhebergesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der DGVS unzulässig
und strafbar. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung
reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Nutzung und Verwertung in elektronischen
Systemen, Intranets und dem Internet.
Leitlinie – Kapitel 1: Risiko für eine COVID-19-Erkrankung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen
Leitlinie – Kapitel 1: Risiko für eine COVID-19-Erkrankung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen
Empfehlung 1.1 (modifiziert 2023)
Patienten mit einer CED haben generell kein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit
SARS-CoV-2. Sie sollten die allgemein empfohlenen persönlichen Schutzmaßnahmen anwenden.
[Evidenzlevel 4, Empfehlung, starker Konsens]
Grundsätzlich sollte zwischen einer Infektion und einer Erkrankung differenziert werden.
So können bis 40 % der SARS-CoV-2-Infektionen asymptomatisch verlaufen; es liegt somit
keine Erkrankung vor. Angaben zur Inzidenz werden somit durch den methodischen Ansatz
(populationsbasiertes Testen vs. Testen von symptomatischen Personen) beeinflusst.
Die SARS-CoV-2-Pandemie führte zu erheblichen Bedenken, dass Patienten mit einer chronisch-entzündlichen
Darmerkrankung, und insbesondere Patienten mit einer immunsuppressiven Therapie ein
erhöhtes Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 haben könnten. Kleinere Studien,
insbesondere aus dem Beginn der Pandemie, ergaben widersprüchliche Ergebnisse, so
wurden zum Teil ein erhöhtes, zum Teil jedoch auch ein erniedrigtes Infektionsrisiko
beschrieben [6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]. Eine kürzlich erfolgte Auswertung des i-CARE-Registers ergab ein leicht erhöhtes
Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 (SIR 1,18; CI 1,03–1,34), wobei die Resultate
nicht bzgl. möglicher beeinflussender Faktoren kontrolliert wurden [13 ]. Eine große Registerstudie aus den USA zeigte hingegen, dass die Inzidenz von COVID-19
unter 38 178 CED-Patienten (0,23 %) und 67 433 Patienten ohne CED (0,20 %) vergleichbar
war (p = 0,29) [14 ]. Ähnliche Daten wurden auch aus Europa berichtet. In einer niederländischen Kohorte
von 34 763 Patienten lag die Inzidenz symptomatisch Erkrankter mit 287,6/100 000 Patienten
etwa gleich hoch wie in der Vergleichspopulation (333/100 000 Personen; p = 0,15.
[15 ]. In einer dänischen populationsbasierten Studie war das Risiko für SARS-CoV-2-bedingte
Erkrankungen unter CED-Patienten (2,5 %) bzw. Patienten mit anderen immun-mediierten
inflammatorischen Erkrankungen (IMID) (3,2 %) verglichen mit der Normalbevölkerung
(3,7 %) sogar geringer ausgeprägt (p < 0,01) [16 ]. Eine gleiche Tendenz zeigt eine kürzlich erschienene Metaanalyse, in die 17 Studien
eingeschlossen wurden. Hier betrug die gepoolte Inzidenzrate pro 1000 Personen bei
CED-Patienten 4,02 gegenüber 6,59 in der Vergleichsbevölkerung. Dieser Unterschied
war mit einem relativen Risiko von 0,47 statistisch nicht unterschiedlich (CI 0,18–1,26).
Auch zeigte sich kein Unterschied zwischen Patienten mit Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa (RR 1,03; CI 0,62–1,71) [17 ].
Diese Inzidenz-Zahlen müssen jedoch mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden,
da sich CED-Patienten aus Sorge vor einer SARS-CoV-2-Infektion wahrscheinlich mehr
als die Allgemeinbevölkerung geschützt haben. Bei einer Befragung von 504 CED Patienten
(davon 86 Kinder und Jugendliche) hatten sich 36 % selbst mit einem hohen Risiko für
eine Ansteckung eingestuft (> 4 Punkte auf einer Skala von 1–7), aber 75,5 % rechneten
mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf im Falle einer Infektion. Dieses
war abhängig vom Alter [18 ]. Patienten, die sich mit einem erhöhten Risiko für Infektion oder Verlauf einstuften,
sagten doppelt so häufig ihre Ambulanztermine ab (multivariable logistische Regression:
OR 2,0; 95 % CI 1,28–73,10, p = 0,0023). Patienten im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 60 Jahren mit selbst-eingeschätztem
hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf gaben dreimal häufiger an, die Benutzung
von öffentlichen Verkehrsmitteln einzuschränken oder ganz zu meiden im Vergleich zu
CED-Pateinten mit niedriger Risiko-Selbsteinschätzung. Die Ergebnisse deuten darauf
hin, dass für niedrigere Infektionszahlen bei CED Betroffenen auch eine bessere Einhaltung
der Hygiene- und Abstandsregeln verantwortlich sein könnte.
Empfehlung 1.2 (neu 2023)
Ein höheres Alter und Komorbiditäten stellen Risikofaktoren für eine Infektion mit
SARS-CoV-2 bzw. COVID-19-Erkrankung dar. Alter und Komorbiditäten, eine aktive CED
und eine systemische Steroidtherapie stellen Risikofaktoren für einen schweren Erkrankungsverlauf
(Hospitalisation, ITS-Therapie, Mortalität) dar. Eine systemische Steroidtherapie
sollte unter diesen Aspekten kritisch überdacht werden. Andere Therapeutika waren
nicht konsistent mit einem erhöhten Infektions-, Erkrankungs- oder Komplikationsrisiko
assoziiert, insbesondere Biologika waren mit einem günstigeren Erkrankungsverlauf
assoziiert ([Tab. 4 ]).
[Evidenzlevel 4, Empfehlung, starker Konsens]
Tab. 4
Auswirkung der medikamentösen Therapie auf den Erkrankungsverlauf von CED-Patienten
mit COVID-19 [26 ].
Hospitalisation
ITS-Aufnahme
Mortalität
RR
CI
RR
CI
RR
CI
Systemische Steroide
1,99
1,64–2,4
3,41
2,28–5,11
2,7
1,61–4,55
Immunsuppressiva
0,89
0,37–2,1
0,71
0,17–3,02
1,18
0,23–6,01
5-ASA
1,02
0,83–1,26
1,03
0,74–1,43
1,09
0,65–1,82
TNF-Antikörper
0,58
0,5–0,69
0,5
0,33–0,78
0,44
0,26–0,76
Integrin-Antikörper
0,66
0,56–0,78
0,72
0,42–1,24
0,5
0,32–0,78
IL-12/-23-Antikörper
0,44
0,36–0,54
0,43
0,26–0,71
0,55
0,28–1,11
JAK-Inhibitoren
0,48
0,3–0,76
0,5
0,14–1,86
0,83
0,1–7,11
Grundsätzlich können sich „Risikofaktoren für eine Infektion“ von „Risikofaktoren
für ein schweren Erkrankungsverlauf der COVID-19-Erkrankung“ unterscheiden. Vor diesem
Hintergrund erfolgt im Folgenden eine differenzierte Darstellung. Möglicherweise erklären
sich Unterschiede in den Risikoprofilen für eine Infektion bzw. eine Erkrankung durch
methodische Differenzen in den referenzierten Publikationen
Risikofaktoren für eine SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19
Wenngleich Patienten mit einer CED per se kein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion
haben, zeigt sich innerhalb der Gruppe der CED-Patienten (wie bei anderen Personen
auch), dass ein erhöhtes Lebensalter mit einem gesteigerten Krankheitsrisiko assoziiert
ist. Ein cut-off-Wert für diese Risikoerhöhung kann nicht definiert werden. Das Vorhandensein
einer oder mehrerer Komorbiditäten (z. B. Übergewicht, kardiovaskuläre Erkrankungen)
war zudem mit einem erhöhten Risiko für COVID-19 assoziiert [17 ]
[19 ]
[20 ].
Gemäß einer frühen Meta-Analyse aus 2020 ist das Risiko für COVID-19 unter einer Mesalazin-Therapie
erhöht (RR 1,89; CI 1,23–2,93), nicht aber unter einer Therapie mit Steroiden, Immunsuppressiva,
Vedolizumab und Ustekinumab [17 ]. Auch spätere Studien fanden keine Assoziation des Infektionsrisikos mit Immunsuppressiva
oder TNF-Antikörpern, wohingegen ein erhöhtes Infektionsrisiko bei einer Therapie
mit Steroiden und Vedolizumab beschrieben wurde [19 ]
[21 ]. Die Ergebnisse dieser Studien sind oft inkonsistent und meist nicht bzgl. weiterer
Risikofaktoren, wie z. B. Aktivität der CED, Nutzung protektiver Maßnahmen kontrolliert,
sodass kaum belastbare Aussagen zum Infektionsrisiko unter einer bestimmten Therapie
getroffen werden können.
Risikofaktoren für einen schweren Erkrankungsverlauf
Eine kürzlich publizierte große britische Studie weist auf der Basis von Behandlungsdaten
bei CED-Patienten (n = 199 037) gegenüber der Vergleichsbevölkerung (n = 16 508 627)
ein erhöhtes Risiko für eine stationäre Aufnahme (HR 1,25; CI 1,19–1,32) sowie ein
gering erhöhtes Risiko für die Notwendigkeit einer ITS-Aufnahme oder Tod (HR 1,08,
CI 1,01–1,16) [22 ] aus. Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der Erkrankung (Hospitalisierung,
intensivmedizinische Therapie, Mortalität) stellen ein erhöhtes Alter, eine zunehmende
Anzahl von Komorbiditäten, eine erhöhte CED-Aktivität und der Gebrauch von Steroiden
dar [6 ]
[12 ]
[15 ]
[16 ]
[19 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ]
[27 ]. Auch im SECURE-IBD-Register konnten genau diese Risikofaktoren bestätigt werden.
Insbesondere bei jüngeren Patienten (≤ 50 Jahre) war eine hohe Erkrankungsaktivität
unabhängig von anderen Faktoren mit einem Risiko für Hospitalisation (aOR 4,62; CI
2,83–7,55) bzw. ITS-Aufnahme oder Tod (aOR 3,27; CI 1,15–9,3) assoziiert [28 ].
Eine andere niederländische, propensity score-kontrollierte Studie weist ein anderes
Ergebnis aus: Dieser Studie betrug das relative Risiko für die Aufnahme auf eine Intensivstation
0,85 (CI 0,69–1,06) [17 ]
[29 ]
[30 ]. In dieser Studie unterschieden sich die Häufigkeit der Beatmungsnotwendigkeit,
des akuten Nierenversagens und einer Nierenersatztherapie nicht von der Vergleichspopulation
[29 ]
[30 ]. Interessanterweise wurden Patienten mit Colitis ulcerosa häufiger als Patienten
mit Morbus Crohn hospitalisiert (HR 1,55; 1,22–1,97), wobei die Daten erneut nicht
für weitere Risikofaktoren kontrolliert wurden [17 ].
Gemäß einer Metaanalyse betrug die gepoolte Mortalität für CED-Patienten mit COVID-19
4,3 % und war vergleichbar mit der Normalbevölkerung [17 ]
[30 ]. Auch in der o. g. großen britischen Studie war die Mortalität als singulärer Endpunkt
nicht erhöht (HR 1,07; CI 0,99–1,15) [22 ]. Vereinzelte Studien ließen vermuten, dass die Mortalität bei Patienten mit Colitis
ulcerosa höher ist als bei Patienten mit Morbus Crohn sei (RR 1,94, CI 1,22–3,1) [17 ]
[30 ]. Eine multivariate Analyse des SECURE-IBD-Registers legt jedoch nahe, dass die Assoziation
vermutlich durch weitere Risikofaktoren bedingt ist [24 ]
[31 ]
[32 ].
Kinder und Jugendliche mit CED haben wie gesunde Kinder ein geringes Risiko für einen
schweren Verlauf einer SARS-CoV-2 Infektion im Vergleich zu Erwachsenen. In einem
systematischen Review von 14 Studien mit insgesamt 4006 pädiatrischen CED-Patienten
wurden von 390 Patienten (9,7 %) mit nachgewiesener Infektion nur 5,9 % hospitalisiert
und 0,6 % benötigten eine Behandlung auf eine Intensivstation; Todesfälle traten nicht
auf [33 ].
Bedeutung der medikamentösen Therapie für den Erkrankungsverlauf
Verschiedene Studien kamen übereinstimmend zu dem Resultat, dass eine Steroidtherapie
mit einem erhöhten Risiko für eine Hospitalisierung, ITS-Aufnahme und eine erhöhte
Mortalität assoziiert ist [21 ]
[30 ]
[34 ]. Ausweislich einer aktuellen Auswertung unter Einschluss der Daten des SECURE-IBD-Registers
betrug das relative Risiko für eine Hospitalisation 1,99, für eine ITS-Aufnahme 3,41
und hinsichtlich der Mortalität 2,7 (siehe auch [Tab. 4 ], die auch das relative Risiko weiterer Substanzen zusammenfasst) [26 ].
Erste Studien erbrachten widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich der Assoziation
von 5-ASA mit einem schweren Erkrankungsverlauf [24 ]
[35 ]
[36 ]
[37 ]. Eine kürzliche propensity score-kontrollierte Kohortenstudie zeigte hingegen, dass
keine Assoziation mit einem ungünstigen Verlauf oder einer erhöhten Mortalität besteht
[30 ]. Auch die Daten des mittlerweile abgeschlossenen SECURE-IBD-Registers wiesen nicht
mehr auf eine erhöhte Assoziation von 5-ASA mit einem ungünstigen Verlauf hin, sodass
die Ergebnisse früherer Studien am ehesten durch die unvollständige Kontrolle von
Risikofaktoren (z. B. Alter) bedingt zu sein scheinen [36 ]
[38 ].
Immunsuppressiva waren gemäß zweier populationsbasierter Studien aus den USA und Frankreich
nicht mit einem erhöhten Risiko für einen ungünstigen Erkrankungsverlauf assoziiert
(Hospitalisation: RR 0,94 (CI 0,66–1,35); Beatmung oder Tod: RR 0,34 (CI 0,09–1,43)
[19 ]
[39 ]. Auch in der Meta-Analyse von Singh und Mitarbeitern konnte kein erhöhtes Komplikationsrisiko
dokumentiert werden ([Tab. 4 ]) [17 ]
[26 ]. Ebenso war in der Auswertung des SECURE-IBD-Registers eine Therapie mit Methotrexat
oder Thiopurinen nicht mit einem ungünstigen Verlauf assoziiert [38 ].
In drei populationsbasierten Studien aus den USA, Frankreich und Dänemark war eine
anti-TNF-Therapie nicht mit einem erhöhten Risiko für Hospitalisation, ITS-Aufnahme,
Intubation oder Tod verbunden [7 ]
[17 ]
[36 ]. In der abschließenden Auswertung des SECURE-IBD-Registers war das relative Risiko
für Hospitalisation/Tod, einen schweren Verlauf wie auch die Mortalität signifikant
reduziert ([Tab. 4 ]) [26 ]
[38 ]. Eine Kombination einer anti-TNF-Therapie und eines Immunsuppressivums war im SECURE-IBD-Register
verglichen mit der anti-TNF-Monotherapie mit einem höheren Risiko einer schweren Erkrankung
assoziiert (RR 4,01; CI 1,65–9,78) [37 ]. In einer Meta-Analyse, die verschiedene Therapien bzgl. des Erkrankungsverlaufes
miteinander verglich (neun Studien mit 687 CED-Patienten mit COVID-19), zeigte sich,
dass Patienten mit einer anti-TNF-Therapie seltener als Patienten mit einer Steroidtherapie
hospitalisiert wurden (RR 0,24; CI 0,16–0,35) und intensivmedizinisch behandelt wurden
(RR 0,1; CI 0,03–0,37), nicht aber seltener verstarben (RR 0,16; CI 0,02–1,71). Auch
im Vergleich zu Mesalazin-behandelten Patienten wurden anti-TNF-behandelte Patienten
seltener hospitalisiert, intensivmedizinisch behandelt und verstarben seltener [36 ].
Nach initialen, widersprüchlichen Daten zum Verlauf unter einer Therapie mit Vedolizumab
ergab das SECURE-IBD-Register ein erniedrigtes Risiko für eine Hospitalisation oder
Tod bzw. die Mortalität (als einzelnen Endpunkt), zudem keine Assoziation mit einem
schweren Erkrankungsverlauf [38 ]. Ebenso zeigten Patienten, die mit Ustekinumab behandelt wurden, ein geringes Risiko
von Hospitalisation oder Tod und einen schweren Verlauf, während die Mortalität als
singulärer Endpunkt nicht unterschiedlich war. Auch fand sich im Vergleich von Vedolizumab
bzw. Ustekinumab mit anti-TNF-Antikörpern kein erhöhtes Risiko für einen schweren
Verlauf von COVID-19 [38 ].
Die finale Auswertung des SECURE-IBD-Registers ergab ein geringes Risiko für Hospitalisation
oder Tod bei Patienten, die mit Tofacitinib behandelt wurden (RR 0,48; 0,3–0,76) [38 ]. In einer Studie mit 62 Patienten, von welchen 32 Patienten Tofacitinib in der Dosierung
2x10 mg am 1. Tag der Infektion, gefolgt von 2x5 mg/Tag für insgesamt 5 Tage erhielten,
waren eine signifikante Reduktion der Mortalität, der Einweisung auf eine Intensivstation,
der Notwendigkeit einer Beatmungstherapie und der systemischen Inflammation nachweisbar
[40 ]. Allerdings erhielten fast alle Patienten in dieser Studie zeitgleich auch Glucocorticoide.
Inwiefern die günstigen Effekte von Baricitinib auch auf die in der CED-Therapie zugelassenen
Jak-Inhibitoren Tofacitinib, Upadacitinib und Filgotinib übertragbar sind, ist nicht
abschließend geklärt. Die verfügbaren Daten deuten aber nicht auf ein erhöhtes Risiko
einer Therapie mit Jak-Inhibitoren hin. In [Tab. 4 ] sind die Daten einer früheren Meta-Analyse und des SECURE-IBD-Registers zusammenfassend
dargestellt.
Auswertungen zu bestimmten Medikamenten oder ihren Kombinationen auf den Verlauf einer
COVID-19 Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen mit CED bestätigen den günstigen
Effekt einer anti-TNF-Therapie. In einer Zusammenstellung von Daten aus zwei großen
Registern über 209 SARS-CoV-2 infizierte pädiatrische CED Patienten reduzierte sich
bei denjenigen unter anti-TNF Therapie (100/209, 48 %) das Risiko für eine stationäre
Aufnahme im Vergleich zu einer Therapie mit Mesalazin und/oder Kortikosteroiden [41 ]. Aufgrund geringer Zahlen können keine Aussagen zu den Auswirkungen der Krankheitsaktivität
als Risikofaktor für einen schweren Verlauf gemacht werden.
Empfehlung 1.3 (neu 2023)
Nach einer COVID-19-Erkrankung sollten Patienten sowohl hinsichtlich eines Erkrankungsschubes
der CED als auch möglicher Folgekrankheiten beobachtet werden.
[Evidenzlevel 5, Empfehlung, starker Konsens]
Verschiedene Untersuchungen haben den Einfluss von COVID-19 auf den Verlauf der chronisch-entzündlichen
Darmerkrankung untersucht. Eine retrospektive, propensity score-kontrollierte Kohortenstudie
an 855 458 Patienten zeigte, dass das Risiko für einen Erkrankungsschub innerhalb
von 3 Monaten nach der Erkrankung ca. 1,3-fach erhöht ist (CI 1,18–1,51) [42 ]. Interessanterweise wurde in dieser Kohorte nur bei 774 Patienten (0,1 %) die neue
Diagnose einer CED gestellt, was geringer war als in der Kontrollgruppe ohne COVID-19
(RR 0,64; CI 0,54–0,65) [32 ]. Die Ursache dieser Beobachtung ist gegenwärtig unbekannt.
Eine wichtige Frage beschäftigt sich mit der Häufigkeit des Post-COVID-Syndroms bei
CED-Patienten nach COVID-19-Erkrankung. Post-COVID-19 ist definiert als „das Fortbestehen
oder das Auftreten neuer Symptome drei Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion, wobei
diese Symptome nicht anders zu erklären sind“ [43 ]. Ein Long-COVID-Syndrom beschreibt Beschwerden und Symptome, die 4 Wochen nach Infektion
noch bestehen; der zeitliche Abstand ist somit kürzer, der Anteil von Patienten mit
Long-COVID-Beschwerden in der Regel höher als mit Post-COVID. Die Inzidenzen sind
variabel und abhängig von der infizierenden SARS-CoV-2 Variante, der Schwere der COVID
Erkrankung, dem Alter und Geschlecht, BMI, Rauchen sowie vorliegenden Grunderkrankungen.
Die Prävalenz von Long-COVID variiert zwischen 28,5 % (nach Infektion mit Omikron-Varianten)
bis 65,8 % (nach Infektionen mit Alpha-Varianten). Die Häufigkeit eines klinisch relevanten
Post-COVID-Syndroms wird in einer populationsbasierten Untersuchung aus Deutschland
mit 20,7 % angegeben [44 ]. Die Pathogenese des Post-COVID-Syndroms ist bisher unbekannt, möglicherweise sind
Veränderungen der intestinalen Mikrobiota, eine SARS-CoV-2-Antigen-Persistenz, eine
persistierende Hyperinflammation mit Autoimmunität oder Mikrozirkulationsstörungen
bedeutsam [44 ]
[45 ].
Die erste Studie, die sich spezifisch mit der Frage zur Häufigkeit von Long- bzw.
Post-COVID bei CED Patienten beschäftigt, wurde in Italien vorgelegt. Hier wurden
von 53 Patienten (40 %) aufgrund von mehr als 4 Wochen persistierender Symptome nach
SARS-CoV-2-Infektion als Long-COVID-Patienten klassifiziert [45 ]. Gemäß einer prospektiven dänischen Kohortenstudie berichteten nach 5,1 Monaten
(Median) 43,7 % der CED-Patienten über persistierende Symptome im Sinne eines Post-COVID-Syndroms.
Häufigste Symptome waren Fatigue, Geruchs-/Geschmacksverlust, Kopfschmerz, Dyspnoe
und Arthralgien. Kritisch anzumerken ist, dass eine Vergleichsgruppe fehlt. Die Autoren
beschreiben eine Assoziation mit der Beendigung einer immunsuppressiven Therapie (OR
1,5; CI 1,07–10,22) und einer schweren COVID-19-Erkrankung (OR 2,76; 1,05–3,9) [43 ]. Eine retrospektive Auswertung eines amerikanischen Registers zu CED-Patienten gibt
mit 7,3 % allerdings eine deutlich niedrigere Prävalenz für Long-COVID (also Beschwerden,
die über 4 Wochen nach der Infektion persistieren) an [46 ]. Insgesamt sind die Daten zur Häufigkeit und Relevanz des Post-COVID-Syndroms bei
CED-Patienten noch wenig belastbar; spezifische therapeutische Strategien sind nicht
etabliert.
Das sogenannte „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome Temporally associated
with SARS-CoV-2“ (PIMS-TS) oder Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS
IC) ist eine seltene, aber schwere Komplikation nach einer symptomatischen oder asymptomatischen
SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern. Sie manifestiert bevorzugt im Kindergarten und Grundschulalter
in der Regel 3–4 Wochen nach COVID-19, mit Fieber, gastrointestinalen Symptomen, mit
oder ohne Zeichen eines Kawasaki-Syndroms, nicht selten mit einer Schocksymptomatik
und einer transienten kardiorespiratorischen Insuffizienz. Seit Beginn der Pandemie
bis Ende April 2023 wurden in das deutsche Register der DGPI von 211 meldenden Kinderkliniken
921 Fälle eingeschlossen, davon hatten 19 % Grundkrankheiten [47 ]. Geimpfte Kinder sind seltener betroffen als ungeimpfte (OR 0,05; 95 % KI 0,02–0,1)
[48 ]. Die meisten Betroffenen in Deutschland mussten intensivmedizinisch behandelt werden,
3,5 % behielten Folgeschäden zurück, kein Kind verstarb, während in anderen Ländern,
z. B. den USA, mehrere Todesfälle berichtet wurden.
Leitlinie – Kapitel 2: Diagnostik
Leitlinie – Kapitel 2: Diagnostik
Empfehlung 2.1 (neu 2023)
Medizinisch notwendige Kontakte zu Patienten mit CED sollten grundsätzlich nicht eingeschränkt
werden. Bei SARS-CoV-2-positiven Patienten mit CED sollte eine ambulante oder stationäre
Vorstellung nur im Notfall oder bei dringlicher Indikation erfolgen.
[Evidenzlevel 5, Empfehlung, starker Konsens]
Die ambulante und stationäre Versorgung von CED-Patienten war in der initialen Lockdownphase
der COVID-Pandemie beeinträchtigt, hat sich aber bereits während der Pandemie wieder
weitgehend normalisiert. Da auf eine adäquate Versorgung in fachspezifischen Praxen
und Zentren nicht verzichtet werden kann, sollte die Behandlung von SARS-CoV-2 positiven
CED-Patienten unter Einhaltung der üblichen Hygieneregeln erfolgen [49 ].
Zum Schutz anderer Patienten, aber auch zum Schutz des „Gesundheitswesens“ kann versucht
werden, die Zahl der Besuche von SARS-CoV-2-positiven Patienten in Einrichtungen des
Gesundheitswesens zu reduzieren bzw. auf Notfälle und dringliche Indikationen zu beschränken
[50 ]. Eine persönliche Vorstellung von Patienten folgt den Kriterien der medizinischen
Dringlichkeit, die der behandelnde Arzt mit dem Patienten individuell festlegen muss.
Patienten sollten grundsätzlich über Infektionsschutzmaßnahmen informiert werden und,
wie üblich, vor Betreten der Räumlichkeiten telefonischen Kontakt aufnehmen, wenn
Infektionszeichen bestehen, oder ein Kontakt SARS-CoV-2-positiven Personen bestanden
hat [51 ]. Räumliche Veränderungen wie Abstände innerhalb von Wartebereichen aber auch die
Optimierung der Patientenströme durch Terminverlässlichkeit und Verhinderung von unnötigen
Ansammlungen mehrerer Personen, Zusenden von Rezepten und Formularen können einen
Beitrag zur Infektionsprävention leisten.
Ein positives Ergebnis der SARS-CoV-2-Pandemie ist die deutliche Beschleunigung in
der Umsetzung telemedizinischer Betreuungskonzepte. Alternativ zu einer persönlichen
Vorstellung, insbesondere bei Patienten in Remission, können weiterhin die in der
Pandemie etablierten Möglichkeiten der Telemedizin (z. B. Telefon- oder Videosprechstunden)
genutzt werden [52 ]
[53 ].
Ergänzend oder auch alternativ zu einer invasiven Diagnostik können zur Überprüfung
der Krankheitsaktivität bei Patienten mit CED z. B. die Durchführung von Calprotectin-Bestimmungen
im Stuhl [54 ]
[55 ], Darmultraschall-Untersuchungen oder ggf. auch MRT-Untersuchungen genutzt werden.
Möglichkeiten zur Calprotectin-Selbstmessung stehen als „home-testing“-Systeme bereits
zur Verfügung [56 ]
[57 ]
[58 ].
Empfehlung 2.2 (modifiziert 2023)
Endoskopische Untersuchungen bei CED-Patienten sollten unter Einhaltung entsprechender
Hygienemaßnahmen durchgeführt werden. Eine generelle Testung asymptomatischer Patienten
auf SARS-CoV-2 vor einer endoskopischen Untersuchung sollte nicht erfolgen.
[Evidenzlevel 5, Empfehlung, Konsens]
Endoskopien stellen einen Ort mit besonders hohem Übertragungsrisiko bakterieller
und viraler Infektionen dar, so dass die Mitarbeiter hier in besonderer Weise geschützt
werden müssen [59 ]. Während endoskopischer Untersuchungen kommt es zur Aerosolbildung. Aerosole wurden
als wesentliche Transmitter von SARS-CoV-2 beschrieben [60 ]. Darüber hinaus kommt es im Rahmen der SARS-CoV-2-Infektion bei den meisten Patienten
zu einer Ausscheidung von Virus-RNA im Stuhl [61 ]
[62 ]
[63 ]
[64 ]. Das Endoskopie-Personal ist über eine mögliche Inhalation von Tröpfchen und Aerosolen,
Kontakt über die Konjunktiven sowie über den Stuhl einem erhöhten Risiko einer Infektion
mit SARS-CoV-2 ausgesetzt. Eine vermehrte Transmission der Infektion in Krankenhäusern
von infizierten Mitarbeitern wurde in der initialen Lockdownphase beschrieben [65 ]
[66 ].
Infektionspräventive Maßnahmen haben sich insbesondere im Bereich der Endoskopie als
hochgradig effektiv erwiesen [67 ]
[68 ]. Zu Beginn der Pandemie wurden von verschiedenen Fachgesellschaften Leitlinien für
Verhaltensmaßnahmen in Endoskopien verfasst, u. a. von der ESGE [69 ], der AGA [70 ]
[71 ] und der Asian Pacific Society for Digestive Endoscopy [72 ]. Die initial vorgeschlagene Risikostratifizierung von Patienten in Hoch- und Niedrigrisikogruppen
ist bei der Wahl adäquater Hygienemaßnahmen weiterhin sinnvoll. Eine Umfrage in endoskopischen
Einrichtungen in Deutschland während der Pandemie ergab allerdings ein heterogenes
Bild bzgl. der Einhaltung der von der ESGE vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen [70 ]
[71 ]. Eine eindeutige Definition bzgl. notwendiger Endoskopien sowie die erforderliche
Anpassung struktureller Gegebenheiten und die Vereinheitlichung sinnvoller Schutzmaßnahmen
scheint daher nach wie vor erforderlich zu sein. Die aktuellen Hygienemaßnahmen sollten
sich an den Vorgaben des RKI orientieren [49 ].
Allgemeine Maßnahmen , die bei allen Endoskopien berücksichtigt werden sollten, beinhalten, dass bei allen
SARS-CoV-2 positiven Patienten eine strenge Indikationsstellung erfolgen sollte. Wiederholte
Hygieneschulungen des medizinischen Personals sind erforderlich und die eingeleiteten
Schutzmaßnahmen sollten von Hygienefachkräften begleitet werden. Die Hygieneschulung
sollte u. a. allgemeine Hygienemaßnahmen, Risikofaktoren für die Übertragung des SARS-CoV-2-Virus
und die korrekte An- und Ablage der Schutzkleidung beinhalten. Eine möglichst komplette
Impfung des gesamten medizinischen Personals ist sinnvoll, wenngleich die Impfung
bekannterweise keinen vollständigen Infektionsschutz bietet. Die Endoskopie-Aufbereitung
erfolgt nach den allgemeinen Regeln. Nach jeder endoskopischen Untersuchung erfolgt
eine postinterventionelle Flächendesinfektion mit viruziden Substanzen [69 ].
Risikomanagement vor der Endoskopie
CED-Patienten, die sich einer endoskopischen Untersuchung unterziehen, bedürfen nicht
grundsätzlich einer vorherigen Untersuchung auf SARS-CoV-2, da bei Untersuchungen
asymptomatischer Patienten die Infektionsgefahr beim Endoskopiepersonal bei Einhaltung
der üblichen Hygienemaßnahmen äußerst gering ist [71 ].
Mehrere Studien haben die Häufigkeit asymptomatischer SARS-CoV-2-Patienten im Gesamtkollektiv
vor endoskopischen Untersuchungen untersucht, die dokumentierte Infektionsrate liegt
bei 0–0,5 % [73 ]. Die Rate an Infektionen beim Endoskopiepersonal während einer Endoskopie wurde
in mindestens 8 Studien untersucht [71 ]. Die Infektionsraten variierten zwischen 0–4 % unter Endoskopiekräften. Die Studie,
die eine hohe Rate an Infektionen mit 4 % dokumentierte, wurde in Italien durchgeführt
und entstand während der ersten Infektionswelle der Pandemie zwischen Januar und März
2020 [74 ]. Unter Berücksichtigung der mittlerweile sehr konsequent praktizierten Hygienemaßnahmen
wird derzeit von einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit einer Virusübertragung während
einer endoskopischen Prozedur ausgegangen [71 ].
Personen, die symptomatisch bzgl. einer SARS-CoV-2-Infektion sind, sollten vor einer
endoskopischen Untersuchung durch molekulargenetische Verfahren auf das SARS-CoV-2-Virus
und andere respiratorische Viren getestet werden. Wichtiger als die Testung erscheint
in solchen Situationen das konsequente Einhalten der Hygienemaßnahmen (siehe oben).
Die Erhebung einer Serologie oder Durchführung einer Antigen-Testung vor einer Endoskopie
erscheint aufgrund der fehlenden Bedeutung der Serologie bei asymptomatischen Patienten
und der geringeren Testsensitivität der Antigentests nicht sinnvoll [74 ] und wird auch in den aktuellen ESGE-ESGENA Leitlinien nicht mehr empfohlen [75 ].
Das Risikomanagement während der Endoskopie beinhaltet den Einsatz der persönlichen Schutzausrüstung bei allen endoskopischen
Untersuchungen. Hierbei unterscheiden sich die Schutzmaßnahmen zwischen SARS-Cov-2
positiven Patienten und asymptomatischen Patienten. Grundsätzlich hat sich eine Einteilung
in Niedrigrisiko- und Hochrisikopatienten als sinnvoll erwiesen ([Tab. 5 ]). Patienten, die auf der Intensivstation liegen, sollten möglichst direkt in dieser
Behandlungseinheit endoskopiert werden. Bezüglich der Frage, wie das Risikomanagement
nach der Pandemie bezüglich endoskopischer Untersuchungen aussehen soll, haben sich
die Fachgesellschaften noch nicht einheitlich festgelegt. Grundsätzlich wird hier
eine risikoadaptierte, stufenweise Rückkehr zum Normalbetrieb unter Beibehaltung der
nun etablierten Hygienemaßnahmen favorisiert. Da auch in der Post-Pandemiephase von
einer dauerhaften Virusexposition ausgegangen werden muss, erscheint es sinnvoll,
die während der Pandemie eingeführten Schutzmaßnahmen in der Endoskopie zum Schutz
von medizinischem Personal und den Patienten weiterhin fortzuführen. Grundsätzlich
ist hier ein bundesweit einheitliches Konzept für Endoskopieeinheiten zu fordern.
Tab. 5
Schutzausrüstung in der Endoskopie modifiziert nach den Empfehlungen der ESGE [69 ]
[76 ].
Niedrigrisiko-Patienten
(asymptomatische Patienten)
Handschuhe
Langärmeliger, wasserdichter Kittel
ggf. Mund-Nasenschutz
Hochrisiko-Patienten
(gesicherte Infektion)
FFP2 Maske oder FFP3 Maske, falls verfügbar (keine Wiederverwendung)
2 Paar Handschuhe
Haarschutz
Schutzbrille oder Schutzschild
Langärmeliger, wasserdichter Einmalkittel
Innerhalb des Behandlungsteams sollte untereinander auf eine Einhaltung der Hygiene-
und Schutzmaßnahmen geachtet werden. Eine Verminderung der Aerosolbildung sollte angestrebt
werden. Dies kann durch vorsichtiges Entfernen von Materialien aus dem Arbeitskanal
und insbesondere eine kontinuierliche Absaugung während der Extraktion erreicht werden
[75 ].
Leitlinie – Kapitel 3: Therapieanpassung
Leitlinie – Kapitel 3: Therapieanpassung
Insbesondere zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie standen die betroffenen Patienten und
ihre Behandler vor der Frage, welche Rolle die medikamentöse Therapie in Bezug auf
eine Infektion mit dem Virus spielt. Es lagen initial keine entsprechenden Daten vor
und durch verschiedene Virusvarianten liegen aktuell überwiegend Erkenntnisse mit
den initialen Virusvarianten vor der Omikronvariante und auch vor einer entsprechenden
SARS-CoV-2-Vakzinierung vor.
Das SECURE-IBD Register, in welches weltweit bis Januar 2022 über 7000 CED Patienten,
die eine SARS-CoV-2-Infektion erlitten hatten, eingeschlossen wurden, liefert Daten,
die im Hinblick auf Risiken und Komplikationen einer SARS-CoV-2 Infektion, generell
ein Management der CED-Therapie wie vor der Pandemie unterstützen [77 ]. Im Allgemeinen gelten daher heute die Empfehlungen zur Therapie der CED, wie sie
in den allgemeinen Leitlinien zur medikamentösen Therapie des Morbus Crohn und der
Colitis ulcerosa festgelegt wurden. Ziel der Therapie ist eine steroidfreie klinische
Remission. Wie oben bereits ausgeführt, ist einer der bedeutendsten unabhängigen Prädiktoren
für einen schweren Verlauf bei CED-Patienten eine hohe Krankheitsaktivität [78 ].
Im Folgenden werden Empfehlungen zur praktischen Umsetzung der medikamentösen Therapie
der CED in einer SARS-CoV-2-Pandemie oder -Endemie gegeben.
Empfehlung 3.1 (neu 2023)
Eine Therapie mit Sulfasalazin oder Mesalazin ist nicht mit einem schweren Verlauf
assoziiert. Die Therapie sollte während einer SARS-CoV-2-Infektion fortgesetzt werden.
[Evidenzlevel 3, Empfehlung, starker Konsens]
Die erste Auswertung des SECURE-IBD-Registers hatte eine leichte Assoziation zwischen
einer Mesalazin-/Sulfasalazineinnahme und einem schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung
beschrieben [37 ]. Eine pathophysiologische Erklärung für die Beobachtung lag nicht vor, zumal beide
Medikamentengruppen vor allem lokal wirken. Es wurde bereits zu diesem Zeitpunkt diskutiert,
ob möglicherweise eine Beeinflussung der Daten durch das Alter der Patientinnen und
Patienten und/oder eine mangelnde Entzündungskontrolle unter Mesalazin (im Sinne von
Confoundern) zu dem Resultat beigetragen haben könnten. In der Auswertung von Januar
2022 ist keine solche Assoziation mehr zu erkennen, was durch die Auswertung der iCARE-Kohorte
vom Juni 2022 bestätigt wurde [13 ]
[38 ]. Daher können sowohl Mesalazin als auch Sulfasalazin während der COVID-19-Erkrankung
fortgesetzt werden.
Empfehlung 3.2 (neu 2023)
Patienten mit einer CED und einer immunsuppressiven Therapie haben generell kein erhöhtes
Risiko für einen schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion. Eine immunsuppressive
Therapie (Thiopurin, Methotrexat) sollte deshalb bei einer COVID-19-Erkrankung fortgesetzt
und nur im Einzelfall pausiert werden.
Eine längerdauernde (> 14 Tage) Therapie mit systemischen Steroiden, insbesondere
in Dosierungen > 10–20 mg Prednisonäquivalent/Tag sollte vermieden werden.
[Evidenzlevel 3, Empfehlung, starker Konsens]
Bereits in der ersten am 13.03.2020 veröffentlichten Einschätzung der ECCO wurde betont,
dass ein Absetzen oder eine Dosisreduktion zur Risikoreduktion einer immunsuppressiven
Therapie für eine COVID-19-Erkrankung nicht empfohlen werden kann [79 ]. An dieser Einschätzung hat sich im Verlauf nichts geändert. Die Unterbrechung der
Therapie im Einzelfall sollte insbesondere bei zusätzlichen Faktoren als der Infektion
mit SARS-CoV-2 erwogen werden (z. B. bei ausgeprägter Lymphozytopenie). Die klinischen
Erfahrungen bestätigen, dass eine erhöhte Aktivität der CED den Verlauf einer COVID-Erkrankung
eher ungünstig beeinflussen kann [80 ]
[81 ].
Die verfügbaren Daten zur Therapie mit systemischen Steroiden weisen auf eine erhöhte
Mortalität und sekundäre Infektionen bei Influenzapatienten hin, die eine Steroidtherapie
erhalten [82 ]. Eine protektive Wirkung der Steroide wurde hingegen nur in der Phase der Hyperinflammation
bei Patienten mit COVID-19-assoziiertem ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome)
beobachtet [83 ] (zur Therapie von COVID-19 mit Steroiden s. u.). Die Auswertung der Patientenverläufe
von Patienten mit CED und gesicherter SARS-CoV-2-Infektion aus den IBD-Registern zeigen,
dass die Komplikationsrate (Aufnahme auf die Intensivstation/Notwendigkeit zur Beatmung/Tod)
von der Art der Behandlung der Grunderkrankung abhängt [83 ]. Im SECURE-IBD-Register haben jedoch Patienten mit einer systemischen Steroidtherapie
die höchste Mortalität im Vergleich zu Patienten, die mit anderen Substanzen behandelt
wurden ([Abb. 1 ]). Eine gleiche Tendenz in der Assoziation – aber abgeschwächt – ist für Budesonid
zu sehen. In rheumatologischen Registerstudien wurde bereits ab einer Dosis von 10 mg
Prednisolon ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf beobachtet. [84 ]
[85 ] Systemisch wirkende Steroidtherapien, insbesondere in Dosierungen über 10–20 mg/Tag,
sollten somit insbesondere bei erhöhtem Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 vermieden
werden [77 ].
Abb. 1 Schwere COVID-19-Erkrankungsverläufe bei CED-Patienten unter verschiedenen Therapeutika
[70 ]
[71 ]. Dargestellt ist der prozentuale Anteil der Patienten, die verstorben sind bzw.
den kombinierten Endpunkt (Aufenthalt auf einer ITS-Station/Beatmungspflicht/Tod)
erlitten haben, in Abhängigkeit der medikamentösen Behandlung. Insgesamt gingen in
die Auswertung die Daten von 7038 Patienten ein; dabei ergibt die Summe der zu den
einzelnen Medikamenten aufgelisteten Patienten einen höheren Wert, da auch Kombinationstherapien
durchgeführt wurden. Auffällig ist die hohe Sterblichkeitsrate bei Patienten, die
mit Steroiden (oral/parenteral) behandelt wurden (rotes Rechteck), im Vergleich zu
günstigen Verläufen bei Patienten, die mit TNF-Antikörpern bzw. IL-12-/IL-23-Antikörpern
behandelt wurden [77 ]. [rerif]
Empfehlung 3.3 (neu 2023)
Bei Patienten mit COVID-19 sollte eine Therapie mit Biologika (Adalimumab, Golimumab,
Infliximab, Mirikizumab, Risankizumab, Ustekinumab und Vedolizumab) in der Regel fortgesetzt
und nur im Einzelfall pausiert werden.
[Evidenzlevel 3, Empfehlung, starker Konsens]
Die Daten der SECURE-IBD-Studie ergeben auch keine Hinweise für ein erhöhtes Risiko
eines ungünstigen Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung (Intensivbehandlung, Mortalität)
unter einer Therapie mit TNF-Antikörpern, Ustekinumab und Vedolizumab. TNF-Antikörper
könnten sogar möglicherweise eine Verminderung des pulmonalen Organschadens bewirken.
Da hohe IFN-γ- und TNF-α-Spiegel mit schweren Verläufen einer SARS-CoV-Infektion assoziiert
sind, wird eine Blockade von TNF als mögliche Option zur Behandlung dieses Zytokin-Release-Syndroms
bei einigen Patienten postuliert [42 ]. In einer Metaanalyse aus 24 Studien, welche die Daten aus dem SECURE-IBD Register
inkludierte, konnte der protektive Effekt von TNF-Antikörpern für das Auftreten von
unerwünschten Ereignissen wie Hospitalisierung, invasive Beatmung, Aufnahme auf eine
Intensivstation oder Tod ebenfalls detektiert werden (OR 0,47; 95 % KI 0,41–0,53).
Risankizumab und Mirikizumab waren während der Zeit, in der die oben genannten Registerstudien
durchgeführt wurden, noch nicht zur Therapie der CED zugelassen. Es ist jedoch anzunehmen,
dass auch die beiden IL-23p19-Inhibitoren nicht mit einem erhöhten Risiko für einen
schweren Verlauf assoziiert sind.
Insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die nicht in einer stabilen oder tiefen
Remission sind, sollte die Therapie fortgeführt werden, auch um den Einsatz von Kortikosteroiden
zu vermeiden.
Gemäß den Daten des SECURE-IBD-Registers scheint die Kombination aus Infliximab und
Azathioprin mit einem höheren Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf assoziiert
zu sein als die anti-TNF-Monotherapie [77 ]. Bei Patienten mit dieser Kombinationstherapie sollte daher in Abhängigkeit des
individuellen Erkrankungsverlaufes über die Fortsetzung der Kombinationstherapie entschieden
werden. Ggf. kann im Einzelfall die Thiopurin-Therapie zwischenzeitlich pausiert werden.
Sollte die Gabe der o. g. Medikamente in die Phase einer schweren COVID-19-Erkrankung
fallen, kann die Applikation verschoben werden und nach Ausheilung der Erkrankung
wieder aufgenommen werden. Diese Empfehlung trägt den bekanntermaßen teilweise langen
Halbwertszeiten der Substanzen jedoch keine Rechnung und erfordert eine individuelle
Entscheidung.
Empfehlung 3.4 (neu 2023)
Die Therapie mit den für die Behandlung der CED zugelassenen JAK-Inhibitoren kann
während einer COVID-19-Erkrankung fortgesetzt werden.
[Evidenzlevel 3, Empfehlung offen, starker Konsens]
Daten aus dem SECURE-IBD-Register der IOIBD und dem iCARE-Register zeigen keine Assoziation
zu einem schweren Verlauf einer SARS-COV2-Infektion bei Patientinnen und Patienten,
die mit JAK-Inhibitoren behandelt wurden. Betrachtet wurde dabei die Therapie mit
Tofacitinib, da Filgotinib und Upadacitinib zu dem Zeitpunkt der Datenerhebung noch
nicht zugelassen waren [13 ]
[38 ]. Es ist jedoch anzunehmen, dass auch die beiden neueren, zugelassenen JAK-Inhibitoren
nicht mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf assoziiert sind.
JAK-Inhibitoren haben zudem bei COVID-19-Patienten (der Allgemeinbevölkerung) mit
schwerem Krankheitsverlauf einen positiven Effekt auf die Mortalität, wie eine Meta-Analyse,
die insgesamt 14 Studien umfasste, zeigte (RR 0,52; 95 %CI: 0,36–0,76, p = 0,0006)
[86 ]. JAK-Inhibitoren wurden für 1–2 Wochen nach der Infektion eingesetzt, um eine überschießende
Immunreaktion zu verhindern, wobei in den meisten Studien [82 ]
[86 ], die in die Metaanalyse einflossen, Baricitinib in der Dosierung 4 mg/Tag für 14
Tage eingesetzt wurde [86 ].
Aufgrund der Zulassung von Ozanimod bei der Colitis ulcerosa vor bzw. zum Ende des
Observationszeitraumes sind in die Kohorten der IOIBD und iCARE keine Daten eingegangen.
Daher kann keine Aussage über den Einfluss auf die SARS-COV 2-Infektion bei Patientinnen
und Patienten mit CED gemacht werden. Bei Patientinnen und Patienten mit Multipler
Sklerose, die mit S1P-Modulatoren behandelt wurden (vornehmlich Fingolimod), wurde
hingegen keine Assoziation mit einem schweren Erkrankungsverlauf beobachtet [87 ].
Leitlinie – Kapitel 4: Therapie von COVID-19
Leitlinie – Kapitel 4: Therapie von COVID-19
Empfehlung 4.1 (neu 2023)
Die Therapie einer SARS-CoV-2-Infektion bei Patienten mit CED unterscheidet sich nicht
von der Therapie bei Nicht-CED-Patienten und sollte entsprechend den aktuell gültigen
Empfehlungen der RKI-Fachgruppe COVRIIN durchgeführt werden.
[Evidenzlevel 4, Empfehlung, starker Konsens]
Die Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin (kurz: Fachgruppe
COVRIIN) unterstützt und berät das Robert Koch-Institut bei übergeordneten Fachfragen
im Management von COVID-19. Die Fachgruppe COVRIIN hat Übersichten über mögliche Therapeutika
zur Behandlung von COVID-19 für die Praxis erstellt, die in auf der Internetseite
des RKI („COVID-19-Therapieempfehlungen: Interaktive Orientierungshilfe für Ärztinnen
und Ärzte“) abgerufen werden können (http://www.dgiin.de/covriin/index.html#/ ; Stand 08.07.2023). In Abhängigkeit der Erkrankungsphase ([Abb. 2 ]), die insbesondere durch die Oxigenierung des Patienten charakterisiert wird, werden
in Form eines Algorithmus konkrete Therapieempfehlungen formuliert (etablierte Therapien
wie auch weitere Therapieoptionen für Einzelfallentscheidungen). Dabei werden nur
Substanzen bzw. Maßnahmen ausgewählt, für die eine positive Empfehlung anhand der
vorliegenden Evidenz oder Expertenmeinung ausgesprochen werden kann [88 ].
Abb. 2 Schematische Darstellung der Erkrankungsphasen von COVID-19 [88 ] [rerif].
Als Evidenz-basierte Therapieoptionen werden bei asymptomatischen Patienten oder Patienten mit mild/moderaten Symptomen
(maximal ≤ 5–7 Tagen seit Symptombeginn oder seit vermutetem Infektionszeitpunkt)
Nirmatrelvir/Ritonavir oder Remdesivir empfohlen, wobei die Wahl je nach klinischer
Situation, Kontraindikationen und der Komedikation erfolgen soll. Remdesivir wird
zudem in der Frühphase der Erkrankung bei low-flow-O2-Bedarf und einer Symptomdauer
≤ 7 Tagen empfohlen. Eine Therapie mit Dexamethason ist bei Notwendigkeit einer O2-Substitution
indiziert. Bei hospitalisierten Patienten mit schweren Symptomen soll eine Therapie
mit Baricitinib vor einer Therapie mit Tocilizumab erwogen werden. Bei Hyperinflammation
(CRP ≥ 75 mg/l) oder rapider klinischer Verschlechterung wird hingegen Tocilizumab
(+ Dexamethason) empfohlen. Grundsätzlich wird eine prophylaktische Antikoagulation
mit Heparinen (NMH/UFH) während des stationären Aufenthaltes empfohlen, sofern keine
Indikation für eine therapeutische Antikoagulation besteht.
Als Einzelfallentscheidung können bei Patienten aller Schweregrade neutralisierende monoklonale Antikörper (nMAB)
mit erhaltener Wirksamkeit gegen nachgewiesene oder wahrscheinliche Virusvarianten
appliziert werden, bevorzugt als Kombinationspartner zu einem Virustatikum. Als Monotherapie
kann ggf. Sotrovimab gegeben werden, wenn Virustatika keine Option darstellen. Die
Therapie mit nMAB sollte bevorzugt bis ≤ 5–7 Tagen seit Symptombeginn, bei immundefizienten
Patienten ggf. auch länger. Empfohlen wird in der dieser Situation eine infektiologische
Beratung. Bei hospitalisierten Patienten mit schweren Symptomen kann eine antivirale
Therapie (z. B. Remdesivir, Nirmatrelvir/ Ritonavir) bei immundefizienten Patienten
mit Viruspersistenz auch in späteren Erkrankungsphasen diskutieren werden, bevorzugt
nach infektiologischer Beratung. In ausgewählten klinischen Situationen kann nach
infektiologischer Beratung eine Kombinationstherapie von Virustatika und nMBA erwogen
werden. Eine erweiterte therapeutische Antikoagulation mit Heparinen (NMH/UFH) ist
bei hospitalisierten Patienten mit mild/moderater bis schwerer Erkrankung möglich.
Diese kann ergänzend zur spezifischen COVID-19-Therapie frühzeitig bei Nicht-ITS-Patienten
ohne Kontraindikationen erwogen werden, v. a. bei einem hohen Risiko für venöse Thromboembolien
[88 ].
Leitlinie – Kapitel 5: Impfungen
Leitlinie – Kapitel 5: Impfungen
Empfehlung 5.1 (neu 2023)
Patientinnen und Patienten mit CED sollen gemäß den aktuellen Empfehlungen der STIKO
des Robert-Koch-Instituts Impfungen gegen SARS-CoV-2 erhalten. Die Patientinnen und
Patienten können mit jedem zugelassenen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 geimpft werden.
[Evidenzlevel 5, starke Empfehlung/offene Empfehlung, starker Konsens]
Patientinnen und Patienten mit immunsuppressiver Therapie, Biologika oder small molecule-Therapien
haben ein Risiko eines reduzierten Impfansprechens [89 ]
[90 ]
[91 ]. In einer Multicenter-Studie mit 483 Patientinnen und Patienten zeigte sich nach
nur zwei Impfungen gegen SARS-CoV-2 eine signifikant verminderte Antikörperbildung
unter Behandlung mit Infliximab, Infliximab und Azathioprin, sowie Thiopurin-Monotherapie,
wenn für das Alter adjustiert wurde, für Tofacitinib hingegen nur vor der Adjustierung
[92 ]. Eine dritte Impfung gegen SARS-CoV-2 ist daher bei Patientinnen und Patienten mit
CED zu empfehlen [92 ]
[93 ]
[94 ]
[95 ]
[96 ]. Damit können stabile Serokonversionsraten erzielt werden. Dennoch zeigt sich über
die Zeit ein Rückgang der Antikörpertiter bei Patientinnen und Patienten mit CED.
Patientinnen und Patienten mit einer CED können mit jedem Impfstoff gegen SARS-CoV-2,
der auch von der STIKO (Ständige Impfkommission) bzw. dem RKI empfohlen und in Deutschland
für das jeweilige Alter zugelassen ist, geimpft werden. Das RKI empfiehlt als Grundimmunisierung
(Basisimmunität) einen mindestens 3-fachen Antigenkontakt (Impfung oder Infektion),
von denen mindestens 2 Impfungen entsprechen sollten.
Bei der COVID-19-Impfserie zur Erreichung der Basisimmunität sollte zwischen der 1.
und 2. Impfstoffdosis ein Mindestabstand von 3 Wochen (entsprechend der Fachinformation
des jeweils verwendeten Impfstoffs) und zwischen der 2. und 3. Impfstoffdosis ein
Mindestabstand von 6 Monaten eingehalten werden. Eine Infektion sollte in der Regel
nur dann als ein Ereignis für die angestrebten 3 Antigenkontakte gewertet werden,
wenn der Abstand zur vorangegangenen Impfung mindestens 3 Monate beträgt. Umgekehrt
sollte nach einer Infektion eine Grundimmunisierung frühestens 3 Monate später vervollständigt
werden [43 ]. Eine Antikörperbestimmung ist in der Regel nicht indiziert. Gemäß der STIKO des
RKI sollen Personen mit einer Grundkrankheit, die mit einem erhöhten Risiko für einen
schweren COVID-19-Verlauf einhergeht (u. a. chronisch-entzündliche Erkrankungen unter
relevanter immunsupprimierender Therapie) nach einer Grundimmunisierung zukünftig
weitere Auffrischimpfungen – in der Regel im Mindestabstand von 12 Monaten zur letzten
bekannten Antigenexposition – erhalten. Als relevante Immunsuppression sind sicher
eine Zwei- oder Dreifachkombination immunsuppressiver Medikamente zu verstehen. Auch
unter einer Therapie mit Anti-TNF-Antikörpern, Tofacitinib und vereinzelt Thiopurinen
wurden nach einer Impfung erniedrigte Antikörper-Konzentrationen gegen SARS-CoV-2
gemessen (s. o.). Ebenso gilt eine Steroidtherapie > 20 mg als eine immunsuppressive
Therapie. Daher sollte unter Verwendung dieser Therapien die Durchführung einer Auffrischimpfung
erwogen werden. Sofern die letzte bekannte Antigenexposition bereits mindestens 12
Monate zurückliegt, soll die Auffrischimpfung vorzugsweise im Herbst verabreicht werden
[43 ]
[97 ]. Sie kann mit der für alle CED Patienten (Kinder und Erwachsenen) empfohlenen Influenza-Impfung
kombiniert werden.
Pädiatrische Patienten: Während das RKI wegen überwiegend milder Krankheitsverläufe
bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen ohne Grundkrankheiten keine SARS-CoV-2-Grundimmunisierung
oder regelmäßige Auffrischimpfung empfiehlt, besteht die Empfehlung zur Impfung für
Patienten ab einem Alter von 6 Monaten bei einer Grundkrankheit mit erhöhtem Risiko
für eine schweren COVID-19-Verlauf [43 ]. Dazu gehören auch CED-Patientinnen und -Patienten unter relevanter Immunsuppression,
bei Beginn der CED sehr junge Kinder (unter 6 Jahren), mit sehr schwer zu kontrollierender
Entzündung oder wiederholtem systemischem Steroidbedarf sowie Patientinnen und Patienten,
bei denen als Ursache der CED eine angeborene Immundefizienz nicht sicher ausgeschlossen
werden kann. Für Personen unter 18 Jahren sind nur m-RNA-Impfstoffe gegen COVID-19
mit verschiedenen Dosierungen zugelassen. Eine Metaanalyse zur Effektivität und Sicherheit
dieser Impfstoffe bei 10 935 541 geimpften Kindern zwischen 5 und 11 Jahren zeigten
eine Risikoreduktion für eine symptomatische Infektion auf die Hälfte und für eine
Hospitalisierung auf ein Drittel im Vergleich zu Ungeimpften sowie eine gute Verträglichkeit.
Die bei männlichen Adoleszenten und jungen Erwachsenen beobachteten Myokarditiden
als Nebenwirkung nach einer 2. Impfung wurden bei Kindern unter 12 Jahren mit einer
beobachteten Häufigkeit von 1,8 pro 1 Million (95 % KI 0–0,001 %) nicht als vermehrt
eingestuft [48 ].
Empfehlung 5.2 (neu 2023)
Impfungen gegen SARS-CoV-2 sollten bei Patienten mit CED unabhängig von der CED-Therapie
und Krankheitsphase zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchgeführt werden.
[Evidenzlevel 5, Empfehlung, starker Konsens]
Die Risiken einer SARS-CoV-2-Impfung bei Patientinnen und Patienten mit CED sind gering
und vergleichbar mit gesunden Kontrollgruppen [98 ]. Eine bestehende immunsuppressive Therapie, Therapie mit Biologika oder eine small
molecule-Therapie stellen keine Kontraindikation für eine Impfung gegen SARS-CoV-2
dar. Auch eine Verzögerung einer Impfung gegen SARS-CoV-2 sollte aufgrund einer bestehenden
Therapie mit Immunsuppressiva, Biologika oder small molecules nicht erfolgen.
Da einige Patientinnen und Patienten mit CED unverändert Bedenken hinsichtlich einer
Impfung gegen SARS-CoV-2 haben [99 ]
[100 ], sollte eine entsprechende Aufklärung und Beratung durch den/die Behandler erfolgen.